Lukian von Samosata
Lügengeschichten und Dialoge
Lukian von Samosata

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IX.

Dorkas, Pannychis, Philostratus und Polemon.

Dorkas. Wir sind verloren, Frau, wird sind verloren! Polemon ist aus dem Kriege wiedergekommen, und bringt großes Geld mit sich, wie es heißt; ich selbst hab ihn gesehen; er trug ein mit Purpur besetztes und mit einer prächtigen Agraffe zusammengeschnalltes Kriegskleid, und hatte eine Menge Bediente hinter sich her. Während nun seine Freunde, sobald sie ihn erblickten, herbey eilten und ihn begrüßten, machte ich mich an einen von seinen Nachtretern, der mit ihm ausser Landes gewesen war, grüßte ihn bey seinem Nahmen, und fragte, wie es ihnen ergangen sey, und ob sie auch etwas, das sich der Mühe seinen Hals zu wagen verlohne, aus dem Kriege mitgebracht hätten?

Pannychis. Du hättest nicht gleich so herausplatzen sollen. – O! allen Göttern und vor allen dem Jupiter Xenius und der Minerva StrateiaDiese Minerva Strateia scheint von der eignen Erfindung der Pannychis zu seyn; wenigstens findet sie sich sonst nirgends mit diesem soldatischen Beynahmen. sey Dank, daß sie euch wieder glücklich zu uns zurückgebracht haben! Meine Frau war immer in großer Unruhe euertwegen; wie mag es ihnen jetzt gehen? fragte sie alle Augenblicke, wo mögen sie seyn? – So was solltest du gesagt haben, und hättest du noch hinzugesetzt: die arme Frau weinte soviel um euch! hatte immer den Nahmen ihres Polemon im Munde! – so wär' es noch desto besser gewesen.

Dorkas. Das hab' ich alles vorangeschickt; ich wollte es nur bey dir nicht wiederholen, um desto geschwinder auf das zu kommen, was er mir sagte. Eigentlich fieng ich so an: Nun, Parmeno, haben euch die Ohren nicht recht oft geklungen? Meine Gebieterin konnte an nichts anders denken als an euch; sie hat was ehrliches um euch geweint, sonderlich wenn jemand aus einem Treffen zurückkam, wo viele Menschen geblieben seyn sollten. Wie raufte sie sich nicht die Haare aus dem Kopf! wie zerschlug sie nicht ihren Busen, so oft eine Botschaft ankam, ohne ihr von ihrem lieben Polemon Nachricht zu bringen!

Pannychis. Bravo! So war's recht!

Dorkas. Und erst, nachdem ich das alles gesagt hatte, that ich die besagte Frage an ihn. Wir kommen in sehr glänzenden Umständen zurück, war seine Antwort.

Pannychis. Also auch ohne Eingang? ohne etwas davon zu erwähnen, wie fleißig Polemon an mich gedacht, wie er sich nach mir gesehnt, und wie viele Gelübde er gethan habe, mich gesund wieder zu sehen?

Dorkas. O gewiß sagte er viel dergleichen, das versteht sich. Aber die Hauptsache war doch immer was er mir von dem großen Reichthum, dem vielen Golde und Elfenbein, und den kostbaren Kleidern, und der Menge von Sclaven, so sie mitgebracht hätten, erzählte; das Silber betreffend, dessen habe er so viel daß es nicht gezählt, sondern mit dem Scheffel gemessen werde, und es mache deren eine große Zahl aus. Parmeno selbst hatte am kleinen Finger einen sehr großen vieleckigten Ring mit einem Rubin von der Sorte die in dreyerley Farben spielt. Der Mensch hatte eine so große Lust mir von ihren Thaten zu erzählen, daß ich ihm eine gute Weile zuhören mußte, wie sie, nach ihrem Übergang über den Halys, einen gewissen Teridates ins Gras gestreckt, und wie tapfer Polemon sich in einem Treffen gegen die Pisidier gehalten: aber endlich macht' ich mich doch von ihm loß, und lief was ich konnte, um dir von dem allen Nachricht zu bringen, damit du deine Maaßregeln darnach nehmen könntest. Denn wenn Polemon käme (und er kommt ganz gewiß sobald er sich von seinen Freunden loßreissen kann) und er fände den Philostratus, von dem er vielleicht schon was erfahren hat, bey uns: was meynst du wohl was er dazu sagen würde?

Pannychis. Hilf mir auf ein Mittel denken, Dorkas, uns aus dieser Verlegenheit zu retten! denn daß wir diesen fortschicken sollten, der ein reicher Kaufmann ist, und mir kaum tausend Thaler ausgezahlt hat, und noch viel mehr verspricht, das wäre nicht schön; hingegen wär es eben so wenig nützlich, den wiedergekommenen Polemon nicht anzunehmen; zumal da er sehr eifersüchtig ist. Er war es schon auf eine ganz unerträgliche Art da er noch arm war: was würde er sich nicht erst in seinen jetzigen Umständen erlauben?

Dorkas. Alles Überlegen hat ein Ende; ich seh ihn schon kommen!

Pannychis. Ach Dorkas, die Sinne vergehen mir vor Angst, ich zittre an allen Gliedern.

Dorkas. Zu allem Unglück kommt auch Philostratus.

Pannychis. Was soll ich anfangen? O daß die Erde sich unter mir aufthäte!

Philostratus. Nun, Pannychis, wir trinken doch eins mit einander?

Pannychis heimlich zu Philostratus. Du stürzest mich ins Verderben! laut zu Polemon. Sey mir gegrüßt, Polemon! Du hast uns lange auf dich warten lassen.

Polemon. Aber wer ist denn der da, der hier so bekannt thut? – Du schweigst? – Vortrefflich! – Aus meinen Augen, Pannychis! – Und um eines solchen Weibsstücks willen fliege ich in fünf Tagen von Pylä hieher! Aber mir geschieht recht, und ich danke dir noch dafür; nun bin ich doch sicher daß du mich nicht plündern sollst!

Philostratus. Und wer bist denn du, mein schöner Herr?

Polemon. So wisse denn, weil du es nicht weißt, ich bin Polemon von Stiria aus dem Pandionischen Stamme, ehmals Oberster über tausend, dermalen über ein Corps von fünftausend Mann, und der Liebhaber dieser Pannychis, wie ich noch eine bessere Meynung von ihrem Verstande hatte.

Philostratus. Aber so wie sie jetzt ist, Herr Oberster, ist sie mein, und hat tausend Thaler dafür von mir empfangen, und soll noch tausend bekommen, wenn ich meine Schiffsladung abgesetzt haben werde. Für jetzt folge du mir, Pannychis, und schicke diesen Herren zu den Odrysiern, wo er so viele Tausende commandieren mag als er Lust hat.

Dorkas. Meine Gebieterin ist eine freye Person, sie wird folgen wenn es ihr beliebt.

Pannychis leise zu Dorkas. Rathe mir, was soll ich thun?

Dorkas. Das Beste wird immer seyn hinein zu gehen. Es schickt sich nicht, daß du dem Polemon, so aufgebracht als er ist, länger vor den Augen bleibest; seine Eifersucht würde dadurch nur immer höher gespannt werden.

Pannychis zu Philostratus. Wenn du willst, so gehen wir hinein.

Polemon. Ihr sollt heute euer letztes trinken, das versichre ich euch, oder ich müßte mich vergebens bey so vielen Mordgelegenheiten in der Kunst geübt haben. He, Parmeno? die Thrazier!

Parmeno. Sie sind schon alle unterm Gewehr; sie haben in einem Phalanx das ganze Gäßchen besetzt. Die schwere Infanterie macht die Fronte, die Schleuderer und Bogenschützen sind auf beyden Flügeln vertheilt, und die übrigen stehn im Hintertreffen.

Philostratus zu Polemon. Solches Zeug muß er Kindern vorsagen, Herr Kriegsknecht. Meynt er etwa daß er den Popanz mit uns spielen könne? Du Großpraler! Du hättest in deinem ganzen Leben nur einen Gockelhahn todt gemacht? Du hättest dem Krieg ins Gesicht gesehen, du? Höchstens bist du auf irgend einer alten Burg mit sieben Mann in Garnison gelegen, und vermuthlich erweis' ich dir schon zuviel Ehre, da ich dir so viel einräume.

Polemon. Das wirst du bald erfahren, wenn du uns mit vorgestreckten Speeren in blinkender Rüstung anrücken sehen wirst.

Philostratus. Kommt nur alle in Schlachtordnung herbey; ich und dieser Tibys hier, der einzige Bediente den ich bey mir habe, wollen euch mit Steinen und zerbrochnen Töpfen dermaßen auseinander stöbern, daß ihr nicht wissen sollt, wohin ihr euch verkriechen wollet.


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