Artur Landsberger
Das Blut
Artur Landsberger

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Siebentes Kapitel.

In Schloß Vestrum stand man dem Verschwinden Kornelias und des Detektivs völlig verständnislos gegenüber.

Der schon am frühen Morgen benachrichtigte Dr. Kargert unterzog die Dienerschaft einem ergebnislosen Verhör. Außer dem Wächter hatte niemand etwas gehört. Die Hunde hatten gegen Morgen angeschlagen, ein Fenster im Schloß war durch einen Steinwurf zertrümmert. Aber das war kein besonderer Vorgang. Auf der Landstraße trieb sich des Nachts viel Gesindel herum. –

»Zu alledem kommt noch,« sagte der Advokat »daß Herr van Gudry seit gestern geschäftlich in Frankreich ist und uns daher nicht beistehen kann. Ich weiß nicht einmal, von wo er den Detektiv hat.«

»Und er ist nicht erreichbar?« fragte die Amme.

»Schwer! er reist umher und will erst in Wochen zurück sein!«

»Am Ende war der Detektiv ein Verbrecher.«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Jedenfalls hatte Fräulein Kornelia kein Vertrauen zu ihm!«

Aber je mehr man forschte, um so rätselhafter wurde der Fall. Auf Anschläge und Inserate hin, in denen hohe Belohnungen zugesichert wurden, meldeten sich unzählig viele Menschen, die alles Mögliche beobachtet hatten. Von einer Frau, die mondsüchtig über Dächer gewandelt war, von einem rasenden Auto, aus dem ein blonder Frauenkopf herausgeschaut und wie rasend um Hilfe geschrien hatte, von einem Betrunkenen, der eine junge Frau an den Haaren durch die schmutzige Gosse gezerrt hatte, und schließlich von einer blau und grün angelaufenen Wasserleiche war die Rede, deren Beschreibung ebensogut auf Kornelia wie auf jede andere Frauensperson paßte.

Auch im Hause Johannes van Gudrys forschte Dr. Kargert nach, und Peter Last stellte sich ihm mit großer Bereitwilligkeit zur Verfügung. Er lief sämtliche Polizeibüros und Detekteien ab, war Tag und Nacht unterwegs und förderte als aller Weisheit letzten Schluß am Ende Folgendes zu Tage:

Der Detektiv sei der bekannte Privatdetektiv Dr. N. F. Sievers gewesen, was Dr. Kargert durch die Karte, die man im Schlosse fand und von der Peter Last ja nichts wissen konnte, bestätigt fand. Eins der bekanntesten und gefürchtetsten Mittel, mit denen dieser Detektiv arbeite, sei die Hypnose. So zuverlässig er in der Arbeit sei, so gewissenlos sei er im Verkehr mit Frauen. Er scheue, sobald es sich um den Besitz einer Frau handle, vor keinem Mittel zurück. Da er aber jeder Frau, sobald er sie erst besessen habe, in kürzester Zeit überdrüssig werde, so sei nach den gemachten Erfahrungen – dieser Fall sei typisch und durchaus nichts Besonderes – die Rückkehr der enttäuschten Kornelia in absehbarer Zeit zu erwarten.

Diese Auskunft wirkte auf die Amme beruhigender als auf Dr. Kargert. Ihr war schon gedient, wenn sie nur hoffen konnte, daß Kornelia eines Tages zurückkehren würde. Ihrer Sorgfalt würde es schon gelingen, sie wieder aufzurichten und sie vergessen zu machen, was sie erlebt und erlitten hatte. – Kargert, der sie liebte, sah tiefer. Er sagte sich, daß sie auch, wenn sie zurückkehrte, für ihn verloren war. Denn erlag sie, woran kaum mehr zu zweifeln war, dem Einfluß dieses verbrecherischen Detektivs, so würde sie die Scham nie überwinden und noch zurückhaltender und noch verschlossener sein, als sie es so schon war.

Der Detektiv Sievers war nach den Informationen, die Peter Last für hohe Beträge gesammelt hatte, nach Spanien gefahren. Mit Kornelia, was für ihn außer Zweifel stand, was der Amme bei Kornelias oft sonderbarem und daher der Hypnose besonders zugänglichem Wesen einleuchtete, und was selbst Kargert, schon des Fehlens eines jeden anderen Anhaltpunktes wegen, wenn auch nicht gerade für wahrscheinlich, so doch zum Mindesten nicht für ausgeschlossen hielt.

Und wenn auch die Polizei sämtlicher Länder und die renommiertesten Detekteien beider Welten mit der Verfolgung dieses Falls betraut und durch Aussetzung besonderer Prämien und Honorare zu außergewöhnlichster Leistung angeregt wurden, so wirkte das Unvermögen, mangels jeden Anhaltspunktes auch nur den Schatten eines Lichts in die Angelegenheit zu bringen, doch so lähmend auf alle unmittelbar und gefühlsmäßig Beteiligten, daß sie eine Klärung und die damit erhoffte Rückkehr Kornelias schließlich weniger von ihrer und der Behörden Tätigkeit erwarteten, als vielmehr von Zeit und Schicksal, das sich, unabhängig von ihrem Willen, erfüllen mußte.

* * *


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