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1
Zum zweitenmal
Steigt dieses Jahr der Frühling nieder
Ins Erdental.
Die Rosen blühn, die Vögel singen Lieder,
Und ich, ach – liebe wieder,
Mit gleicher Lust und gleicher Qual
Wie dazumal. –
Wie dazumal,
Als mir noch frohe Jugend blühte,
Der Sonnenstrahl
Ins Herz mir junge Lieder sprühte.
Ich glühe, wie ich damals glühte,
Es ist die gleiche süße Qual
Wie dazumal.
2
Aus Nacht
Dein Herz, so liebevoll und schön,
O wär' es mir gewogen!
Ich schaute dann in lichte Höh'n
Aus dunklen Lebenswogen.
Ich würde nicht im Streit mit mir
Wild hin und her getrieben,
Ich würde fromm sein und mit dir
Die Welt und alles lieben.
3
So fest von Gold umwunden,
Wie dieser Edelstein,
So wollen wir verbunden
Fürs ganze Leben sein.
Denn nicht für Glanz und Schimmer
Hast du mir ihn geschenkt,
Du gabst ihn mir, daß immer
Eins an das Andre denkt.
Du hast ihn abgezogen
Von deiner lieben Hand,
Hast mir ihn angezogen
Als deiner Treue Pfand.
Wie tief im Erdengrunde
Einst lag der Edelstein,
So tief zu jeder Stunde
Soll unsre Liebe sein.
4
Von Sehnsucht und von Mitgefühl erfüllt,
Wird niemals dich mein Geist verlassen,
Er würde dich auch nacht- und sturmumhüllt
Mit liebender Gewalt umfassen.
Und wärst du noch so fern von mir,
Wenn dich ein Leiden träf', es schreckte
Wie Donner mich empor und weckte
Vom Schlaf mich auf und riefe mich zu dir.
5
In sonniger Ferne flog der Traum
Von einem Himmel auf Erden
Und schien im wehenden Blütenflaum
Zur Wirklichkeit in Busch und Baum
Rings um uns her zu werden.
Es war ein Tag, so rein und zart,
Als habe sich gedichtet
Der Frühling eine Hochzeitfahrt
Und liebend sich geoffenbart
Und jeden Streit geschlichtet.
Es ruhte sanft auf meiner Hand
Dein Händchen in süßem Vertrauen;
So fuhren wir durch das schöne Land –
Hoch über uns zerfloß und schwand
Eine Wolke im Himmelblauen.
6
Sinkend schwebt der Mond in Schleiern
Trüber Wolken durch die Luft,
Rosen und Jasminblüt' feiern
Seinen Glanz mit süßem Duft.
Unbegrenzte Wünsche dehnen
Meine Brust und regen, ach!
Glühender ein heißes Sehnen
Unbestimmter Wünsche wach.
Körperlos, ein Geisterleben,
Frei jetzt möcht' ich und allein
Über Berg' und Meere schweben,
Cherub oder Dämon sein.
Mit dem Sturz des Wasserfalles
Jauchzt' ich Nacht und Abgrund zu:
»Eine lieb' ich über alles,
Und die Eine, die bist du!«
Wärst du da, Geliebte, kühltest
Meine heiße Stirne sacht
Mit der zarten Hand und fühltest
Mit mir diese schöne Nacht!
O des Mondes Licht erschiene
Nicht so trüb dort im Verglühn,
Denn die Rosen und Jasmine
Würden für uns beide blühn.
Winke dir im Sternenscheine
Meine Seele Frieden zu;
Über alles lieb' ich Eine,
Und die Eine, die bist du!
7
Verstummt sind nun die Wogen,
Die lärmend uns getrennt,
Die Wolken sind verzogen,
Rein strahlt das Firmament,
Und wie in jenen Räumen
Wird's hier im Busen still,
Ich kann jetzt wieder träumen
Und denken, was ich will.
Ich denk' an dich! Dein Wesen
Tritt lächelnd auf mich zu.
Was hat dich mir erlesen,
Du seltsam Rätsel du?
Du seltne Blume, sage,
Wie kamest du herein
In meiner armen Tage
Verspäteten Sonnenschein?
Ich denk' an dich! Der Flieder
Vom Garten duftet her,
Die Blüten dunkeln nieder,
Von Wohlgerüchen schwer.
Was war, ist weggeschwunden,
Was trüb und düster war;
Es blühn der Liebe Stunden
Im Äther hell und klar.
8
Aus längst vergessnen Augen seh' ich fließen
Viel stillgeweinte Tränen, schwermutreich,
Aus fernen Zeiten seh' ich mich begrüßen
Von scheuen Blicken, Wangen schmerzhaft bleich.
Wagst du denn nicht, zu mir emporzuschauen
Mit deinen himmelblauen Augen, Kind?
Magst du denn nicht dein Leid mir anvertrauen,
Da wir doch beide gleich unglücklich sind?
Wie du, so konnte nur die Tugend weinen,
So treulos konnte nur die Treue sein,
So schuldig konnte nur die Unschuld scheinen,
So töricht nur ein Opfer sich entweihn!
9
Gruß in die Ferne
Dunkelnd über dem See dämmert das Abendrot,
Nur die höchsten Gebirge
Krönt noch Glut, doch es sinkt, düstrer allmählich, nun
Auch ihr Bild zu den Schatten.
Dort ach, fern in der Nacht, dort wo des Himmels Licht
Hinschwand unter den Wolken,
Dort dich wiederzusehn träumt' ich und war dir nah,
Nah im Geiste; da warf mir
Über Dornen am Weg Blüten der Lufthauch zu,
Während dein ich gedachte!
10
Fernsprache
O wie du mir fehlst,
Wie ich dich vermisse!
Doch du hellst, beseelst
Mir auch Finsternisse.
Wenn du mir erscheinst,
Wir im Traum uns finden,
Hör' ich's, wie du weinst,
Fühl' ich dein Empfinden.
Ja, ein geisterhaft
Magisch Liebeswalten,
Eine höh're Kraft
Wird dich mir erhalten!
Auch durch Mauern bricht
Sie mit Seelenschwingen,
Und es wird ihr Licht
Durch die Ferne dringen.
11
Sommernacht
Leicht und leise nur
Schlummert Feld und Flur,
Ahnungsvolle Stille!
Schon den neuen Tag
Ruft der Wachtelschlag,
Hell zirpt noch die Grille.
Halb vom Schlaf erwacht,
Wittert schon die Nacht,
Daß im Ost es glühe.
Um den Blütenstrauch
Weht ein erster Hauch
Schon der Morgenfrühe.
Wärst du jetzt bei mir,
Süßes träumten wir
Zwischen Schlaf und Kosen.
Über grüner Au
Senkt sich goldner Tau
In den Kelch der Rosen.
12
Zum Abschied
Als alles feindlich mich verlassen,
Ich selbst von Qual zu Qual mich trieb,
Da warst es du in all dem Hassen,
Nur du allein, die hold mir blieb.
Du sahest in der dichten Wildnis,
Die meinen Geist mit Nacht umgab,
Ein Licht, ein Stern, ein Gnadenbildnis
Zu mir in stiller Huld herab.
Beleidigt dich nicht der Gedanke,
Daß dir mein Herz, mein düstres, schlug,
Zürnst du mir nicht, wenn ich dir danke,
So gibt mir das schon Trost genug.
Leb wohl! Vergiß und laß den Schwärmer,
Den Sohn der Schwermut, der ich bin,
Ob auch um eine Hoffnung ärmer,
In sein Verhängnis weiter ziehn!
Für dich ist noch ein Glück verborgen,
Mich schmerzt nur, was die Welt mir gab.
Mich ruft die Nacht, dir winkt der Morgen,
Du blühst empor, ich muß hinab.
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