Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Die siebente Freude der Ehe ist aber diese:

Manchmal fand einer eine gute, kluge und wohlhabende Frau, oder er fand eine, die nie zu etwas nein sagt, was der Mann verlangt oder gern haben will. Aber: ob nun die Frau so ist oder so – eine Eheregel gibt es, die eine jede glaubt und hält, und diese ist: mein Mann ist der schlimmste, den es gibt, und der unfähigste in den Dingen der Liebe. Das sagt oder glaubt jede Frau von ihrem Mann. Trifft es sich, daß ein junger Mann, so recht einer wie ein junger Hahn, mit einer lebhaften jungen Frau sich verheiratet und sie sich aneinander vergnügen, so oft sie nur können und Lust haben, so geht das wohl ein, zwei Jahre oder auch was länger, bis die erste Glut etwas gekühlt ist. Aber die Frau wird, welchen Standes sie auch immer sein mag, nicht so bald dessen satt sein wie der Mann, denn sie hat nicht seine Arbeit, seine Sorgen und Beschwerlichkeiten. Und tut er da sein Spiel nicht mehr häufig, so wird die Frau ein gar schiefes Gesicht machen. Freilich ist es wahr, daß die Frau in der Zeit ihrer Schwangerschaft mancherlei Unbequemlichkeiten und bei der Niederkunft sogar manche Schmerzen auszustehen hat; aber ist das doch alles nichts gegen die Sorgen und die Verantwortlichkeiten des Mannes. Und was die Schmerzen der Geburt betrifft, so ist darüber so wenig Verwunderns als über ein Huhn oder eine Gans, die ein Ei legt, groß wie eine Faust und selbes durch ein Loch zwänget, in das vorher nur mit Not ein kleiner Finger ginge. Die Natur tut Wunder bei dem einen Tier wie bei dem andern. Wenn man sieht, daß ein Huhn, das alle Tage sein Ei legt, weit fetter ist als der Hahn, so ist darüber nichts zu staunen; denn der Hahn ist so dumm, daß er den ganzen Tag weiter nichts tut als für die Hühner Futter suchen und es ihnen in den Schnabel stopfen, dahingegen die Hühner nichts weiter tun als fressen und kacken. Und so ist's mit den Ehemännern. Der Mann ist müde von des Tages Arbeit und Sorge; anderswo sind seine Gedanken, als daß sie aufgelegt wären zu dem Spiel, am wenigsten um seiner Frau damit einen Gefallen zu tun; auch kann er es nicht mehr so wie einst oder wie er es können sollte. Aber sein Weib ist damit gar nicht zufrieden, denn sie findet an dem Dinge noch eben so starkes Vergnügen wie das erste Mal. Aber alltäglich wird die anfänglich so große Ration kleiner, und aller Aufwand an verliebten Augen und Scherzen endet, da ihr Hauptziel nicht erreicht wird, in Zank und Spott der Frau. Und ihre Lust wird stärker mit jedem Tag, der sie nicht sättigt.

Angenommen sie ist eine kluge Frau, die keinen Willen nach dem andern Mann hat, so wird sie doch glauben, ihr Mann sei in diesem Stücke minder als jeder andre Mann; und hat das zu glauben den besten Grund, da sie ja die Kraft eines Mannes an der Kraft ihres eigenen Mannes, die ihr jetzt nicht genügt, einmal oft genug erfahren hat. Es soll aber doch ein Mann einem Weibe genügen oder die Natur hatte diese Dinge nicht in das rechte Verhältnis gebracht. Genügte nicht ein Mann einem Weibe, so hätte wohl Gott und die Kirche befohlen, daß das Weib zwei Männer oder überhaupt soviel als es nur Lust hätte nehmen könnte. Aber es gelüstet sie zu versuchen, ob die andern Männer von ebenso geringem Vermögen wären als der eigene Mann. Jede Frau, die darin nicht mit ihrem Mann zufrieden ist, glaubt es bei einem andern besser zu finden, und so wählt sie sich für ihre neugierige Lust einen passenden Geliebten, ganz wie ein Roß sich im Vorbeitraben ein Büschel Laub vom Baum reißt, und der Geliebte tut natürlich, ausgehungert wie er auf das Weib ist, Wunder, wenn er ans Ziel kommt. Und wenn sie vorher ihren Mann für schlecht und von geringer Kraft hielt, so ist sie jetzt von seiner gänzlichen Unfähigkeit überzeugt; denn die gegenwärtigen Freuden der Liebe sind immer mehr wert als die Erinnerung an die vergangenen, besonders wenn man es nun wirklich erfahren hat.

Man weiß, daß die meisten Menschen gerade das Gegenteil von dem tun was sie sagen: was immer ein Mann für ein Weib hat, sie dünkt ihm besser und mehr wert als jede andere. Wenn diese Regel auch nicht immer gilt, so gilt sie doch nur in den Fällen nicht, wo der Mann ein Verzweifelter ist. Die mehreren Ehemänner hört man unaufgefordert ihre Weiber loben und alles Gute aufzählen, das sie in ihnen zu haben meinen.

Man sieht des öfteren, daß eine Witwe sich gleich wieder verheiratet; aber mag der zweite Mann auch noch schwächer und unfähiger sein als der erste, der erst kürzlich verstorben ist, sie wird doch sagen, der zweite sei besser und sich heimlich um einen Liebhaber umtun.

Und nicht selten ist es, daß eine Frau mit ihrer großen Wollust alles verschwendet und zugrunde richtet, was der Mann mit Mühe und Arbeit erworben und zusammengebracht hat; auf vielerlei Art versteht sie es, das Gut des armen Mannes durchzubringen, bald mit einem Galan, bald mit alten Kupplerinnen, bald mit ihrem Beichtvater Franziskaner oder Dominikaner, dem sie das Jahr durch eine große Pension bezahlt, damit er sie absolviere, welche Gewalt er vom Papst hat. Was nützt es dem Mann, daß er so sparsam lebt als er nur kann, wenn er doch bei allem Rechnen merkt, daß seine Verhältnisse immer schlechtere werden, und alles den Krebsgang geht? Da spricht er dann wohl zu seiner Frau, die er über alles liebt: »Ich weiß wahrhaftig nicht, Liebste, was es bedeutet und wo unser Vermögen hingeht. Es ist, als ob es zwischen den Fingern zerrönne, es sei Gold oder Silber, Getreide, Wein oder anderes. Ich kann wohl sagen, ich bin ein Hauswirt, der nichts ohne Ursache ausgibt, und trau mich kaum mir einen neuen Rock machen zu lassen, so wenig auch der alte mehr taugt.« Gleich sagt die Frau: »Ich bin nicht weniger erstaunt darüber als Du, mein Lieber, wo ich mich doch einschränke und spare, was ich nur kann.« Und so weiß der Mann nicht, woher es kam, daß er so in Armut geriet und spricht vom Unglück, das ihn verfolgt und das gegen ihn arbeitet und ihn zu nichts kommen läßt. Kein Wort würde er glauben, sagte ihm einer was gegen seine Frau, und hätte der wenig Glück damit bei dem Manne, der es für Verleumdung nähme und den, der es sagte, für seinen ärgsten Feind hielte. Und ist es ein sehr guter Freund, zu dem der Mann alles Vertrauen hat, und öffnete er ihm die Augen über die schlechte Wirtschaft oder sagte er ihm gerade heraus die Wahrheit mit allen Beweisen, so wär nichts weiter, als daß der Mann mit einem großen Kummer und Betrübnis herumginge. Das merkt dann die Frau bald, daß er etwas über sie müsse vernommen haben, aber sie ist ihrer Sache ganz sicher, daß sie sich gut herausreden würde. Der Mann sagt auch kein Wort, denn er vermeint sie schlau auf die Probe zu stellen. Sagt also: »Liebes Kind, ich muß zwölf Meilen über Land in wichtigen Geschäften.« – »Kann nicht einer Deiner Leute für Dich reisen?« – »Ich muß es schon selbst und denke, ich bin in zwei, drei Tagen wieder hier.« Er trifft alle Anstalten und tut, als ob er wirklich abreiste, versteckt sich aber an einem sichern Ort und weiß so insgeheim wieder in sein Haus zu kommen. Die Frau hat wohl gemerkt, worauf es abgesehen ist und hat ihrem Geliebten schon sagen lassen, daß er unter keinem Vorwande kommen dürfe, weil sie sich sonst das schlimmste versehen müßte. So erfährt der arme Mann seine Schande nicht und hält seines Freundes Erzählung für eine mit Fleiß ersonnene Lüge. Auch kann er nicht glauben, daß seine Frau, die ihn bei seiner Ankunft so herzlich küßt und umarmt und ihn ihren Einzigen nennt, jemals etwas schlimmes hatte tun können. Und so sägt er ihr also später im Bett: »Ich hab gewisse Dinge gehört, die mir gar nicht angenehm sind, Liebste.« Tut die Frau erschrocken: »Bei den Heiligen, Mann, was ist es? Hast Du Verluste gehabt in deinen Geschäften? Oder ist Dir ein Freund gestorben?« – »Nichts von alledem, es ist was weit schlimmeres.« – »Bei der Mutter Gottes, was kann's sein? Sag mir's doch!« – »Also wenn du es schon wissen willst: ein Freund hat mir erzählt, daß Du es mit einem andern Mann hältst, und mehr solches.« Da schlägt die Frau ein Kreuz, lächelt heimlich und sagt: »Darüber mach Dir wirklich keine Sorgen, Mann. Wollte Gott, ich wäre von allen Sünden so rein, wie von dieser.« Dann legt sie feierlich die Hand an den Kopf: »Nicht nur den Kopf, ganz geb ich mich dem Teufel, wenn je der Mund eines Mannes meine Lippen berührt hat, Dich, Deine und meine Vettern ausgenommen, wie alle, die Du mir zu küssen erlaubt hast. Also das ist es, das? Pfui und pfui! Aber ich freu mich doch, Liebster, wenn es weiter nichts ist als das, denn ich war schon besorgt, es würde was viel schlimmeres sein. Ich weiß ganz gut, von wem das Gerede kommt. Und wollte Gott, Du wüßtest, warum man Dir das gesagt hat. Du würdest Dich da sehr wundern über den, der sich Deinen Freund nennt. Ich sag nichts weiter.« – »Wer hat es nur dann gesagt?« fragt der Mann. – »Das werd ich Dir schon noch einmal sagen.« – »Aber ich will es jetzt wissen,« besteht der Mann. – »Ich muß schon sagen, daß es mir gar nicht recht war, daß Du ihn mir so oft ins Haus kommen ließest, wo Du mich doch, wie Du sagst, so liebst.« – »Nenn ihn mir doch, ich bitte Dich darum.« Nun fällt sie ihm wollüstig um den Hals und unter Küssen: »Sie wollen mich schlecht bei Dir machen, die Schufte.« – »Also wer ist es?« – »Also, bei meiner armen Seele, der Dir das gesagt hat und dem Du so vertrautes der versucht es seit zwei Jahren, mich zu verführen. Aber was er auch anstellte gegen meine Ehre, und soviel er sich auch Mühe gab, ich bin treu geblieben. Du sagtest mir immer, er käme ja nur aus Freundschaft zu Dir, und er kam doch bloß, um Dich zu verraten: Nicht eher hörte er auf, auf mich einzureden, bis ich ihm sagte, ich würde Dir alles mitteilen. Ich tat es nicht, weil er auf diese Drohung hin nicht mehr so zudringlich war, weil ich meiner so sicher war und auch keinen Streit zwischen Euch bringen wollte. Deshalb schwieg ich, aber es ist wahrhaftig nicht sein Verdienst, Dich vor Schande bewahrt zu haben.« – »Bei der Mutter Gottes! Wer hätte das von ihm geglaubt! Dieser Schuft!« Gleich fällt die Frau ein: »Das aber sag ich Dir: wenn er je wieder in unser Haus kommt oder wenn Du je wieder ein Wort mit ihm sprichst, so ist es zwischen uns beiden zu Ende, dann scheiden wir uns. Also das verlange ich von Dir. Wollte Gott, ich hätte Dir nichts davon gesagt. Aber mit gefalteten Händen bitte ich zu ihm, daß er Feuer auf mich fallen lassen und mich verbrennen solle, wenn je mich die Lust nach einem andern Manne ankommt!« Und während sie ihn aufs neue halst und küßt: »Wie könnte ich denn so schlecht sein gegen Dich, wo Du doch so lieb, so gut, so süß zu mir bist und alles willst was ich will. So lange habe ich als anständige Frau gelebt und jetzt auf einmal sollte ich – aber ich bitte und verlange von Dir, daß Du dem Verleumder unser Haus verbieten läßt und ihm sagen, er soll sich nie dort blicken lassen, wo ich bin.« Nun fängt sie zum Beschluß zu weinen an; der gute Mann sucht sie zu beruhigen; er verspricht und schwört, alles genau so zu tun, wie sie es verlangt habe, schwört ferner, nie mehr auf derlei Gerüchte zu hören, wenn sie etwa wieder an sein Ohr kämen. Nicht die leiseste Spur eines Zweifels bleibt in dem guten Mann zurück. Sein Freund, der aus Freundschaft zu ihm gesprochen hatte, gilt ihm von nun ab als sein ärgster Feind. Also ist der vernünftige Mann ohne alle Zauberei in einen Ochsen verwandelt worden, der auf der Wiese Gras frißt. Nun ist er völlig in dem Netz gefangen, und seine Frau treibt es besser als sie je zuvor konnte. Und keiner sagt dem Mann ein Wort davon, denn jeder weiß, daß er es doch nicht glaubt, und der ihm sagt, seine Frau sei ein Ausbund an Tugend und Keuschheit, der wird sein bester Freund. Das Alter kommt über ihn und die Verarmung. Die einen sagen, es sei schade um ihn, die andern sagen, das sei nur ganz in Ordnung, denn er sei ein Vieh. So verliert er Ansehen und die Gesellschaft der rechtlichen Leute, lebt in Kummer und Leid, die er für Freuden nimmt, und beschließt sein Leben im Elend.


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