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§ 1. Abstrakte Ausdrücke können nicht einander als Prädikate beigelegt werden, und warum nicht. – Die gewöhnlichen Wörter der Sprache und unser gemeiner Gebrauch derselben würden uns über die Natur unserer Ideen Licht gegeben haben, wenn sie nur aufmerksam betrachtet worden wären. Wie gezeigt worden, hat der Geist das Vermögen, seine Ideen zu abstrahieren, und so werden sie zu Wesenheiten, allgemeinen Wesenheiten, wodurch die Arten der Dinge sich voneinander unterscheiden. Da nun jede abstrakte Idee besonders bestimmt ist, so daß von je zweien die eine niemals die andere sein kann, so wird der Geist durch seine intuitive Erkenntnis ihren Unterschied wahrnehmen, und deshalb können in Sätzen zwei vollständige Ideen niemals voneinander bejahend ausgesagt werden. Das sehen wir in dem gemeinen Sprachgebrauch, der nicht gestattet, daß zwei abstrakte Wörter oder Namen abstrakter Ideen positiv einander als Prädikate beigelegt werden. Denn so nahe sie auch verwandt zu sein scheinen mögen, und so gewiß auch der Mensch ein Tier ( animal) oder vernünftig oder weiß ist, so bemerkt doch ein jeder beim ersten Anhören die Unrichtigkeit solcher Sätze wie: »Menschheit ist Tierheit (Animalität) oder Vernünftigkeit oder Weiße«; diese ist so einleuchtend wie irgend eines der anerkanntesten Axiome. Alle unsere bejahenden Urteile betreffen deshalb nur konkrete Gegenstände; in ihnen wird nicht behauptet, daß eine abstrakte Idee eine andere sei, sondern daß eine solche mit einer anderen verbunden sei, und diese abstrakten Ideen können bei Substanzen von jeder möglichen Art sein, bei allem übrigen sind sie selten etwas anderes als Relationen, und bei Substanzen sind sie am häufigsten Kräfte; z. B. »ein Mensch ist weiß«, bedeutet, daß das Ding, welches die Wesenheit eines Menschen hat, auch die Wesenheit der Weiße enthält, die nur die Kraft ist, die Idee der Weiße bei jemandem hervorzubringen, dessen Augen gewöhnliche Gegenstände wahrnehmen können; oder »ein Mensch ist vernünftig«, bedeutet, daß dasselbe Ding, welches die Wesenheit eines Menschen hat, auch die Wesenheit der Vernunft besitzt, d. h. das Vermögen, Schlüsse zu ziehen.
§ 2. Sie zeigen die Verschiedenheit unserer Ideen. – Diese Unterscheidung von Namen zeigt uns auch die Verschiedenheit unserer Ideen, denn wenn wir sie beobachten, so werden wir finden, daß unsere einfachen Ideen alle sowohl abstrakte wie konkrete Namen haben, wovon der eine (nach der Sprache der Grammatiker) ein Substantiv, der andere ein Adjektiv ist, wie z. B. Weiße, weiß; Süßigkeit, süß. Dasselbe gilt auch für unsere Ideen von Modi und Relationen, z. B. Gerechtigkeit, gerecht: Gleichheit, gleich; nur mit dem Unterschied, daß einige der konkreten Namen von Verhältnissen unter den Menschen hauptsächlich Substantiva sind, wie paternitas, pater, wovon sich der Grund leicht angeben ließe; was jedoch unsere Ideen von Substanzen anbetrifft, so haben wir sehr wenige oder überhaupt keine abstrakte Namen dafür. Denn obgleich die Schulen animalitas, humanitas, corporietas und einige andere eingeführt haben, so stehen diese doch in gar keinem Verhältnis zu der unendlich großen Anzahl von Substanznamen, für welche sie niemals sich lächerlich genug gemacht haben, die Ausmünzung abstrakter Namen zu versuchen; und die wenigen, welche die Schulen geschmiedet und ihren Schülern in den Mund gelegt haben, haben bisher keine Aufnahme in den gemeinen Gebrauch finden, oder durch die Billigung des Publikums freien Umlauf gewinnen können. Hierin scheint mir wenigstens eine Andeutung des Bekenntnisses aller Menschen zu liegen, daß sie keine Ideen der realen Wesenheiten von Substanzen haben, weil ihnen die Namen für solche Ideen fehlen, die sie ohne Zweifel gebildet haben würden, wenn nicht das Bewußtsein ihrer Unkenntnis derselben sie von einem so müßigen Versuch abgehalten hätte. Obwohl sie Ideen genug hatten, um Gold von einem Steine und Metall von Holz zu unterscheiden, wagten sie deshalb sich doch nur ängstlich an solche Ausdrücke wie aurietas und saxietas, metallietas und lignietas oder ähnliche Namen, die den Anspruch machen sollten, die wirklichen Wesenheiten jener Substanzen zu bezeichnen, von denen sie keine Ideen zu haben sich wohl bewußt waren. Und es waren allerdings nur die Lehre von den substantiellen Formen und die Zuversicht von Personen, die irrtümlicherweise eine ihnen mangelnde Kenntnis zu haben behaupteten, wodurch animalitas, humanitas und ähnliche Wörter erst ausgemünzt und dann eingeführt wurden; doch gelangten diese kaum über deren eigene Schulen hinaus, und konnten es nie dahin bringen, unter verständigen Leuten geläufig zu werden. Freilich war bei den Römern humanitas ein sehr gebräuchliches Wort, aber in einem ganz anderen Sinne; es vertrat nicht die abstrakte Wesenheit einer Substanz, sondern war der abstrakte Name eines Modus, und das entsprechende Konkretum war humanus, nicht homo.