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Vor dem Tore des Stadthauses, wo der Visconti mit den Seinigen wohnte, standen zwei Herren: Timoteo Lotteringhi, der Hauptmann Provenzans, und Ricciardo Scotti. Sie waren Freunde geworden, nachdem sie am Morgen ihre Schwerter gekreuzt, und redeten miteinander.
Herr Timoteo meinte: »Nach allem, was sich heute zugetragen hat, kann ein Mann von Ehre nicht länger im Dienst unseres Herzogs leben!«
»Der Herzog ist mir zum Feind geworden!« nickte Ricciardo. – »Gestern hat er das Lösegeld von mir gefordert, ich habe ihm nicht willfahrt!«
»Herr Mino ist jetzt tot, der Herzog hat ihn nicht lösen können. Unter Mino hat ein gerader Mann fechten dürfen, ihm bin ich gerne gefolgt, würde ihm weiter folgen – dem Herzog Provenzan nimmermehr.«
»So denke auch ich! Der Mailänder, der große Visconti liegt nahe im Quartier – Ihr wißt es!«
»Ich weiß es! Darum seht Ihr mich zur Stelle – die Ehre verbietet mir, dem Bettelherzog zu dienen. Ich verlasse diese schmachbedeckte Stadt.« – So redete Timoteo. Aber er wollte des nicht gedenken, daß ihn Provenzans Vater aus einem schlechten Troßbuben zum Reisigen gemacht, und daß ihm Provenzan selbst hundert Reiter vertraut hatte.
Der Scotti seufzte. – »Ihr könnt tun, wozu Euch das Herz treibt, Herr Timoteo! Euer Ruhm sitzt auf dem Sattel Eueres Rosses, Euere Ehre sprüht von Euerem Schwert, und vielleicht können zwei Satteltaschen Euere Habe bergen!«
»Sie können es!« erwiderte offenen Blickes der Hauptmann, der immer ehrlich gewesen war.
»Doch was soll ich beginnen? Die Ländereien um die Stadt herum sind all mein Gut. Ich kann Siena nicht verlassen!«
»Mir ist keine Wahl gegeben!« sprach stolz Timoteo. »Ich will mich dem mailändischen Herzog anbieten!«
»Glück auf den neuen Weg! Möge auf ihm soviel Ruhm wachsen wie auf den früheren! Und vergeßt nicht den Freund, der ebenso denkt wie Ihr, aber nicht ebenso tun kann!« – Mit einem Schütteln der Hände ging Ricciardo Scotti in sein Haus. Im Weinkeller hinter dem größten Faß hatte er schon begonnen, Steine aus der Mauer zu heben, er hatte es selbst getan, kein Diener sollte ihm helfen. Das Nest einer Ratte, die da nistete, die er mit dem Spaten vertilgt hatte, kam ihm gelegen, denn er hoffte dort sein Gold gut bergen zu können, wenn es in Gefahr käme.
Timoteo trat ins Haus ein, fragte nach dem Visconti. Der kam ihm entgegen. Er war durch die Schar der deutschen Lanzknechte, die ihn mißtrauisch beobachteten, aus dem Hause des Salvani gegangen. Das hatte er sich rühmlicher gedacht! Aber nun mußte mit diesem Herzog ein Ende gemacht werden, wie immer es sei!
»Gnädigster Herzog,« sprach Timoteo bescheiden, »erlaubt Ihr einem einfachen Hauptmann, vor Euch zu treten?«
»Wenn Ihr jener Timoteo Lotteringhi seid, der Sienesen Feldhauptmann bisher, der vor Orvieto und im Arnotal sein Banner vor dem Feind getragen, dann bedarf es keiner Worte!«
»Ihr seid zu gnädig, Herzog! Aber von heute an gestattet mir die Ehre nicht ferner den Dienst Sienas!«
»Ein Stolzer!« lächelte Andrea und reichte ihm beide Hände dar. – »Ein Mann, wie ich Männer liebe! Ich bin sehr glücklich, Eure persönliche Bekanntschaft machen zu dürfen, und wäre noch glücklicher, wenn Ihr den Dienst, der Euch nicht mehr gefällt, mit dem meinigen vertauschen wolltet!«
»Ich bin hier, mich Eueren Gnaden anzubieten!«
»Dank für das Vertrauen! Und willkommen als Freund! Erlaubt auch, daß ich Euch mit Herrn Marzucco Guardastagno bekannt mache, der meine Geschäfte führt!« – Er winkte den Kanzler her, empfahl ihm den neuen Hauptmann, trug ihm auf, für gute Ausrüstung Sorge zu tragen.
Aber Timoteo schüttelte den Kopf. – »Ich bin gerüstet, Herzog!«
»Gleichviel! Seht es als ein Zeichen meiner Freude an!«
Timoteo ging, der Visconti war allein mit seinem Kanzler. – »Wir können es nicht besser wünschen! Die Gesandten des großen Gonzaga haben Provenzan in seiner Erniedrigung gesehen, die Kunde läuft durchs Land, Antonio verbindet sich nicht einem Bettler.« – Daß er wenig rühmlich mit dem Salvani gerungen hatte, verschwieg er.
Der Kanzler erinnerte ihn, daß Antonio Gonzaga der Bruder der Herzogin sei, doch der Visconti lachte. – »Noch viel besser! Auch Gaspara –«
»Herr?«
Andrea verstummte.
Der Kanzler wies Briefe vor, die er empfangen hatte. – »Von den Piccolomini in Florenz!«
»Dürfen wir auf sie zählen?«
»Der alte Facino, dem der Salvani das Haus zerbrochen hat, schreibt, daß sich täglich neue Freunde sammeln, die Signoria gibt insgeheim Geld; Facino will noch vor seinem Tode den Sturz des Salvani sehen!«
»Schick ihm gleich einen Boten!«
»Die Tolomei sitzen gewaffnet in ihrer Burg, warten auf Euer Wort, daß der Salvani falle!«
»Er fällt – aber zu meinen Füßen!«
»Wir haben Verträge getauscht!« sprach ernst der Kanzler.
Der Visconti lachte, und sein Gesicht verzerrte sich in ein Grinsen. – »Was hilft mir ihr feiges Lauern! Wer nicht Macht hat, darf nicht auf Handfesten bauen!«
Der Kanzler schwieg.
»Und du, Marzucco! Eile zu Karl, mach alles fertig! Ein paar hundert Reiter möge er hersenden, aber daß er selbst Siena nicht betrete, die Stadt ist mein!«
»Ich werde trachten, daß es nach Euerem Willen gehe!« – Er beugte sich, da kam ihm noch zu Sinn, daß der Waffenschmied wartete. – »Er kann uns nützlich sein!«
»Er komme! – Doch – daß Karl zumindest tausend Reiter hersende! Und Fußvolk auch!«
Marzucco wollte gehen – ungeheißen klinkte einer von des Visconti Leuten die Türe auf. – »Verzeiht, Herzog! Es ist wichtig!« – Und er meldete, daß sich Herr Mino losgerissen hatte aus eigener Kraft und dem König entkommen war. Er sei schon in Siena gesehen worden!
Der Herzog und sein Kanzler blickten sich an. – »Er ist des Salvani sicheres Schwert!« meinte Marzuceo. – Und der Visconti wiegte den Kopf. – »Mino gefällt mir trotz allem! Aber weiß Karl seine Gefangenen nicht besser zu wahren?«
Der Kanzler hatte schnell bedacht, wie man es nutzen könnte: »Da der König Herrn Mino verloren hat, wird er mit seinen Truppen nicht knausern. – Doch – wenn er ihn wiederfordert?«
Einen Augenblick nur zögerte der Herzog, dann sprach er: »Gib ihn in den Kauf! Aber daß der König die Stadt nicht betrete – hörst du!«
»Wohl! Jedoch – habt Ihr Mino?«
»Ich werde ihn haben, wenn ich ihn brauche!«
Der Kanzler ging, schon stand Cipolla vor dem Visconti. – »Ich bin nicht müßig gewesen, gnädiger Herr!«
»Hast du Freunde geworben?«
»Nach Euerem Befehl!«
»Gerüstet auch?«
»So gut ich es vermocht!«
»Bleib mir nah, bis ich dich rufe! Herrn Mino wollte ich gebunden sehen!«
»So ist er nicht tot?« fragte Cipolla verwundert. – »Geköpft vom König?«
»Entlaufen!«
Haß färbte das Gesicht des Waffenschmiedes – er war noch am Leben, der ihn gestern geschlagen hatte und ihm den Harnisch geraubt! Aber Cipolla sprach: »Ein kühner Krieger!«
»Das ist er! Und darum soll Karl ihn lebendig haben! Er wird es mir danken!«
»Die Rüstung und den Helm, in denen er vor die Stadt geritten ist, schuldet er mir noch. Wenn der König ihn köpft –?« fragend blickte Cipolla auf den Visconti.
»Dann bringst du deine Rechnung zu mir! Jetzt aber halte dich bereit! Du magst hier im Hause Waffen nehmen – bürgst mir, daß sie in rechte Hände kommen!«
»Ich bürge! Und ich warte auf Eure Befehle!«
»Alles wird schnell vollendet sein!«
»Und wenn ich Euch Herrn Mino gebunden bringe?«
»Ich kann aus Bürgern Ritter machen! Doch scheint es nicht sein Geschmack, sich fangen zu lassen!«
»Etwa gelingt es doch!« – Hochrot ging Cipolla, Waffen unter alle auszuteilen, die gegen den Salvani murrten. Es waren ihrer viele. Sein Herz aber bebte vor dem, was ihm der Visconti gedeutet hatte.