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Herr Inspektor Aestas kam einst nach Gießen und logirte im Rappen. Er bemerkte, daß viele Studenten im Garten versammelt waren, und ging dahin, um wieder einmal eine muntere Gesellschaft zu sehen. Hier fand er auch den armen Eulerkapper, welcher sich erst in Fuselschnapps betrunken, und dann nach einem Dudelsack, gerade wie ein Bär tanzen mußte, wobey er derbe Hiebe von seinem Bärenführer, der ihn am Strick hatte, aufgezählt erhielt. Nachdem die Comödie mit dem Bärentanz zu Ende war, wurde Eulerkapper zum Papst gemacht, und als er nun da lag, und von allen seinen Sinnen nichts mehr wußte, ließen die Herren einige Soldaten rufen, welche ihn bey hellem Tage durch alle Straßen der Stadt tragen, und jedem, der ihnen begegnete, zurufen mußten: aus dem Wege, wir tragen ein fettes Mastschwein!
Inspector Aestas ärgerte sich über das unwürdige empörende Tractament, welches einem Menschen widerfuhr, dem er noch immer gewogen war: er beschloß, alles anzuwenden, um ihn aus den Klauen der Studenten zu retten, und ließ ihn den folgenden Tag zu sich kommen.
Mein Gott, Herr Magister, sagte er zu ihm, wie ist es möglich, daß Sie sich so behandeln lassen? Wahrlich, die Leute gehn ja mit Ihnen um, als wenn Sie ein Hund wären.
Eulerkapper. Lieber Himmel, Herr Inspector, was will ich thun? Der Hunger thut wehe!
Inspector. Freylich thut der Hunger wehe, aber ich dächte doch, solche Kränkungen thäten noch weher.
Eulerkapper. Leider! Aber was will ich machen! die Herren nähren mich –
Inspector. Das heißt, sie geben Ihnen zu essen, und auch vollauf zu saufen, vielleicht auch Geld zu Stiefeln und Kleidern; aber dafür sind Sie der allgemeine Hans, und müssen mit sich machen lassen, was sie wollen.
Eulerkapper ( zuckt die Achsel). Leider, leider!
Inspector. Hören Sie, ich will Ihnen einen Vorschlag thun: die Conrectorstelle zu Butzbach ist vakant; sie trägt wenig ein, das ist wahr; aber ein sparsamer Mann kann doch dabey leben. Ich glaube, diese Ihnen verschaffen zu können. Wie meynen Sie?
Eulerkapper. O, auf den Knien wollt' ich Ihnen danken.
Inspector. Wollen sehen. – Indeß haben Sie hier einiges Geld; ich kanns missen: aber das sage ich Ihnen, lassen Sie sich nicht mehr von den Studenten mißbrauchen, sonst sind wir gute Freunde gewesen. Ich kann's durchaus nicht leiden, daß ein Mensch, und seys auch der allergeringste, sich so wegwerfe.
Der Inspector hielt Wort, und Eulerkapper erhielt das Pöstchen eines Conrectors zu Butzbach. Die Butzbacher, welche der Verfasser selbst kennt, sind kreutzbrave Leute, wie denn überhaupt die Wetterauer eine seelengute Art Menschen sind, einige Gastwirthe etwan ausgenommen, welche sich in der Wetterau, so wie im Brandenburgischen, im Saalkreise, in Pommern, in Schlesien und ubique terrarum aufs Prellen verstehen: daher würde es Eulerkapper zu Butzbach recht gut gehabt haben, wenn er sich nicht selbst lächerlich und verächtlich gemacht hätte. Und so hatte denn auch diese Herrlichkeit bald ein Ende, indem Eulerkapper abgesetzt wurde.
Was war nun anzufangen? In Butzbach durfte der Ehrenmann sich nicht mehr öffentlich sehen lassen, ohne die Jungen in Schaaren hinter sich her zu haben, welche ihm stets nachschrien und nachlachten. Er verließ daher Butzbach, und kehrte nach Gießen zurück, wo er sein altes Logis bezog, und anfing, Hefte für Studenten abzuschreiben, um sich etwas zu verdienen: denn schon damals gab es viele, welche sich die auf dem Catheder vorgeorgelte Weisheit von Andern abschreiben ließen, weil sie zu faul waren, es selbst zu thun, und dennoch in dem leider noch sehr allgemeinen Wahn standen, es sey ein nothwendiges Requisitum bey einem Gelehrten, Hefte zu besitzen.
Die Studenten zu Gießen waren noch immer die alten Wüstlinge, wie einige Jahre vorher, als Eulerkapper mit ihnen conversirte. Jene zwar, welche den guten Kerl so oft zum Papst und zum Prinz von Thoren Eine eigne Art, sich singend zu betrinken. L. gemacht, und sonst auf das Allerunwürdigste behandelt hatten, waren freylich längst abgezogen, und bekleideten jetzt in ihrem Vaterlande geistliche und weltliche Aemter, Andre trugen die Muskete, und noch Andere waren an den Folgen der akademischen Diät gar gestorben. Aber die agirenden Personen hatten sich nur verändert, nicht aber das Schauspiel selbst, und so ward Eulerkapper bald wieder der Gegenstand des studentischen Mutwillens. Sie kannten seinen Hang zum Branntwein und zum Bier: daher wurde er wieder zu allen Kommerschen und andern Gelagen dieser Art eingeladen, und jedes Mal nach den schändlichsten Mißhandlungen nach Hause geschickt. Eulerkapper aber, welcher ohnehin kein zartes Gefühl hatte, und welcher nun das Bißchen Scham noch durch lange Hebung vollends verloren hatte, setzte sich über alles weg, und befand sich wohl dabey: was er mit Schreiben verdiente, bekam seine Frau, und sein Maul brachte er unter den Studenten durch, bey welchen er frühstückte, das Mittags- und Abendbrodt aß und so seinen lieben Bauch weidlich pflegte.