Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Der Untergang der Alemannia ging dem Studiosus Scheffel tief zu Herzen. Er gab seinem Schmerz Ausdruck in zwei langen Gedichten, die ich in der Urschrift bewahre.
Das eine Gedicht hat er in den Osterferien zu Karlsruhe verfaßt, einen kunstreichen »Chor nach Sophokles«, mit Strophen und Antistrophen und einem verschwenderischen Reichtum an Anapästen nach Platens Art. Vielleicht interessiert eine Probe daraus den Leser.
»Denn war's nicht fidel, als hier in dem Horn, im menschengefülleten Saale Zusammen noch kam, wer immer das Haupt mit blauer Mütze bedeckte? Und als im Gespräch die Meinungen laut man wechselseitig ertauschte Und die vollen Gläser ertönten mit Macht, und der Geist sich rieb an dem Geiste? Das rege Leben bestehet ja nur im Kampf der verschiednen Prinzipe Und gewähret mehr Lust, als wenn sich nur Gleichdenkende abseparieren Und dieser schon weiß, was jener wohl will, und jener, was dieser sich denket. Drum preis ich mir auch die Vergangenheit an, wo stolz noch trug seine Krone Der kräftige Stamm, Alemannia genannt, als weithin schattende Eiche.« |
Ein Stoßseufzer, gekleidet in die Prosa des Wittelsbacher Dichterkönigs, schließt den rührenden Gesang: »Ich aber – gesungen habend – ein müder Barde, ziehe mich zurück in die alte leuchtende Urnacht meines Geistes.«
Das zweite Gedicht stammt aus den ersten Tagen des Sommersemesters 1845. Aus den Ferien nach Heidelberg zurückgekehrt, vermißte Scheffel viele der geliebten Freunde, sie waren ins Philisterium 182 abgegangen oder nach andern Universitäten gezogen; öde und verlassen lag das Horn am Neckar, die Alemannenkneipe; in 29 vierzeiligen Versen beklagte er den Untergang der schönen Verbindung. Der Leser wird es mir Dank wissen, wenn ich ihm von den 29 Versen nur 7 vorlege.
»Es ging durch Heidelbergs Straßen Ein Jüngling, gramerfüllt! Im frohen Lenzesspiele Ein traurig Winterbild. Er trägt eine blaue Kappe Er wandelt traurigen Schrittes Und mit gebrochner Stimme Wie tönten hier einst helle Wie drang im Sturmesbrausen Das war in jenen Tagen |
Fünf Jahre später, nachdem die Revolutionsstürme über Europa hingebraust waren und eine trübselige Stille sich über Deutschland gelagert hatte, führte mich ein Familienereignis aus dem Schwarzwald, wo ich auf dem Lande praktizierte, nach Heidelberg. Die Jünglinge, mit denen ich hier einst goldene Tage verlebte, hatte das Schicksal nach allen Richtungen zerstreut. Wie Scheffel irrte ich verlassen durch die Straßen, umschwebt von den Bildern der Vergangenheit. Heimgekehrt nach dem Schwarzwald wurde mir der Praxisgaul, der mich durch Feld und Wald trug, zum Pegasus, und auf dem Sattel des treuen Tieres schmiedete ich das folgende Gedicht, womit ich das Buch der Burschenzeit abschließe.
Besuch in Heidelberg 1850.
An des Neckars trauten Ufern Schmückten wir uns heitre Hallen, Bei des Gaudeamus Klängen Ließen wir die Schläger schallen. Einsam jüngst in Sommertagen Wo sind, die mich froh begrüßten, Ach, so manche fern der Heimat Andre muß ich klüger preisen Ihrer keinem doch von allen Einen faulen Gaul, auf dem er, Dennoch würd' ich gerne meinen An des Neckars trauten Ufern Einsam wandl' ich, ungegrüßet, – Eifrig liefen wir zusammen, Auf der Hirschgaß blut'ger Stätte Ja, ich gäbe Gaul und Lieder, |