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XXVII.

Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich Aude im bleichen Morgenlichte neben meinem Bette sitzen. Sie hatte die Vorhänge aufgezogen und ihr bewegungsloses Antlitz zu mir gewandt. Sie sprach nichts, sondern beobachtete mich nur. Erst umspielte mich leicht das Vergessen, das jungfräuliche Süße der Wiederkehr zum Leben. Ich genoß das weiche Erwachen nach einer langen wohltätigen Ruhe. Die Nacht schien in ihren langen Schleiern alles Geheimnis entführt zu haben. Aude selbst stand klar im hellen Lichte da. Doch schon durchbohrte mich die Erinnerung: ihr Antlitz, darauf noch der Kerzenglanz lag, verursachte mir so heftige Abscheu, daß ich die Hand vor meine Lider führte, um sie nicht sehen zu müssen. Der Tag verwundete mich, als hätte er mich in zitternder Nacktheit überrascht. Er selbst war verletzt, daß er gegen diese Totenlarve stieß und in ihre Falten kein Licht tragen konnte. »Schließe diese Vorhänge!« sagte ich. »Ich bitte dich, schließe sie, bevor ich die Augen öffne. O, warum bin ich nicht lieber dort jenseits geblieben, als mich wiederzuerinnern!«

Ich fühlte mich schwach wie ein Kind; ich begann von neuem zu weinen. Sie legte sich neben mich, sie hatte das Kleid anbehalten; so war sie für mich mit Scham bekleidet, die sich vor den anderen entblößt hatte. Diese List sollte mich nur nach ihrer Nacktheit begieriger machen. Doch stieß ich sie noch zurück, ich haßte sie nicht mehr; ich schlug nicht nach ihr, ich trug Verlangen wie nach einer sich wegen ihrer Untreue demütigenden Geliebten. »Aude, was hast du getan? Diesen Leib, der mein Kleinod und mein Wahnsinn war, haben lüsterne Männerblicke besessen! Ich werde dich nie mehr sehen können, ohne an diese verfluchte Nacht zu denken!« Ihr Atem fächelte mein Ohr; sie sprach zu mir in betrübtem Stolze wie eine Priesterin, die ihren dunklen Dienst vollbracht hat: »O, Kind, das du nichts von den Quellen der Lust weißt. Du hast nicht begriffen, daß ich alles dies nur für dich tat?« O gewiß, sie war in diesem Geständnis aufrichtig; ihre Stimme klang, um mich gefügig zu machen, wie die der echten Liebe. Und ich wußte noch nicht ganz, was sie damit meinte, als ich ihr schon glaubte. Sie war schon um so reizender für mich, da sie in Schleier gehüllt blieb, nachdem sie die nackte Dirne der Freudenhäuser gewesen.

»Aude, Aude, ist es möglich?!« Sie trank den Atem an meiner Brust, mit Lippen, die mir erwiderten: »Geh, vertraue deiner Aude! Sie einzig war in all dem Rausch nüchtern. Jetzt werden uns deine Bitterkeit und die Wollust unauflöslich aneinander fesseln.« Sie legte ihre Hand auf meine Augen und ich fühlte, wie ihr Körper sich regte, daß sie sich über das Bett hinaus beugte. Endlich zog sie die Hand zurück, und nun war sie mir ganz nahe mit ihrer Maske, schwarz wie der Tod vor dem Gesicht. Mit ihrer Maske! Beachtet dies wohl: mit ihrer Maske! Sie hätte mir nicht ärger trotzen können, und dennoch verursachte mir der Anblick derselben jetzt weniger Widerwillen als ihr Antlitz vorher neben dem Bette. O, sie wußte den Saft der bösen Frucht bis zum Grund auszudrücken!

Ich schluchzte, als ich diese Maske sah. Doch sie näherte sich mir und küßte mich. Und nun war ich ganz in Begierde und Eifersucht verloren.


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