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O Frühlingshauch, o Liederlust,
Wie liegt ihr mir im Gemüte!
Kaum prangen Busch und Baum im Blust,
Steht auch mein Herz in Blüte.
Mein Herz ist wie ein grüner Hag,
Das ist ein Zwitschern und Schallen ...
Da nisten die lustigen Finken am Tag
Und abends die Nachtigallen.
Die Ströme ziehn zum fernen Meer,
Die Wolken am Himmel fliehen,
Und wenn ich ein flüchtiges Vöglein wär',
So möcht' ich mit ihnen ziehen.
Und bin ich kein Vogel in der Luft,
So lernt' ich doch pfeifen und singen;
Und kommt der Lenz mit Klang und Duft,
Dann mein' ich, es wüchsen mir Schwingen.
Und kann ich auch nicht über Wald und Heid',
Über Seen und Berge schweben,
So kann ich mich doch über das kleine Leid
Des kleinlichen Lebens erheben.
Ich bin ein Spielmann von Beruf;
Mein Leben ist Singen und Wandern.
Als Gott, der Herr, die Welt erschuf,
Da gab er sie den andern.
Doch, was das Gemüt des Menschen bewegt,
Ich kann es singen und sagen,
Kann den Lenz, der im eigenen Herzen sich regt,
Hinaus in die Lande tragen.
Und wieder nehm' ich die Harfe zur Hand
Und singe vor Toren und Türen;
Mich drängt's, auch im fernen Vaterland
Die goldenen Saiten zu rühren.
Was frommt mir der Beifall der Fraun und die Gunst
Der Kenner, die hier mir lauschen?
Es weiß ein vollendeter Meister der Kunst
Auch ein nüchternes Volk zu berauschen.
Und wird mein Lied mit dem tönenden Reim,
Das ich lernte in fremden Landen,
Und werden die klagenden Laute daheim
Vom verständigen Volk nicht verstanden,
Und spricht es: »Der lachende Frohsinn gebricht
Deinen künstlichen Akkorden,
Das sind die Weisen des Volkes nicht,
Du bist uns fremd geworden ...«
Dann häng' ich an den nächsten Baum
Mein Spiel, und bläst der scharfe
Gebirgswind, dann rührt sich wie im Traum
Und von selber tönt die Harfe.
Ich lieg' im Gras und rege kein Glied;
Erst flüstern kaum hörbar die Saiten ...
Dann wächst es und rauscht wie ein Heldenlied,
Ein Lied aus der Väter Zeiten.
Ob Land und See auch Jahre lang
Mich von der Heimat trennen,
Man wird mein eigenes Herz an dem Klang
Meiner Harfe wieder erkennen.
Mein Herz ist wie ein Saitenspiel.
Sie haben gar vieles gemeinsam;
Sie haben der freundlichen Gönner viel,
Und dennoch sind beide einsam.
Was beide Schlimmes auch erlebt,
Es hat sie nicht verbittert;
Und wenn sie hie und da gebebt,
Ist's, weil sie vor Wohllaut gezittert.
Es haben sich um schnöden Lohn
Die beiden nie verdungen;
Doch beiden ist im Leben schon
Manch eine Saite gesprungen.
Nie suchten sie auf des Königs Saal,
Viel eher des Dorfes Linde;
Doch beider Wohllaut ist manchmal
Auch spurlos verklungen im Winde.
Wenn stumm das Herz den Gram erträgt,
Die Harfe pflegt ihn zu klagen ...
Das hat seine Gründe; denn jenes schlägt,
Und diese wird geschlagen.
Die Harfe ist von schlichtem Holz,
Mein Herz ist voll von Leide.
Doch unabhängig, frei und stolz
Und rein im Ton sind beide.