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Gerade um diese Zeit starb der Herr Pastor Selsam zu Kirchberg, und Hanhenrich verlor eine Hauptstütze. Er war zwölf Jahr alt, und seine Mutter entschloß sich, ihn confirmiren zu lassen und dann zu einem Schneider in die Lehre zu bringen. Selsams Nachfolger, der Pastor Jäger, verrichtete in aller Geschwindigkeit das Erste, und confirmirte den Jungen trotz seiner gewaltigen Ignoranz. Er approbirte sehr Sibyllens Vorhaben, den Jungen einen Schneider werden zu lassen; sie selbst sollte wieder Haushälterin bey ihm werden, da sie den vorigen Herrn so gut bedient hatte.
Von ungefähr kamen sie auf den Ursprung des jungen Hanhenrichs zu sprechen, und da gestand Sibylle die reine Wahrheit, daß nämlich der Pastor Simon zu Sauerkrautshausen der wahre Vater desselben sey.
Hm, hm, sagte Pastor Jäger, das ist doch abscheulich, daß der Pastor Simon sich des Jungen gar nicht annimmt. – Aber stille, ich werde mit ihm reden.
Pastor Jäger hatte einst mit Pastor Simon in Gießen studiert, war sein Stubenbursche gewesen und hatte mehrmals beym Commersch zu Wieseck und zu Heuchelheim contrapräsidirt, wenn Simon, dessen Baßstimme und große Kenntniß der Commerschlieder ihn öfters zum Vorsitz bey dergleichen Saufgelagen qualificirte, den ersten Präses machte. Nun entschloß er sich, eine Reise nach Sauerkrautshausen zu machen, und zu versuchen, ob er den Pastor Simon nicht zu einiger Unterstützung des jungen Eulers bewegen könnte; zu Fuß ging er daher nach Gießen, nahm daselbst vom Casselwirth ein Pferd, und ritt zu seinem Freund.
Pastor Simon war hoch erfreut, einen alten Bekannten und Universitätscumpan einmal wiederzusehen; denn Pastor Jäger war lange Zeit in einer entfernten Gegend als Caplan angestellt gewesen. Beyde Freunde fingen damit an, daß sie sich an ihre alten ehemals verübten Stückchen erinnerten, und dabey einen Schnapps über den andern machten. Der Spiritus kam beyden endlich in den Kopf, und so gestanden sie sich wechselsweise ihre geheimsten Stückchen; Freund Simon bekannte sogar, daß er ehemals auf der Kirchenvisitation, als er den Superintendenten Quodammodarius begleitete, einen nächtlichen Besuch bey der Köchin des Pastors zu Kirchberg abgestattet habe, und daß er nicht zweifle, ein gewisser Junge sey die Folge jenes Besuchs.
Jäger wollte mit seiner Strafpredigt und Ermahnung nicht eher loslegen, bis sein Freund und er würden völlig nüchtern seyn, und ging mit demselben zu Bette. Caspar, welcher gesehen hatte, daß die Herren wohl getroffen waren, beschloß, das Gespenst erscheinen zu lassen, und da Bärbel noch nicht da war, hing er sich selbst das Bettlaken um, und kam ziemlich ungestüm in das Schlafzimmer. Die beyden Pastoren schlummerten schon, aber das Geräusch, welches das Gespenst machte, indem es die große, auf dem Tisch liegende Concordanz nebst der großen Bibel in Folio auf die Erde warf, weckte sie auf; sie erblickten beym Mondenschein eine weiße Figur, und krochen unter die Bettdecke. Ob sie gleich ziemlich benebelt waren, und heroische Köpfe hatten, so getrauete sich doch keiner von ihnen, den Geist anzureden, und noch weniger demselben zu Leibe zu gehen. Caspar hob die Concordanz und die Bibel wieder auf von der Erde und legte sie auf den Tisch, denn nach der echten Gespenstertheorie kann zwar ein Geist etwas auf die Erde werfen, aber es muß hernach doch wieder an seinem rechten Orte seyn, sonst war es kein Geist, der die Sache herunter geworfen hat.
Die Pastoren sprachen kein Wort mit einander, und schliefen endlich ein. Beym Frühstück fragte Pastor Jäger seinen Freund, was das Nachtgesicht zu bedeuten habe? Ach Gott, erwiderte dieser, der Geist meiner seligen Frau kann nicht ruhen; er kommt aus der andern Welt zurück, und setzt uns alle im Hause in Furcht und Schrecken.
P. Jäger. Curjos! Ich dächte doch, Deine selige Frau sey so eine brave christliche Matrone gewesen.
P. Simon. Das war sie auch: und eben deswegen kann ich nicht begreifen, warum sie der liebe Gott ihrer Ruhe beraubt.
P. Jäger. Höre Bruder, Du erzähltest mir gestern Abend von Deinem Umgang mit des Pastors zu Kirchberg Haushälterin.
P. Simon. Jawohl: aber Du wirst doch nicht davon ausschwätzen?
P. Jäger. Warum nicht gar! Denkst Du denn, daß ich den Comment nicht verstehe? Schwerenoth, nichts kommt schuftiger heraus, als seiner Freunde Heimlichkeiten ausplaudern. Sey also ohne Sorgen, meinetwegen nämlich: aber sage mir doch, wußte Deine Frau, daß Du einen Jungen gemacht hattest?
P. Simon. O ja, sie hatte es von ihrem Bruder, dem Superintendenten Quodammodarius erfahren: aber sie machte sich nichts daraus, und spaßte oft darüber, wenn wir so allein waren.
P. Jäger. Hm, hm, mir geht ein Licht auf.
P. Simon ( neugierig). Wie denn so, Herr Bruder?
P. Jäger. Deine Frau wußte, daß sie nicht eigentlich Deine Frau seyn sollte, und ward es dennoch. Deshalben muß sie nun spuken, und wird nicht eher Ruhe haben, als bis Du Deinen Fehler wieder gutmachst, oder bis Du gar stirbst.
P. Simon. Wie kann ich aber meinen Fehler wieder gutmachen?
P. Jäger. Du mußt Deiner Verführten und Deinem Sohn satisfaciren!
P. Simon. Soll ich denn die Person etwa gar heyrathen?
P. Jäger. Das ist nicht nöthig: denn Sibylle begehrt und verlangt das selbst nicht. Aber für Dein Kind mußt Du sorgen. Ich dächte, Du nähmst den Jungen zu Dir, und machtest den Leuten weiß, Dein Freund, der verstorbene Pastor habe Dir ihn empfohlen. Thust Du das, so wird die Spukerey in Deinem Hause bald aufhören.
Der Pastor Simon war alles zufrieden, und froh, seiner verstorbenen lieben Barzogreta Maultaschin Ruhe im Grabe verschaffen zu können.
Gutes Muths ritt Pastor Jäger wider zurück nach Kirchberg, und machte Anstalt, daß der junge Hanhenrich nach Sauerkrautshausen gebracht wurde, wo ihn sein Vater mit aller Zärtlichkeit empfing, ohne sich jedoch im geringsten merken zu lassen, daß er ihm näher verwandt sey, als ein vaterloses ihm von einem Freunde auf dem Todbette empfohlnes Kind.
Doch würden wahrscheinlich die Gespensterchen fortgewähret haben, wenn sich nicht mit Caspar und Bärbel ein Zufall ereignet hätte, welcher der Spukerey ein Ende machte. Bärbels Mutter merkte Unrath an ihrer Tochter, und gab ihrem Manne davon Nachricht. Nun mußte Bärbel ein strenges Examen aushalten, und gestand unter Heulen und Schluchzen, daß es nicht richtig mehr mit ihr, und daß der Pfarrknecht Caspar an dieser Unrichtigkeit Schuld sey. Bärbels Vater über diese Nachricht schrecklich aufgebracht, rennte zum Pastor, und erzählte ihm den Vorfall; der Pastor griff in seinen eigenen Busen, und ermahnte den Bauer zur Geduld; es könne ja noch alles gut werden; Caspar sey ein guter Kerl, und wenn er Bärbel heyrathete, so möchten beyde sehen wie sie zurechte kämen. Der Bauer gab diesen Vorstellungen Gehör, und überließ es dem Pastor, die Sache einzuleiten.
Nun nahm der Pastor seinen Caspar vor, und Caspar leugnete nicht, auch fand er sich willig, Bärbelchen unter die Haube zu bringen, und damit war denn die schlimme Sache abgethan, nur daß beyde arme Sünder nach der damaligen, nun aber auch sogar im Hessen-Darmstädtischen abgeschafften Unart, öffentlich Kirchenbuße thun, einiges Strafgeld pro fornicatione an die hohe Obrigkeit bezahlen mußten.
Caspar und Bärbel hatten keinen Grund mehr, das Gespenst zu machen, und so hörte dann die Spukerey im Pfarrhause zu Sauerkrautshausen auf.