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Das Schulhaus

In diesem selben Frühjahr, kurz nachdem der Sohn vom Heringsfang heimgekehrt war, erhielt der alte Joel eine Anfrage vom Pfarrer in Applum, ob er geneigt sei, einen Schulhausbau zu übernehmen.

Joel hatte früher schon einige Bauten in der Gemeinde übernommen und so billig ausgeführt, daß für ihn selbst kaum ein Verdienst übriggeblieben war. Das war wohl der Grund, warum er auch jetzt wieder aufgefordert wurde, obgleich ihn viele wohl schon für zu alt dafür gehalten hätten.

Als Mutter Thala Elversson von dem Anerbieten hörte, erklärte sie sofort, eine so bedeutende Arbeit dürfe Joel nicht mehr übernehmen, und ihr Mann widersprach ihr nicht geradezu. Aber er sprach davon, wie peinlich es für die ganze Gemeinde werden könnte, wenn ein fremder Unternehmer hereinkäme. Er sagte auch, wie gerne er mit dabei gewesen wäre, den Schulkindern ein neues Haus zu bauen, die sich bis jetzt mit dem alten, finstern und zugigen Bootshaus, das seither als Schulhaus benutzt worden war, hatten begnügen müssen.

»Du hättest nur die Pläne sehen sollen!« sagte er zu Thala. »Alles, was die Leute jetzt ausdenken, um es nett und bequem zu machen, ist dabei verwendet. Von so vielem wußte man in unserer Jugend noch gar nichts.«

»Du bist ja ganz Feuer und Flamme für den Bau,« sagte die Frau. »Wenn man der Sache auf den Grund geht, so hast du am Ende schon ja gesagt.«

Der Alte sah ganz verlegen aus.

»Ich hätte es nicht getan, wenn ich jetzt nicht einen erwachsenen Sohn im Hause hätte,« sagte er.

»Aber du hättest ihn wenigstens vorher fragen sollen,« meinte Mutter Elversson, und sie konnte sich nicht genug verwundern über Joels Unternehmungslust. Der Sohn hatte in den letzten Tagen so niedergedrückt ausgesehen, es schien ihr unmöglich, ihn zu irgendeiner Arbeit zu bewegen.

»Ich glaube, Sven würde es sicher nicht bereuen, wenn er sich überwinden könnte, bei dem Bau zu helfen,« sagte Joel. »Für jemand, der einmal auf seinem eigenen Hofe sitzen soll, ist es nur ein Vorteil, wenn er etwas von der Zimmermannsarbeit und vom Grundlegen versteht. Wenn mir Sven aber nicht helfen will, dann sage ich selbstverständlich ab.«

»Das kannst du sofort tun,« meinte die Frau.

Mutter Thala wunderte sich sehr darüber, daß Joel meinte, er könne seinen Sohn veranlassen, sich an einem Bau innerhalb des Kirchdorfes zu beteiligen. Sie meinte, dort sei der Widerwillen gegen Sven stärker als sonst irgendwo.

Der Sohn war bei dieser Unterredung anwesend, hatte aber bis jetzt geschwiegen. Er verstand jedoch sehr gut, was der Vater mit seinem Vorschlag für Absichten hatte; sein einziges Dichten und Trachten schien zu sein, ihn unter Menschen zu bringen. Der Mißerfolg mit der Najade hatte ihn nur zu der Bemerkung veranlaßt, Sven habe viel größeren Erfolg gehabt, als er erwartet hätte, und er hatte den Sohn mit den besten Worten, die er zu sagen wußte, gelobt. Sven jedoch hätte sich auch jetzt, wie früher schon, am liebsten ruhig zu Hause gehalten; aber es kam ihm vor, als ob der Vater das nicht zulassen werde, ehe er sich nicht noch einmal überzeugt hatte, wie unmöglich es den Menschen war, den Ekel zu vergessen, den er ihnen einflößte.

»Ich meine, Vater sollte nicht absagen,« sagte er jetzt. »Ich will versuchen ihm zu helfen, so gut ich kann.«

Joel war sehr erfreut über diese Antwort, und schon am nächsten Tag nahm er den Sohn mit zu einem Rundgang bei den Handwerksleuten, Zimmerleuten, Steinhauern und Maurern.

Fast wider seinen Willen fühlte sich Sven Elversson bald von der Bauarbeit hingenommen, und der Vater überließ ihm die ganze Leitung. Er überließ es ihm völlig, die Arbeit zu überwachen, und überließ ihm auch, zu bestimmen, auf welche Weise der Bau ausgeführt werden sollte. Die Grimö liegt ziemlich weit draußen im Meer, und Sven Elversson wollte nicht gerne mit dem Hin- und Herfahren zu viel Zeit verlieren, darum blieb er im Kirchdorf, solange die Arbeit währte. Auch Joel schien bald der ewigen Segelfahrten nach Applum müde zu werden. Er blieb wochenlang auf der Insel und ließ seinen Sohn mit dem Bau schalten und walten, so gut er konnte.

Wenn er je einmal ins Kirchdorf fuhr, kam er stets hochbefriedigt wieder zurück. Nach jeder neuen Fahrt erkundigte sich seine Frau ängstlich, ob denn in Applum kein Mißfallen darüber laut werde, daß sein Sohn den Bau leite, aber er hatte ihr nur gute Nachrichten zu bringen.

»Heute hab' ich Israel Jönsson getroffen, der, wie du weißt, der Vorsteher des Gemeinderats ist,« sagte Joel. »Ich hab' ihn gefragt, was er über den Schulbau denke, und da sagte er: ›Ich will es nicht leugnen, Joel, daß wir hier in Applum unsere Bedenken darüber gehabt haben, weil Ihr Euerm Sohn die Leitung des Baus überlassen habt. Aber jetzt werden sich meiner Ansicht nach der Schulrat und der Gemeinderat und alle Behörden in der Gemeinde wohl hüten, Sven von seiner Arbeit zu vertreiben. Denn wenn wir Verwaltungsbeamte sehen, daß er einen Granitsockel macht statt eines gewöhnlichen Steinsockels, wie es auf den Plänen vorgesehen war, oder wenn wir finden, daß ihm Planken für die Wände, wie es sich der Architekt gedacht hatte, nicht gut genug sind und er dafür Balken nimmt, so steckt wohl jeder seinen Widerwillen in die Tasche und läßt den Verstand walten.‹«

Nun ging der Mutter eine Ahnung auf. Ja, Joel hatte den Bau einzig und allein darum übernommen, um dem Sohn Gelegenheit zu geben, sich auszuzeichnen und sich Freunde zu erwerben. Die Absicht war gut, das mußte sie zugeben, aber sie war noch mißtrauischer als früher und konnte nicht glauben, daß es so weitergehen werde.

Als Joel das nächstemal vom Arbeitsplatz zurückkam, war es ihre erste Frage, ob Sven immer noch aushalte und ob ihn die Leute den Widerwillen, den er ihnen einflößte, nicht merken ließen.

»Ich will gar nicht sagen, was ich selbst darüber denke, denn du würdest dich vielleicht nicht auf mein Urteil verlassen, aber du sollst Wort für Wort hören, was Gunnar Markusson, der ganz nahe bei dem Bau wohnt, gestern nachmittag zu mir gesagt hat, als wir auf dem Arbeitsplatz zusammentrafen:

›Zuerst, Joel, ja, zuerst hat es etwas Aufregung darüber im Dorf gegeben, weil Sven Elversson den Schulhausbau leitet,‹ sagte er zu mir. ›Aber jetzt werden die Steuerzahler in der Gemeinde ihren Gefühlen sicherlich etwas Zügel anlegen, wenn es sich um einen Wohltäter wie Sven handelt. Jetzt läßt er das Schulhaus sogar mit Spundbrettern verkleiden, obgleich nach der Abmachung ungehobelte Bretter genügen sollten. Und er will mit Ölfarbe streichen lassen, obwohl nur die gewöhnliche rote Farbe vorgeschrieben ist. Er läßt das Dach mit Ziegeln decken, obgleich der Architekt Dachpappe für gut genug hielt. Er legt Steinstufen vor den Eingang, obgleich nur solche aus Zement vorgeschrieben waren. Nur die beste Arbeit ist diesem Eurem Sohne gut genug, und dennoch soll er, wie man sagt, nicht mehr für das Haus verlangen, als wenn er sich an die Pläne und die Kostenberechnung gehalten hätte.‹«

Mutter Thala war mehr als erfreut darüber, weil sich ihr Sohn so gut anließ, und doch konnte sie die Empfindung nicht loswerden, daß der Ekel, der ihn verfolgte, ihn nicht so leicht freigeben werde.

Erst im September fuhr Joel wieder zu dem Bau hinüber. Er blieb mehrere Tage aus, und als er zurückkam, brachte er den Sohn mit; nun sei alles fertig, berichtete er. Das Haus war besichtigt, und die besichtigenden Herren hatten nicht Worte genug gefunden, ihrer Zufriedenheit Ausdruck zu verleihen.

Die Frau war mit ihnen einer Meinung, daß das alles schön und gut sei. Sie meinte, ihr Sohn sehe aus wie einer, der aus einem Gefängnis losgekommen ist, und verstand wohl, daß er glaubte, er habe sich jetzt wieder ein bißchen Ehre und Ansehen errungen.

Seine Freude wollte sie ihm nicht gerne stören; aber sobald sie mit Joel allein war, fragte sie ihn, ob wirklich in ganz Applum niemand Sven angedeutet habe, er sei für eine solche Arbeit nicht gut genug.

»Es kann ja niemand wissen, was sich im verborgenen rührt,« sagte Joel. »Aber ich will dir auf jeden Fall einmal erzählen, was der Schullehrer gestern zu mir gesagt hat, als ich nach der Einweihung mit ihm sprach.

›Auf die Dankbarkeit der Menschen kann man sich ja niemals verlassen,‹ sagte er. ›Aber wenn ich einer von den Vätern wäre, deren Kinder in diesem neuen Schulhaus ihren Unterricht erhalten sollen, so würde ich dem Baumeister gewiß keine saure Miene zeigen. Man ist ja außerordentlich erstaunt, wenn man sieht, wie gut er den Schulsaal eingerichtet, welch schöne Farben er gewählt, welch prächtige Bänke er angeschafft, welch helles Fensterglas er eingesetzt hat! Und wenn man sich alle die Vorrichtungen für Handfertigkeitsunterricht im Saal und in der Schulküche betrachtet, und die Turngeräte und die Wärmeleitung und noch so manches andere, worauf er verfallen ist, näher ansieht, so muß man sich sagen: ein wahrer Kinderfreund hat dies Haus gebaut. Ich glaube, es möchte mancher gerne wieder ein Kind sein, um in einer Schule lernen zu dürfen, die Sven Elversson gebaut hat.‹«

Als Mutter Thala das hörte, konnte sie nicht anders, sie mußte befriedigt sein, und sie freute sich, daß all ihre Sorge unnötig gewesen war.


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