Carl Arnold Kortum
Die Jobsiade
Carl Arnold Kortum

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Achtzehntes Kapitel

Wie Hieronimus nun anfing geistlich zu werden und wie er ein schwarzes Kleid und eine Perücke bekam, und wie er auf der Kanzel zum ersten Mal predigte, u. s. w.
  1. Als nun der andere Morgen vorhanden
    Und alles im Hause war aufgestanden
    Und beim Frühstück und Kaffeetisch
    Jeder sich befande munter und frisch,
  2. Hub der Vater an zu discuriren:
    Mein lieber Sohn! es will sich gebühren,
    Daß deine bisherige Kleiderei
    Anders in Zukunft beschaffen sei.
  3. Vorab musst du den schrecklichen Degen
    Von deiner Seite, von nun an, legen,
    Weil ein Geistlicher niemals nicht
    Anders als mit der Bibel ficht;
  4. Auch das graue Collet und die lederne Weste
    Nebst Hosen, Stiefeln und dem übrigen Reste;
    Wie auch den mächtigen Federhut;
    Denn alles dies steht keinem Geistlichen gut.
  5. Denn wenn jemand diesen Anzug sähe,
    Möchte er billig denken: o wehe,
    Das könnte eher ein Kürassier
    Sein, als ein künftiger Pfarrer hier!
  6. Wisse auch, daß eine runde Perücke
    Auf dem geistlichen Kopf sich besser schicke;
    Denn diese lässet ehrwürdig und wohl
    Ein struppichtes Haar und Zopf läßt toll.
  7. Ich habe also mir vorgenommen,
    Um zu lassen den Schneider kommen,
    Damit dir dieser ein schwarzes Kleid
    Und einen Mantel noch mache heut.
  8. Auch ist der Perückenmacher bestellet,
    Damit er, wenn es dir gefället,
    Zu deines Kopfes künftiger Zier
    Eine Perücke bringe dir.
  9. Das wird ein ehrbares Ansehen dir geben;
    Es ist aber auch nöthig daneben,
    Daß du hinfüro nicht mehr so fluchst,
    Sondern auch geistlich zu leben suchst.
  10. Hieronimus hörte zwar etwas spröde
    Seines alten Vaters vernünftige Rede,
    Doch ließ er sich endlich ebenfalls
    Alles gefallen und bereden all's.
  11. Man sah ihn darauf, eh der Tag noch vergangen,
    im schwarzen Kleide und Perücke prangen,
    Es war auch ein weißes Krägelein da,
    Gemacht von der Mutter manu propria.
  12. Geistlich staffirt vom Kopf bis zu'n Füßen,
    That er nun den Eltern kund und zu wissen,
    Daß er, zu predigen in dieser Livrei,
    Am künftigen Sonntag gesonnen sei.
  13. Er hat sich auch treu des Versprechens entledigt,
    und am folgenden Sonntag gepredigt,
    Und ohne einen sonderlichen Anstoß
    Ward er glücklich der Predigt los.
  14. Denn, wie oben, Kapitel sechszehn, gehöret,
    Hatte ein Freund ihm eine Predigt verehret,
    Diese kam ihm vortrefflich zur Hand,
    Weil er sie ganz auswendig verstand.
  15. Sie war gar vortrefflich componiret,
    Mit vielen erbaulichen Sprüchen gezieret,
    Und so voll vom gelehrten Tand,
    Daß sie Hieronimus selbst nicht verstand.
  16. Auch sein äußerer Anstand war prächtig,
    Seine Arme und Hände bewegte er mächtig,
    Und der Stimme starker Tenor
    Drang den Zuhörern stattlich ins Ohr.
  17. Es wurde übrigens von vielen hundert
    Zuhörern seine Predigt bewundert,
    Viele stießen die Köpfe an
    Und sagten: »das gibt ein ganzer Mann!
  18. Wer Henker hätte das denken sollen,
    Daß so was einst hätte werden wollen
    Aus des Jobsen dummen Hieronimus?
    Er erregt ja Verwundernuß!«
  19. Auch waren alle Verwandten gegenwärtig,
    Gafften Hieronimus an, der so fertig,
    Als hätte er längst gestanden im Amt,
    Sie erbauen konnte allesammt.
  20. Aber, ich vermag nicht das Entzücken
    Der beiden guten Eltern auszudrücken,
    Denn sie hielten nun beiderseits
    Ihn für den größten Redner bereits.
  21. Als nun der Gottesdienst verrichtet,
    Ward ein groß Freudenmahl angerichtet,
    Und in Senator Jobsens Haus
    Kamen alle Verwandten zum Schmaus.
  22. Da hat man, während dem Mittagessen,
    Nichts zu Hieronimi Lobe vergessen,
    Und man trank öfters zu dieser Zeit
    Aus großen Gläsern seine Gesundheit.
  23. Es ward auch zu denselbigen Stunden
    Von der ganzen Versammlung für gut befunden,
    Daß bei obwaltenden Umständen nunmehr,
    Zu des Hieronimus größerer Ehr,
  24. Er es nächstens müsse wagen
    Und sich zum Candidaten lassen schlagen,
    Damit er in optima Forma hie
    Werde Candidatus Ministerii.
  25. Zwar wäre es dieserhalb wol vonnöthen
    Vorerst vors Examen hinzutreten,
    Doch bei der gezeigten Gelehrsamkeit
    Hätte dieses keine Schwierigkeit.
  26. Um so mehr, da der hiesige Pfarrer schwächlich
    Wäre, so könnte Hieronimus gemächlich
    Und ohne allen Zank und Geschrei
    Antreten die erledigte Pfarrei;
  27. Wenn es nämlich bald glücklich gelünge,
    Daß der Pfarrer den Weg alles Fleisches ginge,
    Denn seine kränkliche Constitution
    Ließe dieses fest hoffen schon.
  28. Hieronimus vermochte so vielen Gründen und Flehen
    Nunmehro nicht länger zu widerstehen,
    Er gab also, obgleich ängstlich genung,
    Dazu seine Einwilligung.
  29. Er leerete übrigens zwar mit Vergnügen
    Manches großes Glas in starken Zügen,
    Doch wenn er ans künft'ge Examen gedacht,
    So hat ihm dieses ein Grausen gemacht.
  30. Endlich suchte er seine traurigen Grillen
    Durch einen tüchtigen Rausch zu stillen,
    Obgleich sein Mißfallen der alte Jobs
    Bezeigte, durch ernsthaftes Schütteln des Kopfs.

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