Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Die neunte Freude der Ehe ist diese:

Ein junger Mann hat sich in das Netz und Gefängnis der Ehe begeben; nach den Freuden und Lüsten, die er erst darin gefunden hat, wird nun die Frau auf einmal anders und ganz übel – sie war es immer schon wie alle Weiber – und will im Hause mindest die gleiche Herrschaft haben wie der Mann, lieber aber noch mehr. Ist der Mann klug und vernünftig, so wird er das freilich nicht leiden mögen und auf allerlei Arten dagegen sein, woraus ein unaufhörlicher kleiner Krieg von Listen zwischen ihnen sein wird, wenn es auch zu keiner großen Schlacht kommt. Und hat der Krieg bis zwanzig und mehr Jahre gedauert, und hat der Mann auch siegreich seine Position behauptet, und ist kein Weiberknecht geworden, so ist doch die Frage, ob der Mann in all dem nicht doch Entsetzliches hat ausstehen und ein Leben voll Leid, Unruhe und Verdrießlichkeiten hat leben müssen. Ich setz nun den Fall, der Mann hat Töchter, die er alle wohl verheiratet hat. Keiner weiß, was Mühe und Kummer und schlaflose Nächte es ihm gekostet hat, dies zustande und es mit seinem Vermögen so weit zu bringen, anständig zu leben; denn nun kommen Zufälle, Alter und Krankheit, die Gicht etwa, daß er sich nicht heben kann wo er sitzt, noch von einem Ort zum andern gehen. Nun ist der Krieg geendigt und zu des Mannes Schaden. Denn die Frau ist gesund und noch in guten Jahren, jünger vielleicht als der Mann, und tut nun ganz nach ihrem Gefallen. So lange hat er mit Geschick den Krieg geführt, nun ist er doch zuletzt unterlegen. Die Kinder, die bisher unter des Vaters guter Zucht waren, finden in der Mutter eine Verteidigerin, wenn der Vater etwas an ihnen zu tadeln hat, was ihm großen Kummer in seinem Herzen bereitet. Und auch für seine Leute, die er in seinem Zustande so braucht, muß er Maß haben, daß sie ihm nicht abwendig gemacht werden. Und wenn er auch seinen Verstand gesund erhalten hat, wird er doch als ein Narr behandelt und gehalten, weil er nicht ohne Hilfe von seinem Stuhle sich heben kann. Nun will sein ältester Sohn die Wirtschaft übernehmen und sich selbständig machen, worin ihn die Mutter unterstützt, denn der Vater lebt ihm zu lang. Solcherweise muß der gute Mann sich von Weib und Kindern, ja von seinen Dienstleuten beherrschen lassen, die nicht tun, was er befiehlt. Und wollen ihn nicht einmal ein Testament machen lassen, weil sie fürchten, sie kämen darin nicht gut weg. Halbe Tage lassen sie ihn allein in seinem Zimmer, ohne ihn zu besuchen, und lassen ihn Hunger und Durst und Kälte leiden. Und ist der Mann vernünftig und bei gutem Verstande, wird er in dieser seiner Einsamkeit so trostlosere Gedanken über sein Geschick haben. Ruft in einer solchen Not nach Weib und Kindern und kümmert sich keines um ihn und seine Jammerklage. Nun ist alles, womit sich sein Weib mit ihm vergnügte, vergessen, und geblieben ist nur die Erinnerung an all die Streiche, die er ihr zugefügt, und erzählt sie den Nachbarinnen, ein wie schlechter Mann er immer gewesen und was er ihr für ein Leben bereitet, und wie sie ohne die große Geduld, die sie mit ihm gehabt, wohl nicht mit ihm hätte hausen können. Der Mann bekommt es öfter von ihr zu hören, daß er um seines schlechten Lebenswandels jetzt mit Leiden bestraft werde. Und die das sagt, ist eine ausgetrocknete, herbe, zänkische Alte, die sich nun so dafür rächt, daß früher sie über den Verstand ihres Mannes nicht hat Herr werden können, und läßt sich daraus ihr giftiger Zorn begreifen. Sagt der Mann ihr etwa dies: »Liebe, Du bist es, die mir auf der Welt am liebsten sein muß und ich Dir, nun muß ich es Dir sagen, daß ich mit vielem, was mir geschieht, nicht zufrieden bin. Du weißt, ich bin der Herr im Hause und werde es sein, so lange ich lebe, werde es sein und nicht bloß scheinen. Wenn ich ein Armer wäre, der sein Brot um Gottes willen sucht, dürfte man mir so nicht tun, wie man mir tut. Du weißt, ich hab Dich immer lieb gehabt und hab mich geplagt und hab gearbeitet – aber unsere Kinder betragen sich schlecht gegen mich.« Da sagt gleich die Frau: »Was willst Du, daß ich tue? Man tut doch alles nach Deinem Gefallen, nur weißt Du oft selbst nicht, was Du haben willst, und so warst Du schon immer, das weiß Gott.« – »Laß sein, laß sein,« ruft der Mann auf, »ich hab Dich schon genug gehört,« und spricht zu seinem Ältesten:»Vernimm mich wohl, mein Sohn. Dein Benehmen seh ich gut und es gefällt mir nicht. Du bist mein ältester Sohn und wirst mein vornehmster Erbe sein, wenn Du Dich wohl aufführst. Aber ich merke, daß Du Dir jetzt schon ein Recht über mich und meine Habe gibst. Hab's nicht so eilig und denke, daß Du mir jetzt noch zu gehorchen hast; ich war Dir immer ein guter Vater, hab mein Erbteil nicht nur nicht durchgebracht, sondern es durch meine Arbeit vermehrt, und es ist ansehnlich, was ich Dir hinterlasse. Aber wenn Du Dich nicht änderst, so schwöre ich Dir, wirst Du keine Freude an dem haben, was mir Gott geschenkt hat. Also nimm Dich in Acht.« – »Ja, was soll er denn gar tun?« fängt die Mutter gleich an. »Ich weiß es wahrhaftig nicht; man hat wirklich nichts anderes zu tun, als immer nur um Dich sein. Du weißt nicht, was Du willst. Ist Dir vielleicht nicht ganz wohl?« – »Schweig,« sagt der Mann nur, »und stell Dich nicht, wie Du immer getan hast, auf seine Seite.« Da verlassen Mutter und Sohn das Gemach und sagen einander, der Vater sei verrückt, weil er dem Sohn mit Enterbung gedroht hat, und beschließen: den Vater mit niemand mehr reden zu lassen, damit er das nicht wahr machen könne. Und überall herum erzählen sie es, daß es mit dem Verstand des Vaters nicht mehr richtig sei und daß man ihm wird müssen einen Vormund setzen. Und kommt wie früher ein Besuch – er war immer ein gastlicher Hauswirt gewesen – und will mit dem Manne plaudern, so spricht die Frau: »Ach, mein guter Mann ist ganz kindisch geworden. Man darf ja Gott nicht zeihen und muß hinnehmen, was er auf uns legt, und hat mir eine gar schwere Last gegeben und niemanden, der mir sie tragen hülfe.« Des wundert sich der Freund sehr, denn er hatte den Mann als der verständigsten einen im ganzen Lande gekannt. »Ja, es ist Gottes Fügung!« sagt die Frau. Also wird der Mann, der ehrlich gelebt hat, behandelt. Und hat keinen, dem er es klagen könnte, und verbraucht in Kummer, was ihm noch zu leben bleibt. Keine Freude tritt mehr in sein Herz, und ist es zu wundern, daß es nicht die Verzweiflung packt, gegen die ihn sein starker Verstand noch schützt. Kein andres Heilmittel ist für seinen Schmerz als die Geduld; und spricht kein Mensch anders von ihm, als wie von einem, von dem man schon Abschied genommen hat.

Also tut der Unglückliche Buße für seine List und sein Verlangen, ins Netz zu kommen. Und wäre er nicht drinnen, er würde nicht ruhen, hineinzukommen. Und seine Jammerklage hört nicht auf, und elend endigt er sein Leben.


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