Lukian von Samosata
Lügengeschichten und Dialoge
Lukian von Samosata

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IV.

Melissa, Bacchis.

Melissa. Liebe Bacchis, wenn du irgend eine von den alten Weibern kennst, dergleichen es in Thessalien viele geben soll, die sich darauf verstehen durch Zaubermittel eine verhaßte Person liebenswürdig zu machen, so beschwöre ich dich, führe sie mir zu. Und sollt' es mich meine ganze Garderobe, und meine Juwelen dazu, kosten, wenn ich nur die Freude hätte den Charinus wieder zu mir zurückkehren, und diese verwünschte Simmiche, in die er so vernarrt ist, eben so herzlich hassen zu sehen, wie er jetzt mich haßt!

Bacchis. Wie, meine Melisse? Er lebt nicht mehr mit dir, sondern mit der Simmiche? dieser Charinus, der sich deinetwegen mit seiner ganzen Familie überwarf, als er die reiche Person nicht heurathen wollte, die ihm, wie es hieß, fünf Talente zur MitgiftFünf Talente (5000 Rthlr.) galten bey den Atheniensern für eine sehr reiche Parthie. zubringen sollte? Denn ich erinnere mich noch recht gut, diese Umstände von dir selbst gehört zu haben.

Melissa. Diese Zeiten sind vorbey, Bacchis; es ist heute schon der fünfte Tag, seitdem ich ihn mit keinem Auge mehr gesehen habe, während er und Simmiche sich alle Abende bey seinem Freunde Pammenes wohl seyn lassen.

Bacchis. Das ist abscheulich! Aber was hat euch denn entzweyen können? Es muß doch wahrlich keine Kleinigkeit gewesen seyn!

Melissa. Alles kann ich dir selbst nicht recht sagen. Genug, er kam neulich aus dem Piräus, wo er, denk' ich, eine Schuld für seinen Vater eincassieren mußte, hieher; ich eile ihm, wie gewöhnlich mit offnen Armen entgegen; aber er stößt mich zurück, und sagt, ohne mich nur ansehen zu wollen, packe dich zu dem Schiffsherrn Hermotimus, oder lies was im Ceramikus an allen Wänden angeschrieben ist, wo euere Nahmen sogar auf einem öftentlichen Denkmale Parade zusammen machen. Ich konnte gar nicht begreifen was er damit wollte, und sagte es ihm; aber ich brachte kein Wort mehr aus ihm heraus; er wollte nicht zu Nacht essen und auf dem Sopha kehrte er mir den Rücken zu. Du kannst dir vorstellen, daß ich nichts unversucht ließ um ihn zu gewinnen und in eine bessere Stimmung zu setzen: aber, ohne sich im geringsten erweichen zu lassen, drohte er mir, wenn ich ihn nicht ungeplagt ließe, so gehe er mir, wiewohl es schon um Mitternacht war, auf der Stelle aus dem Hause.

Bacchis. Du kennest also doch wohl diesen Hermotimus?

Melissa. Möchtest du mich noch unglücklicher sehen als ich es schon bin, wenn ich einen Schiffsherrn kenne der Hermotimus heißt! Daß ichs kurz mache, sobald der Hahn krähte, stand mein Charinus auf, und gieng davon. Da mirs noch im Sinne lag, daß mein Nahme, wie er sagte, im Ceramikus an einer Mauer geschrieben stehen sollte, schickte ich sogleich mein Mädchen hin, um zu sehen was an der Sache sey. Sie fand aber nichts als daß an der Doppel-Pforte, rechter Hand im hineingehen, geschrieben war: Melissa liebt den Hermotimus und besser unten: Hermotimus, der Schiffsherr, liebt Melissen.

Bacchis. Nun versteh ich den ganzen Handel! Es ist ein loser Streich von einem unsrer jungen Herren, die nichts bessers zu thun haben. Ganz gewiß hat es einer geschrieben der den Charinus necken wollte, weil er wußte wie eifersüchtig er ist, und der Kindskopf hat es ohne weitere Untersuchung geglaubt. Sobald ich ihn sehe, will ich ihm ein Wort darüber ins Ohr sagen. Er ist noch unerfahren und milchbärtig.

Melissa. Aber wie willst du ihn zu sprechen bekommen, da er sich, wer weiß wohin? mit der Simmiche eingeschlossen hat, wiewohl ihn seine Ältern noch immer bey mir suchen. Das beste wäre, liebste Bacchis, wenn du mir so eine alte Frau, wie ich dir sagte, schaffen könntest. Die würde mir in einem Augenblick geholfen haben!

Bacchis. Ich kenne eine geschickte Zauberin, aus dem Syrerlande, ein noch ziemlich derbes rüstiges Weib, die mir den Phanias, der aus eben so schlechten Ursachen mit mir zürnte, wie jetzt Charinus mit dir, nach vier ganzen Monaten, da ich schon alle Hoffnung aufgab, durch ihre Beschwörungen wieder zurückgebracht hat.

Melissa. Erinnerst du dich noch wie sie es machte?

Bacchis. Sie fodert keinen großen Lohn, liebe Melissa; sie ist mit vier Groschen und einem Leib Brodt zufrieden: Ausserdem muß eine Portion Salz, sieben Obolen, etwas Weyhrauch und eine Fackel hingelegt werden. Das alles nimmt die Frau zu ihren Handen, und es muß auch ein Becher mit Honigwein bereit stehen, den sie rein austrinken muß. Von der Mannsperson müssen einige Kleidungsstücke, oder Schuhe, oder wenigstens einige Haare oder so etwas bey der Hand seyn.

Melissa. Ich habe Pantoffeln von ihm.

Bacchis. Diese hängt sie an einen Nagel, beräuchert sie mit dem Weyhrauch, wirft auch etwas Salz in die Gluth, und spricht euern Nahmen, den deinigen und den seinigen, dazu aus. Hernach zieht sie eine Garnwinde aus dem Busen hervor, und dreht sie herum, indem sie mit entsetzlicher Geschwindigkeit allerley fürchterliche Worte in einer unbekannten Sprache herausmurmelt. Nicht lange, nachdem sie das gemacht hatte, kam Phanias wieder zu mir, ungeachtet seine Cameraden und Phöbis, mit der er inzwischen lebte, alles anwandten um ihn zurückzuhalten; so unwiderstehlich zog ihn der Zauberspruch zu mir. Daneben empfahl sie mir auch, besonders als ein treffliches Mittel ihm die Phöbis zu verleiden, ich sollte auf ihre Fußstapfen acht geben, und so wie Phöbis den Fuß zurückgezogen hätte, sollte ich den Stapfen mit dem meinigen auslöschen, so daß mein rechter Fuß auf den Stapfen ihres linken, und umgekehrt mein linker auf ihren rechten zu stehen käme, und dazu sagen:

Nun bin ich über dir,
und du bist unter mir!

Und ich that wie sie mir befohlen hatte.

Melissa. Keinen Augenblick versäumt, liebste Bacchis! Hole mir die Syrerin auf der Stelle! Und du, Acis, schaffe gleich das Brodt, den Weyhrauch, und alles andere herbey, was zu dem Zauberwerke nöthig ist!Das hätten unsre schönen Leserinnen wohl nicht gedacht, daß sie aus dem alten Lukian auch ein bißchen hexen lernen würden? Immer auch nicht übel! Man weiß nicht, wenn Zeit und Gelegenheit kommt, wo man so etwas brauchen kann, und inzwischen trägt man nicht schwer daran. Übrigens, da ich ihnen zu viel Gutherzigkeit zutraue, als daß es ihnen gleichgültig seyn sollte, ob die schöne Melissa ihren so unschuldiger Weise verlohrnen Liebhaber wieder bekommen habe oder nicht, können Sie versichert seyn, daß das Zaubermittel der Syrerin, unter den angegebenen Umständen, und vermittelst der paar Worte, die ihm (da er doch nicht immer unsichtbar bleiben kann) die Syrerin oder die dienstfertige Bacchis ins Ohr sagen wird, unfehlbar die beste Wirkung gethan hat. – Was die Zauberformel betrifft, die in einer unbekannten Sprache hergemurmelt werden muß, damit hat es keine Schwierigkeit, wenn die Worte nur unverständlich sind und ein wenig fürchterlich klingen; allenfalls thut es das Bettellied des Kalenders in den Pilgrimmen von Mecca so gut als etwas anders.


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