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13.

An dem Abend wurde im Hause des Herzogs kein Licht angezündet. Diener und Mägde schienen verschwunden zu sein, Gaspara hatte sich eingeschlossen und Ginevra auch. Provenzan ging durch die Säle, lehnte lang an einem Pfeiler, schielte zum Fenster und scheute sich doch hinzutreten. War er noch Herzog in Siena? Vielleicht hatten sie den Visconti eingesetzt oder den König gerufen? Vielleicht teilte der alte Tolomei Messer an seine Söhne aus, daß sie ihn fingen und schlachteten? Wer stand noch zu ihm? Hatte er noch Gewaffnete, die ihm gehorchten? ...

Argwöhnisch blickte er ins Dunkel des Saales ein, in dem gestern frohe Menschen gelacht und getanzt hatten. Von irgendwoher flackerte Licht über eine Wand – er kehrte sich –, war jemand da? Er schritt in tiefere Finsternis, wie nackt schien er sich, tastete an seinem Leibe hinab – niemand sollte ihn sehen!

Die Garbe Licht war wieder verronnen.

Nach einer Weile trat er zur Tür, öffnete mit einem Ruck, spähte hinaus – niemand. Hatte er nicht lachen gehört?

Dunkelheit ist gut, dachte Provenzan. Aber wenn der Tag anbricht? Wie werden sie auf mich sehen? Warten sie vielleicht, ob ich bettle, immer bettle? ...

Die Glocke schlug vom Stadtturm. Provenzan erschrak – wurde ein neuer Herzog gewählt? Er glaubte zu sehen, wie die Bürger jetzt in den Schenken saßen und lachten, wie in ihren Häusern die Herren saßen und lachten. Wo ist Gaspara? Ist sie zum Visconti gegangen?

Pferde stampften vor dem Haus, Rufe gellten, Waffen rasselten, es kam über die Treppe.

Licht von Fackeln umsprang ihn, Schatten wie Schlangen schossen über den Estrich, ein paar Männer traten in den Saal. Hinter seinem Pfeiler stand Provenzan unsichtbar.

Er vernahm die Stimme des Visconti: »Die Gewaffneten bleiben im Vorraum! Ist kein Diener im Haus?« – Und dann: »Sag der Herzogin, daß ich hier bin! Ich lasse bitten, daß sie mich sogleich empfange!«

Provenzan hielt sich am Pfeiler fest.

»Herr Timoteo!« herrschte der Visconti, »Ihr bleibt bei mir!« – Und zu einem im Dunkel: »Bring mir den Waffenschmied her!«

»Er erwartet Euere Befehle!« kam knechtlich zurück.

Zwei Fackeln wurden tiefer in den Raum gestoßen, rissen Provenzan aus seiner Finsternis. – »Da steht einer!« – Sie leuchteten ihm ins Gesicht. – »Der Herzog!« – Timoteo hatte es gerufen.

»Dein Herr!«

»Ein Fürst ist mein Herr gewesen, nicht ein Bettler!« – Aufrecht stand sein Hauptmann vor ihm. Und dann kehrte er sich zum Visconti zurück. – »Der Herzog!«

»Der Herzog, den Ihr fürchtet!« sprach Provenzan. Er hatte seine Kraft wiedergefunden vor dem Feind.

Aber der Visconti sah über ihn hinweg, warf geringschätzig die Schultern hoch. – »Wer fürchtet ihn?«

Provenzan trat hart vor den Visconti. – »Ich bin verwundert, Euch noch in meinem Hause zu sehen, Herr!«

Jetzt blickte Andrea ihn an. Dieser Ton hatte ihn getroffen, wie er sich auch stark wußte. Und in seiner Stimme schwankte etwas, als er fragte: »Treibt Ihr Scherz wie am Morgen?«

»Ich weiß nichts von Scherz!« – Die Hand des Salvani faßte an den Schwertgriff.

Der andere wich einen Schritt, stand im Pfeilerschatten. – »Ich bitte Euch um die Erlaubnis, es beim Scherz zu lassen!«

Kurz zögerte Provenzan, wie schon etliche Male, vor der glatten Rede des Visconti. – »Ich verstehe Euch nicht!«

»Habt Ihr diesen Morgen nicht eine Maske vors Gesicht gelegt?«

Die Augen Provenzans faßten ihn in seinem Zwielicht. – »Ich lege niemals«, sprach er mit Feindschaft, »eine Maske vors Gesicht!«

»Auch heute morgen nicht? Das ist mir leid – um Euretwillen!« – Hinter ihm blinkten Harnische.

Zwiefach waren die Worte des Visconti geschliffen. Bin ich denn nicht mehr Herr in meinem Hause? – In meiner Stadt? dachte Provenzan. Was wagt er? Und er warf ihm ins Gesicht: »Euere Rede war tückisch und voll Feindschaft!«

»Die galt nicht Euch – einem andern!«

»Ihr habt ungebührlich zur Herzogin gesprochen!«

»Der Tochter des großen Alessandro Gonzaga, meines Vaters Freund, eine Schande zu sparen!«

»Ich ersuche Euch, laßt mich selbst Richter sein über mein Tun!«

»Über eines Fürsten Tun sitzen viele zu Gericht!«

»Nicht Ihr!«

»Auch ich!«

Bruder Masseo war lautlos eingetreten, vernahm im Dunkel die Worte der Fürsten.

»Ihr habt mich verspottet!« sprach Provenzan scharf, »fremdem Hohn preisgegeben. Das ist zu sühnen, Herzog!«

»Ist es Euer Ernst gewesen, heute morgen, dann –«

»Dann?«

»Dann sucht nicht Sühne bei mir! Ich bin ein Fürst!«

»Und ich?«

»Nicht mehr!« – Der Visconti glitt in die Finsternis, und er vernahm von Zaccaria, den er ausgeschickt hatte, daß die Herzogin ihn erwarte.

Ohne einen Blick auf Provenzan ging er, und als er in seiner Ecke den Mönch sah, wandte er sich höhnend noch einmal. – »Euer Beichtvater harrt!«

Im Vorraum stand mit einem gesiegelten Brief ein Bote seines Kanzlers, der aus dem Lager des Königs kam. Der Guardastagno meldete seinem Herrn, daß Karl vor Zorn bebte wegen der allzu frechen Flucht Minos, daß er die Wächter zum Tode bestimmt hatte, und daß er ihn zurückfordere vor allem anderen. Seine Haufen näherten sich Siena von zwei Seiten, durchs Tal der Arbia und aus den Schluchten von Montagnola. Der Kanzler drang in seinen Herrn, daß sogleich den mailändischen Truppen, die vor San Gemignano lagen, Befehl gesandt werde, den Königlichen zuvorzukommen, hegte er doch Bedenken, die Ehrlichkeit des Königs anlangend. – »Er wird alles für sich nehmen wollen, wird Tore und Türme besetzen, die Stadt plündern. Ich suche seinen Vormarsch hinzuzögern und bitte Euch, unsere Truppen zu spornen, damit sie als die ersten vor Siena stehen. Jagt der König seine Söldner vor, so können sie noch diese Nacht Siena fassen. Dann müßten die Leute, die wir in der Stadt gewonnen haben, die Tolomei und ihr Anhang sonderlich, zusammen mit denen des Salvani die Tore halten, bis Tambone mit den Unsrigen vorkommt. Der Salvani wird wenig Hilfe finden, ihm bleiben zuletzt die deutschen Lanzknechte, deren Zahl gering ist, und die es nicht auf den äußersten Kampf ankommen lassen werden für einen Fremden.«

Der Visconti erkannte, wie umsichtig sein Kanzler zu Werk gegangen war, rief den Timoteo und befahl ihm, sogleich zu Guido Tambone, dem Anführer der mailändischen Truppen, die unter San Gemignano lagen, hinzureiten und sein Pferd nicht zu schonen: daß sie eiligst auf Siena rückten.

Timoteo atmete schwer. Dem Salvani mochte er nicht mehr dienstbar sein – aber Siena einem Fremden in die Hände geben? Er gedachte der Worte Minos, daß der Visconti ihrer aller Feind sei.

Während dies schmerzhaft auf ihn fiel, hatte der Visconti ein Blatt für den Tambone geschrieben. Doch Timoteo streckte die Hand nicht aus danach, sah nieder mit verhängten Blicken.

»Eilt!« befahl der Visconti.

Noch immer regte sich Timoteo nicht.

»Was zögert Ihr?«

Timoteo hob seine Blicke auf, sah verstört dem Herzog ins Gesicht.

Der fühlte sogleich sein Widerstreben. – »Habt Ihr nicht meinen Dienst gesucht?«

»Ich habe ihn gesucht! Aber von Siena und seinem Herzog ist mir Gutes widerfahren!«

Der Viseonti stampfte auf, knirschte: »Soll ich jeden meiner Hauptleute fragen, ob dieser Kriegszug ihm zu Recht kommt oder ein anderer? Habe ich Euch in meine Dienste genommen, um Rom zu belagern und den Heiligen Vater auszuheben?«

Timoteo stand schweigend.

»Habt Ihr mein Gold empfangen?« fragte böse der Visconti.

»Ich habe es empfangen, Herzog.«

»Und Ihr zögert? Ein Kriegsmann, der seine Treue verpfändet hat?«

Meine Treue verpfändet! dachte erlahmend Timoteo und er fühlte das Haus des Salvani um sich her.

»Wollt Ihr oder wollt Ihr nicht?« fragte hart der Visconti. Timoteo neigt sich. – »Gebt den Brief!«

»Ihr eilt? Heute nacht müssen meine Truppen in Siena sein!«

»Ich eile!« – Er empfing den Brief, stieg auf und ritt aus der Stadt. Als er die Straße erreicht hatte hinter Camollia, da preßte er die Sporne seinem Pferd ein, daß Blutstropfen den Weg zeichneten. Siena an den Mailänder verraten, von dem er Gold genommen! Seine Stadt verkaufen, weil ihr Herzog unwürdig war! Herrn Mino ausliefern, der ihm ein gnädiger Feldherr und ein Freund gewesen! Der ihm das Leben gewahrt hatte ...

Der Hengst bäumte sich vor einem Absturz, schwankte scheitelrecht auf den Hinterbeinen. Aber Timoteo warf sich schwer über seinen Hals, spürte den Biß in der Rechten, die ins schäumende Maul gegriffen hatte, stürzte über den Kopf des Pferdes, das er mit sich hinabriß in den Tod.


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