|
Ein Flockensturm, als ging' die Welt zu Ende,
Die lange Nacht der Wintersonnenwende!
Und morgen tritt durchs winterliche Haus
Des Steinbocks die verjüngte Sonn' heraus.
Altheil'ges Juelfest, Urväterwonne,
Des Lichts Triumphtag, die Geburt der Sonne,
Dich ehr' ich zwiefach, alter Weihebrauch:
Der Sonne Wiegenfest ist meines auch.
Ja, ich betrat die Welt beim Sonnensiege,
Und unterm Steinbock stand auch meine Wiege,
Zum Sinnbild nahm ich ihn, zum Wappentier,
Sein hohes Zeichen, was bedeutet's mir?
In reinster Luft, am Rande der Moränen,
Hoch über Fernen, die sich endlos dehnen,
Der Gottheit näher ist des Steinbocks Welt,
Den Adlern und den Sternen zugesellt,
Vertraut dem Abgrund und der Wetterwolke,
Ein Märchen fast dem talgebornen Volke,
Der Berge König, tausendfach bedroht,
Lebt er – und Niederungen sind sein Tod.
So weist er aufwärts: wer in seinem Zeichen
Geboren ist, der wag' es, ihm zu gleichen,
Ihn muß die weglos rauhe Höhe locken,
Nicht vor dem Sturze bangend darf er stocken,
Auf Gipfeln ist sein Reich und seine Ruh',
Er muß den ewigen Einsamkeiten zu.
Denn nur in öden, starren, unfruchtbaren,
Kann er als Sonnenheld sich offenbaren,
Auf heil'ger Höh' die Juelfeuer zünden,
Das Licht, das neu geboren ward, verkünden.
Und huldreich ist die Sonne sein gedenk,
Wie Königskinder, die mit Festgeschenk
Die Mitgebornen ihres Tages ehren,
Sie aber gibt, was Fürsten nicht bescheren:
Das Haupt zu jeder Lichtgeburt bereit,
Mit Träumen, wahrer als die Wirklichkeit,
Den leichten Fuß, der rasch zum Gipfel trägt,
Die Hand, die wie zum Spiel den Drachen schlägt.
Mit solcher Gaben lustvoll strengem Zwange
Schickt ihren Streiter sie zum Siegesgange.
Und tausendfältig strahlt er Glanz zurück,
Daß wer ihn sieht, erkennt, er sah das Glück.
Und wo er wandelt, grünen Lenzesfluren,
Und wo er schied, da läßt er Sonnenspuren,
Ihm weicht die Finsternis, und nur im Grab
Erlischt die Glut, die allen Wärme gab.
Die Dichter, die Propheten und Erfinder,
Die Lichtgebornen all, die Sonnenkinder,
Des Steinbocks hohes Zeichen schwingen sie,
Ein Juelfest der Geister bringen sie.
Zum Dienst der Sonne kam auch ich. Doch weh',
Ein schwerer Nebel liegt, wohin ich seh',
Es dringt kein Strahl hinab zu jenen Gründen,
Wo Irrwischflammen sich am Sumpf entzünden,
Wo unterm Alp die Welt sich stöhnend quält,
Und eins dem andern schweren Traum erzählt.
Wie Kranke schleichen sie mit müdem Blicke,
Der schleppt ein Kreuz und jener eine Krücke,
Die Jugend träumt, sie geh' im weißen Haare,
Der Lenz sei krank, die Liebe auf der Bahre,
Ein jeder zittert um sein Erdenheil,
Und jeder kürzt dem andern seinen Teil,
Die Muse kam und schloß das letzte Fenster,
Und sprach mit irrem Ton: Hier sind Gespenster.
In Winkel kroch sie, wo die Fratzen lauern,
Und trieb das Nachtgezüchte von den Mauern,
Des Alpdrucks Wahn, das ängstliche Gegrübel
Vergess'ner Frevel und vererbter Übel,
Daß Hoffnung selbst vor ihrem Blick versteint,
Und jedes Haus das Haus des Atreus scheint.
O Menschheit hobst du jeden Schatz der Erden,
Um ärmer nur und ärmer stets zu werden?
Wardst du so groß, vertratst die Kinderschuh',
Und deine Kinderseligkeit dazu?
Was kannst du nicht ? Dein rollender Planet
Ist kaum noch Schranke, die dir widersteht.
Den Raum bezwingst du, raubst der Zeit die Beute,
Der Blitz, einst Bote Zeus', dir dient er heute,
Ringst mit dem Vogel um sein luftig Reich,
Ein Schritt noch, und du bist den Göttern gleich.
Und doch voll Gram an deines Tages Rüste
Blickst du nach der verlass'nen Jugendküste,
Wo du noch spieltest und die Phantasie
Dir ihre farbigen Bilderbücher lieh!
O, über alle Lande möcht ich's rufen:
Kehrt heim zu unsrer Lichtaltäre Stufen!
Ein Traum war alles, wollet nur genesen,
Noch ist die Erde, was sie je gewesen.
Noch kehrt der Lenz und seine tausend Triebe,
Noch glänzt die Freude und noch lebt die Liebe.
Kommt nur aus eurer Märkte Drang und Jagen,
Heraus, wo stille, grüne Tempel ragen,
Hört einmal wieder aus des Märchens Munde,
Dem süßen, unberedten, ewige Kunde,
Nur einmal seht von freien Bergeshöh'n
Die junge Sonne siegreich aufersteh'n,
Werft hinter euch die Angst, vergeßt des Neids,
Nennt euch der Sonne Kinder, und ihr seid's!
Umsonst, sie hören nicht. Noch immer walten
Des abgestorbnen Jahres Spukgestalten.
Der Sonnenheld, noch ist er nicht erstanden,
Der seine Brüder reißt aus Winters Banden.
Noch tiefer muß das Dunkel uns umstricken,
Der lange Frost die letzten Blüten knicken,
Ein Abend bang wie Weltenabend kommen,
Ein Brand, wie auf dem Idafeld entglommen,
Bis eine Wintersonnwend rauh und kalt
Gleich dieser bringt des Retters Lichtgestalt.
O Heil dir, Göttersohn, von Kraft entzündet,
Komm, wie die Sage dich vorausverkündet,
Wie Wali, Wotans jüngster Ruhmessproß,
Schwing du einnächtig schon dein Siegsgeschoß,
Die Hand nicht wasche, sollst das Haar nicht schlichten,
Eh du's vollbracht, dein Retten, Rächen, Richten.
Das Wort, das keiner weiß, du wirst es sagen,
Siegvaters Wort aus grauen Göttertagen,
Dem toten Balder einst ins Ohr geraunt.
Dann hebt die Erde sich vom Grab und staunt,
Denn Wunder sind gescheh'n: wo Gletscher starrten,
Ergrünt ein Feld, erblüht ein Rosengarten,
Die Ströme brechen aus kristallnen Särgen,
Und heilige Feuer glühn von allen Bergen,
Aus Näh und Ferne ziehn geschmückte Gäste
Zu einem Jubel- und Vermählungsfeste:
Es wird Natur, die dunkeläugige Braut,
Dem Geist, des Lichtes hohem Sohn, getraut.
Dann wird das Leben wonnig sein, es werden
Verjüngte Götter heimisch gehn auf Erden,
Beglückt wer dann mit ihnen wohnt und wer
Zum großen Feste kam der Wiederkehr!
Doch weil das Heil noch fern der kranken Welt,
Und weil mein Licht nur meinen Pfad erhellt,
Will ich von ihren Festen fern und Fehden
Mich mit der Zukunft einsam unterreden.
In ätherleichte Luft, zum Alpenfirn
Trägt mich der Geist, ich fühl' um meine Stirn
Das Wehen schon der ungebornen Tage,
Mein Sein leg' ich getrost auf ihre Wage,
Und leb' ein Stündchen, wo die Zukunft webt,
Indes die längste Nacht vorüberschwebt,
Bis mir der Sonne neugeborne Pracht
Aus Windeln frischen Schnees entgegenlacht.
Wohlauf! Der Steinbock tritt die Herrschaft an,
So steige, Seele, mit der Sonnenbahn! |