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Lieder von der Riviera

1. Bei Nervi

In diesen Silberhainen von Oliven
Hab' ich die Heilung aller meiner Wunden
Und auch die heitre Lösung nun gefunden
Von meines Lebens ernsten Hieroglyphen.

Unstet und finster war ich einst im Norden; –
Wie dieser Himmel fließen nun die Tage
Mir blau und sonnig hin, und selbst die Klage
Ist mir zu lieblicher Musik geworden.

2. Das Mädchen von Recco

Dort stand die herrliche Gestalt am Strand;
Dem Schleier gleich, der Land und Meer umwob,
So der Bizotto ihren Leib umwand,
          Ein Duftgewand,
Das kecken Spiels die Tramontana hob.

Hin zog ein Schiff. Ein Jüngling stand am Mast,
Er jubelte und schaute kaum zurück;
Es schien, als fühlt' er sich erleichtert fast
          Von einer Last,
Als träumte er von einem künft'gen Glück.

Sie aber wandte hastig sich, sie kam;
Welch schlanker, welch harmonisch schöner Leib!
Auf ihrem Antlitz mischten wundersam
          Sich Zorn und Scham;
Halb war sie Kind noch, halb ein blühend Weib.

Fern trieb sein Schiff. Vor seinem Auge stand
Die reiche Welt, ein täuschend Farbenspiel,
Indes hier eine Perl' aus seiner Hand
          Ihm in den Sand,
Vielleicht die einz'ge seines Lebens fiel.

Es dunkelte; – die Brandung jauchzte wild.
Am fremden Strande schritt ich sinnend hin;
Mein trotz'ger Sinn ward weich gestimmt und mild
          Von diesem Bild;
Mir war's, als läg ein ganzes Leben drin.

3. Im Sturm

Ein unsichtbares Ungetüm,
Herblies der Mistral schneidend scharf,
Der all des Meeres Ungestüm
An Korsikas Gestade warf.

In dunklen Wirbeln schnob der Dampf
Ohnmächtig brausend aus dem Schlot;
Das eine Rad war außer Kampf,
Und auf der Seite lag das Boot.

Das war ein namenloser Schreck,
Ein Fluchen, Klagen und Geschrei!
Ich aber stand auf dem Verdeck
Und bot die Brust dem Sturme frei.

Das Leben gibt – fühlt' ich zur Stund' –
Mein zahlungsfähig Ich nicht hin,
So lang ich für so manches Pfund
Saumselig noch sein Schuldner bin.

4. Mittagsruhe

Mit schattigem Kastanienwalde
Senkt sich vom Apennin die Schlucht;
Limonen schmücken vorn die Halde,
Und Öl und Wein umkränzt die Bucht;
Ein dunkles Kloster liegt zur Seite,
Der Weg von Blüten überschneit,
Vor uns dehnt sich des Meeres Weite,
Ein Sinnbild der Unendlichkeit.

Es greift die Welt mit keiner Kunde
In unseren Frieden störend ein,
Wir zählen weder Tag noch Stunde,
Das ist ein süß Begrabensein.
Das ist ein seliges Verbluten,
Dem unsre Seelen sich geweiht;
Natur wälzt ihre Wollustfluten
Lautlos in unsre Einsamkeit.

5. Carpe diem!

Der Rose gleich, die noch im Samt
Der Knospe gestern lag verschlossen
Und heut schon hoch emporgeflammt,
Ist uns die Liebe aufgeschossen.

Heut blüht sie noch; drum nimm und gib!
Schon morgen kann ihr Duft entschweben;
Dann wird dein Herzblut selbst, mein Lieb,
Die welkende nicht mehr beleben!

6. Ave Maria

Mit ihren Wonneschauern naht sie sacht,
Auf leichten Sohlen schleicht sie mild einher,
Die sanfte Zauberkönigin, die Nacht,
Und ihres Sternenmantels stille Pracht
Ausspannt sie langsam übers Mittelmeer. –
Vom Kirchlein, einsam auf dem Fels am Strand,
Weht leises Läuten über Meer und Land;
Sonst alles still; – nur durch das Schilf spielt lind
          Der Abendwind.
          Ave Maria!

Nun lehnt der braune Schiffer stumm am Mast,
Und sinnend starrt er in die offne See;
Er denkt der Seinen bei der Abendrast,
Und ihn, des Meeres stäten, rauhen Gast,
Erfaßt ein banges, ungewohntes Weh.
Ob er sie wiedersehen wird, ob nicht,
Die ferne Heimat, ach! er weiß es nicht;
Er betet leis – und Tränen rieseln lind –
          Für Weib und Kind:
          Ave Maria!

Der finstere Bandit im Apennin
Läßt ruhn die Beute, die er heut geraubt;
Das Abendläuten, fremd ergreift es ihn;
Er schlägt das Kreuz, liegt reuig auf den Knien,
Geneigt sein trotziges, verfemtes Haupt.
Des Tages Sorgen warf er über Bord;
Die Hände, die noch blutig sind von Mord,
Er streckt sie himmelwärts; – durch seine Seele geht
           Ein stumm Gebet:
          Ave Maria!

Ich aber steure lässig meinen Kahn;
Des Weltengeistes Odem lausch' ich stumm,
Und meine Seele taucht, ein weißer Schwan,
Sich in der Sehnsucht stillen Ozean;
Die Liebe sei mein Evangelium; –
Im Norden fern im engen Kämmerlein
Weint jetzt ein blondes Kind und denket mein;
Die jedes Glück, die mir den Frieden lieh
          Und Poesie,
          Sei gegrüßt, Marie!

7. Es flüstert in den Zypressen ...

Es flüstert in den Zypressen
Am verfallenen Gartentor;
Nie kann, wer dich einmal besessen,
          Vergessen,
Was er an dir verlor.

Es weht um die Lauben, die düstern,
Wie verhaltene Sehnsucht nach dir,
Ich höre ein Grüßen und Flüstern,
          So lüstern,
Als wohntest du noch hier.

8. Leb wohl, zerfallne Vigne

Leb wohl, zerfallne Vigne,
Einst rosen- und weinumlaubt!
Was schüttelst du, greise Pinie,
Zum Abschied so trüb das Haupt?

Ein Schwarm von wilden Bienen
Zieht summend aus und ein,
Und selbst aus den Ruinen
Erblüht ein neues Sein.

Und ob du auch entschwunden,
Du märchenhafte Zeit –
Ich habe mich wieder gefunden,
Seit ich mich von ihr befreit.

Von Mut und kühnem Hoffen
Ist jeder Puls geschwellt ...
Wo Herz und Auge offen,
Ist offen auch die Welt.

Doch du, die ich einst besessen,
Fahr hin, ich ward ein Mann
Und lernt' ein Weib vergessen,
Das mich verraten kann.

9. Am Meere

Der Hauch, der die schäumende
Meerflut erregt,
O wie er das träumende
Herz mir bewegt!
Es wälzen sich Hügel
Von Wogen daher;
O wüchsen mir Flügel,
Ich flög' über Meer!

Einst hört' ich durch tosendes
Branden der Flut
Zuerst dein liebkosendes:
»Bist du mir gut?«
Und denk' ich der Zeiten,
So fühl' ich gerührt
Die heimlichsten Saiten
Der Seele berührt.

Schon glühn, überm dunkelnden
Ufer entfacht,
Hoch oben die funkelnden
Leuchten der Nacht;
Dort strahlt im Gewimmel
Der glänzendste Stern ...
Doch du und der Himmel,
Wie seid ihr so fern!


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