Carl Arnold Kortum
Die Jobsiade
Carl Arnold Kortum

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Zweites Kapitel

Von den Eltern unsers Helden und wie er geboren ward, und von einem nachdenklichen Traum, den seine Mutter hatte.
  1. Eh' ich weiter gehe, muß ich etwas melden
    Von den beiden Eltern unsers Helden,
    Auch noch ein oder anders Wort,
    Von seinem wahren Geburtsort.
  2. Und zwar war es ein Städtlein in Schwaben,
    Wo seine Eltern gewohnet haben,
    Alda sein Vater, Hans Jobs, ohne Gefahr
    Erster ehrwürdiger Rathsherr war.
  3. Er war reich, hatte Schafe, Kühe und Rinder,
    Auch außer unserm Helden noch viele Kinder,
    Sowol von männlich- als weiblichem Geschlecht,
    Und lebte übrigens schlecht und recht.
  4. Hatte dabei einen kleinen Weinhandel,
    War aufrichtig im Leben und Wandel,
    Und sowol im Rathhaus als daheim fromm,
    Dabei auch ein großer Oekonom.
  5. Er war von Religion ein ächter Lutheraner,
    In der Philosophie aber nicht Kartesian- noch Wolfianer,
    Weil er überhaupt weder Kartes, Wolf oder Kant
    Noch sonst eigentlich Philosophie verstand.
  6. Jedoch hatte er ein wenig studiret
    Und ein Jahr lang das Gymnasium frequentiret,
    Wußte folglich in so weit viel mehr
    Als sonst gewöhnlich ein hochweiser Rathsherr.
  7. Er lieh gern Dürftigen und Elenden,
    Wenn sie Etwas hatten zu verpfänden,
    Nahm höchstens zwölf Procent davon
    Und war sehr dick und klein von Constitution.
  8. Aß übrigens und trank nach Appetite
    Und bei seinem phlegmatischen Geblüte,
    Rauchte er manche Pfeife Tabak,
    Und fand am Zeitungslesen Geschmack.
  9. Doch oft litte er von überlaufender Galle
    An einem starken podagrischen Anfalle,
    Doch hinderte ihn dieses niemals nicht
    Zu verrichten als Rathsherr seine Pflicht.
  10. Die Mutter war von ehrsamen Stande,
    Die beredsamste Frau im ganzen Schwabenlande,
    Groß und hager und tugendsam
    Und so sanftmüthig als ein Lamm.
  11. Doch, wie es in den allermeisten Ehen
    Leider! nicht selten pfleget zu geschehen,
    Hatte sie im Hause dann und wann,
    Bei Gelegenheit, die Hosen an.
  12. Dies gab nun zwar, wie leicht zu gedenken,
    Zuweilen kleine Händel und Gezänken;
    Im übrigen aber liebte sich
    Dieses theure Paar gar zärtlich.
  13. Sie hatten nun seit etlichen Jahren
    Die Geburt mehrerer Kinder schon erfahren,
    Doch geschahe es abermals zur Hand,
    Daß sich Frau Jobs wieder schwanger befand.
  14. Als sie nun nach etwa neun Monaten sahe,
    daß die Zeit ihrer Entbindung sich nahe:
    So machte gedachte Frau Jobs alsbald
    Zur Niederkunft die gehörige Anstalt.
  15. Ehe ich aber nun weiter hier dichte,
    Erzähl' ich erst eine besondere Geschichte,
    Oder einen Traum dieser Frau vielmehr,
    Welcher allerdings gehört hieher.
  16. Die Erfahrung lässet manches Mal sehen,
    Daß die Träume gewiß nicht zu verschmähen,
    Lieber Leser! das glaube mir,
    Du siehst davon ein Exempel hier.
  17. Einst nämlich lag Frau Jobsen im Bette,
    Und es kam ihr im Traum vor, als hätte
    Sie ein gewaltiges großes Horn,
    Statt eines kleinen Kindleins, geborn.
  18. Dieses Horn nun tönte und krachte
    So mächtig, daß sie darob erwachte,
    Und sie hat, seitdem sie erwacht,
    Oefters darüber nachgedacht.
  19. Eine Frau, welche sie über die Deutung gefraget,
    Hat ihr damals zu ihrem Troste gesaget:
    Es zeige deutlich der Traum an,
    Daß ihr Kind werde ein gewaltiger Mann.
  20. Und daß seine Stimme sie würde ernähren,
    Er würde sie als Pfarrer lassen hören;
    Denn das beweise klärlich und schön
    Das große Horn mit seinem Getön.
  21. Doch wir wollen uns hieran nicht kehren,
    Die Zukunft wird die Bedeutung wol lehren,
    Wenn das Kind zu seinen Jahren wächst.
    Ich schreite nun wieder zum Text.
  22. Die Mutter legte nun Windel und Hemder
    Zurechte, und am dreißigsten September
    Wurde dieselbe zur rechten Zeit
    Durch die Geburt eines Knäbleins erfreut.
  23. Welch ein Vergnügen gab dies dem Vater!
    Himmel! wie freute sich der Senater!
    Und wie sprang er nicht, als er da
    Das artige Büblein zur Welt sah.

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