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II.

Auf Dante's Monument, das man in Florenz zu errichten gedachte.

Nie wird, – daß unter seine weißen Schwingen
Der Frieden endlich unser Volk vereine, –
Ital'scher Geist den Banden
Des Schlummers, der ihn decket, sich entringen,
Tritt nicht der großen Alten
Beispiel vor uns in neu verklärtem Scheine!
Den Todten Ehre spenden,
Italia, mußt du nun; denn nicht mehr ragen
In deinem Land so herrliche Gestalten,
Und Keiner lebt, dem Preis du dürftest zollen.
Rückwärts, mein Volk, mußt du die Blicke wenden,
Nach den Unsterblichen aus alten Tagen,
Um dann zu weinen und dir selbst zu grollen:
Denn ohne Zorn ist unfruchtbar das Grämen!
Ja, rückwärts blicke schamvoll, und nicht minder,
Um ganz dich zu beschämen,
Gedenke deiner späten Enkelkinder!

An Sprache, Sinnesart, Gestalt verschieden
Durchwandelte der fremde Gast die Lande
Toscana's, aufzufinden
Das Grab des Manns, durch den des Mäoniden
Gesang nicht einzig mehr die Welt entzücket!
Da hört' er, – o der Schande! –
Daß seit des hohen Sängers Todestage
Der Staub sogar, der kalte, liegt noch immer,
Und das Gebein, auf fremden Strand entrücket;
Geschweige, daß ein Denkmal sich erhebe,
Florenz, in deinen Mauern, für den Großen,
Durch den dein Ruhm erlischt auf Erden nimmer!
Dank euch, ihr Männer, deren edel Streben
Erglüht, daß solche Schmach hinweg sie wasche!
Schön ist eur Werk und macht euch ewig theuer
Der Herzen jedem, drin nicht ganz in Asche
Noch sank fürs Vaterland das heil'ge Feuer!

Ja, Liebe für Italia sporn' euch – Liebe
Für sie, die Schmerz und Gram so schwer umnachten,
Für die nicht länger schlagen
Die Herzen liebevoll, weil uns so trübe
Nach heitrer Zeit der Himmel will bescheren!
Befeure denn, vollende euer Trachten
Mitleid mit ihr, o Söhne,
Und Schmerz und Zorn ob jenes Leids tiefinnen,
Das Wang' und Schleier stets ihr netzt mit Zähren!
Doch euch, mit welchem Wort soll euch ich singen,
Des Werkes Bildner, die die Nachwelt kröne
Nicht bloß für Sorg' und weisen Raths Ersinnen,
Nein, für der Hände Schöpfung, für das Ringen
Des Genius, bewährt im Kunstgebilde?
Mit welchen Klängen feir' ich euch, daß trunken
Entbrennen auf Italias Gefilde
Die Herzen all durch meines Liedes Funken?

Begeistern wird euch eure große Sache,
Und tief den Sporn euch in die Seele drücken!
Ha, eures Flammeneifers wilde Wogen,
So hochgeschwellt – sie schildert keine Sprache!
Wer mag die Spannung eurer Züge malen,
Die Glut in euren Blicken?
Welch Menschenwort weiß Himmlisches zu sagen?
Fern bleibe der Profane
Dem Heiligthum! Der Thränen Zoll bezahlen
Wird immerdar Italia dem hehren,
Dem edlen Marmorbild; und ewig ragen
Wird es, stets unbenagt vom Zeitenzahne!
Die ihr den Stachel, raubt dem Leid, dem schweren,
Ihr, göttlich-hohe Künste, lebt noch immer,
Zum Trost für unser Volk, so schmerzzerrissen;
Und seinen Ruhm, sank auch die Größ' in Trümmer,
Zu feiern, seid ihr immer noch beflissen!

Auch ich will, seht, erscheinen,
Der Dulderin zu Ehren, frommen Dranges,
Darbringend was ich habe,
Will eurem Werke meinen Sang vereinen,
Wenn Seele giebt dem Marmor euer Streben!
O du, tyrrhen'schen Sanges
Erlauchter Vater! wenn an jenem Strande
Dich irdscher Dinge Botschaft kann erreichen,
Von ihr, die du so hoch gestellt im Leben –
Ich weiß, für dich nicht wirst du Freud' empfinden,
Denn Stein und Erz sind nur dem Wachs, dem Sande,
Nicht deines Ruhmes Dauer zu vergleichen:
Und könntest je noch einmal du verschwinden
Aus unserm Sinn, so wachse unsre Schande,
Und all das Leid, drin wir so lang geschmachtet,
Es wachse, wenn's zu wachsen noch im Stande,
Und unser Volk – vergessen sei's, verachtet ...

Nein, nicht für dich! dem Vaterland dich freue
Zu Lieb' – dem armen Vaterland zu Liebe,
Wenn je der Väter Beispiel
Die kranken Söhne stählt, das Haupt aufs neue
Zu heben aus so feigem Unterliegen!
Von langer Schmach wie trübe
Ward, die auf rauhen Wegen
Hinwandelte gar ärmlich
Zur Zeit, als neu du himmelan gestiegen,
Und die du jetzt doch so verkümmert schauest,
Daß Königin sie früher war dagegen!
Hinschmachtet sie erbärmlich,
Daß du, es schauend, nicht den Augen trauest;
Von andern Feinden schweig' ich, andrem Grauen,
Nur noch des letzten, schlimmsten will ich denken,
Durch das auf unsre Auen
Schon ew'ge Nacht sich schien herabzusenken!

O glücklich du, daß des Geschicks Erbarmen
Zu leben dir erspart' in solchem Grausen:
Ital'sche Weiber schautest
Du liegend nicht in fremder Krieger Armen,
Sahst Stadt und Flur nicht plündern und vernichten,
Sahst Feindesspeere nicht barbarisch hausen:
Sahst nicht die Prachtgebilde,
Die göttlich schön Italiens Meister schufen,
Geschleppt in Sklaverei, – sahst von den dichten
Heerwagen nicht gehemmt des Landes Wege,
Die schmerzensreichen, – hörtest nicht das wilde
Machtwort des Uebermuths, und ausgerufen
Beim Klang der Ketten und der Geißelschläge
Der Freiheit Namen, frevelhaft, zum Spotte!
Wer klagt nicht? Wer vermag es, auszusprechen
Den Jammer? Jene Rotte,
Was schien ihr heilig noch, was noch Verbrechen?

Warum, o Schicksal, zu so bösen Tagen
Hast du uns aufbehalten?
Warum nicht ward zu sterben
Vergönnt uns, eh wir schauten so geschlagen
Von Frevlern unser Vaterland in Ketten,
Und seinen Ruhm, den alten,
Geschändet freventlich! – Ach, nicht gegeben
Ward uns, mit Trost die Schmerzen
Zu lindern dir, o Theure, dich zu retten
Aus wilder Qual, die dir das Herz zerfleischte!
Nicht konnten wir dir weihen Blut und Leben,
Doch nimmer uns im Herzen
Erstarb der Jammer, den dein Loos erheischte!
So voll ist unser Herz des Zorns, der Schande:
Ha, wir auch kämpften, fielen, Ströme rannen
Von unserm Blut – doch nicht dem Vaterlande:
Wir bluteten für unsere Tyrannen!

O Vater, wenn es ist erlaubt zu sagen,
Wie anders bist du, als du warst im Leben!
Fern auf den düstern Fluren
Des Russenlands, werth bessern Tods, erlagen
Die Unsern! Mensch und Thier bekämpfte sie, das Grollen
Des Aethers und unendliche Beschwerden!
In ganzen Scharen sanken
Sie hin, die Glieder nackt, voll blut'ger Flecken,
Gebettet waren sie auf Eisesschollen.
Und in der Qual dann ihrer Todesstunden
Ausriefen sie noch seufzend im Gedanken
Ans Heimatland: O daß, statt durch die Schrecken
Der Wind' und Wolken, wir den Tod gefunden
Durchs Schwert, für dich! Doch hier auf öden Weiten
In blüh'nder Jugend müssen wir verderben,
Ruhmlos für alle Zeiten,
Und, fern von dir, für deine – Mörder sterben!

Zu Zeugen hatt' ihr jammerndes Erbleichen
Des Nordens Wüsten, rauschend tiefe Wälder.
So starben sie; es kamen
Die wilden Thiere, schmausten an den Leichen,
Für die kein andres Grab sich dargeboten
Als schneebedeckte Felder,
Vergessen sind die Tapferen, die Helden,
Ihr Nam' ist Eins für immer
Mit dem der Feiglinge! O theure Todten,
Unendlich ist das Leid, das euch betroffen,
Und keinen Trost vermag ich euch zu melden,
Als die Gewißheit, daß ihr nun und nimmer
Für euer Loos habt einen Trost zu hoffen!
So hüllt euch still in eures Leides Hülle,
Als einer edlen Mutter würd'ge Kinder,
Die ganz so schwer wie euch bedrückt die Fülle
Des Grams, und die vernichtet ist nicht minder!

Nicht euch will sie verklagen,
Die Mutter, nein, nur jene, die getrieben
Euch gegen sie zum Kampfe,
So daß der Gram ihr muß das Herz zernagen,
Und sie ihr Weinen mischt dem euren stündlich!
Wenn doch im Herzen eines ihrer Lieben,
Die ihrem Schooß entstammen,
Des Mitleids Trieb', ihr wiederum erstündet,
Daß er entriss' dem Abgrund, unergründlich,
Die Dulderin! O Geist im Ruhmesglanze,
Sind für Italien ganz der Liebe Flammen
Erloschen, die einst dir das Herz entzündet?
Sproßt nimmer frisches Grün dem Myrtenkranze,
Der tröstend sonst die Stirn uns könnt' umwehen?
Soll er so ganz zerfallen und verbleichen?
Soll Keiner mehr erstehen,
Der nur zum Theil sich könnte dir vergleichen?

Sind wir dahin für immer? Unsrer Schande
Soll nie ein Ziel erscheinen?
Ausrufen will ich, wandernd durch die Lande
Italias: Schau rückwärts, du verderbtes
Geschlecht! nach Schriften, Steinen
Der Vorzeit schau, die Burgen sieh, die Tempel!
Bedenke wo du weilst! Sind deinen Sinnen
Verloren jene leuchtenden Exempel?
Was bleibst du? Zieh von hinnen,
Daß nicht zum Wohnsitz schnöder Denkart werde,
Die als der Edlen Amme ward geachtet:
Wenn Feiglinge sie nährt am Heimatherde,
Ists besser noch, daß sie vergessen schmachtet!

*


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