Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Die fünfzehnte Freude der Ehe,

die ich – den Tod ausgenommen – für die größte halte, ist aber diese: es ist einer lange um das lustige Netz herumgeschwommen, den Eingang zu finden und fand nun ein munter wollüstiges Weib und genießt mit ihr alle Freuden eine lange Weile, wie sie das Weib schon vor ihm genossen mit andern und noch mit andern genießt, da sie in der Ehe ist. Spät erst merkt das der Mann und gerät in großen Zorn. Aber Ihr wißt, daß die Frau auch dann nicht aufhört und ginge es ums Leben.

Der Mann hat seinen Bettgenossen zufällig oder weil er sich auf die Lauer gelegt hat, ins Haus gehen sehen. Die Wut schnürt ihm das Herz zusammen. Ganz von Sinnen stürzt er in das Gemach, in dem die beiden zärtlich beieinander sind. Der also überraschte Galan ist sprachlos und rührt sich nicht. Der Mann will ihm den Degen durch den Leib rennen, da wirft sich ihm die Frau an den Hals und küßt ihn und ruft: »Um Gottes willen, tut keine böse Tat, Mann!« Und da springt auch schon der Liebhaber auf die Beine und macht sich davon, und der Mann läuft ihm nach, denn sein Weib zu töten hat er erst keine Lust. Aber der Galan entwischt, und der Mann läuft wieder zurück, um sein Weib zu finden, es zu prügeln, oder umzubringen, womit er ein gar Übles täte, denn er kam gerade zur rechten Zeit dazwischen, und war vielleicht zwischen den beiden noch nichts geschehen.

Die Frau hat sich aber inzwischen zu ihrer Schwester oder Mutter begeben und stellt sich da unschuldig wie ein Engel. Erzählt der Mutter alles, was vorgefallen, sagt natürlich, daß der Galan nur aus Zufall gekommen und daß gar nichts zwischen ihnen sei und daß der Mann sie im Zwiegespräch getroffen habe; nichts weiter sei gewesen, als daß sie miteinander geredet hätten. Fragt die Mutter: »Sag mir zum Teufel, ob Du was mit ihm hast?« – »Es ist ja wahr, er hat zwei-, dreimal davon gesprochen, aber ich hab es ihm immer abgeschlagen. Es war wirklich nichts weiter, als daß er mich besuchte und mit mir sprach, und ich sagte ihm, er solle gehen.« Und fängt an zu schwören, daß sie ihn lieber am hellen Galgen sehen möchte als mit ihm ein Verhältnis haben, oder: sie beichtet die ganze Geschichte. Denn die Mutter, die sich darin wohl auskennt, sagt: »Das war schon nicht ganz so, Liebe. Wie kann einer in Dein Zimmer kommen, wenn du es ihm nicht vorerlaubt hast! Sag mir ehrlich die ganze Sache, damit ich Dir raten und helfen kann.« Da schlägt die Tochter den Blick nieder und wird rot. »Ich sehe schon, wie es steht,« sagt die Mutter, »also erzähl.« – »Bei meiner armen Seele, Mutter, seit zwei Jahren verfolgt mich der schlechte Mensch mit Bitten und ich hab ihm immer abgeschlagen, bis er einmal, als mein Mann auswärts war, ins Haus kam, ich weiß selbst nicht wie, denn die Tür war fest verschlossen, und mir Gewalt antat. Ich wehrte mich wohl die halbe Nacht lang, daß mir schier der Atem verging, aber Ihr wißt wohl, Mutter, daß da ein schwaches Weib allein nichts gegen vermag.« – »Weiß ich, bei allen Teufeln, Kindchen, aber ich rate Dir, sei klüger und laß den Burschen nicht mehr ein.« – »Ja, Mutter, das will ich ihm sicher sagen lassen, denn ich weiß, daß er jetzt sehr um mich besorgt ist, weil er glaubt, daß mein Mann mich umgebracht hat; und er ist verliebter Narr genug, daß er nachschauen kommt, ob ich tot oder lebendig bin.« – »Ich wundere mich nur, daß Dein Mann nicht Dich und ihn erwürgt hat.« – »Jesus Maria! Mutter, wenn ich meinen Mann nicht aufgehalten hätte, wäre der arme Junge jetzt eine Leiche.« – »Das war brav von Dir, Töchterchen; denn ein junger Schelm, der im Dienst einer Geliebten sein Leben wagt so Tag wie Nacht, der verdient es, daß man eher für ihn stirbt, als daß man ihn verriete.« – »Ach, Mutter, wenn Du wüßtest, was ein prächtiger Junge es ist! Bei Regen und Frost wartet er in unserm Garten die halbe Nacht, und geht es dann endlich, daß ich zu ihm kann, so ist er fast erfroren, der arme Kerl, und macht sich nichts daraus.« – »Ich hab mich immer schon gewundert, weshalb er gegen mich so höflich ist, mir in der Kirche das Weihwasser reicht und überall, wo ich ihn treffe, voller Aufmerksamkeit zu mir ist.« – »Ja, Mutter, er hat Dich sehr gern.« – »Also ich will schauen, die Sache wieder ins Gleis zu bringen,« und ruft ein Kammermädchen: »Geh zu meinen Freundinnen,« befiehlt sie, »ich ließe sie bitten, zu mir zu kommen, ich hatte was Wichtiges mit ihnen zu reden.« Das Mädchen richtet die Botschaft aus, und die Freundinnen kommen, setzen sich um das Kamin, wenn es Winter ist und im Sommer in die grüne Laube. Da wird erst kein Pater und kein Ave gesprochen und fängt eine gleich an: »Was macht Ihre Tochter ein so trübseliges Gesicht, liebe Gevatterin?« – »Ja, da ist ihr eine dumme Geschichte passiert, und deshalb hab ich Sie hergebeten.« Und erzählt ihnen hierauf alles, nicht immer genau so wie es war, oft aber auch die ganze Wahrheit und dies immer, wenn unter den Gevatterinnen welche sind, die einmal in einem gleichen Falle sich befanden und so guten Rat geben können; und die andern, bei denen es nicht soweit kam, weil sie es vorsichtiger angefangen hatten, und es Gott sei gedankt keinen Skandal gab, wissen doch genau, wie wichtig diese Dinge sind und was sie dazu zu sagen haben. Gibt also jede ihre Meinung ab und wie sie es im gleichen Falle getan haben oder tun würden. Es ist eine gar herrliche Ratsversammlung. Es wird erzählt und bewiesen, repliziert und aufs neue bewiesen, und alle versuchen, das arme treulose Weib aus dem Übel zu bringen, das ihm widerfahren. Nach vielen Sitzungen, die nicht ohne gut Essen und Trinken vor sich gehen, ist das Resultat dieses, daß der arme betrogene Mann die Zeche bezahlen muß.

Und nachdem sie über das Vorgehen ins Klare gekommen sind, reden sie noch manches zu der jungen Frau. Sagt die eine: »Ich möcht nicht eine so schlechte Nacht haben, wie sie heute der Mann hat.« – Die andere: »Ich möcht ihn wohl gern sehen, was er jetzt für ein Gesicht macht.« – Eine dritte: »Und mir, wie mir so was ähnliches damals passiert ist und mir mein Mann damit kam, da gab ich ihm's heraus, so wahr mir Gott helfe! Drei Monate lang konnte er weder essen noch schlafen und drehte sich im Bett und seufzte, während ich in die Bettdecke beißen mußte, um nicht laut herauszulachen.« – »Mir tut nur der arme Junge leid,« sagt eine andere, »was muß der jetzt für einen Kummer ausstehen!« – »Denken Sie mal,« sagt da die Mutter, »der unglückliche Mensch ist schon zweimal da am Haus vorbeigeschlichen, aber ich hab ihm sagen lassen, er soll sehen, daß er verschwindet.« – »Und gerade,« beginnt die Kammerjungfer, »hab ich beim Brunnen mit ihm gesprochen. Er hat mir diese große Pastete für Sie gegeben und gesagt, morgen schicke er den Damen eine Torte, und empfehle sich der ganzen Gesellschaft auf das beste.« – »Er tut mir wirklich leid,« seufzt eine, und die andere: »Wir wollen, bevor wir gehen, die Pastete essen, ihm zu Liebe.« – »Bei der Jungfrau,« ruft eine, »ich wollte, er wäre da bei uns!« – »Wie würde sich der freuen!« schreit die Kammerjungfer auf, »er ist blaß und elend wie der Tod.« – »Wollen wir ihn nicht holen lassen, Gevatterin?« – »Meinetwegen,« sagt die Mutter, »aber führe ihn durch die Hintertür.« Und er kommt, man rauft sich ordentlich um ihn aus Mitleid, und er muß mitten unter ihnen Platz nehmen. Dann schickt man nach der Magd des betrogenen Gatten, die um alles weiß und für ein geschenktes Kleid alles erzählt. »Jetzt erzähl, was macht der Herr für ein Gesicht?« – »Gesicht?« fragt die Magd, »seit gestern morgen, wo das Unglück passiert ist, trinkt er nicht und ißt nicht und geht nicht zu Bett. Heute mittag setzte er sich zu Tisch, aber das Fleisch hat er nicht angerührt; einen Bissen spie er wieder aus, weil er ihn nicht schlucken konnte. Dann saß er am Tisch ganz in Gedanken, bleich und verstört wie ein Toter. Dann nahm er sein Brotmesser, stieß es in den Tisch und ging in den Garten, aber gleich kam er wieder, kommt und geht so und weiß nicht weshalb, und Tag und Nacht ist es ein Stöhnen, daß er einem schier leid tut.« – »Mein Gott,« sagt eine da, »er wird, so es Gott will, schon wieder froh werden. Man hat schon andere an derselben Krankheit krank gesehen und sind wieder ganz gesund geworden. Aber an dem Ganzen bist Du schuld,« wendet sie sich an die Magd, »hättest Du besser Deine Pflicht getan und Wache gehalten, denn Deine Herrin glaubte sich auf Dich verlassen zu können.« – »Beim Sakrament,« schwört die Magd, »ich wußte nicht, daß er um die Stunde heimkommen würde, um daß Gott ihn darob verfluche!« – »Amen, Amen,« sagt die ganze Gesellschaft.

Also machen sie sich über den armen Mann lustig und beraten dann, welche als erste zu ihm gehen und mit ihm reden solle, der in seinem Hause wie ein zum Gehängtwerden Verurteilter sitzt. Und eine oder zwei, die sich mit ihm am besten stehen, machen sich auf, und fragt die eine beim Eintreten: »Was treibt Ihr, lieber Gevatter?« – Und er aber redet kein Wort und läßt sie bis zu sich kommen. Sagt die andere: »Herrgott, macht Ihr ein Gesicht, Gevatter!« – »Ich hab kein anderes. Was soll's?« – Sagt eine: »Das ist wahrhaftig nicht recht von Euch. Meine Gevatterin, Eurer Frau Mutter, hat mir da was gesagt, was mir gar nicht gefallen will. Ich schwör's Euch, Ihr seid nicht klug, wenn Ihr solchen Unsinn glaubt. Bei meiner armen Seele und so wahr ich einmal sterben muß, schwör ich Euch, daß Eure Frau nicht mit Willen und überhaupt nicht gefehlt hat.« Nun beginnt sofort die andere: »Bei unserer lieben Frau von Puy, ich kenne Eure Frau, wie sie noch so klein war, das beste Mädchen im ganzen Land war sie. Es ist eine Sünde, daß man sie Euch zum Weib gegeben hat, denn Ihr habt sie ohne Grund in schlechtes Gerede gebracht und könnt ihr das nie mehr wieder gutmachen.« – »Wenn ich was sagen darf,« fängt nun die Kammermagd an, »ich weiß ja nicht, was der gnädige Herr gedacht noch gefunden hat: aber ich hab an meiner Gnädigen nie nichts Unrechtes gesehen und hab ihr zeitlebens ehrlich gedient, und es müßt schon was sehr Großes sein, das ich nicht wüßte.« – »Aber ich seh sie doch noch vor mir!« sagt der Mann. – »Und was dabei?« fängt die Gevatterin an; »wenn zwei Leute beieinander sind, muß man doch nicht gleich an so was Schlechtes denken.« – »Ich weiß ja,« erzählt nun wieder das Kammermädchen, »daß der schlechte Kerl darauf aus war, aber es ist keiner auf Erden, dem die Gnädige soviel Schlechtes wünschte als dem. Ich weiß wahrhaftig nicht, wie er ins Haus kam, in dem er, beim Paradies, noch nie einen Schritt gesetzt hat, – lieber säh ihn die Gnädige am Galgen. Ich bin seit vier Jahren in Ihren Diensten und bin ehrlich, so arm ich auch bin: aber ich schwöre bei den heiligen Reliquien unserer Stadt, daß die gnädige Frau eine brave, unschuldige Frau ist wie nur irgendeine. Und wie sollte sie was tun, das ich nicht wüßte, wo ich doch nicht von ihrer Seite gekommen bin! Wollte Gott, ich wäre so frei von allen Sünden, die ich je beging, wie die Gnädige frei von dieser Sünde ist. Und hat mich keiner geküßt als der, der mein Mann wurde, Gott hab ihn selig, und ich fürcht mich nicht vor den Männern.« Inzwischen kamen auch die anderen Freundinnen, eine nach der andern, und ist keine, die nicht sehr vernünftige Sachen sagt. »Beim heiligen Sakrament,« schwört eine,»ich hab Euch doch wie niemand auf der Welt lieb, nach Eurer Frau, und schwör Euch, ich würde es Euch ohne weiteres sagen, wenn da so etwas mit Eurer Ehliebsten wäre.« – »Der Teufel hat Euch den Streich gespielt,« sagt die andere, »weil er Euch sonst nichts anhaben konnte.« – »Und das arme Weib stirbt vor Kummer,« bemerkt die dritte. – »Und glaubt Ihr denn,« fragt eine, »daß wir sie, wenn sie wirklich eine solche wäre, unter uns duldeten, mit ihr verkehrten und durch unsere Stadt gingen?« – Nun kommt heulend die Mutter, läuft auf den Mann zu und tut, als wollte sie ihm die Augen auskratzen: »Verflucht sei die Stunde, da ich Euch mein unglückliches Kind gab, denn Ihr habt meiner Tochter und mir die Ehre geraubt! Einen Edelmann hätte sie haben können, jawohl einen Edelmann, und lebte jetzt in hohen Ehren, aber dumm war sie und wollte Euch und keinen andern, das unglückliche Kind! Und das ist der Dank dafür!« – »Regt Euch nicht so auf, Liebe,« beruhigen die Freundinnen. – »Ach, meine lieben Freundinnen, wenn meine Tochter wirklich einen Fehltritt begangen hätte, mit diesen meinen Händen würde ich sie erdrosseln. Aber soll ich es ruhig mit ansehen, wie mein Kind ohne Ursache beschimpft wird? Das kann ihr niemals wieder gutgemacht werden.«

Nun schimpfen die Weiber alle auf einmal. Der arme Mensch weiß nicht, was denken noch sagen; aber im Grunde freut er sich, daß die Sache ein so gutes Ende nimmt. Die Mutter geht ab ohne ein Wort, die Gevatterinnen nehmen gar süßen Abschied, und daß er sich über den Zorn der Mutter nicht wundern dürfe. Und versprechen ihm, alles zu tun, daß sein Weib wieder zu ihm zurückkehre. Kaum sind sie fort, erscheint ein Bruder Franziskaner oder Kapuziner, sein und seiner Frau Beichtvater, der schon von dem ganzen Spektakel unterrichtet ist und gegen ein Almosen von beiden Teilen die Sache schon wieder einzurichten versprochen hat. Der Vater hebt an: »Ich bin sehr verwundert über das, was man mir berichtet hat. Ich muß Euch wahrhaftig ob Eures Verhaltens tadeln, geliebtes Beichtkind. Ich schwöre Euch beim heiligen Dominikus oder beim heiligen Augustin, ich kenne Eure Frau nun an die zehn Jahre und nehme es auf mein Gewissen, daß sie eine der tugendhaftesten Frauen im Lande ist. Und ich muß das wissen, denn sie ist mein Beichtkind, das ich des öftern schon eingehend darüber ausgeholt habe, und nie habe ich das geringste Fehl an ihrem Leibe bemerkt, wofür ich meine Seele verpfände.« Nun ist der Arme gänzlich überwunden. Es tut ihm viel leid, daß er so töricht war und glaubt sicher, daß er sein Weib nicht mit dem Galan überrascht hat. Nun ist noch zu wissen nötig, welche Vorteile der Mann von der Versöhnung mit seiner Frau hat: er wird von nun ab mehr ihr Sklave sein als je; die Frau, die er so ins Gerede gebracht hat, wird gar keine Scham mehr haben, denn nun weiß sie, daß jeder darum weiß und deshalb keiner sich mehr darum kümmert. Und Mutter, Freundinnen und Gevatterinnen werden ihr dabei helfen, wie sie ihr dabei geholfen haben, dein hartmäuligen Mann den Zaum anzulegen. Und dann ist auch der Galan nicht übel, der immer Pasteten und Torten schickt, die man sich gut schmecken läßt. Und alles das zahlt der gute arme Mann, der kein Wort mehr sagt. Wie sollte er auch glauben, daß sich alle die Weiber gegen ihn verschworen haben? Das Kammermädchen, das so trefflich an dem Frieden gearbeitet hat, macht eine so große Dame wie ihre Herrin, läßt sich von ihren Liebhabern besuchen, und die Herrin hilft ihr dabei.

Und so ist der Mann ins Netz verwickelt, und er mag tun was er will und sein wie er will, sein Weib wird den dummen Übertölpelten nicht mehr lieben mögen. Er wird alt und arm, wie es das Spiel so will. Bringt sein Leben hin in Pein, in Leid und Klage und wird elend seine Tage beschließen.


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