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Kategorien, das sind Dinge,
Die der Philosophie entliehn
Und gleichsam wie mit einem Ringe
Die denkerische Welt umziehn.
Zwar nicht der göttliche Lukullus,
Indessen schon Pythagoras,
Alkmäon und Raimundus Lullus
Und andre mehr erkannten das.
Wer sie beherzigt, der ist weise,
Und ohne sie ist alles Dunst;
So wenigstens in unsrem Kreise
Erging sich stolz die »schwarze Kunst«.
Da gab's ein Forschen, gab's ein Fragen:
» Quis? quid? ubi . . .?« und weiter so,
Und Hermann Joseph, sozusagen,
Erschien wie lichterlohes Stroh.
Noch schlug das Herz ihm an die Rippen,
Noch brannte heiß der erste Kuß,
Und selig stammelten die Lippen:
»O unbeschreiblicher Genuß!
O paradiesisches Empfinden,
O rosenrotes Liebesband!
Wer eifrig sucht, der wird auch finden,
Und – lieber Himmel – ja, ich fand!«
So beichtete die fromme Seele,
Die tief in Wonne sich gekniet;
Ich aber sang aus voller Kehle
Ein schnell zurechtgemachtes Lied:
»Es fliegt der Pfeil, geschnellt von straffem Zug,
Und staunend folgt das Auge seinem Flug.
Wohin die Fahrt? – Ja, wer das wissen mag!
Es sinkt die Nacht, und wieder steigt der Tag –
Indes der Pfeil noch ungehindert fliegt,
Vom lauen West getragen und gewiegt.
Jetzt neigt er sich und senkt sich erdenwärts;
Er hat sein Ziel und fand ein junges Herz.
Und traf der Schütze noch so weidewund,
Zwei heiße Lippen küßten seinen Mund.«
Doch Meister Wieprecht, kurz entschlossen
Und fast mit stürmender Gewalt,
Kam wie ein Moselhecht geschossen
Und donnerte: »Ich bitte – halt!
Bevor wir singen hier und sagen
Mit hellem Ton und Klimperling,
Muß ich hier diesen erst befragen,
Ob er die rechten Pfade ging.
Drum sieh mich an mit offnem Blicke,
Mein lieber Sohn, und sage mir:
Hat dich nicht eine feiste Ricke
Betört im schattigen Revier?
Du lächelst: nein. Schon blüht der Weizen.
Dein Lächeln hat mich sehr entzückt;
Doch hat vielleicht mit ihren Reizen
'ne alte Tante dich beglückt?
Auch dieses nicht? – Ich kann es lesen
In deinem Schmunzeln, wundersam.
So ist ein Schmaltier es gewesen,
Das just dir vor die Flinte kam.
Und hab' ich recht – dann, lieber Junge,
Die letzte Frage, wenn's beliebt:
Vielleicht hat gar beim Liebessprunge
Die Kleine dir zu oft gefiept?
Auch das kann ich ad acta legen . . .
Dann, Hermann Joseph, mit Vergunst,
Empfange hiermit Gruß und Segen
Von mir, dem Herrn der schwarzen Kunst.
Und leben sollst du, wie in Mekka
Der weise Mohammed gelebt,
Als ihn die jüdische Rebekka
Im Schleiertanze hat umschwebt,
Wie Solon mit dem Siegelringe,
Der auch Polykrates wohl hieß
Und mit der Gräfin von Lippspringe
Sich einst zu Samos trauen ließ.
Und Engelchen auf leichten Stiegen,
Sie sollen tanzen um dich her,
Und kleine Kitzchen sollst du wiegen,
So ungezählt wie Sand am Meer.
Das ist mein Wunsch, das ist mein Wille,
So und nicht anders sei's gedacht . . .«
Und eine atemlose Stille
Ging plötzlich durch die Sommernacht.
Dann aber krachten Tisch und Bänke,
Ein lauter Jubel brach sich Bahn,
Und über die verträumte Schenke
Zog ein betäubender Orkan.
Die Mosel selbst, das Laub, die Gräser,
Sie jubelten von fern und nah,
Und hellauf klingelten die Gläser
Ein »Hurra – Hoch – Viktoria!«
Bis Peter Zenz, der Vielgelehrte,
Sein Kelchglas auf die Platte stieß,
Ein kurz Silentium begehrte
Und sich, wie folgt, vernehmen ließ:
»Der Richter ist der Mann der Pflichten,
Der alles klärt und alles wägt
Und die verwickeltsten Geschichten
Mit Weisheit auseinandersägt.
Er ist beherzt, er ist lebendig,
Er schätzt den Heller, wiegt aufs Lot,
Und so da einer nicht geständig,
So setzt er ihn auf trocken Brot.
Er liebt den Satz: Du sollst nicht eilen,
Nicht als Gemütsmensch, nicht als Christ,
Und bei dem Wein sollst du verweilen,
Besonders, wenn er süffig ist.
Nun fiel ein Fest in unsre Mitte,
Und so nicht mein Gedächtnis irrt,
War es von jeher alte Sitte,
Daß solch ein Fest begossen wird.
Drum Joseph, vielgeliebter Bruder,
Zum Keller eile, ungesäumt,
Wo Fuder lieblich neben Fuder
In lichtverpönter Kühle träumt.
Doch folge ehrlich meinen Worten
Und knaus're nicht und feilsche nicht,
Und von den durchprobierten Sorten
Bring folgende ans Tageslicht:
Von Ürzig zwei, von Valwig viere,
Von Trittenheim nach deiner Wahl
Und, ohne bängliches Geziere,
Von Eitelsbach die gleiche Zahl.
So zeug denn hin, du edler Knabe,
Dem Gott ein solches Glück beschied;
Indessen bis sie kommt, die Labe,
Erklingen soll ein neues Lied.«
So sprach aus tiefster Brust und Seele
Der Amtsgerichtsrat Num'ro eins;
Dann aber schmierte er die Kehle
Und sang zum Preis des Moselweins:
»Im Moseltal läuten die Glocken
Und wecken den gläubigen Sinn;
Da schleichen auf lautlosen Socken
Die Menschen zur Beichte hin.
Der Pfarrer auf dem Gange
Sieht sich noch einmal um
Und kneift der Köchin die Wange –
Bim, bam, bum!
Kaum hat er die heilige Schwelle
Des hölzernen Stuhles beehrt,
Erscheint ein Weidmannsgeselle,
Bedrückt und sündenbeschwert.
Mein Sohn, auf irdischen Pfaden
Geht manches Unheil um.
Was hat deine Seele geladen?
Bim, bam, bum!
Herr Pfarrer, in Trübsal versunken,
Ich habe zu tapfer gezecht;
Ich habe ein Schöppchen getrunken,
Getrunken im »Blauen Hecht«.
Ein Schöppchen? – das kann nicht schaden,
Das nimmt der Herrgott nicht krumm.
Hat sonst dein Herz was geladen?
Bim, bam, bum!
Herr Pfarrer, daß Gott mir verzeihe!
Hab' nochmals die Klingel geschwenkt;
Aus einem wurden zweie,
Zwei Schöppchen, Herr Pfarrer, bedenkt!
Zwei Schöppchen? – die können nicht schaden,
Das nimmt der Herrgott nicht krumm.
Hat sonst dein Herz was geladen?
Bim, bam, bum!
Herr Pfarrer, dann ging es weiter;
Aus zwei wurden dreie schier,
Und dann auf süffiger Leiter
Erklomm ich der Schoppen vier.
Vier Schoppen? – die können nicht schaden,
Die bringen den Menschen nicht um;
Hab' selber schon schärfer geladen –
Bim, bam, bum!
Herr Pfarrer, die köstlichen Tröppchen,
Sie taten so spritzig, so wohl;
Drum waren auch schließlich sechs Schöppchen
In meinem Kamisol.
Sechs Schöppchen? – die können nicht schaden,
Wird einer nicht dösig und dumm;
Hab' selber schon sieben geladen –
Bim, bam, bum!
Herr Pfarrer, daß ich's man sage,
Da sonst die Beichte nichts nutzt;
Beim zehnten Glockenschlage
War auch das siebte verputzt.
So, so! – also ganze sieben!
Fast nimmt es der Herrgott krumm.
Was hat Er dann weiter getrieben?
Bim, bam, bum!
Herr Pfarrer, da hat wie am Fädchen
Mein Herz getanzt und gehüpft;
Da bin ich ganz leise zum Mädchen
Ins saubere Bettchen geschlüpft.
Hm, hm! – meint der Pfarrer und kann sich
Kaum halten vor Ohrengesumm,
Das hat der Mosel so an sich –
Bim, bam, bum!«
Wer niemals noch das laute Knattern
Des Pyrotechnikers vernahm,
Wenn er die heißen Ringelnattern
Beherzt bei ihrem Schwanze nahm
Und sie dann warf in alle Ferne,
Von trunknem Feuerglanz umzischt,
Bis sie dem Heer der lichten Sterne
Mit hellem Jauchzen sich vermischt,
Wer nur durch Rosen, Nelken, Malven
Die arme Phantasie betört
Und niemals Salven über Salven
Aus einer Batterie gehört,
Der hört es jetzt. – Die Stühle krachten
Nach diesem prächtigen Gesang,
Und fünf beherzte Männer lachten,
Daß fast ihr Trommelfell zersprang.
Das wieherte und ächzte stöhnend,
Das grunzte wie 'ne Eichelsau,
Und Hubaleck rief voll und tönend:
»O jerum, meine arme Frau!«
Der Doktor trommelte die Schenkel
Mit Hallohe und Klipp und Klapp,
Und Wieprecht lachte beide Henkel
Von einem blanken Kühler ab.
Er hätte noch die ganze Laube
In Grund und Fundament gelacht,
Falls nicht der Herr der »Goldnen Traube«
Die Fläschchen hätte zugebracht.
Er brachte sie im schmucken Korbe,
Ganz Würde, eitel Milch und Rahm,
Wie einst beim Klange der Theorbe
Ein Hoherpriester sich benahm.
Und so begrüßt von allen Seiten,
Dem Beifall auch nicht abgeneigt,
Schwirrt's wieder in den Spielmannssaiten . . .
Habt acht! – Der sechste Kantus steigt. |