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Fünftes Kapitel.
Gespenster


Der Pastor Simon, Eulerchens, unsers Helden wirklicher Vater, verlor um diese Zeit seine geliebteste Gattin Frau Barzogreta Maultasche, geborne Quodammodarius, durch einen Indigestionszufall, welchen sich die Frau Pfarrin auf einem Kindtaufenschmaus zugezogen hatte. Caspar, der Knecht des Herrn Pastors, ein lustiger Geselle, machte der Magd Anne Margarethe weiß, die Frau Pastorn spuke, oder nach dortiger Mundart, sie webere und wandere; um das abergläubige Ding recht ins Bockshorn zu jagen, behing sich Caspar mit einem weißen Laken, und erschien derselben im Kuhstall: das Mädchen war halb tobt vor Schreck, und Caspar, welcher ihr nach abgelegter Vergespensterung zu Hülfe gekommen war, mußte sie ins Haus führen, weil sie nicht allein gehen konnte.

Eben kam der Pastor von seinem Gevatter dem Dorfschulzen zurück, und erschrak, als er seine Magd in solchen desolaten Umständen erblickte. Hastig fragte er, was geschehen sey; aber der schlaue Caspar stellte sich, als wüßte er vom hellen Tage nichts, und berichtete, wie er mit Anne Margarethe ein Wort über die bevorstehende Ausputzung des Taubenschlags habe reden wollen, und wie er sie im Kuhstall beynahe ohne Leben gefunden habe; weiter sey ihm nichts bekannt.

Jetzt quästionnirte der Pastor die Anne Margarethe selbst, aber er mußte lange warten, bis er endlich eine Antwort erhielt, welche doch nur in den abgebrochenen Worten »ach lieber Gott, die selige Frau« bestand. Wäre der Pastor kein Hasenfuß gewesen, so würde er diese Worte nicht verstanden haben, aber er war ein Geck, welcher, wie alle seine damaligen Herren Amtsbrüder in ganz Hessenland, den Kopf voll von Gespenstern, Heren, Unholden und Kobolden hatte, und als ein solcher Geck fiel er darauf, die selige Frau müsse der Magd erschienen seyn. Einige Worte, welche er in der Angst ausstieß, belehrten den Knecht Caspar, daß sein Herr, der Pastor, nicht klüger wäre, als die Magd, und er beschloß auf der Stelle, aus dieser Entdeckung Nutzen zu ziehen.

Die Ursache, warum Caspar die Gaukeley mit der Magd angefangen hatte, war die Absicht, daß Anne Margarethe ihre Schwester Bärbel, welche Caspar caressirte, bey sich möchte schlafen lassen, um nicht allein in ihrer Kammer zu seyn. Zu dieser hoffte er durch das Kammerfenster steigen zu können, und das ganz sicher, da er den festen Todesschlaf der Anne Margarethe wohl kannte. Nun aber sah er, daß der Pastor selbst im Bockshorn war, und erbot sich, die Nacht im Hause zu bleiben, wenns etwan dem Herrn Pastor nicht wohl wäre: er wolle bey ihm wachen. Das ist nicht nöthig, sagte der Pastor: aber einen Gefallen thust Du mir, wenn Du im Nebenzimmer schlafen willst, daß ich Dich gleich rufen kann, wenn mir etwas zustößt: denn mir ist nicht wohl. Caspar versprachs, und lachte den Pastor und die Anne Margarethe in die Faust rechtschaffen aus.

Anne Margarethe nahm nun mit des Pastors Bewilligung ihre Schwester Bärbel alle Nacht zu sich. Sobald diese merkte, daß Anne Margarethe fest schlief, schlich sie sich von ihrer Seite weg, und legte sich an Caspars Seite: beyde lachten alle Mal über die leichtgläubige Furchtsamkeit des Herrn und der Dienstmagd, und gaudirten sich, daß sie klüger waren, als der studirte Pastor. Bisweilen mußte Bärbel in des Pastors Schlafzimmer kommen, wenn der Mond nämlich schien, und ihm von weitem winken. So oft dies geschah, klopfte der Pastor seinem Caspar, welcher auch bald herzu lief: nun verschwand das Gespenst, und Caspar hatte alle Mühe, das Lachen zu verbeißen, wenn der Pastor hoch und theuer versicherte, die selige Frau sey wieder dagewesen.


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