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Cyniskus. Ich meines Orts, Jupiter, werde dir nicht mit Bitten um großes Vermögen, um einen Haufen Gold oder um ein Diadem beschwerlich fallen, Dinge, die zwar in den Augen der Meisten die begehrenswürdigsten, die aber wohl nicht so leicht wegzuschenken sind, als sie sich einbilden: denn, wie ich sehe, thust du gemeiniglich bey solchen Gebeten als ob du sie nicht gehört hättest. Nur um ein einziges möchte ich dich gerne bitten, das du mir leicht bewilligen könntest.
Jupiter. Und was wäre denn das, Cyniskus? Du sollst keine Fehlbitte thun, zumal wenn du so bescheiden, wie du sagst, in deinen Wünschen bist.
Cyniskus. Antworte mir nur auf eine einzige gar nicht schwere Frage.
Jupiter. Das ist in der That eine kleine Bitte, die ich dir leicht gewähren kann. Frage also was du willst.
Cyniskus. Es ist weiter nichts als dieß: du hast vermuthlich auch die Gedichte des Homer und Hesiodus gelesen: sage mir denn, ist es wahr was diese Dichter von der Schicksalsgöttin und von den Parzen gesungen haben,Die Stellen dieser Dichter, auf welche Cyniskus zielt, sind der 127 und 28ste im XXsten Buche der Ilias, und der 218 und 19te in der Theogonie. – daß wir nehmlich demjenigen, was sie einem jeden von seiner Geburt an spinnen, auf keine Weise entgehen können.
Jupiter. Sehr wahr! Es begegnet nichts was die Parzen nicht angeordnet hätten; alles was in der Welt geschieht windet sich nach und nach von ihrer Spindel ab, und hat gleich beym Anfang seinen bestimmten Ausgang, ohne daß das geringste daran geändert werden kann.
Cyniskus. Wenn also Homer an einem andern Orte sagt,Im 336sten Verse des eben angezogenen Buchs der Ilias.
Daß du nicht, ehe die Parze den Lebensfaden dir kürzte, Pluto's Wohnung beträtest, – |
und dergleichen mehr, so müssen wir glauben, er habe nicht gewußt was er sage?
Jupiter. Nicht anders, denn es kann nichts gegen das Gesetz der Parzen geschehen, und niemand geht weder früher noch später aus dem Leben als es sein Faden mit sich bringt. Alles was die Dichter aus Begeisterung der Musen singen, ist wahr: aber sobald sie von diesen Göttinnen wieder verlassen werden, sind sie dem Irrthum unterworfen, und sagen oft das Gegentheil dessen was sie in ihrem begeisterten Zustande gesungen hatten. Auch ist es ihnen zu verzeyhen, wenn sie als bloße Menschen des Wahren unkundig sind, sobald die Gottheit von ihnen gewichen ist, die aus ihrem Munde sprach.Man sieht, daß Jupiter seinem Dichter gern aus der Schlinge helfen möchte, ohne sichs anfechten zu lassen daß er eben dadurch den Zuhörern oder Lesern desselben eine unvermeidliche Falle stellt. Denn wie können diese sich gewiß machen, welche von den beyden einander widersprechenden Stellen die inspirirte ist? Zumal da Homer beyde einem Gotte, die erste der Juno, die andere dem Neptunus, in den Mund legt.
Cyniskus. Das wollen wir also für ausgemacht annehmen. Nun erlaube mir noch zu fragen, sind nicht drey Parzen, Klotho, Lachesis, und, wenn ich nicht irre, Atropos?
Jupiter. Allerdings.Jupiter spricht nach der gemeinen Meinung, welche überhaupt allem was hier und an andern Stellen unsers Autors von den Parzen, oder Moiren (wie sie gewöhnlich bey den Griechen hießen) gesagt wird, zum Grunde liegt; und ich lasse es hier um so mehr dabey bewenden, da dieses Capitel der griechischen Theologie eben so verworren, dunkel, übel zusammenhängend und der Willkühr der Dichter und Allegoriendrechsler überlassen war als alles übrige.
Cyniskus. Aber die Heimarmene,Lukian nennet das was wir Schicksal heissen ειμαρμένη, dieses Wort scheint mit πεπρωμένη einerley Bedeutung zu haben und wird von einigen als ein Synonym der Moira gebraucht, von andern aber von ihr, und selbst von der Pepromene unterschieden, so daß die Frage des Cyniskus der nicht recht weiß was er aus allen diesen Nahmen machen soll, ganz natürlich ist. Da aber Jupiter nicht mehr von der Sache weiß als andere Leute, so hilft er sich mit der in solchen Fällen gewöhnlichen Ausrede: es sey nicht erlaubt in diesen Dingen klar zu sehen. und die Glücksgöttin, deren Nahmen man so oft zu hören bekommt, wer sind denn diese und was für eine Gewalt haben sie? Ist sie der Macht der Parzen gleich, oder geht sie noch über dieselbe? Denn ich höre von jedermann sagen, es sey nichts mächtigeres als das Schicksal und das Glück.
Jupiter. Du verlangst mehr zu wissen als erlaubt ist, Cyniskus. Aber zu was Ende legtest du mir die Frage wegen der Parzen vor?
Cyniskus. Sehr gerne, wenn du mir zuvor sagen willst ob sie auch über euch herrschen, und ob ihr Götter eben so wohl wie wir Menschen an ihrem Faden hangen müsset?
Jupiter. Das müssen wir, mein lieber Cyniskus.Auch hier antwortet Jupiter der Homerischen und vulgaren Theologie gemäß, welche die Götter vom Schicksal oder der Nothwendigkeit und also auch von den Parzen, die das Gesetz der Nothwendigkeit zur Vollziehung bringen, abhängig macht. – Wie indessen nichts festes und bestimmtes in der griechischen Theologie war, so hinderte der gemeine Glaube nicht, daß Manche, denen die Folgen desselben anstößig waren, anders glaubten. Pausanias, da er von der Bildsäule des Jupiter Olympius zu Megarä spricht, giebt daher als den Grund, warum die Horen und Moiren über dem Haupte dieses Gottes schwebend vorgestellt seyen, an: es sey etwas allgemein bekanntes, daß die Pepromene (das Schicksal) dem Jupiter allein unterthan sey, und daß die Horen von ihm regiert und in der gehörigen Ordnung erhalten würden. Aber Lukians Jupiter hatte, wie schwach er ist, doch wenigstens so viel Verstand, zu wissen, daß eine seiner Willkühr unterworfene Nothwendigkeit keine Nothwendigkeit wäre: und ist daher so bescheiden, sich weder der zu Megarä über seinem Haupte schwebenden Parzen, noch der Statüen und Altäre, die er nach dem Zeugniß des besagten Pausanias, hier und da unter dem Nahmen Moiragetes (der Parzenführer) hatte, zu überheben, sondern vielmehr gutwillig einzugestehen, daß er nicht nur an den Gesetzen des Schicksals nichts ändern könne sondern ihnen sogar für seine eigene Person unterworfen sey. Lukian konnte Jupitern dieses Geständniß mit desto größerm Rechte thun lassen, da der Delphische Apollo selbst, als ihm Krösus, nach dem unglücklichen Ausgang seines Krieges mit dem Cyrus, wegen der aufmunternden Orakel, die er von ihm erhalten hatte, sehr bittere Vorwürfe machen ließ, sich damit entschuldigte: auch einem Gotte sey es unmöglich dem Schicksal (τὴν πεπρωμένην μοι̃ραν) zu entfliehen. Herodot. I. B. Cap. 91. – Nun, was lachst du!
Cyniskus. Über die Stelle im Homer, wo er dich eine Rede an die versammelten Götter halten läßt, und wo du ihnen drohest, daß du die ganze Welt an ich weiß nicht welcher goldnen Kette hinaufziehen wollest. Du wolltest diese Kette vom Himmel herunterlassen, sagtest du, und wenn sich alle Götter statt des Gewichtes daran hängen und dich herabzuziehen versuchen wollten, würden sie nichts ausrichten: du hingegen, wenn du wolltest, würdest ohne Mühe
Sammt der Erd' und dem Meere Sie alle zusammen hinaufziehn.
Ehmals kam mich ein Schauder bey diesen Versen an, und bey dem Bilde, so sie mir von deiner Macht und Größe gaben: und nun sehe ich dich selber, zusammt deiner Kette und deinen Drohungen, an einem dünnen Faden, wie du selbst gestehest, aufgehangen. Mich däucht also, Klotho könnte sich mit besserm Rechte groß damit machen, daß sie Dich an ihrer Spindel, wie ein Fischer die kleinen Fische an der Angelruthe, schweben lasse.
Jupiter. Ich weiß nicht was du mit diesen verfänglichen Fragen sagen willst?
Cyniskus. Dieß, Jupiter, will ich damit sagen – Aber ich bitte und beschwöre dich bey den Parzen und bey der Heimarmene, die Wahrheit die ich dir sagen will gelassen und ohne Zorn anzuhören! – Wenn sich das Alles so verhält, wenn Alles den Parzen unterworfen ist, und nichts was sie einmal beliebt haben geändert werden kann? wofür bringen wir euch Hekatomben und bitten euch daß ihr uns Gutes thun wollet? Denn ich sehe nicht was uns die Beobachtung dieser Ceremonien nützen sollte, da wir durch unsre Gebete weder die Abwendung irgend eines Übels bewürken, noch irgend etwas Gutes aus euern Händen erlangen können.
Jupiter. Ich weiß recht gut wo du diese saubern Spitzfündigkeiten her hast; von den verdammten Sophisten, die so unverschämt und gottloß sind unsre Vorsehung zu läugnen, und durch dergleichen Verfänglichkeiten andere wackere Leute vom Opfern und Beten, als vergeblichen Dingen abzuhalten, indem sie behaupten wir bekümmerten uns um nichts was bey euch vorgehe, und hätten auch nicht die mindeste Gewalt über die Dinge auf Erden. Aber sie sollen schlechte Freude davon haben, die Leute die solche gottlose Reden führen!