Joseph von Lauff
Die Brixiade
Joseph von Lauff

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Die dritte Flasche

              Jetzt muß ich mich manierlich geben
Und etwas sinnig angebleicht,
So etwa, wie durch junge Reben
Des Weges ein Verliebter schleicht.
Nicht aber soll mein Lied euch tragen
Gespenstisch über Moor und Torf;
Nein, singen will ich jetzt und sagen
Wie Meister Joseph Eichendorff.
Es steht mir zwar zu dieser Stunde
Kein Horn zu Dienst auf stillem Pfad,
Auch geht in einem kühlen Grunde
Mir just zupaß kein Mühlenrad;
Ich blase keine Trauerweisen,
Kein Ringlein springt bei mir entzwei;
Jedoch als Spielmann will ich reisen
Bis in den Bann der Brauselay.
Von zwei Beglückten will ich singen,
Von einer »Sie« und einem »Er« . . .
Und schlage die geweihten Schwingen
Der Liebe selig um sie her.
Ich suche zarte, weiche Worte,
Wie sich's für Liebende gebührt;
So süß, wie eine Sahnentorte
Mit Kandiszucker angerührt.
Ach! gleich den marmelweißen Schwänen,
Mein Lied, erhebe dich zum Flug
Und weine stille Freudentränen
Vernünftig in dein Taschentuch!
So sing' ich denn: Wie klar die Welle,
Das Firmament wie hehr und groß!
Und kichernd hielt der Junggeselle
Die Wasserfee auf seinem Schoß.
Sie war nicht spröde, tat nicht geizen,
Sie glühte wie ein Rosenstrauch,
Und von den auserwählten Reizen
Er machte sichtlichen Gebrauch.
Ein dreimal hochbeglückter Freier,
In Liebeslust und Liebesqual,
Er warf die silberhellen Schleier
Verschwendrisch über Berg und Tal.
Der Mond in stetigem Entzücken,
Er lichterte durch alle Welt
Und baute tausend goldne Brücken
Weit über Strom und Wald und Feld.
Und dieses Licht, als sein Verweser,
Er um ein trautes Häuschen spann . . .
Und wisse, vielgeliebter Leser,
Auf dieses grade kommt mir's an.
O stilles Heim, o trautes Häuschen,
Du liegst am Bergeshang geschmiegt,
Gleichwie ein zartes Knuspermäuschen
Sich auf 'ner Käsekruste wiegt!
Der argen Welt verderbte Schäden,
Sie weichen scheu vor dir zurück,
Denn hinter deinen grünen Läden
Da herrscht die Eintracht, wohnt das Glück.
Und außerdem . . . Was soll ich sagen?
Ha, die Begeisterung reißt mich fort!
Die Laute muß ich voller schlagen
Zu einem preisenden Akkord;
Denn rings, umblüht von Feuerbohnen,
Umzirkt von weißem Gartenkies,
Ließ Gott ein schönes Mädchen wohnen
Und Hermann Joseph wußte dies.
Auf raschen Zehen trat er näher,
Ein weidgerechter Jägersmann,
Und pirschte sich als leiser Späher
Bis an ihr Fensterlein heran.
Er schnupperte um Sims und Riegel,
Er fühlte es: Du bist ihr nah;
Dann rief er, ein verliebter Igel:
»Mariechen, öffne, ich bin da.«
Er hörte drinnen ein Erschrecken,
Wie jemand auf die Strümpfe sprang,
Ein Rascheln wie von leichten Decken
Und dann noch, wie der Riegel klang,
Und sieh: o himmlisches Verlangen! –
Mit unsrem Schiller muß ich gehn:
Mit züchtig und verschämten Wangen
Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
Bei Gott im Himmel, welch ein Mädchen!
Ein Krönchen ihr geflochten Haar,
Die Augen blaue Feuerrädchen,
Ihr Mund ein Weichselkirschenpaar!
Vom Knöchel bis zur Augenbraune
Geschmeidig wie ein Reh im Feld,
Als hätte Gott in bester Laune
Dies Kind ins Moseltal gestellt.
So stand sie da im Fensterrahmen,
Ein menschgewordner Lautenklang,
Und zwei beherzte Hände nahmen
Sie überglücklich in Empfang.
Und sie, sie streckte auch die Arme
Verhimmelt aus – mehr sag' ich nicht,
Und an die junge Brust, die warme,
Barg sich ein strahlendes Gesicht.
»Wo kommst du her?« – »Aus froher Runde,
Wo alle puppenlustig sind.«
»Was willst du jetzt?« – »Aus deinem Munde
Das Jawort, vielgeliebtes Kind.«
»Und das so schnell?« – »Ich muß beenden,
Was mich bei Tag und Nacht geplagt;
Heut muß es sich zum Guten wenden . . .
Auch Meister Wieprecht hat's gesagt.«
»Was sagt denn der?« – »O der ist weise,«
Hub Hermann Joseph schmunzelnd an.
»Er zog um mich geheime Kreise,
Und also sprach der kluge Mann:

    Hermann Joseph, merke dir
    Was ich dir verkünde.
    Gehst du pirschend ins Revier,
    Denke nicht an Sünde.
    Blase deinen Pfeifenrauch
    Schuldlos durch die Bäume;
    Doch beim Rauchen denke auch
    An gehabte Träume.

    Die im Traum dir gut gefiel,
    Mußt du fest behalten.
    Diese wähle dir als Ziel;
    Gott wird weiter walten.
    Aber merke, junges Blut,
    Träume keine Dicke;
    Denn man lebt nicht allzugut
    Bei 'ner feisten Ricke.

    Wähle ferner, wenn's beliebt,
    Ganz besonders keine,
    Welche allzuhäufig fiept
    Durch die Buchenhaine;
    Denn, wie männiglich bekannt,
    Hat solch Frauenzimmer
    Von dem heil'gen Ehestand
    Keinen blassen Schimmer.

    Gerne führt auch hinters Licht
    Eine Anverwandte;
    Doch besonders träume nicht
    Von 'ner alten Tante.
    Aller Jäger Schutzpatron
    Schirme dich in Gnade!
    Blei und Pulver, lieber Sohn,
    Ist hierfür zu schade.

    Naht jedoch auf flinkem Lauf
    Eine von den Jungen,
    Hermann Joseph, dann paß auf –
    Die kommt dir gesprungen.
    Hermann Joseph, dann mach' Schluß
    Wie die Moselhechte;
    Angelegt, gezielt und – Schuß . . .!
    Und du hast die rechte.«

»Und das bin ich!« so rief sie heiter.
»Wer soll's denn anders sein als du?!«
Und auf der steilen Liebesleiter
Stieg er beglückt den Sternen zu.
Da schloß ein rosenrotes Bändel
Die zwei verliebten Leutchen ein,
Und unter fröhlichem Getändel
Vergaßen sie ihr irdisch Sein.
So ging vorbei ein Viertelstündchen,
Da bot sie ihm den ersten Kuß,
Und lächelnd sprach ihr rotes Mündchen:
»Ich bin so frei, Herr Brixius
»Ich bin so frei, es anzunehmen,«
Versetzte er drauf höchst galant . . .
Da war von schmucken Diademen
Das ganze Firmament umspannt.
Vom höchsten Zweig bis zu den Wurzeln
Erschauerte jedweder Baum,
Und eine Schnuppe ließ sich purzeln
Hoch aus dem blauen Sternenraum.
Das ganze Tal klang von Gesängen,
Es harfte selbst im Strom die Fee;
Die Thyrsusstäbe auf den Hängen
Die jubelten ihr »Evoe!«
Den Fischen wibbelte das Schwänzchen
Vor eitel Wonne, eitel Glut;
Sie wagten selbst ein kleines Tänzchen
In der vom Licht durchperlten Flut.
Sogar der Mond, der sonst nichts nütze,
Der Freier in geweihter Nacht,
Schien Hermann Joseph auf die Mütze
Und sprach: »Das hast du gut gemacht.« –
Doch muß ich euch von hier geleiten,
So köstlich auch die Liebe geigt;
Schon schwirrt es wieder in den Saiten . . .
Habt acht! – Der vierte Kantus steigt.


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