Isolde Kurz
Im Zeichen des Steinbocks
Isolde Kurz

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Kunst und Künstler

Kunst ist Glückseligkeit. Man hat von ihrer Gegenwart nichts direkt zu lernen. Sie versetzt in einen Zustand, wo alles Wollen aufhört, also auch das Sichbildenwollen. Durch ihren Anblick wird die Welt vollkommen. Wem nicht im buchstäblichen Sinne der Verstand dabei stille steht, der hat mit dem Kunstwerk nichts zu schaffen.

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Neue Kunst. Das Wort ist schon deshalb ein Widersinn, weil Kunst das Älteste ist, was es geben kann. Sie stammt aus den Anfängen der Menschheit, aus ihrem Spieltrieb und Kindersinn. Wo sie den verleugnet, da hat sie schon aufgehört, Kunst zu sein. Es gibt neue Kunstwerke, es kann neue Stile geben, aber keine »neue Kunst«. Weder von alter Kunst redet mir noch von neuer, sondern nur von der großen, echten, ewig einen. Ihr Inhalt kann leise wechseln mit den Zeiten, ihre Mittel sind zeitlos und wechseln nie.

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216 Es wird jetzt in Deutschland ein Kultus mit den bildenden Künsten getrieben, der vielleicht einen nahen Aufschwung vorbereitet. Die Sprache ist auch hier das empfindliche Barometer, das die kommende Kulturveränderung anzeigt. Kein Wort hört man so oft wie »künstlerisch«, es deckt jetzt eine ganze Kategorie von Begriffen, die früher unter allen möglichen Namen von einander getrennt waren. Auch der Dichter läßt sich jetzt willig unter die Künstler einreihen, der doch sonst eine eigene, höhere Rangstufe beanspruchte. Einen Hellenen würde diese Gleichstellung empören, aber heute sind wir in einer anderen Lage. Vielleicht steht der bildenden Kunst jetzt eine besondere, schon ganz nahe Mission bevor: die übergewaltige materielle Welt, die eine geistesfeindliche Macht zu werden drohte, mit Seele und Rhythmus zu durchtränken und sie so für den Geist zu erobern – die Menschheit durchs Auge zum Idealismus zurück zu verführen.

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217 Künstlerischer Egoismus. Der geistig schaffende Mensch hat zwar das Recht, sich die schwereren Verwicklungen des Lebens vom Halse zu halten und seinen Blick von der Not, vom Leiden, vom Unrecht, kurz von all den störenden Realitäten abzuwenden, denn die Verbindlichkeiten, die jeder im Leben hat, zahlt er durch seine Werke an die Gesamtheit ab und wäre somit nicht verpflichtet, sich auch noch persönlich und für den Einzelnen einzusetzen.

Aber eigentlich kommt dieses Recht nur dem Gelehrten zu gute, dessen Stoff außer ihm liegt, beim Künstler ist es anders. Schon der Maler und der Bildhauer können keinen ausgiebigen Gebrauch davon machen ohne Schaden für ihr Werk, noch viel weniger der Dichter. Wenn dieser mit seiner Person sehr haushälterisch ist, so fördert er zwar die Quantität seiner Werke, aber die Qualität leidet darunter. Denn des Dichters Material ist ewig nur er selbst – darum haßte Byron solche Schriftsteller, die nichts als Schriftsteller waren.

Die Affekte, denen der Schaffende im 218 Leben allzu ängstlich aus dem Wege gegangen ist, versagen sich ihm für die Darstellung, da er den Stoff zu seinen seelischen Gebilden nur aus der eigenen Seele holen kann. Er wird also, wenn er ihn da nicht findet, zu – vielleicht unbewußten – Anleihen greifen müssen, die er nur bei irgend einer älteren, aus der unmittelbaren Empfindung geschöpften Darstellung machen kann. Bei dieser Übertragung leidet natürlich seine Darstellung eine Einbuße an Innerlichkeit und somit an echter Wirksamkeit, die auch durch die größte Meisterschaft in der Formensprache nicht ganz verdeckt wird.

Solche Künstler nennt man kalt, sie sind vielleicht nur im Leben allzu vorsichtig gewesen.

 

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