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VIII.

Aude bot mir im ersten Augenblick, was sie für mein Leben blieb. Sie blieb sich gleich wie ein Geigenthema, das ein bewundernswerter Künstler in unerschöpflichen Variationen vorträgt. Sie war immer das Weib mit dem Hundesrachen, das, ach, so vollkommene Gleichnis des einigen unermessenen ›Tieres‹. Ich glaubte ihr Geheimnis mit einem Male zu besitzen und sah bald, daß ich sie nicht kannte.

Sie war nach einem Monat der Liebe vor mir nicht nackter, als da sie zuerst hatte das Kleid fallen lassen. Sie kannte natürlicherweise die Scham nicht, wie auch die junge Eva am Weltmorgen. Und dennoch war es dieselbe Frau, die auf der Straße mit dem Horenbüchlein in der Hand und mit niedergeschlagenen Augen wandelte. Sie war von außen eine Frau wie alle anderen, sogar gläubiger und rechtschaffener als die Mehrzahl derselben. Sie schien nicht zu wissen, daß sie sündigte; sobald ihr Kleid gefallen war, wurde sie zu dem anderen Weibe, das sie selbst nicht kannte und das von schrecklicher Schönheit war. O, diese war das All der Drachen und Einhörner und all der grinsenden Bewohner des höllischen Steinwaldes an dem alten Dom.

Aude betrat mein Zimmer, so wie sie zuerst mit feierlichem Gang gekommen war, mit müdem, ernsten Antlitz. Sie glich einer Priesterin in einem Ritus: sie war um so viel schöner in dieser fremden Haltung, die sie wie das Schicksal erscheinen ließ. Und sie warf die Arme um meinen Hals, sie nahm meinen Mund in ihren, und nachher überließ sie mir ihren Leib. Dann sagte ich ihr glühende Tempelweisen der Leidenschaft. Ich streute rote Rosen der glühendsten Verehrung auf ihr Fleisch. Meine Messen lagen vor ihr auf den Knieen, wie ein junger Priester vor einer schwarzen Muttergottes.

Ich war lange keusch gewesen, meine Glut hatte etwas nahezu Mystisches in sich. Sie war der Gipfel meiner angstvollen Erwartung. Sie sprach es zum letztenmale mit dröhnender Stimme aus: Das Weib war die unreine Sumpfblume des Lebens, der dauernde Nachhall der an den Leib Evas ergangenen Verheißungen. Und Aude empfing in Wahrheit meine Erstlinge; was ich bis jetzt gefühlt, ward abtrünnig, um ihr einzig meinen Gehorsam zu weihen.

Aus meinem verzückten Fleisch stand das hohe Lied der einzigen Liebe auf. Ich war der Sänger, der durch die morgendlichen Weingelände zitternd zur schwarzen Sulamit aufbricht. Aude indessen lachte aus ihrem großen stummen, gleich einer Wunde roten Munde, und ich begann zu glauben, daß ihre Seele leer wie ihre Augen war.

Eines Tages sprach ich zu ihr: »Liebe Aude, wenn du mich, so wie ich hoffe, liebst, sage es mir doch anders, als mit deinen Küssen. Ich kenne bis heute kaum den Klang deiner Stimme.« Sie wand sich wie ein Wurm, den ein scharfer Kiesel zerschnitten hat. Und sie bedeckte, ohne daß sie es wollte, ihr Gesicht mit den Händen. Sie sagte mir in aufrichtigem Schmerze: »O, o verlangen Sie das nicht von mir! Ich kann Ihnen nicht mehr geben, als ich habe.«

Ich zweifelte nicht an der Ehrlichkeit dieses Kummers, und war selbst so bestürzt, als hätte ich etwas gesagt, was zwischen uns auf ewig unausgesprochen bleiben sollte. Und doch war Aude nackt in meinem Bette. Es schien, daß ich sie, da ich zu ihr von Liebe sprach, noch nackter gemacht hätte. Sie, die die Scham des Fleisches nicht kannte, hüllte sich ganz in ihren Schmerz, als ich durch dieses Verlangen eine Scham angegriffen hatte, die wir zwischen uns nicht vermutet hatten.

Mit unerbittlicher Hartnäckigkeit drang ich in meine Geliebte: »Aude, meine teuere Aude, sieh doch, wie ich dich liebe. Du hast mich verzaubert, und dennoch will ich um den Preis meines ewigen Heils nichts tun, deinen Reiz von mir zu reißen. Doch, ich beschwöre dich, öffne deinen Mund. Nur ein Wort, einen Hauch, in einem Kusse!«

Da wandte sie heftig ihr Gesicht gegen die Schatten der Vorhänge und blieb so eine zeitlang in der Dunkelheit, durch die das erste Morgenlicht zu sickern begann, vergraben, als ob auch der fahle Schein des Tages sie verletze. Endlich hörte ich das grausame Wort: »Glaube nicht, daß ich dich liebe, weil diese Sache zwischen uns vorgefallen ist! Ich werde niemals einen Mann lieben.«

Meine Leidenschaft für sie war jäh zerfetzt; ich schluchzte wie ein Kind und bedeckte ihre Brüste in meinen Händen mit meinen Küssen und Tränen. »Ich bitte dich«, rief ich aus; »sage dies nicht, würdest du dich mir hingegeben haben, wenn du mich nicht geliebt hättest?« Sie antwortete mir einfach mit ihrem tonlosen Lachen gleich dem Flügelschlag eines Nachtvogels: »Nein, das war etwas anderes; ich weiß nicht, was.« Und dann schien sie nachdenklich zu werden; sie sah mich mit ihren ausdrucksarmen Augen, die wie von schwarzem Schiefer schienen, an. Und fuhr mit trauriger, ruhiger Stimme, die nichts von Liebe hatte, fort: »Du hauchtest so einen Duft von Jungfräulichkeit aus, der mich entzückte. Und darum bin ich gekommen.«

Dann überfloß mein Mund von ihrem Speichel und der Tod streckte meine Wirbel. Und Aude war eine bewundernswürdige Dienerin der Freude. Gegen Mitternacht erst verließ sie mit ruhiger Miene mein Zimmer. Niemand hätte zu behaupten gewagt, daß sie da in seinem Bette einen sterbenden jungen Mann gelassen hatte.


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