Ernst Kossak
Historietten
Ernst Kossak

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Das Männerquartett.

Wenn sonst meist Kriegshandwerk und Jagd die Männer auf Leben und Tod verbanden, so ist es jetzt die sanftere Kunst und zwar der sorgenbannende Gesang. Um ihm zu huldigen, schließen sich vier Männer, deren 103 Stimmen, wie die vier Elemente nach der alten Theorie, den Inbegriff ihrer Welt bedeuten, eng aneinander, und leben sich zusammen so in die süße Gewohnheit des Gesanges hinein, daß sie sich vor den Augen der Menschen nicht mehr trennen, und wenigstens an allen Abenden vereinigt gesehen und gehört werden.

Das Männerquartett bietet eine der schönsten vollgültigsten Bürgschaften für unsere Gesittung und zahllose Componisten haben sich befleißigt, ihm ihre Talente zu Gebote zu stellen, als gäbe es keine würdigeren Altäre, um darauf die Früchte ihres frommen Fleißes niederzulegen.

Unser Zeitalter, in gewisser Hinsicht allerdings sehr frivol, sehr wenig geneigt, die zarteren Forderungen des Herzens anzuerkennen, und sogar zum Spotte aufgelegt, achtet nichtsdestoweniger das Männerquartett als ein Verhältniß, welchem die bürgerliche Gesellschaft auf alle mögliche Weise ihren Schutz angedeihen lassen muß.

Vier junge Männer, zu einander geführt durch ungleiche Stimmen und gleichen Hunger und Durst, verbinden sich auf Tod und Leben, bei Tag und Nacht, in Regen und Sonnenschein, dem vierstimmigen Gesange obzuliegen. Die argwöhnische, polizeiliche Ueberwachung tritt zurück; sie bedürfen keiner Erlaubniß zu ihren Zusammenkünften; die vier Gesangsbündler kommen durch die Welt, wie die Currendeknaben, wie die Buddhaisten mit ihrer irdenen Bettelpfanne. Wo sie die Mäuler zum Singen öffnen, werden sie ihnen mit Braten und Kuchen gestopft; das Männerquartett ist die am meisten ästhetische Art der verschämten Armuth. Es ist zugleich die billigste Form der Abendunterhaltung. Ohne andere Instrumente, als vier unverwüstliche Windschläuche in vier Brustkasten, bedarf es nur eines centnerschweren Bündels schlecht geschriebener Noten und in Ausnahmefällen höchstens einer Stimmgabel zur Wiederherstellung der erschütterten Ordnung und Reihefolge der Tonarten. Wenn ein müder Greis eine Viertelmeile weit vor der Stadt bei 104 Sonnenaufgang beerdigt wird, wenn ein Liebhaber seiner Holden um Mitternacht ein Ständchen bringen will, wenn es bei einem solennen Diner die Absingung patriotischer Compositionen gilt, wenn es auf die Erheiterung einer Gesellschaft, die Ergänzung einer ausgefallenen Concertnummer ankommt: das Männerquartett leiht unverdrossen seine Kräfte. Es ist im Stande, sowohl mit leerem als mit vollem Magen zu singen, sowohl mit leichtem als mit schwerem Kopfe; nur befleißigt es sich vor Tisch gern rührender Volkslieder, wehmüthiger Alpengesänge und erstarkender Vaterlandsmelodieen, nach Tische aber wilder Trink- und Kampflieder. Wenn das Männerquartett seinen hartnäckigen Tag hat, ruht es nicht eher, als bis es aus dem Keller des Wirthes eine bessere Weinsorte, als die übliche Medocwichse, herauf gesungen hat, doch verschmäht es wiederum auch nicht in demüthiger Selbstverläugnung auf Hausfluren und in Höfen lauwarmen Ständchenpunsch und Serenadentorte unter aufgespannten Regenschirmen zu verzehren. Wie die vier Farben eines Kartenspieles vereinzelt sich zu keinem Spiele eignen, so taugt ein aus seinem Bunde gerissenes Mitglied eines ächten Männerquartetts zu nichts Musikalischem; vereinigt sind sie eine Armee. Sanft singend wiegen sie ganze Straßen in Schlaf; brüllend ermuntern sie die umfangreichsten Polizeibezirke. Wie verschieden auch die Lebensläufe und Beschäftigungen der Einzelnen sein mögen, sobald sie einander zu Gesicht bekommen, probiren sie ihre Stimmen mit dem bekannten Lalalala! Gehen sie spazieren und sie bemerken einen Busch oder eine Düngergrube, so versuchen sie das schlummernde Echo der Gegend zu wecken. Auf Wasserpartieen singen sie so lange, bis die über so viele Ausdauer entsetzten Frösche vom Zuhören heiser werden. Auf großen Landpartieen mit Damen in runden Strohhüten, Vätern mit langen Pfeifen, ganzen Schinken und Bröden auf vierspännigen Wagen, feiert das Männerquartett seine eigentlichen Triumphe. Malerisch um den Stamm eines alten Baumes gruppirt, wird es von der 105 ganzen Gesellschaft umlagert und von der versammelten Dorfjugend grinsend angestarrt. Dann singt es sein ganzes Repertoir ab. Noch ehe der Morgenthau abgetrocknet ist, hat es schon zwölf Müller- und Wanderburschenlieder mit Brummstimmen gesungen, und wenn der späte Mond bei der Heimkehr aufgeht, beginnt es seinen ersten Cyklus von Heimathsklängen mit den ein und zwanzig: »Gute Nacht an Liebchen.«

Alle Welt verehrt und liebt das Männerquartett, nur die undankbare Presse übersieht es mit vornehmer Verachtung, und um diesen Vorwurf von uns abzuwälzen, haben wir ihm dieses kleine Monument unserer Dankbarkeit für genossenes zahlloses Gute hiermit aufgerichtet und gewidmet.


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