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Sechstes Kapitel.
Über allgemeine Sätze, deren Wahrheit und Gewißheit.

§ 1. Von Wörtern zu handeln, ist bei der Untersuchung des Wissens to knowledge steht, wie der Schluß des Paragraphen zeigt, für to treating of knowledge. notwendig. – Obgleich die Prüfung und Beurteilung der Ideen an und für sich mit gänzlicher Beiseitelassung ihrer Namen der beste und sicherste Weg zu klarer und deutlicher Erkenntnis wäre, so wird er doch, glaube ich, wegen der vorherrschenden Gewohnheit, Laute für Ideen zu gebrauchen, Besser gesagt: wegen des natürlichen und unlösbaren Zusammenhanges des Denkens mit der Sprache. sehr selten betreten. Jedermann kann beobachten, wie gewöhnlich es ist, daß Namen statt der Ideen selbst gebraucht werden, auch wenn die Menschen nur in ihrem Innern denken und Schlüsse ziehen, namentlich wenn die Ideen sehr verwickelt und aus einer großen Anzahl einfacher zusammengesetzt sind. Dies macht die Betrachtung der Wörter und Sätze zu einem so notwendigen Teil einer Abhandlung über das Wissen, daß es sehr schwer ist verständlich über das eine zu sprechen, ohne die anderen zu erläutern.

§ 2. Allgemeine Wahrheiten lassen sich kaum anders verstehen als in Sätzen, die aus Wörtern gebildet sind. Da all unser Wissen entweder aus partikularen oder aus generellen Wahrheiten besteht, so leuchtet ein, daß, was auch bei den ersteren von diesen möglich sein möchte, die letzteren, die eben das sind, wonach der Verstand am meisten forscht, niemals recht erkennbar gemacht werden können und sehr selten begriffen werden, wenn sie nicht in Worte gefaßt und darin ausgedrückt sind. Es liegt deshalb bei der Untersuchung unseres Wissens nicht abseits von unserem Wege, die Wahrheit und Gewißheit allgemeiner Sätze in den Bereich der Forschung zu ziehen.

§ 3. Die Gewißheit ist zwiefach, die der Wahrheit und die des Wissens. – Damit wir aber in diesem Falle nicht durch das, was überall Gefahr droht, ich meine durch die Zweifelhaftigkeit der Ausdrücke irre geleitet werden, ist die Bemerkung erforderlich, daß es eine zwiefache Gewißheit giebt: Gewißheit der Wahrheit und Gewißheit des Wissens. Die Gewißheit der Wahrheit ist vorhanden, wenn Wörter in Sätzen so zusammengestellt sind, daß sie die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung der von ihnen vertretenen Ideen genau so ausdrücken, wie sie in der That besteht. Die Gewißheit des Wissens liegt in der Wahrnehmung der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Ideen, wie sie in einem Satze ausgedrückt ist. Das nennen wir gewöhnlich wissen oder der Wahrheit eines Satzes gewiß sein.

§ 4. Die Wahrheit keines Satzes läßt sich erkennen, wenn nicht die Wesenheit einer jeden darin erwähnten Art bekannt ist. – Da wir nun der Wahrheit irgend eines allgemeinen Satzes nicht gewiß sein können, wenn wir nicht die Grenzen und den Umfang der Arten genau kennen, die dessen Ausdrücke vertreten, so ist es für uns notwendig, die Wesenheit einer jeden Art zu kennen, d. h. das, was sie ausmacht und begrenzt. Bei allen einfachen Ideen und Modi hat dies keine Schwierigkeit, denn da bei diesen die reale und die nominale Wesenheit identisch sind, oder – was dasselbe sagt – da die abstrakte von dem generellen Ausdruck vertretene Idee die alleinige Wesenheit und Begrenzung ausmacht, die für die Art angenommen wird oder werden kann, so kann kein Zweifel darüber bestehen, wie weit die Art sich erstreckt, oder welche Dinge unter jedem Ausdruck begriffen sind; augenscheinlich sind das alle, die der von diesem vertretenen Idee genau entsprechen, und keiner anderen. Bei den Substanzen aber, in denen eine von der nominalen verschiedene reale Wesenheit vermeintlich die Art ausmacht, bestimmt und abgrenzt, ist der Umfang des generellen Namens sehr ungewiß; denn, da wir diese reale Wesenheit nicht kennen, so können wir auch nicht wissen, was zu einer bestimmten Art gehört oder nicht gehört, und was folglich mit Gewißheit von ihr behauptet werden darf oder nicht darf. Wenn wir also von dem Menschen oder dem Golde oder irgend einer anderen Art natürlicher Substanzen unter der Voraussetzung sprechen, daß sie durch eine genau bestimmte reale Wesenheit konstituiert würden, die jedem Individuum dieser Art von der Natur regelmäßig mitgeteilt, und wodurch ihm der Artcharakter verliehen werde, so können wir der Wahrheit irgend einer Bejahung oder Verneinung, die wir bezüglich ihrer geäußert haben, nicht gewiß sein. Denn »Mensch« oder »Gold« in diesem Sinne verstanden und für Arten von Dingen gebraucht, die durch reale, von der komplexen Idee im Geiste des Redenden verschiedene Wesenheiten konstituiert würden, bedeuten wir wissen nicht was; und der Umfang dieser Arten mit solchen Grenzen ist so unbekannt und unbestimmt, daß es unmöglich ist mit irgend welcher Gewißheit zu behaupten, alle Menschen seien vernünftig oder alles Gold sei gelb. Wird dagegen die nominale Wesenheit als die Begrenzung jeder Art festgehalten, und dehnt man die Anwendung eines generellen Namens nicht weiter aus als auf solche einzelne Dinge, worin die von ihm vertretene komplexe Idee zu finden ist, dann läuft man nicht Gefahr, die Grenzen jeder Art zu verkennen, und kann aus diesem Grunde nicht in Zweifel darüber sein, ob ein Satz wahr sei oder nicht. Ich habe es vorgezogen, diese Ungewißheit von Sätzen auf scholastische Weise zu erläutern, und habe mich der Ausdrücke »Wesenheiten« und »Arten« bedient, um zu zeigen, wie ungereimt und unzuträglich es ist, in ihnen irgend eine andere Art von Realitäten zu finden als lediglich abstrakte mit Namen versehene Ideen. Wenn man annimmt, daß die Arten der Dinge etwas anderes seien als ihre Einordnung unter generelle Namen gemäß ihrer Übereinstimmung mit verschiedenen abstrakten Ideen, zu deren Zeichen wir jene Namen machen, so bringt man die Wahrheit in Verwirrung und Ungewißheit in alle allgemeinen Sätze, die sich über jene (die Arten) aufstellen lassen. Wenn deshalb auch für Leute ohne scholastische Gelehrsamkeit diese Dinge sich in einer besseren und klareren Weise behandeln ließen, so müssen doch diese falschen Begriffe von Wesenheiten oder Arten, weil sie in dem Bewußtsein der meisten Menschen Wurzel geschlagen haben, denen von der in diesem Weltteile vorherrschenden Gelehrsamkeit auch nur ein leichter Anstrich beigebracht ist, aufgedeckt und beseitigt werden, um für einen solchen Gebrauch der Wörter, der Gewißheit mit sich führt, freie Bahn zu schaffen.

§ 5. Ganz besonders gilt das für Substanzen. – Niemals also vermögen die Namen von Substanzen, wenn sie für Arten gebraucht werden, die vermeintlich durch uns unbekannte reale Wesenheiten konstituiert sind, dem Verstande Gewißheit zu verschaffen; der Wahrheit allgemeiner Sätze, die aus solchen Ausdrücken gebildet sind, können wir nicht sicher sein. Der Grund davon liegt auf der Hand, denn wie können wir dessen sicher sein, daß diese oder jene Eigenschaften im Golde enthalten sind, wenn wir nicht wissen, was Gold ist oder nicht ist? Nach dieser Redeweise ist ja nichts Gold, als was an einer Wesenheit teilnimmt, von der wir, weil wir sie nicht kennen, auch nicht wissen können, wo sie ist oder nicht ist; wir können also nicht sicher darüber sein, daß irgend ein Stück Stoff in der Welt in diesem Sinne Gold sei oder nicht sei, da wir uns in unheilbarer Unwissenheit darüber befinden, ob es das besitzt oder nicht besitzt, was irgend einem Dinge Anspruch auf den Namen Gold giebt, nämlich jene reale Wesenheit des Goldes, wovon wir überhaupt keine Idee haben; denn das zu wissen ist für uns ebenso unmöglich wie für einen Blinden zu sagen, an welcher Blume die Farbe eines Stiefmütterchens zu finden oder nicht zu finden sei, während er überhaupt keine Idee von der Farbe eines solchen hat. Oder, wenn wir (was doch unmöglich ist) sicher wissen könnten, wo eine uns unbekannte reale Wesenheit bestehe, z. B. in welchen Stoffstücken die reale Wesenheit des Goldes enthalten sei, so könnten wir doch nicht gewiß darüber sein, daß diese oder jene Eigenschaft in Wahrheit dem Golde zugeschrieben werden könne, weil es für uns unmöglich ist zu wissen, daß diese oder jene Eigenschaft oder Idee in notwendiger Verbindung mit einer realen Wesenheit stehe, wovon wir überhaupt keine Idee haben, welche Art jene vorausgesetzte reale Wesenheit auch immer, wie man meint, ausmachen soll.

§ 6. Nur von wenigen Substanzen betreffenden allgemeinen Sätzen läßt sich die Wahrheit erkennen. – Andererseits werden die Namen von Substanzen, wenn sie – wie geschehen sollte – für die Ideen gebraucht werden, die wir in unserem Sinne tragen, obgleich sie dann eine klare und bestimmte Bedeutung haben, uns doch nicht dazu dienen, viele allgemeinen Sätze aufzustellen, von deren Wahrheit wir gewiß sein können. Nicht weil bei einem solchen Gebrauche derselben wir in Ungewißheit darüber wären, welche Dinge sie bezeichneten, sondern weil die von ihnen vertretenen komplexen Ideen Verbindungen einfacher von solcher Art sind, daß sich für sie nur in sehr geringem Maße ein Zusammenhang oder eine Unvereinbarkeit mit anderen Ideen entdecken läßt.

§ 7. Weil die Koexistenz von Ideen sich nur in wenigen Fällen erkennen läßt. – Die komplexen Ideen, wofür unsere Namen der Substanzarten eigentlich als Vertreter dienen, sind Sammlungen solcher Eigenschaften, deren Koexistenz in einer unbekannten von uns Substanz genannten Unterlage ( substratum) beobachtet worden ist; welche anderen Eigenschaften aber mit solchen Kombinationen notwendig zusammen bestehen, können wir nicht gewiß wissen, wenn wir nicht ihre natürliche Abhängigkeit voneinander entdecken können, was uns bei ihren primären Eigenschaften nur in sehr geringem Umfang möglich ist, während wir bei allen ihren sekundären Eigenschaften einen Zusammenhang aus den im Kapitel III angeführten Gründen überhaupt nicht erkennen können, nämlich: 1. Weil wir die wirkliche innere Beschaffenheit der Substanzen nicht kennen, worauf jede sekundäre Eigenschaft in eigentümlicher Weise beruht. 2. Kennten wir sie, so würde uns das nur zu einer experimentalen (nicht universalen) Erkenntnis verhelfen und mit Sicherheit nicht über das einzelne Beispiel hinausreichen, weil unser Verstand keine begreifliche Verbindung zwischen irgend welcher sekundären Eigenschaft und was immer für einer Modifikation irgend welcher der primären entdecken kann. Und deshalb lassen sich nur sehr wenig allgemeine Sätze über Substanzen aufstellen, die zweifellose Gewißheit mit sich bringen.

§ 8. Gold als Beispiel. – »Alles Gold ist feuerbeständig,« ist ein Satz, dessen Wahrheit wir nicht gewiß sein können, wie allgemeinen Glauben er auch finden mag. Denn, wenn der nutzlosen Einbildung der Schulen gemäß jemand annimmt, der Ausdruck Gold bezeichne eine Art von Dingen, die durch eine ihr zukommende reale Wesenheit von Natur abgegrenzt sei, so weiß er offenbar nicht, welche einzelnen Substanzen dieser Art angehören, und kann also nicht irgend etwas mit Gewißheit allgemein vom Golde aussagen. Läßt er aber das Wort »Gold« eine durch ihre nominale Wesenheit bestimmte Art bezeichnen (die nominale Wesenheit möge z. B. die komplexe Idee eines Körpers sein von einer gewissen gelben Farbe, dehnbar, schmelzbar, und schwerer als jeder sonst bekannte), so hat es bei diesem richtigen Gebrauche des Wortes Gold keine Schwierigkeit zu erkennen, was Gold sei oder nicht. Gleichwohl kann keine andere Eigenschaft mit Gewißheit dem Golde allgemein beigelegt oder abgesprochen werden, wenn sich nicht für sie ein Zusammenhang oder eine Unvereinbarkeit mit jener nominalen Wesenheit ermitteln läßt. Da z. B. die Feuerbeständigkeit, soweit unsere Erkenntnis reicht, in keiner notwendigen Verbindung mit der Farbe, der Schwere oder irgend einer anderen in unserer komplexen enthaltenen einfachen Idee oder mit der ganzen Kombination zusammengenommen steht, so ist es unmöglich, daß wir die Wahrheit des Satzes: »alles Gold ist feuerbeständig,« mit Gewißheit erkennen könnten.

§ 9. Gleichwie zwischen der Feuerbeständigkeit und der Farbe, Schwere und anderen einfachen Ideen jener nominalen Wesenheit des Goldes kein erkennbarer Zusammenhang besteht, so werden wir, falls wir einen gelben, schmelzbaren, dehnbaren, schweren und feuerbeständigen Körper zu unserer komplexen Idee des Goldes machen, bezüglich der Lösbarkeit in aqua regia aus demselben Grunde in derselben Ungewißheit sein, weil wir niemals von einem Körper, dessen komplexe Idee aus gelb, sehr schwer, dehnbar, schmelzbar und feuerbeständig gebildet ist, auf Grund einer Betrachtung dieser Ideen selbst mit Gewißheit behaupten oder leugnen können, daß er in aqua regia lösbar sei; und so weiter mit Bezug auf seine übrigen Eigenschaften. Es wäre mir lieb, in betreff irgend einer Eigenschaft des Goldes eine allgemeine Versicherung zu hören, die irgend jemand als gewiß wahr erkennen könnte. Ohne Zweifel wird man mir sofort entgegnen: ist nicht »alles Gold ist dehnbar« solch ein allgemeiner Satz? Darauf antworte ich: das ist ein völlig gewisser Satz, wenn die Dehnbarkeit einen Teil der von dem Worte Gold vertretenen komplexen Idee ausmacht. Dann aber wird darin vom Golde nichts weiter versichert, als daß dieser Laut eine Idee vertrete, worin die Dehnbarkeit enthalten sei, und eine ebensogute Art von Wahrheit und Gewißheit wie diese ist es, wenn man sagt: »ein Centaur ist vierfüßig.« Macht jedoch die Dehnbarkeit nicht einen Teil der specifischen Wesenheit aus, die der Name Gold vertritt, so ist klar, daß »alles Gold ist dehnbar« kein gewisser Satz ist, weil, die komplexe Idee des Goldes möge nach Belieben aus was immer für welchen seiner sonstigen Eigenschaften zusammengesetzt sein, es sich nicht zeigen wird, daß die Dehnbarkeit auf dieser komplexen Idee beruhe oder sich aus irgend einer darin enthaltenen einfachen ergebe; indem der Zusammenhang, den die Dehnbarkeit (wenn ein solcher überhaupt besteht) mit jenen anderen Eigenschaften hat, nur durch die reale Beschaffenheit seiner (des Goldes) unsichtbaren Teilchen vermittelt wird, und es, weil wir diese nicht kennen, für uns unmöglich ist, jenen Zusammenhang wahrzunehmen, es sei denn, daß wir entdecken könnten, was sie zusammenbindet. Die mindestens überflüssigen Schlußworte: unless we could discover that, which ties them together, wären wohl besser weggeblieben.

§ 10. So weit, wie sich irgend eine solche Koexistenz erkennen läßt, können allgemeine Sätze Gewißheit haben. Aber das ist nur in geringem Umfang der Fall, weil ... – Je mehr dieser zusammen bestehenden Eigenschaften wir zu einer komplexen Idee unter einem Namen verbinden, um so genauer und bestimmter machen wir freilich die Bedeutung dieses Wortes, aber wir befähigen es dadurch niemals zu größerer Gewißheit hinsichtlich anderer in unserer komplexen Idee nicht enthaltene Eigenschaften, weil wir den Zusammenhang beider mit oder ihre Abhängigkeit voneinander wegen unserer Unkenntnis sowohl der realen Beschaffenheit, worauf sie alle beruhen, als auch der Art und Weise, wie sie daraus entspringen, nicht wahrnehmen. Denn der Hauptteil unseres Wissens von Substanzen besteht nicht, wie bei anderen Dingen bloß in einer Kenntnis der Relation zweier Ideen, die voneinander getrennt existieren mögen, sondern betrifft die notwendige Verbindung und Koexistenz von mehren unterschiedenen Ideen in demselben Objekt oder deren Unverträglichkeit mit einer solchen Koexistenz. Könnten wir bei dem entgegengesetzten Ende anfangen und entdecken, worin eine gewisse Farbe bestehe, was einen Körper leichter oder schwerer mache, welches Gewebe seiner Teile ihn dehnbar, schmelzbar, feuerbeständig und in dieser, nicht in jener Flüssigkeit lösbar mache – hätten wir, sage ich, eine Idee solcher Art von den Körpern und könnten wahrnehmen, worin alle sinnlichen Eigenschaften ursprünglich bestehen und wie sie zustande kommen, so könnten wir Ideen von ihnen bilden, die uns mit Stoff für ein allgemeineres Wissen versehen und befähigen würden, allgemeine Sätze aufzustellen, die generelle Wahrheit und Gewißheit mit sich führten. Solange aber unsere komplexen Ideen der Substanzarten von der inneren realen Beschaffenheit, worauf ihre sinnlichen Eigenschaften beruhen, so entfernt bleiben, und nur aus einer unvollständigen Sammlung der sich äußerlich zeigenden Eigenschaften bestehen, die unsere Sinne entdecken können, so lange kann es nur wenig allgemeine Sätze über Substanzen geben, von deren realer Wahrheit wir mit Gewißheit überzeugt sein dürfen, weil es nur wenig einfache Ideen giebt, von deren Verbindung und notwendigem Zusammenbestehen wir eine gewisse und zweifellose Kenntnis haben können. Unter allen sekundären Eigenschaften von Substanzen und den auf sie bezüglichen Kräften lassen sich, glaube ich, keine zwei namhaft machen, deren notwendige Koexistenz oder unmögliches Zusammenbestehen mit Gewißheit erkannt werden kann, abgesehen von den durch denselben Sinn wahrgenommenen, die, wie anderswo (Kapitel III, § 15) gezeigt worden, einander ausschließen. Niemand kann, denke ich, aus der Farbe, die sich an einem Körper zeigt, mit Sicherheit erkennen, welchen Geruch, Geschmack, Klang oder welche fühlbare Eigenschaften derselbe hat, oder welche Veränderungen er in anderen Körpern bewirken kann oder von ihnen zu erleiden vermag. Dasselbe läßt sich von dem Klange oder Geschmack etc. sagen. Da unsere specifischen Substanznamen immer Sammlungen solcher Ideen bedeuten, so ist es nicht zum Verwundern, daß wir mit ihnen sehr wenig allgemeine Sätze von unzweifelhafter realer Gewißheit bilden können. So weit jedoch irgend eine komplexe Idee von irgend welcher Art von Substanzen eine einfache Idee in sich schließt, deren notwendige Koexistenz mit irgend einer anderen sich entdecken läßt, ebensoweit werden sich über sie allgemeine Sätze mit Gewißheit aufstellen lassen. Könnte z. B. jemand einen notwendigen Zusammenhang zwischen der Dehnbarkeit und der Farbe oder dem Gewicht des Goldes oder irgend einem anderen Teile der mit diesem Namen bezeichneten komplexen Idee entdecken, dann könnte er in dieser Hinsicht einen gewissen allgemeinen Satz über das Gold aufstellen, und die reale Wahrheit des Satzes: »alles Gold ist dehnbar«, würde ebenso gewiß sein, wie die des Satzes: »die drei Winkel jedes geradelinigten Dreiecks sind Statt are all equal lies are equal. gleich zwei rechten.«

§ 11. die Eigenschaften, die unsere komplexen Ideen von Substanzen ausmachen, meistens auf äußeren entfernten und unbemerkten Ursachen beruhen. – Hätten wir solche Ideen von Substanzen, daß wir wüßten, durch welche reale Beschaffenheiten die sinnlichen Eigenschaften, die wir an ihnen bemerken, hervorgebracht würden, und wie diese Eigenschaften daraus entsprängen, so könnten wir vermittelst der specifischen Ideen von ihren realen Wesenheiten in unserem Geiste ihre Eigentümlichkeiten mit größerer Gewißheit auffinden und entdecken, welche Eigenschaften sie hätten oder nicht hätten, als uns jetzt mit Hilfe unserer Sinne möglich ist, und es würde, um die Eigentümlichkeiten des Goldes zu erkennen, nicht notwendiger sein, daß Gold existiere und wir mit ihm Versuche anstellten, als es für die Erkenntnis der Eigentümlichkeiten eines Dreiecks notwendig ist, daß ein Dreieck irgendwie materiell existiere; die Idee in unserem Geiste würde für das eine so gut wie für das andere ausreichen. Hierin liegt wohl ein doppelter Irrtum. Die Gesetzlichkeit des Kausalzusammenhanges kann nie zu einer mathematischen Notwendigkeit werden, wie viel neue Glieder der Kette von Ursachen und Wirkungen auch entdeckt und in die Reihe eingeschoben werden mögen; sie bleibt immer empirisch oder eine nur induktiv erkennbare Wahrheit. Überdies verknüpft der Kausalzusammenhang nur die Bewegungen und Veränderungen, die nacheinander mit den Dingen und deren Eigenschaften vor sich gehen, er setzt also diese letzteren schon als gegeben voraus, und es wird deshalb niemals möglich sein, das notwendige Zusammenbestehen der Eigenschaften eines jeden Dinges aus Kausalverhältnissen abzuleiten. Daran ändert sich auch nichts, wenn man an die Stelle der wahrnehmbaren Dinge deren nur vorgestellte Moleküle setzt, denn diese werden doch nur wieder als Dinge mit Eigenschaften vorgestellt, und lassen sich gar nicht anders vorstellen; ihr Unterschied von den wahrnehmbaren Dingen ist nur ein (fingiert) quantitativer. – Gleichwie Raum und Zeit die allgemeinen Formen unserer Wahrnehmung und Erinnerung sind, so gehören zwar auch Substanzialität und Kausalität zu den allgemeinen Formen unseres Denkens, in denen sich die objektive Welt des Bewußtseins notwendig entwickelt, allein diese haben als leere Formen nicht die Vielgestaltigkeit jener (und namentlich des Raumes), die auf deren Teilbarkeit und Zusammensetzbarkeit beruht, während die Substanzen und Kausalverhältnisse ihre Mannigfaltigkeit nur dem empirisch gegebenen Inhalt verdanken. Auf der Teilbarkeit und Zusammensetzbarkeit von Raum, Zeit und Zahl als bloßen Formen aber beruht die eigentümliche Notwendigkeit und Evidenz aller Verhältnisse und Beziehungen, womit die Mathematik es zu thun hat. Allein wir sind soweit davon entfernt, zu den Geheimnissen der Natur zugelassen zu werden, daß wir uns kaum jemals auch nur dem ersten Eingang dazu annähern. Denn wir sind gewohnt, jede der uns vorkommenden Substanzen als ein ganz für sich bestehendes Ding zu betrachten, was alle seine Eigenschaften unabhängig von anderen Dingen in sich trage, indem wir meistenteils die Einwirkungen der unsichtbaren Fluida übersehen, von denen sie umgeben sind, und auf deren Bewegungen und Wirksamkeiten der größte Teil der Eigenschaften beruht, die an ihnen (den Substanzen) beobachtet werden, und die wir zu den ihnen anhaftenden Unterscheidungszeichen machen, woran wir sie erkennen und wonach wir sie benennen. Man isoliere irgendwo ein Stück Gold und sondere es von dem Bereich und dem Einfluß aller anderen Körper ab, dann wird es unmittelbar seine Farbe und Schwere ganz verlieren, und vielleicht auch die Dehnbarkeit, die – so viel ich weiß – in völlige Zerreiblichkeit übergehen würde. Wasser, dessen Flüssigkeit für uns eine wesentliche Eigenschaft desselben ist, würde, sich selbst überlassen, aufhören, flüssig zu sein. Wenn aber schon leblose Körper so viel von ihrem gegenwärtigen Zustande anderen Körpern außer ihnen verdanken, daß sie nicht das sein würden, als was sie uns erscheinen, wenn diese sie umgebenden Körper entfernt würden, so ist dies noch mehr bei den Pflanzen der Fall, die in ununterbrochener Reihenfolge ernährt werden, wachsen und Blätter, Blüten und Samen erzeugen. Und wenn wir den Zustand der Tiere etwas näher ins Auge fassen, so werden wir finden, daß sie, was Leben, Bewegung und die hauptsächlichsten an ihnen zu beobachtenden Eigenschaften anbetrifft, so völlig von äußeren Ursachen und Eigenschaften anderer ihnen nicht angehörigen Körper abhängen, daß sie ohne diese nicht einen Augenblick bestehen können, wenn auch diese Körper, von denen sie abhängig sind, wenig Beachtung finden und keinen Teil der komplexen Idee ausmachen, die wir uns von diesen Tieren bilden. Man entziehe die Luft nur eine Minute lang dem größten Teil der lebenden Wesen, und sie verlieren sofort Empfindung, Leben und Bewegung. Die Notwendigkeit des Atmens hat uns diese Erkenntnis aufgedrängt. Auf wie viele andere äußere und vielleicht sehr entfernte Körper aber mögen die Triebfedern dieser bewundernswerten Maschinen sich stützen, die man für gewöhnlich nicht gewahr wird, ja an die man überhaupt nicht denkt; und wie viele giebt es, die auch die strengste Untersuchung niemals entdecken kann? Die Bewohner dieses Fleckchens im Weltall, so viele Millionen Meilen sie auch von der Sonne entfernt sind, sind doch von der richtig abgemessenen Bewegung von Partikeln, die von ihr herkommen oder durch sie in Bewegung gesetzt sind, so abhängig, daß, wenn diese Erde nur um einen kleinen Teil des Abstandes aus ihrer gegenwärtigen Lage entfernt, und von jener Wärmequelle ein wenig weiter ab oder ein wenig näher zu ihr hingerückt würde, es mehr als wahrscheinlich wäre, daß der größte Teil der Tiere auf ihr sofort umkommen würde, weil wir finden, daß sie häufig durch ein Übermaß oder einen Mangel von Sonnenwärme vernichtet werden, denen eine zufällige Versetzung an eine gewisse Stelle dieser unserer kleinen Erdkugel sie ausgesetzt hat. Die an einem Magnetstein bemerkten Eigenschaften müssen ihren Ursprung notwendigerweise weit jenseits der Grenzen dieses Körpers haben, und die Verheerung, die oft unter verschiedenen Tierarten durch unsichtbare Ursachen angerichtet wird, der (wie man sagt) sichere Tod einiger von ihnen, wenn sie nur die Linie passieren, oder (wie ausgemacht ist) anderer, wenn sie in ein Nachbarland gebracht werden, zeigen offenbar, daß die Mitwirkung und der Einfluß gewisser Körper, wovon man selten glaubt, daß sie etwas damit zu thun hätten, schlechterdings notwendig ist, um sie zu dem zu machen, was sie uns zu sein scheinen, und die Eigenschaften zu erhalten, wonach wir sie erkennen und unterscheiden. Wir gehen also sehr fehl, wenn wir denken, daß die Dinge die uns an ihnen erscheinenden Eigenschaften in sich selbst enthielten, und wir suchen vergebens innerhalb des Leibes einer Fliege oder eines Elefanten nach der Beschaffenheit, worauf die Eigenschaften und Kräfte beruhen, die wir an ihnen beobachten. Um diese recht zu verstehen, müßten wir unsern Blick vielleicht nicht nur über diese Erde und Atmosphäre, sondern auch über die Sonne oder den entferntesten Stern, den unsere Augen bisher entdeckt haben, hinaus ausdehnen. Denn, wie sehr das Dasein und die Wirksamkeit einzelner Substanzen auf dieser unserer Erdkugel von ganz jenseits unseres Gesichtskreises liegenden Ursachen abhängen mögen, sind wir außer stande, zu beurteilen. Wir sehen und erkennen einige der Bewegungen und gröberen Wirkungen der uns hier umgebenden Dinge, aber woher die Ströme kommen, die alle diese merkwürdigen Maschinen in Bewegung und gutem Zustande erhalten, wie sie herbeigeleitet und eingedämmt werden, das liegt jenseits unserer Erkenntnis und Fassungskraft, und die großen Stücke und Räder (um mich so auszudrücken) dieses staunenswerten Gefüges des Weltalls mögen, so viel wir wissen, bei ihrer wechselseitigen Beeinflussung und Einwirkung in solcher Verbindung und Abhängigkeit voneinander stehen, daß vielleicht die Dinge auf diesem unserem Wohnplatz ein ganz anderes Aussehen gewinnen und aufhören würden, das zu sein, was sie sind, wenn einer der Sterne oder großen unbegreiflich weit von uns entfernten Körper aufhören würde zu sein oder sich so zu bewegen, wie er thut. So viel ist gewiß, wie unabhängig und für sich abgeschlossen die Dinge auch zu sein scheinen, sie sind doch hinsichtlich dessen, weshalb wir am meisten auf sie achten, nur die Diener anderer Teile der Natur. Ihre wahrnehmbaren Eigenschaften, Thätigkeiten und Kräfte verdanken sie etwas außer ihnen Vorhandenem, und wir kennen keinen so vollständigen und vollkommenen Teil der Natur, daß er nicht sein Dasein und seine vortrefflichsten Eigenschaften seinen Nachbarn verdankte; und wir dürfen unsere Gedanken nicht auf das beschränken, was innerhalb der Oberfläche eines jeden Körpers liegt, sondern müssen viel weiter ausschauen, um die in ihm enthaltenen Eigenschaften vollkommen zu begreifen.

§ 12. Wenn sich dies so verhält, dann ist es nicht zum Verwundern, daß wir sehr unvollkommene Ideen von Substanzen haben, und daß uns die realen Wesenheiten, worauf ihre Eigenschaften und Wirksamkeiten beruhen, unbekannt sind. Wir können nicht einmal die Größe, Gestalt und Textur ihrer kleinsten und aktiven Teile, die sich thatsächlich in ihnen befinden, entdecken, viel weniger die verschiedenen ihnen von außen durch andere Körper beigebrachten Bewegungen und Stöße, wodurch zum größten und bemerkenswertesten Teile die Eigenschaften begründet und gebildet sind, die wir an ihnen beobachten, und die unsere komplexen Ideen von ihnen ausmachen. Diese Betrachtung allein genügt, um allen unseren Hoffnungen, jemals Ideen ihrer realen Wesenheiten zu erlangen, ein Ende zu machen: solange uns die aber fehlen, werden die nominalen Wesenheiten, die wir anstatt jener gebrauchen, uns nur sehr spärlich mit irgend welcher generellen Erkenntnis oder mit allgemeinen, realer Gewißheit fähigen Sätzen versehen können.

§ 13. Das Dafürhalten mag weiter reichen, aber das ist kein Wissen. – Wir dürfen uns deshalb nicht darüber wundern, wenn sich nur in wenigen über Substanzen aufgestellten allgemeinen Sätzen Gewißheit finden läßt, unsere Kenntnis ihrer Qualitäten und Eigentümlichkeiten geht sehr selten weiter, als unsere Sinne reichen und uns belehren. Wißbegierige und aufmerksame Leute mögen mit Hilfe ihres Scharfsinns tiefer eindringen und nach Wahrscheinlichkeiten, aus vorsichtiger Beobachtung gewonnen, und wohl zusammengestellten Winken oft richtig erraten, was die Erfahrung ihnen noch nicht gezeigt hat. Das aber bleibt immer bloß Vermutung, es läuft nur auf ein Meinen hinaus, ihm fehlt die Sicherheit, die für das Wissen erforderlich ist. Denn alles allgemeine Wissen beruht lediglich auf unseren eigenen Gedanken, und besteht allein in der Betrachtung unserer eigenen abstrakten Ideen. Überall, wo wir eine Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung unter ihnen wahrnehmen, da haben wir ein allgemeines Wissen und können, indem wir die Namen jener Ideen dementsprechend in Sätze zusammenfügen, allgemeine Wahrheiten mit Gewißheit aussprechen. Weil aber die abstrakten Ideen von Substanzen, die deren specifische Namen vertreten, stets, wenn sie einen deutlichen und bestimmten Sinn haben, mit nur sehr wenigen anderen Ideen in einem erkennbaren Zusammenhang oder Widerspruch stehen, so ist die Gewißheit allgemeiner Sätze über Substanzen auf dem Gebiet, wo wir hauptsächlich Nachforschungen in betreff ihrer anstellen, sehr beschränkt und spärlich, und es giebt unter den Substanznamen kaum irgend einen, die Idee, worauf er angewendet wird, möge sein, welche sie wolle, von dem wir allgemein und mit Gewißheit aussprechen können, daß diese oder jene andere Eigenschaft ihm zukomme oder nicht zukomme und beständig mit jener Idee, wo immer sie sich finde, koexistent oder unvereinbar sei.

§ 14. Was für unser Wissen von Substanzen erforderlich ist. – Bevor wir irgend ein leidliches Wissen dieser Art erlangen können, muß uns zunächst bekannt sein, welche Veränderungen die primären Eigenschaften eines Körpers regelmäßig in den primären Eigenschaften eines anderen hervorbringen und auf welche Weise. Zweitens müssen wir wissen, welche primären Eigenschaften irgend eines Körpers in uns bestimmte Sinneseindrücke oder Ideen hervorbringen. Das heißt in Wahrheit nichts Geringeres als alle Wirkungen der Materie in ihren mannigfachen Modalitäten der Größe, Gestalt, Kohäsion der Teile, Bewegung und Ruhe kennen, und ich denke, jedermann wird zugeben, daß wir zu deren Erkenntnis ohne Offenbarung völlig außer stande sind. Und selbst wenn uns offenbart würde, welche Art von Gestalt, Größe und Bewegung von Körperchen in uns den Sinneseindruck der gelben Farbe hervorbringe, und welche Art von Gestalt, Größe und Gewebe der Teile in den Oberflächen eines Körpers geeignet seien, um solchen Körperchen die zur Hervorbringung jener Farbe erforderliche Bewegung zu geben, so würde dies doch nicht genügen, um mit Gewißheit allgemeine Sätze für die verschiedenen Arten derselben (der Körper) aufzustellen, wenn wir nicht Sinnesorgane hätten, scharf genug, um genau die Größe, Gestalt, Textur und Bewegung jener kleinsten Teile in den Körpern Statt of bodies in those minute parts, lies: of those minute parts in bodies. wahrzunehmen, wodurch sie auf unsere Sinne einwirken, so daß wir nach diesen unsere abstrakten Ideen von ihnen bilden könnten. Ich habe hier nur der körperlichen Substanzen gedacht, deren Wirkungsweisen für unsere Sinne offener dazuliegen scheinen, denn, was die Wirkungsweisen der Geister ( spirits) anbetrifft, sowohl ihr Denken wie ihr Bewegen der Körper, so erkennen wir beim ersten Blick unsere Ratlosigkeit, obwohl wir vielleicht, wenn wir unsere Gedanken ein wenig näher mit der Betrachtung von Körpern und deren Wirksamkeiten beschäftigt und geprüft haben, wie weit auch bei diesen unsere Kenntnisse mit einiger Klarheit über die sinnlichen Thatsachen hinausreichen, zu dem Bekenntnis genötigt sein werden, daß sogar auch bei diesen unsere Entdeckungen sehr wenig die vollkommene Unwissenheit und Unfähigkeit übersteigen. Vgl. Buch II, Kapitel 23, §§ 22–32.

§ 15. Solange unsere Ideen von Substanzen nicht deren reale Beschaffenheit enthalten, können wir über sie nur wenig allgemeine und gewisse Sätze aufstellen. – Soviel ist einleuchtend, daß die abstrakten komplexen Ideen von Substanzen, die durch ihre Namen vertreten werden, da sie deren reale Beschaffenheit nicht in sich begreifen, uns nur sehr wenig allgemeine Gewißheit verschaffen können, weil unsere Ideen von ihnen nicht aus dem gebildet sind, worauf die von uns an ihnen bemerkten Eigenschaften, worüber wir uns unterrichten möchten, beruhen, oder womit sie in irgend welcher gewissen Verbindung stehen. Es möge z. B. die Idee, der wir den Namen »Mensch« geben, gewöhnlichermaßen ein Körper von der ordentlichen Gestalt sein, verbunden mit Sinneswahrnehmung, willkürlicher Bewegung und Vernunft. Wenn dies die abstrakte Idee und folglich das Wesen unserer Art »Mensch« ist, so können wir über »Mensch« als Bezeichnung einer solchen Idee nur sehr wenig allgemeine gewisse Sätze aufstellen; denn, da wir die reale Beschaffenheit nicht kennen, worauf die Sinneswahrnehmung, die Kraft, sich zu bewegen und vernünftig zu denken, nebst jener eigentümlichen Gestalt beruhen, und wodurch sie in demselben Subjekt vereinigt sind, so giebt es nur sehr wenig andere Eigenschaften, zwischen denen und ihnen wir eine notwendige Verbindung erkennen können, und wir können deshalb nicht mit Gewißheit behaupten, daß alle Menschen zeitweilig schlafen, daß kein Mensch sich von Holz oder Steinen ernähren könne, daß Schierling für alle Menschen ein Gift sei. Weil diese Ideen mit unserer nominalen Wesenheit des Menschen, mit jener von diesem Namen vertretenen abstrakten Idee, weder in Zusammenhang noch in Widerspruch stehen, so müssen wir bei ihnen und ähnlichen zum Versuch mit einzelnen Objekten unsere Zuflucht nehmen, der kein weitreichendes Ergebnis liefern kann. Im übrigen müssen wir uns mit Wahrscheinlichkeit begnügen, können aber keine allgemeine Gewißheit erlangen, solange unsere specifische Idee des Menschen jene reale Beschaffenheit nicht enthält, worin wie in einer Wurzel alle dessen untrennbare Eigenschaften vereinigt sind und woraus sie entspringen. Solange unsere mit dem Worte »Mensch« bezeichnete Idee nur eine unvollständige Sammlung einiger sinnlichen Eigenschaften und Kräfte desselben ist, besteht kein erkennbarer Zusammenhang oder Widerspruch zwischen unserer specifischen Idee und der Einwirkung sei es nun der Teile des Schierlings oder von Steinen auf seine Leibesbeschaffenheit. Es giebt Tiere, die ohne Schaden Schierling fressen, und andere, die sich von Holz und Steinen ernähren, aber solange uns Ideen von der realen Beschaffenheit der verschiedenen Tierarten fehlen, worauf diese und ähnliche Eigenschaften und Kräfte beruhen, dürfen wir nicht hoffen in allgemeinen Sätzen über sie Gewißheit zu erreichen. Nur die wenigen Ideen, die in einem erkennbaren Zusammenhang mit unserer nominalen Wesenheit oder irgend einem Teile davon stehen, können uns solche Sätze liefern. Deren Anzahl ist jedoch so klein, und sie sind so unbedeutend, daß wir unsere gewisse allgemeine Kenntnis von Substanzen mit Recht als fast gar keine betrachten dürfen.

§16. Worin die generelle Gewißheit von Sätzen liegt. – Um zum Schlusse zu kommen: Allgemeine Sätze jeder Art sind nur dann der Gewißheit fähig, wenn die in ihnen gebrauchten Wörter solche Ideen vertreten, deren Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung, wie sie in dem Satze ausgedrückt ist, von uns entdeckt werden kann. Und wir sind ihrer Wahrheit oder Falschheit dann gewiß, wenn wir wahrnehmen, daß die von den Wörtern vertretenen Ideen so miteinander übereinstimmen oder nicht übereinstimmen, wie jene voneinander bejaht oder verneint worden sind. Daraus läßt sich erkennen, daß allgemeine Gewißheit immer nur in unseren Ideen zu finden ist. Wenn wir sie anderswo suchen, in Versuchen oder Beobachtungen außer uns, so erstreckt sich unser Wissen niemals über Einzelheiten hinaus. Allgemeines Wissen vermag uns allein die Betrachtung unserer eigenen abstrakten Ideen zu liefern.


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