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Die Segelfahrt

Es war an einem Sonntagvormittag gegen Ende Oktober. Ein schwerer Wind wehte aus Süden, aus Ländern, in denen die Wärme noch immer zu Hause war, wo die Reben noch blühten und Knospen trieben, wo die Weintrauben eben geherbstet worden waren und der erste Traubensaft in den Bütten gärte.

Der schwere Südwind führte unruhige und angstvolle Laute mit sich. Horchte man längere Zeit darauf, so wurde man verwirrt im Kopf, als höre man einen Fremden in einer unbekannten Sprache reden. Man wußte nicht, was das für Sachen waren, von denen er berichten wollte, ob es große Geheimnisse waren, oder ob er einem nur etwas ins Ohr flüstern wollte von all den golden gefärbten Bäumen, den abgefallenen Schmetterlingsflügeln und den vielen leeren Vogelnestern, an denen er auf der Herfahrt vorbeigesaust war.

An diesem Sonntag hatte Sven Elversson seinen Vater im Segelboot nach dem kleinen Hafen jenseits der Bergwand in Applum gefahren, und der Vater war in die Kirche gegangen, um dem Gottesdienst beizuwohnen. Aber der Sohn hatte ihn nicht bis ins Kirchdorf begleitet, sondern eine Kluft zur Rechten in der Felswand aufgesucht. Die kannte er noch von alten Zeiten her; schon als Junge hatte er dort oben im grünen Heidekraut gelegen.

Die jetzige Zeit war die beste, die Sven Elversson seit seiner Heimkehr in sein Vaterland erlebt hatte. Jenes geduldige und verzagte Lächeln fing an von seinem Gesicht zu weichen, und die bitteren Seelenschmerzen hatten beinahe aufgehört, ihn zu quälen.

Als er nun so auf der Klippe lag und auf den Wind lauschte, und sich fragte, was der ihm wohl zu sagen haben könnte, und aufs Meer hinausstarrte, das groß und weit vor ihm lag, da mußte er an ein Gesicht denken, das er einmal gehabt hatte, als er ebenso wie jetzt am Meeresstrand auf einem Felsenhang lag, mit der weiten, offenen See vor Augen.

Damals war er müde geworden von dem starken Sonnenglanz auf den Wogen, er hatte die Augen geschlossen und war eine lange Weile regungslos liegen geblieben. Aber als er dann rasch die Augen aufgeschlagen und gerade vor sich hin auf die große Wasserfläche hinabgeschaut hatte, da hatte er eine Meerjungfrau gesehen.

Doch es war nur für den kürzesten Augenblick gewesen. Sie war sofort wieder verschwunden; sobald sein Blick sie getroffen hatte, war sie in ein Nebelwölkchen verwandelt, das über dem Wasser hinschwebte.

Aber gesehen hatte er sie jedenfalls, und das hatte eine große Freude in ihm erregt, er hatte sich bevorzugt, geehrt und überglücklich gefühlt, darum daß er nun einen Schimmer von einem der schönen Naturwesen erschaut hatte, die Luft und Wasser erfüllen und sich gewöhnlich so eifersüchtig vor den Menschen versteckt halten.

Er hatte auch das sichere Gefühl gehabt, daß die ganze Schar der Meerjungfrauen auf dem Wasserspiegel gespielt hatte, aber als er anfing, die Lider zu heben, waren sie allesamt verschwunden. Nur diese eine hatte nicht zu rechter Zeit untertauchen können.

Jenen Anblick hatte er niemals wieder vergessen, und niemals saß er einsam am weiten Meer, auf dem kein Segel zu schauen war, ohne daß er die Augen schloß und eine lange Weile regungslos liegen blieb, damit die Meerjungfrauen glauben sollten, er schlafe, und sich herauswagen aus der Tiefe. Aber niemals seit jenem erstenmal hatte er Glück gehabt und eine von ihnen gesehen.

Nun machte er an diesem Tag wieder einen Versuch, wenn auch mit wenig Hoffnung. Als er dann meinte, lange genug stillgelegen zu haben, und die Augen aufschlug, wurde er ganz betroffen, denn er sah allerdings keinen weißen Leib, halb Jungfrau halb Fisch, draußen auf den Wogen, aber auf einem hohen Steine, der am Saume des Wassers lag, saß ein junges Weib. Und wie sie so in ihrem hellen Gewande geschmeidig angeschmiegt oben auf dem Steine saß, konnte sie ebensogut dem Wasser entstiegen als vom Lande gekommen sein.

Doch eines war bald zu merken: die dort auf dem Steine gehörte nicht zu jenen sorglosen Naturgeistern. Einmal ums andere trocknete sie ihre Augen mit einem Taschentuch, nein, sie konnte nichts anderes sein als ein armes Menschenkind, dem Schmerz und Tränen nicht fremd waren, das sah er ganz deutlich.

Sven Elversson schaute sie an und fragte sich, was das wohl für ein Kummer sein könnte, der sie drückte. Und er hätte gerne gewußt, ob es nun wieder häßliche Hügel oder einengende Bergwände seien, die ihr Angst einflößten, infolgedessen sie nicht in die Kirche gehen konnte, sondern einsam und allein am Meeresstrand sitzen und weinen mußte.

Sven sah, wie der zarte Körper von Schluchzen durchschüttelt wurde, und aus ihrer ganzen Haltung konnte er ersehen, wie schwer das Unglück war, das sie getroffen hatte. Ach, er begriff sehr gut, sie war hierher ans Meer gegangen, um Trost zu suchen, weil sie sonst keine Seele hatte, an die sie sich hätte wenden können; diesmal jedoch hatte ihr auch das Meer nicht zu helfen vermocht.

Einen Augenblick darauf hörte die junge Frau, die auf dem Steine saß, ein schwaches Geräusch hinter sich. Sie sah einen Mann von einer Klippe herunterklettern und meinte den jungen Arbeiter wiederzuerkennen, der ihr vor einigen Wochen das Meer gezeigt hatte. Eiligst trocknete sie daher ihre Augen und ging ihm entgegen, um ihm endlich ihren Dank zu sagen.

»Ich sah Sie hier sitzen, und da nahm ich mir die Freiheit, herzukommen,« sagte der junge Arbeiter. »Dort an der Landungsbrücke liegt mein Boot. Es ist ein guter Segler, so einfach es ist, und vielleicht könnte ich die Ehre haben, Ihnen eine Segelfahrt anzubieten?«

An einem anderen Tage hätte sie wahrscheinlich sein Anerbieten nicht angenommen. Aber gerade jetzt war sie besonders empfänglich und dankbar für jede kleine Freundlichkeit, und so konnte sie nicht nein sagen. Und der junge Arbeiter, der so nett und bescheiden aussah, sollte auch nicht meinen, sie lehne es ab, mit ihm zu fahren, weil sein Boot ein ganz einfaches, unbemaltes und ungedecktes Fischerboot und er selbst ein einfacher Mann im Arbeiteranzug war, der sich am heutigen Tage in großen Wasserstiefeln, einem groben Wams und einem äußerst kleidsamen Südwester, der anzusehen war wie der eiserne Helm eines alten Seekönigs, zeigte.

So stießen sie also von Land, und er zog das Großsegel auf; der schwere Südwind füllte es und neigte das Boot auf die Seite. Er aber hielt das Steuer in fester Hand, lenkte das Boot gerade gegen Westen, und sie flogen dem offenen Meere zu.

Die junge Pfarrfrau war, wie gesagt, nicht darum mit auf die Segelfahrt gegangen, weil sie sich irgendein Vergnügen davon versprochen hätte. Sie hätte nicht geglaubt, daß es auf der weiten Welt noch irgend etwas gäbe, das imstande wäre, den großen Kummer, der an diesem Morgen auf ihr lastete, zu verringern.

Aber nachdem sie eine Weile gesegelt waren, rann ihr das Blut unwillkürlich lebhafter durch den Körper, und das Schwere, das ihr auferlegt war, erschien ihr nicht mehr ganz so unerträglich schwer.

An diesem Tag leuchtete der Himmel in hellem, reinem Blau, nur da und dort zeigten sich kleine lichte Wölkchen.

Aber so klar und hell der Himmel auch war, so fand sich doch in der Luftschicht nahe bei der Erde genügend Feuchtigkeit, um das Licht zu brechen und alle nackten und kahlen Schären grauviolett oder rötlich oder blaugrau zu färben. Diese Strahlenbrechung reichte auch aus, sie höher und größer erscheinen zu lassen, und so erhoben sich die nüchternen Felsenklippen majestätisch aus dem Wasser.

Und sie reichte auch aus, jede Spalte tiefer und schwärzer, jeden Abhang jäher und schwindelnder zu machen und jeden Abstand zu betonen, so daß man Bergkamm hinter Bergkamm in immer weicheren und feineren und himmlischeren Farbentönen sich erheben sah.

Und nachdem wieder eine Weile vergangen war, da bekam die junge Frau einen gar stillen, frommen und fragenden Blick in die Augen, und sie legte die Hände gefaltet in den Schoß wie in Anbetung versunken vor all dem Herrlichen, das sich rings um sie her ausbreitete.

Eine gute Weile dachte sie an nichts anderes mehr, als daß sie jetzt Bekanntschaft mit einem Wunder Gottes mache. Nun machte sie erst richtig Bekanntschaft mit dem Meere. Seither hatte sie nie geahnt, welches Gefühl es war, ihm so nahe zu kommen, seine Atemzüge in den Ohren rauschen zu hören, ihm in das ewig wechselnde Gesicht zu schauen, sich an seinen wogenden Busen zu legen und zu fühlen, wie es war, von ihm in Ruhe gewiegt zu werden.

Sven Elversson drehte das Steuer, und sie lenkten jetzt gen Norden zwischen die Schären hinein; nun sah sich die junge Frau unter zerklüfteten Felswänden hinsegeln, und sie erblickte kleine rote Fischerhütten unter alten, mit schweren rotbraunen Früchten bedeckten Birnbäumen, sie entdeckte kleine Wiesenfleckchen zwischen den Schroffen, die giftig grün, ja giftiger und lebenslustiger grün aussahen, als sie der lockendste Frühling zeigen kann.

Sven Elversson führte Sigrun von Sund zu Sund. Sie begegneten weißen Dampfschiffen, schweren, überlasteten Schuten und leichten Jachten, die wie riesige Segelfalter übers Wasser hinglitten.

Aber Sven Elversson verwunderte sich über das Meer und die Schären und die Hütten und die Wiesen und die Birnbäume. Denn einer solchen Größe und eines solchen Farbenreichtums und solcher Schönheit konnten sie sich nicht jeden Tag rühmen. Und er freute sich, daß die junge Frau sie in ihrer Festtagspracht zu sehen bekam.

»Sie müssen gewußt haben, wie hoch sie die Schönheit schätzt,« dachte er.

Und auch mit Sven Elversson war es dasselbe, wie mit dem Meer und mit den Schären. Er zeigte sich mehr zu seinem Vorteil, als es sonst der Fall war.

Die beiden im Boote sprachen zuerst vom Wetter und von der Schönheit um sie her, und er nannte ihr die Namen der Klippen und Inseln, an denen sie vorüberfuhren. Aber allmählich kamen sie auch aus andere Dinge zu sprechen, und sie redeten von allem möglichen, wie wenn sie schon langjährige Freunde wären.

Sven legte die hinderliche Unterwürfigkeit und Schüchternheit ab und sprach frei und natürlich, und sie verwunderte sich und dachte, solche jungen Männer, die in den Schären aufwachsen, frühzeitig zur See kommen und fremde Länder sehen, die müßten sich ja eine ganz andere Bildung und Weltkenntnis erwerben, als Leute, die beständig am Lande bleiben.

Sie faßte ein wirklich großes Vertrauen zu dem jungen Manne, denn er war bescheiden und fein und klug, und sie hätte gewünscht, ihn besser zu kennen und zu wissen, wer er war, auch hätte sie gerne einen Menschen wie ihn gehabt, den sie hätte um Rat fragen können, wenn sie etwas erlebte, wobei sich ihr eigener Verstand nicht zu helfen wußte.

Und was Sven Elversson betrifft, so überkam ihn, während er mit ihr redete, mit dieser Unschuldigen, die nicht wußte, was Sünde war, eine große Lust, von seinem Vergehen zu berichten.

Er überlegte, daß die Menschen, die sich seither an ihm geärgert und ihn verdammt hatten, alle wohl vertraut mit Sünde und Laster gewesen waren. Wohl alle hatten einmal betrogen, gelogen, gelästert, gestohlen, waren hochmütig, unbarmherzig, faul, geizig, rachsüchtig oder boshaft gewesen.

Aber diese junge Pfarrerstochter hier hatte ein stilles und wohlbehütetes Leben geführt. Sie war nicht mit Begierden und Leidenschaften befleckt. Sie hatte noch keine große Erfahrung von eigener und anderer Leute Sündhaftigkeit. Sie hatte nie einen schlechten Gedanken gehegt und niemals einem Menschen Böses gewünscht.

Von ihr konnte er kein allzu mildes Urteil erwarten, denn sie war über alle Maßen zartfühlend, sie konnte ihren Abscheu vor allem, was ihr Widerstand, nicht zurückhalten. Aber er hätte sie doch gerne um ihr Urteil angegangen. Sie sollte sein höchster Richter sein. Er konnte nicht um ein gerechtes Urteil zum König gehen, aber er konnte zu ihr gehen.

Er widerstand jedoch lange, schüchtern und unsicher wie er war, und während er noch immer schwankte, sah er die junge Frau wieder in Schweigen versinken. Offenbar wollte sie gerne etwas sagen, fand aber nicht die Worte dazu.

Endlich schien sie aber doch zum Entschlusse zu kommen, und dann packte sie auch gleich den Stier bei den Hörnern.

»Sie haben doch gesehen, daß ich weinte, als Sie vorhin zu mir herunterkamen?« fragte sie.

»Ja,« erwiderte er. »Das kann ich nicht leugnen.«

»Es war gerade kein großer Kummer,« sagte sie. »Es war nur ein Brief, den ich erhalten habe. Er war von einer guten Freundin von mir, einer reichen Bauerntochter, die sich vor kurzem verheiratet hat und einen sehr braven, vermöglichen und hervorragenden Mann bekam; ich und jedermann glaubte, sie werde ungemein glücklich werden.«

»Und jetzt ist diese Hoffnung vielleicht nicht in Erfüllung gegangen?« fragte Sven Elversson. Dabei legte er beide Hände auf die Ruderpinne, beugte sich zu ihr hinüber und schien den größten Anteil an allem zu nehmen, was die gute Freundin betraf.

»Nein,« sagte sie und schaute weit hinaus aufs Meer, als scheue sie sich, seinem Blick zu begegnen. »Glücklich ist sie nicht geworden. Sie schreibt, ihr Mann sei geradezu unzufrieden mit ihr. Aber sie kann durchaus nicht begreifen, weshalb. Sie fragt mich, ob ich ihr nicht eine Erklärung geben könne. Aber ich kann es nicht; ich möchte ihr so gerne helfen, aber auch ich begreife es nicht. Sie können sich wohl denken, wie traurig mich das gestimmt hat, und darum hab' ich weinen müssen.«

»Das kann ich wohl begreifen,« erwiderte Sven Elversson. »Aber könnten Sie nicht den Herrn Pfarrer fragen, Frau Rhånge? Er hat doch große Erfahrung.«

Sie errötete und warf ihm einen schnellen und beinahe etwas argwöhnischen Blick zu. Aber als sie seine Augen klar und offen, ohne den geringsten Hintergedanken, in die ihren schauen sah, fuhr sie fort:

»Meine Freundin würde es wohl nicht gerne sehen, wenn ich meinen Mann um Rat fragte. Die Unzufriedenheit ihres Mannes zeigt sich hauptsächlich, wenn sie eingeladen gewesen sind und wieder nach Hause fahren. Dann ist er schlechter Laune und gönnt ihr kaum ein Wort. Und was sie auch sagen mag, er antwortet ihr nur spöttisch oder unfreundlich.«

»Aber sind Sie ganz sicher, daß in dem Benehmen der jungen Frau nichts ist, was der junge Mann unpassend finden könnte?« fragte Sven Elversson.

»Nein,« entgegnete die junge Frau sehr eifrig, »das ist nicht der Fall, dessen bin ich fast ganz sicher. Er und sie sind beide ernsten Sinnes. Und wo sie hinkommen, geht es still und ehrbar zu, und von Tanz und ausgelassenen Spielen ist keine Rede. Meine Freundin hat aber auch schon daran gedacht, sie sei ihrem Mann vielleicht zu munter und lebhaft, darum ist sie, als sie das letztemal ausgingen, die ganze Zeit bei den alten verheirateten Bauernfrauen gesessen und hat verständig mit ihnen gesprochen. Und nur, als der Hausherr selbst kam und ihr seine Gartenanlagen zeigen wollte, ist sie von ihnen gegangen. Der Hausherr war jedoch ein älterer Mann und sprach von nichts als von Obstbäumen und Blumen, und daß viel zu wenig Gärten in der Gegend seien. Da wurde sie von ihm angesteckt und meinte, er habe sehr recht, und sie fragte, ob er nicht meine, es ließe sich da, wo sie wohnte, auch ein Garten anlegen. Er versprach ihr, seine eigenen Gärtner hinzuschicken, die ihr jetzt im Herbst einen Garten abstecken sollten, und im Frühjahr wollte er ihr Bäume und Sträucher schicken. Aber am Abend, als sie nach Hause fuhren und sie meinte, sie könne ihrem Manne mit diesem Versprechen eine Freude machen, sah sie, daß er, während sie berichtete, die Finger so fest um den Peitschenstiel preßte, daß die Knöchel ganz weiß wurden, und als das Pferd bergauf stolperte, versetzte er ihm in hellem Zorn einen Peitschenschlag um den anderen. Zu ihr aber sagte er, sein Hof müsse so bleiben, wie er bei seinen Vorfahren gewesen sei, und es würden da keine neuen Anlagen gemacht. Außerdem verlangte er von ihr, sie solle nie mehr ein derartiges Übereinkommen treffen, ohne ihn vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Nun schreibt sie mir, sie sei über die Maßen erschrocken gewesen und habe kein Wort erwidern können. Sie habe nur die Hände gefaltet und Gott gebeten, er möge sie erleuchten, damit sie herausbringe, was das sei, und was es bedeute.«

Die junge Frau sprach die ganze Zeit über sehr langsam und wog ihre Worte mit großer Vorsicht ab, und Sven Elversson hörte mit wachsender Teilnahme zu. Er konnte nicht unterlassen, zu denken, die Beschreibung von dem alten Manne, der für Gartenanlagen schwärmte, passe hervorragend genau auf einen Gutsbesitzer, der auf einer Insel bei Applum wohnte und einen großen Garten hatte, und bei dem die Pfarrleute selbstverständlich eingeladen gewesen waren. Aber davon sagte er kein Wort zu der, die mit ihm redete.

»Dieses Bauernmädchen ist gewiß sehr schön,« sagte er nur.

Wieder warf sie ihm verstohlen einen forschenden Blick zu.

»Ja, ich glaube, die Leute meinen, sie sehe recht gut aus,« sagte sie etwas nachlässig. »Aber was hat sie davon, wenn der Mann so viele Fehler an ihr findet und an allem, was sie tut, etwas zu tadeln hat. Wenn es so aussieht, als ob sie niemals mehr einen eigenen Willen haben dürfte, und als ob alles, was sie vornimmt, verwerflich wäre. Und wenn sie nie wissen kann, was sie darf und was ihr verboten ist.«

Doch jetzt eben war Sven Elversson damit beschäftigt, das Segel herumzuwerfen und zu kreuzen, so hatte er keine Zeit, eine Antwort zu geben, bevor die Pfarrerin fortfuhr:

»Früher, als sie noch zu Hause war, da bekam sie niemals Vorwürfe. Da war sie allen recht. Sie war das Vorbild für ihre kleinen Geschwister, und als sie die Heimat verließ, sagte jedermann, nun werde es aus sein mit dem Behagen. Wenn sie jetzt daran denkt, kann sie nicht umhin, über sich selbst zu lächeln, denn jetzt, seit sie ein eigenes Heim hat, scheint sie ja gar nichts mehr zu taugen; sie wird gescholten für das, was sie sagt, und für das, was sie nicht sagt, für das, was sie tut, und für das, was sie unterläßt.«

»Herr Gott, was soll ich nur antworten?« dachte Sven Elversson. »Sie ist allein und hat niemand, dem sie sich anvertrauen kann, sie ist wehrlos und fremd. Und sie muß über ihr Unglück reden. Es ist ihr ein Trost, in dieser Weise davon zu sprechen.«

Er machte nur die Bemerkung, Frau Rhånge sei offenbar mit ihrer Schulkameradin sehr eng verbunden.

»Ich möchte ihr gerne helfen,« sagte die junge Frau, und wieder wollten ihr die Tränen kommen. »Ich weiß, sie ist ein gutes und freundliches Menschenkind. Sie geht gerne zu den Armen und Alten und tröstet sie in ihrer Betrübnis, aber das soll sie auch nicht tun, und das fällt ihr beinahe am schwersten. In der Kirche soll sie auch nicht auf einer Bank sitzen, die zum Pfarrhaus gehört, wo sie doch so gerne sitzt, weil sie im Chor steht und etwas erhöht ist, von wo sie die ganze Gemeinde überschauen kann.«

Sven Elversson dachte an die kleine Bank in der Kirche von Applum, die für die Frauen des Pfarrhauses bestimmt war; sie stand tatsächlich etwas erhöht und gewährte einen guten Überblick. – »Aber ich kann ihr doch nicht sagen, daß ihr Mann eifersüchtig ist,« dachte er. »Das würde sie verletzen. Es gibt sich ja vielleicht auch wieder. Es ist besser, wenn sie nichts weiß.«

Er legte das Steuer herum und schlug den Heimweg ein. Es war wohl am besten, wenn der Mann bei seiner Rückkehr aus der Kirche seine junge Frau zu Hause fand.

Und in seinem Schmerz, weil er nicht wagte, ihr zu helfen, oder vielleicht um sie von ihrem eigenen Kummer abzulenken, sagte er, indem er auf einen spitzen Holm weit draußen im Westen deutete:

»Das ist die Grimö. Dort ist Sven Elversson zu Hause. Sie haben gewiß von ihm gehört?«

Sie nickte. »Ja, ich kenne die ganze Geschichte.«

Sie schien darüber nicht weiter reden zu wollen, sondern machte plötzlich eine Bemerkung, die dem bißchen Glücksgefühl, das Sven Elversson an diesem Vormittag empfunden hatte, ein jähes Ende bereitete.

»Sie wissen wohl, daß das Schulhaus, das er im Kirchdorf gebaut hat, gestern abend abgebrannt ist?«

»Abgebrannt!« rief er aus, und vor Schrecken ließ seine Hand die Ruderpinne fahren; sofort warf der Wind das Segel herum, und das Boot wäre beinahe gekentert.

»Ja, es ist bis auf den Grund abgebrannt,« sagte die Pfarrerin mit der größten Seelenruhe. »Und es ist gut so.«

Sven Elversson bemühte sich, das Boot wieder in den rechten Kurs zu bringen. Unterdessen stieß er zwischen hart zusammengebissenen Zähnen hervor: »Warum sagen Sie, es sei gut, daß das Haus abgebrannt ist? Ich habe sagen hören, die Leute von Applum seien zufrieden damit gewesen.«

»Das hab' ich auch gehört,« erklärte sie. »Aber was half das, wenn die Kinder nicht hineingehen wollten?«

»Die Kinder wollten nicht in die Schule gehen?« wiederholte er völlig hilflos. »Ich bin nicht an Land gewesen, seit die Schule angefangen hat, darum weiß ich gar nichts.«

Sie merkte, wie erregt er über ihren Ausspruch, es sei gut, daß das Schulhaus abgebrannt sei, war, darum erzählte sie jetzt ganz eifrig, die Kinder seien von der ersten Stunde an nur sehr ungern in die neue Schule gegangen. Sie hatten gehört, sie sei von einem Menschenfresser gebaut worden, und so bekamen sie Angst, sie könnten die ewige Seligkeit verlieren, wenn sie in einer Stube lernten, wo es nach vergossenem Christenblut roch.

Während die Pfarrfrau das erzählte, wunderte sie sich darüber, daß der junge Mann verstummt und wie betäubt dasaß, daß er einen ganz nach innen gerichteten Blick bekam und daß ein duldendes und gequältes Lächeln um seine Lippen spielte.

Und um noch mehr zu rechtfertigen, was sie eben gesagt hatte, erzählte sie weiter, der Schullehrer habe sein Bestes getan. Er habe freundlich und verständig mit den Kindern geredet, habe ihnen gezeigt, wie gut das neue Haus eingerichtet und wie alles zu ihrem Nutzen und ihrer Wohlfahrt ausgedacht sei. Aber die Kinder hätten nichts davon hören wollen, sondern seien dabei geblieben: das Haus sei von einem Mann der Sünde erbaut und sei darum unheilig.

Einige unter ihnen hatten während der Unterrichtsstunden plötzlich Weinkrämpfe bekommen. Andere hatten gemeint, Gesichte zu sehen, und Angst und Ekel hatten mit jedem Tag zugenommen. Zuletzt hätten die Eltern ihre Kinder kaum mehr dazu bringen können, die Schule zu besuchen, ja man hätte fürchten müssen, die erregtesten von ihnen könnten Schaden an ihrem Verstand erleiden.

Sven Elversson saß da und schaute vor sich hin. – »Jetzt vernehme ich mein Urteil, wie ich es mir gewünscht hatte,« dachte er. »Und sie urteilt wie alle anderen.«

Die junge Frau redete noch weiter und sagte, sie habe an die Kinder gedacht, als sie gesagt habe, es sei gut, daß das Schulhaus abgebrannt sei. Der Brand selbst sei einzig und allein durch einen unglücklichen Zufall ausgebrochen. Die Frau, die das Schulzimmer reinzumachen hatte, habe am Samstagnachmittag zufällig ihre Lampe umgeworfen. Das Feuer habe sich sofort ausgebreitet, und ehe sie noch Hilfe habe herbeirufen können, hatte es schon überhandgenommen.

»Ja, jetzt ist Sven Elversson sein Urteil von Gott und den Menschen gesprochen worden,« sagte der Mann am Steuer. »Jetzt kann man wohl sagen, Gott hat nicht zulassen wollen, daß ein so unheiliger Mann wie er eine Schule baut.«

»Man könnte beinahe glauben...« fing die junge Frau an, brach dann jedoch jäh ab. Plötzlich kam ihr eine Ahnung, wer der Mann war, in dessen Gesellschaft sie sich jetzt seit zwei ganzen Stunden befand; es mußte Sven Elversson sein.

Hatte sie nicht diesen Namen nennen hören, als er mit ihnen vom Bahnhof nach Hause gefahren war, obgleich sie damals nicht darauf geachtet hatte?

Und wenn sie ihn nun näher anschaute! O, sie hatte sich durch den einfachen Anzug beirren lassen. Was sie hier vor sich sah, war das Gesicht eines gebildeten Mannes. Und der fremde Klang in der Sprache, über den sie sich gewundert hatte! Das war wohl noch ein Überbleibsel von seiner englischen Erziehung.

Er hatte die Augen niedergeschlagen, sie aber betrachtete das duldende Lächeln, das um seine Lippen spielte, und fühlte sich grenzenlos unglücklich darüber, daß jetzt durch sie die Last, die er durch den Abscheu und die Verachtung zu tragen hatte, noch vermehrt worden war.

»Soll ich nun heimgehen mit dem schmerzlichen Gefühl, den Ärmsten gegen meinen Willen gekränkt zu haben?« dachte sie. »Dann hab' ich noch mehr Grund zum Betrübtsein, als ich schon hatte, als ich heute morgen ans Meer hinunterging. Er soll ja ein vielversprechender junger Gelehrter gewesen sein,« dachte sie weiter. »Und das alles hat er nun aufgeben müssen. Da hat er nun Geld und Arbeit für das Schulhaus geopfert, um sich die Achtung der Menschen wieder zu erwerben. Dies ist ein harter Schlag für ihn. Ich hätte nicht so reden sollen, wie ich es getan habe.«

Während der ganzen Heimfahrt herrschte Schweigen in dem kleinen Boote. Weder er noch sie machte einen Versuch zu sprechen.

Als sie an der Steinmole unter der Felsenwand anlegten und Sven Elversson aufstehen wollte, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein, griff sie nach seiner Hand.

»Verzeihen Sie mir!« sagte sie. »Ich wußte nicht, daß Sie Sven Elversson sind.«

Sie beugte sich zu ihm nieder und streifte mit ihren Lippen seine Stirn, die von dem schirmlosen Lederhelm nicht bedeckt war.

»Was tun Sie!« rief er und sah böse aus, beinahe als ob sie ihn hätte beißen wollen.

»Ich möchte Ihnen gerne klarmachen, daß ich Ihnen gegenüber nicht so empfinde wie alle anderen,« sagte sie.

Damit sprang sie aus dem Boot auf die Lände und schritt über den Sandstreifen am Ufer zwischen die Klippen hinein.

Aber ehe sie weit gekommen war, kam ihr Sven Elversson nach und legte seine Hand auf ihren Arm, um sie aufzuhalten.

»Dank Ihnen und Segen über Sie!« sagte er mit gedämpfter und fast gebrochener Stimme. »Aber so etwas dürfen Sie nie, nie wieder tun,« fuhr er fort. »Vergessen Sie das ja nicht. Und Sie dürfen Ihrem Manne nicht erzählen, daß Sie es getan haben! Sonst könnte er so eifersüchtig werden, daß er Sie umbrächte.«

Sven Elversson hatte die junge Pfarrfrau verlassen, und während sie ihre Wanderung durch die Felder fortsetzte, klangen seine letzten Worte in ihrem Herzen nach.

Eifersucht! Konnte es wahr sein, konnte ihr Mann eifersüchtig sein?

»Ach nein!« dachte sie. »Das ist doch vollständig unmöglich. Ich gehöre ihm, ja ihm allein mit ganzer Seele, mit allen meinen Gefühlen und Gedanken, das muß er doch wissen.«

Es kam ihr so unrecht, so kränkend vor, daß jemand meinen konnte, ihr Mann sei eifersüchtig, daß ihr von neuem Tränen in die Augen traten.

»Weiß Gott, was das mit diesem Sven Elversson ist!« sagte sie zu sich selbst. »Obgleich viele Ekel vor ihm empfinden, sagen doch alle, er sei ein guter Mensch. Aber vielleicht muß er doch nicht ganz unschuldig leiden. Wie sollte Eduard eifersüchtig auf mich sein können? Also das hat er sich im Innern zurechtgelegt, während ich im Boot mit ihm sprach.

Wenn er nur hier wäre, daß ich ihm die Wahrheit sagen könnte!« fuhr sie fort. »Die Wahrheit ist, Eduard hat aufgehört, mich zu lieben. Das ist sein Unglück und das meine. Aber eifersüchtig ist er nicht. Ach, auf wen könnte er, der so hoch steht, eifersüchtig sein? Und dieser Mensch meinte, er könnte sogar eifersüchtig auf ihn sein!

Er hat aufgehört, mich zu lieben,« wiederholte sie. »Er kann nichts dafür, daß er mich nicht mehr liebt, aber er kann nicht aufgehört haben, an mich und meine Liebe zu glauben. Das wäre unrecht, das wäre kurzsichtig, ja, es wäre beinahe lächerlich.«

Als sie nach Hause kam und in den Flur trat, kam ihr das Dienstmädchen mit verstörtem Gesicht entgegen. Sie sagte, der Gottesdienst sei längst zu Ende, der Herr Pfarrer sei aus der Kirche nach Hause gekommen und sehr erschrocken, als er seine Frau nicht zu Hause getroffen habe. Er habe sie überall gesucht, sei sogar unten am Meere gewesen. Jetzt sitze er in seinem Zimmer, und es wäre am besten, wenn die Frau Pfarrer sofort zu ihm ginge.

Sie öffnete die Tür zum Studierzimmer. War er denn krank? Da saß der große, starke Mann, hatte die Ellbogen aufgestützt und das Gesicht in den Händen vergraben, wand sich, ächzte und wimmerte.

Als nun Sigrun zu ihm hereintrat und ihn verwundert fragte, was ihm fehle, sah er auf und war so verändert, daß sie ihn kaum mehr erkannte. Sein ganzes Gesicht war eingesunken und verzerrt, die Augen waren glanzlos und hohl, und der schwarze Bart hing ihm in Streifen und Zotteln von den Wangen herunter. Nie hätte sie geglaubt, daß in so kurzer Zeit eine solche Verwandlung mit einem Menschen vor sich gehen könnte.

Er schaute sie mit großen Augen an, als ob er sie nicht wiedererkenne. Dann strich er sich mit den Händen übers Gesicht. Er gab sich Mühe, sich zusammenzunehmen, derselbe vorsichtige, würdige und selbstbewußte Mann zu sein, der er immer war; aber er mußte den Versuch aufgeben, seine Rührung wurde übermächtig, und die Tränen stürzten ihm aus den Augen.

Er streckte ihr einen Arm entgegen und zog sie, ohne vom Stuhle aufzustehen, zu sich hin. Er küßte sie weder, noch liebkoste er sie, er legte nur seinen Kopf an ihre Brust und weinte zum Herzbrechen.

Sie bat ihn und bat ihn immer wieder, ihr zu sagen, was ihn quäle, allein es währte lange, bis er darüber sprechen konnte.

Und es war nichts anderes, als daß er aus der Kirche nach Hause gekommen war und sie nicht gefunden hatte. Er hatte sie dann in der Nähe und bis zum Meere hinunter überall gesucht, und als er sie nicht fand, hatte er geglaubt, sie habe ihn verlassen und sei heimlich von ihm gegangen.

Sie konnte ein leichtes Lachen der Befriedigung und des Triumphes nicht unterdrücken.

»Du darfst nie mehr von mir gehen,« sagte er. »Du wirst mich niemals verlassen, das mußt du mir geloben. Und du mußt mir geloben, mich immer wissen zu lassen, wo ich dich finden kann, denn sonst verliere ich, wie du siehst, den Verstand.«

Sie gelobte ihm alles, was er wollte. Sie gelobte ihm, nichts solle sie trennen als der Tod.

Und dann stand sie neben ihm und strich ihm über die Haare, bis er wieder wie ein Mensch aussah. Und es war ihr leicht ums Herz, weil sie einen Beweis seiner Liebe erhalten hatte. Aber zugleich fühlte sie sich etwas abgestoßen und fremd berührt, denn das war eine Art Liebe, die sie nicht verstand. Diese Liebe war ihr zu heiß und zu wild.

Sie fragte ihn, wie es ihm denn überhaupt habe einfallen können, zu glauben, sie wolle ihn verlassen, und da brach es aus ihm heraus: Ja, er wisse wohl, wie hoch sie über ihm stehe, sie sei aus einer anderen Welt. Sie sei gut, ganz von selbst gut, ohne daran denken zu müssen, gut sein zu wollen. Er aber schwebe beständig in der Angst, sie könnte ihm entschwinden. Er sei nicht wert, sie behalten zu dürfen.

Und sie war der Ansicht, das sei sein Ernst nicht, das könne sein Ernst nicht sein. Nur seine Liebe sei es, die sie auf eine so hohe Stufe stelle, was ja die Liebe immer tun wolle. Auf dieselbe Weise habe sie seither ihn in ihrem Herzen erhoben.

Nun war sie nicht mehr unglücklich und mutlos, wie sie es am Morgen gewesen war, aber in ihrem Herzen erhob sich ein Gefühl von Furcht vor ihrem Manne. Und von ihrer Segelfahrt mit Sven Elversson sagte sie ihm kein Wort.

* * *

Unterdessen war Sven Elversson mit seinem Vater auf dem Weg nach der Grimö. Der alte Joel steuerte, und der Sohn lag behaglich ausgestreckt im Vorderteil des Bootes. Joel war mit der Nachricht von dem Brande, die er in der Kirche vernommen hatte, zu ihm gekommen. Er sah alt und gebeugt und mutlos aus und meinte, nach diesem Unglücksfall seien für seinen Sohn nun alle Wege zum Emporkommen verschlossen.

Sven Elversson lag im Boote und strich sich sachte mit der Hand über die Stirne. Zuweilen fuhr er nur sanft mit dem Finger darüber, zuweilen mit der ganzen feinen, schmalen Hand.

In seiner Seele fühlte er eine merkwürdige Freiheit und Beweglichkeit. Die Gedanken kamen klar und unwiderleglich. Wege taten sich vor ihm auf.

»Vater!« rief er, nachdem er eine Weile stillgelegen hatte. »Ich glaube, es gibt nichts, was so mächtig ist, wie der Ekel. Er besiegt alles. Dagegen kann niemand ankämpfen. Das muß man sich von Anfang an klarmachen. Wer gegen den Ekel kämpft, wird unweigerlich geschlagen.«

Der Vater zuckte nur leicht die Achseln und brummte etwas zur Antwort, das im Wogengebrause und Windessausen unterging.

Sven Elversson blieb weiter liegen und dachte nach. Als seine Seele etwas ausfindig gemacht hatte, das ihm wieder klar und unwiderleglich vorkam, erhob er die Stimme und rief dem Vater zu:

»Aber der Ekel ist nichts Böses. Er ist ein Warner und Wächter. Und wer sich den Ekel zunutze machen und ihn zum Guten gebrauchen könnte, der vermöchte der Menschheit sehr zu nützen.«

Der Alte schaute auf. In seinen wässerigen Augen entglomm ein Funke, und sein gebeugter Rücken straffte sich ein wenig.

Jetzt sprang der Sohn auf, stieg über die Bänke hinüber zu seinem Vater und setzte sich neben ihn.

»Heute ist mir etwas begegnet, was mir geholfen hat,« sagte er. »Ich bin nicht betrübt über den Brand des Schulhauses. Ich habe anderes zu denken.«

Dann legte er sich nieder, lauschte auf das schwere Brausen des Südwindes, betrachtete die farbenschimmernden Schären und strich sich über die Stirne mit seiner vornehmen schmalen Hand.


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