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[Fortsetzung Kapitel 10.
Ulane und Zouave]


Fortsetzung 91

Als Herr Hieronymus Aurelius Schneffke am Gartenzaune des Apothekers zu Thionville sein Rencontre mit Emma von Königsau und dem Amerikaner gehabt hatte, begab er sich in die Stadt, um in einem der dortigen Gasthöfe Logis zu nehmen. Er traf zufälliger Weise gerade denjenigen, welchen Fritz, der Diener des Doctor Müller, zu besuchen pflegte, weil das Local seiner Wohnung gegenüber lag. Es war derselbe Gasthof, in welchem, als damals die Seiltänzerin verunglückte, die Künstler gewohnt hatten. Von dort aus war auch der Bajazzo mit der Kasse entflohen.

Als Schneffke eintrat, befand sich ein einziger Gast in dem Zimmer, und dieser Eine war kein Anderer als eben – Fritz. Er grüßte diesen und ließ sich ein Glas Wein geben. Nachdem er dasselbe erhalten hatte, entfernte sich die Kellnerin, und nun befanden sich die Beiden allein. Der dicke Maler war ein abgesagter Feind der Langeweile, und daher machte er dem bisherigen Stillschweigen ein Ende, indem er die Unterhaltung begann:

»Haben wir uns nicht bereits einmal gesehen?«

Fritz hatte ihn längst forschend betrachtet. Er nickte mit dem Kopfe und antwortete:

»Bereits mehrere Mal, denke ich.«

»Mir scheint es auch so, aber ich weiß den Ort nicht mehr.«

»Zunächst wohl hier.«

»Hier in Thionville?«

»Ja.«

»Wo denn da?«

»Auf dem Bahnhofe.«

»Ah! Kann mich nicht entsinnen!«

»Aber ich desto besser. Ich stand im Bahnwagen und Sie versäumten den Zug. Nicht?«

»Ja, das ist wahr. Ich habe das angeborene Pech, die Züge zu versäumen. Es ist das nicht zu ändern.«

»Man muß sich in solches Unglück ergeben!« lachte Fritz. »Und dann habe ich Sie auch wieder gesehen.«

»Wo?«

»In Etain.«

»Sapperment! Wann denn?«

»Es war des Abends. Sie hatten sich mit einem rothen Tischtuche umwickelt. Daß Sie dabei barfuß waren, will ich nicht beschwören.«

»So, so! Hm! Ja, ich kann barfuß gewesen sein. Es schwitzte mich an die Füße. Was sind Sie für ein Landsmann?«

»Ich stamme von drüben aus der Schweiz herüber.«

»Ihr Metier?«

»Pflanzensammler.«

»Also Botanikus? Das ist kein übles Gewerbe. Man hat es da mit Pflanzen und Blumen zu thun, und das ist viel besser als mit Thieren oder gar Menschen.«

»Sie sind Menschenfeind?«

»Ja. Die ganze Menschheit ist nichts als ein riesiger Pudding, der sauer geworden und verdorben ist und in welchem allerlei Gewürm und Geschmeiß herumkrabbelt.«

»Danke!«

»Warum?«

»Weil ich nach Ihrer Anschauung dann auch zu dem Gewürm und Geschmeiß gehöre.«

»Natürlich!«

»Sie wohl nicht?«

»Ich auch. Das versteht sich doch von selbst.«

»Dann gehören Sie aber wohl zu der dicksten Sorte von Würmern, wie es scheint.«

»Gewiß! Oder finden Sie mich vielleicht einem Bandwurm ähnlich?«

»Ganz und gar nicht. Aber Sie haben mich nach meinen Verhältnissen gefragt. Darf ich auch wissen, was Sie sind?«

»Warum nicht? Ich bin Musikus.«

»Hm! Was spielen Sie für ein Instrument?«

»Die Maultrommel oder das Brummeisen.«

»Das ist jedenfalls das schwierigste und geistreichste Instrument!«

»Das ist gar nicht zu bezweifeln.«

»Und wo sind Sie her?«

»Ich bin ein geborner Ungar.«

»Ein Ungar? Hm! Sie haben aber in Deutschland gelebt?«

»Nein. Keinen Augenblick.«

»Das sollte mich wundern.«

»Warum?«

»Ich glaube, Sie in Deutschland gesehen zu haben.«

»Sie irren sich. Ich kann dieses Deutschland mit sammt seinen Bewohnern nicht leiden.«

»Möglich! Aber Einen kenne ich doch, den Sie leiden können.«

»Wer sollte das sein?«

»Ein gewisser Martin Tannert. Er ist Telegraphist.«

»Alle Wetter! Kennen Sie den?«

»Ja. Sie kennen ihn auch.«

»Wer sagt das?«

»Er selbst. Uebrigens habe ich Sie oft gesehen. Ich bin Ihnen in Berlin wiederholt begegnet. Sind Sie nicht der berühmte dicke Maler, der einmal beinahe in der Spree ertrunken ist, weil er gewettet hatte, den Schornstein eines Dampfschiffes emporklettern zu wollen?«

»Pfui Teufel! Das Ding wissen Sie?«

»Ganz Berlin sprach doch damals davon!«

»Na, meinetwegen! Uebrigens habe ich damals diese verteufelte Wette gewonnen.«

»Sind aber dann ins Wasser gestürzt.«

»Daran war nur der Capitän schuld, der die Sache übel genommen hatte. Ich wollte mich retiriren, gab nicht Acht auf die Breite des Schiffes, stieß von rückwärts an die Barrière und stürzte kopfüber von hinten in das Wasser. Na, schwimmen kann ich; aber ich sah doch aus wie ein Pudding, als ich wieder auf das Trockene kam.«

»Das läßt sich denken. Nun aber geben Sie wohl zu, in Berlin gewohnt zu haben?«

»Sie zwingen mich dazu.«

»Und in Ungarn sind Sie nicht geboren?«

»Ich bezweifle es.«

»Und Musikus sind Sie auch nicht?«

»Fällt mir gar nicht ein! Wer so dick ist wie ich, der wird sich wohl hüten, das Bischen Luft, welches er zu schnappen bekommt, so unsinniger Weise in eine Messingdude zu blasen.«

»Und Ihr Deutschenhaß – –?«

»Ist auch nicht weit her.«

»Schön! Einverstanden! Ich nehme an, daß Sie ein sehr guter Deutscher sind?«

»Das will ich mir auch ausgebeten haben. Wer das Gegentheil behaupten wollte, dem würde ich Eine in's Gesicht malen, daß er einen Sperling für das Universum ansehen sollte!«

»Nun, warum unterhalten Sie sich dann französisch?«

»Na, sprechen Sie etwa deutsch?«

»Ein klein Wenig.«

»Nun, so lassen Sie uns sehen, wie weit Sie mit diesem klein Wenig reichen werden! Oder haben Sie etwa geflunkert, gerade so wie ich?«

»So wie Sie nicht. Ich bin wirklich Pflanzensammler.«

»Aber ein Deutscher?«

»Ja.«

»Hm! Wie heißen Sie denn eigentlich?«

»Schneeberg.«

»Donnerwetter! Ist Ihr Vorname Fritz?«

»Ja.«

»Da brate mir Einer einen Storch; aber besonders die Beine recht knusperig! Herr Fritz Schneeberg, ich kenne Dir!«

»Wirklich?«

»Ja. Darf ich mich hinüber zu Ihnen setzen?«

»Natürlich! Kommen Sie, Landsmann! Trinken wir zusammen!«

»Ja. Trinken wir zusammen, bis die Schwarte platzt!«

»Das wird wohl bei Ihnen eher geschehen, als bei mir.«

»Wieso?«

»Weil die Ihrige bereits über die Maßen angespannt ist.«

»Na, es geht noch. Es ist auszuhalten. So! Da klappen wir mit den Gläsern an. Ihre Gesundheit, Vetter!«

»Ihr Wohl! Aber – Vetter? Wieso?«

»Na, von unserer Urahne, der alten Eva, her! Ist's nicht so?«

»Das kann ich nun freilich nicht bestreiten,« antwortete Fritz, der an dem munteren Dicken Gefallen fand.

»Also! Alle Menschen sind Vettern, und alle Deutschen sind Brüder. Noch einmal prosit!«

»Prosit! Aber, sprechen Sie nicht so laut!«

»Freilich in diesem verdammten Franzosenlande hat man vorsichtig zu sein. Wissen Sie, daß diese Kerls damit umgehen, auf die Deutschen loszuschlagen?«

Fritz machte ein erstauntes Gesicht und antwortete:

»Was Sie sagen! Unmöglich!«

Der Dicke blinzelte mit den Augen und sagte:

»Sie kleiner Schäcker! Wollen Sie mich etwa dumm machen?«

»Ich Sie? Wie so?«

»Was ich Ihnen sagen will, wissen Sie besser, als ich.«

»Besser? Wieso?«

»Na, soll ich es Ihnen etwa an den Fingern herzählen?«

»Ich begreife Sie nicht.«

»Gut, ich will mich nicht in Ihre Geheimnisse einschmuggeln. Aber ich will aufrichtiger sein, als Sie und Ihnen eine Mittheilung machen, welche – –«

Er blickte sich vorsichtig um.

»Was suchen Sie?« fragte Fritz.

»Sind wir hier sicher?«

»Ja.«

»Ist Jemand dort in dem Nebenzimmer?«

»Nein. Ich habe bereits nachgesehen.«

»Nachgesehen? Ah, da erwische ich Sie ja! Wer in die Stuben guckt, ob er sicher sei, der hat Veranlassung, vorsichtig zu sein. Na, gut! Wenn Sie sich einen Pflanzensammler nennen, so sind Sie jedenfalls hier in dieser Gegend bekannt?«

»So leidlich.«

»Kennen Sie Schloß Ortry?«

»Ja.«

»Auch den alten Kerl, der da wohnt?«

»Sie meinen den alten Capitän Richemonte?«

»Ja.«

»Den kenne ich.«

»Nun, der alte Knaster soll es faustdick hinter den Ohren haben, nämlich gegen die Deutschen.«

»Ich weiß, daß er die Deutschen haßt.«

»Der Mensch kauft sogar Pulver.«

Fritz, welcher das ebenso gut wußte, that doch erstaunt:

»Pulver?« fragte er. »Wozu?«

»Na, gegen die Deutschen.«

»Will denn er Krieg mit ihnen führen?«

»Hören Sie, alter Fritze, thun Sie doch nicht wie ein neugebornes Kind, welches gar nichts weiß!«

»Aber wie kommen Sie denn eigentlich zu der Ansicht, daß gerade ich Etwas wissen soll?«

»Ich bin überzeugt, daß Sie neben den Pflanzen noch etwas ganz Anderes sammeln.«

»Was denn?«

»Pah! Zanken wir uns nicht! Ich habe bereits gesagt, daß ich mich nicht in Ihre Geheimnisse drängen möchte.«

»Aber fragen darf ich doch, wo Sie gehört haben, daß ich noch etwas Anderes als Pflanzen sammle.«

»Auf Schloß Malineau und Umgegend.«

»Sie waren dort?«

»Ja. Aber davon später!«

»Nein, nicht später. Was wollten Sie dort?«

»Einen barbiren.«

»Witz!«

»Nein, Wirklichkeit! Ich wollte einen über die Ohren barbiren, nämlich einen gewissen Charles Berteu.«

»Sapperment!«

»Ja, da fahren Sie in die Luft vor Erstaunen!«

»Was haben Sie mit dem zu thun?«

»Vielerlei. Das ist meine Sache. Sie haben sich um meine Geheimnisse ebenso wenig zu bekümmern, wie ich mich um die Ihrigen. Aber, da fällt mir ein! Haben Sie einen Bruder?«

»Nein.«

»So! Ich dachte!«

»Warum?«

»Weil ich einen Herrn gesehen habe, der Ihnen so ähnlich sieht, wie ich mich selber.«

»Wo?«

»In Tharandt. Er fuhr mit mir nach Dresden und dann weiter nach Berlin, wo er sich noch befindet.«

»Wer ist es?«

»Ein Maler. Er heißt Haller.«

»Aus Stuttgart?«

»Sapperment! Sie kennen ihn?«

»Nein. Ich weiß nur, daß es in Stuttgart einen Maler giebt, welcher Haller heißt.«

»So! Die Aehnlichkeit ist wirklich ungeheuer. Aber Brüder können Sie freilich nicht sein, da Sie so verschiedene Namen haben.«

»Was war es denn, was Sie mir mitzutheilen hatten?«

»Ach so! Von wegen des Pulvers.«

»Welches der alte Capitän kauft?«

»Ja. Er bekommt eine neue Ladung.«

»Wann?«

»Heute, um Mitternacht.«

»Woher wissen Sie das?«

»Ich habe – hm, das gehört auch zu meinen Geheimnissen.«

»Aber warum sprechen Sie gerade zu mir davon?«

»Weil ich denke, daß Sie als Pflanzensammler sich auch für Pulver interessiren.«

»Sie sind ein eigenthümlicher Kerl!«

»Das sagt schon mein Name.«

»Wie heißen Sie denn?«

»Hieronymus Aurelius Schneffke.«

»Allerdings ein sehr poetischer Name.«

»Finden Sie das auch? Ja, meine Eltern scheinen sich in einer sehr lyrischen Stimmung befunden zu haben, als sie mir diesen Namen gaben. Doch, um wieder auf unser Pulver zu kommen, so möchte ich dabei sein.«

»Heute Abend, wenn es gebracht wird?«

»Ja.«

»Wozu?«

»Um die Geschichte zu vereiteln.«

»Herr Schneffke, keine Unvorsichtigkeit, die man beinahe Vorwitz nennen möchte!«

»Unsinn! Haben Sie keine Sorge um mich! Aber es geht gar nicht anders; ich muß diesen Kerls Etwas auswischen. Ich habe einen Pique auf diese beiden Menschen!«

»Wen meinen Sie?«

»Diesen Charles Berteu und seinen Freund Ribeau.«

»Bringen denn diese das Pulver?«

»Freilich.«

»Kennen Sie den Ort, wo sie abladen werden?«

»Ich habe ihn erlauscht, kenne ihn aber nicht. Giebt es hier in der Nähe Steinbrüche?«

»Einen einzigen.«

»Waren Sie bereits einmal dort?«

»Oefters.«

»Und Sie sind überzeugt, daß es keinen zweiten giebt?«

»Ja. Ist das so wichtig?«

»Das versteht sich.«

»Warum?«

»Weil das Pulver in diesem Steinbruche abgeladen werden soll.«

»Sapperment.«

»Nicht wahr, das frappirt Sie?«

»Natürlich. Des Nachts. Es soll also heimlich geschehen?«

»Wie es scheint. Aber ich werde ihnen diese Mocturtlesuppe versalzen.«

»In wiefern?«

»Ich belausche sie.«

»Wozu?«

»Und mache dann Anzeige.«

»Die würde gar nichts nützen.«

»Was? Nichts nützen? Heimliche Pulvertransporte sind doch überall, also auch in Frankreich, verboten.«

»Hier scheinen aber gegenwärtig andere Verhältnisse zu herrschen.«

»Mag sein.«

»Also mit einer Anzeige erreichen Sie nichts.«

»So mache ich es anders.«

»Wie denn?«

»Ich sprenge den ganzen Kram in die Luft!«

»Oho!«

»Ja, das bin ich im Stande.«

»Und dabei fliegen Sie selbst mit in die Luft.«

»Fällt mir gar nicht ein! Es wird hier doch wohl so Etwas wie Zündschnur zu kaufen sein.«

»Ich warne Sie vor allen Unvorsichtigkeiten!«

»Aber soll ich es denn ruhig geschehen lassen, daß man hier eine Menge Pulver aufhäuft, um später uns Deutsche damit niederzuschießen?«

»Das ist allerdings nicht nöthig; aber es lassen sich jedenfalls noch andere Mittel finden, als Anzeige und Zündschnur.«

»Wissen Sie etwa eins?«

»Im Augenblicke nicht. Ich werde nachdenken.«

»Ja, Sie denken nach, und bis Sie in sechs oder acht Wochen ein Mittel gefunden haben, ist es längst zu spät.«

»Acht Wochen brauche ich nicht. Man muß die Verhältnisse kennen; das heißt, man muß dabei sein; dann handelt man so, wie es dem Augenblicke angemessen ist.«

»Hm! Sie möchten hinaus nach dem Steinbruche?«

»Ja.«

»Aber doch nicht ohne mich?«

Fritz warf einen forschenden Blick auf den Dicken, schüttelte den Kopf und antwortete:

»Ich kenne Sie nicht.«

»Das heißt, Sie trauen mir nicht?«

»Nein, das nicht; aber ich weiß nicht, ob Sie der Mann sind, der bei so einer Gelegenheit zu gebrauchen ist.«

»Alle Wetter! Hören Sie, Fritze, Sie kommen mir da ein Wenig sonderbar vor. Wer hat es denn erlauscht, daß heut die Sendung stattfinden soll?«

»Nun, Sie.«

»Schön! Die ganze Geschichte ist also mein Geheimniß, mein Eigenthum. Und ich soll ausgeschlossen werden?«

»So habe ich das nicht gemeint.«

»Aber Sie halten mich für einen Dummkopf. Habe ich es erst erlauscht, so bin ich doch wohl auch der Mann dazu, heute weiter zu lauschen. Nicht Sie haben mich mitzunehmen, sondern ich bin der Mann, der zu entscheiden hat, ob auch Sie mitkommen dürfen. Verstanden, alter Schwede?«

»Was Sie da vorbringen, das klingt nicht ganz uneben, mein Lieber; aber ich muß Ihnen sagen – – –

»Nichts müssen Sie sagen!« fiel ihm der Dicke schnell in die Rede. »Ich bringe überhaupt niemals etwas Unebenes vor. Ich gehe heute Abend nach dem Steinbruche. Will ich Sie mitnehmen, so ist das eine Gefälligkeit, die ich Ihnen erweise! Punktum!« 

»Sapperment, gehen Sie los!«

»Na, gehen Sie mit los?«

»Heut Abend?«

»Ja.«

»Gut; ich gehe mit.

»Wo wohnen Sie?«

»Hier gegenüber.«

»Schön! Wo treffen wir uns da?«

»Hier. Das wird am Besten sein. Wo logiren Sie?«

»Auch hier.«

»So paßt es ja. Also ich werde nach neun Uhr kommen, um Sie abzuholen.«

»Einverstanden. Aber es braucht Niemand zu bemerken, daß wir Etwas mit einander vorhaben.«

»Das versteht sich ganz von selbst. Wenn ich hier eintrete, gehen Sie voran. Ich trinke nur ein einziges Glas Wein und komme dann nach.«

»Wenn ich vorangehen soll, muß ich doch den Weg kennen.«

»Das ist richtig. Sie wenden sich draußen von der Thür an rechts und biegen in die erste Gasse. Diese führt hinaus in's Freie. Man sieht von Weitem eine Gruppe hoher Erlen. An ihnen geht ein schmaler Weg vorüber, welcher grad nach dem Steinbruche führt.«

»Schön! Das genügt.«

»Die Sache ist vielleicht mit einiger Gefahr verbunden. Sind Sie im Besitz von Waffen?«

»Ich habe einen Revolver. Soll ich mir vielleicht noch ein Vierteldutzend Kanonen kaufen?«

»Ist nicht nöthig. Ich bringe auch einen Revolver mit. Das wird genügen. Es ist ja doch nur für den Fall, daß wir bemerkt werden.«

»Na, todtschlagen würde man uns doch nicht!«

»Nehmen Sie die Sache nicht so leicht. Diese Franzosen lassen sich nicht ungestraft in die Karte blicken, und der alte Capitän ist ganz der Mann darnach, Einem das Lebenslicht auszublasen, ohne viele Umstände zu machen.«

»So wird man sich darnach verhalten. Ich blase auch!«

»Sie behaupteten vorhin das Gegentheil.«

»Ja, Messing blase ich nicht, aber Lebenslichter, die puste ich aus. Das liegt so in meinem Exercitium.«

»Waren Sie vielleicht Soldat, Herr Schneffke?«

Fritz musterte dabei die Gestalt des Dicken mit einem Blicke, der errathen ließ, daß er ganz bestimmt ein Nein erwartete.

»Natürlich,« antwortete der Maler.

»Was? Wirklich? Unmöglich!«

»Warum, he?«

»Bei diesem Körperumfange!«

»Pah, ich stehe bei der dicken Artillerie!«

»Sie spaßen.«

»Fällt mir nicht ein! Ich war nicht nur Soldat, sondern ich bin es sogar noch.«

»Bei welcher Truppe stehen Sie?«

»Bei der dicken Artillerie. Das habe ich Ihnen bereits gesagt, und das haben Sie sehr einfach zu glauben! Und nun noch etwas Anderes: Sie standen im Wagen, als ich hier den Zug versäumte. Mit wem sind Sie gefahren?«

»Ich fuhr in Gesellschaft zweier Damen.«

»Dachte es mir! Madelon und Nanon?«

»Ja.«

»Haben sie von mir gesprochen?«

»Sehr viel sogar!«

»Das glaube ich. Diese Eine, nämlich die Nanon kannte ich nicht; aber mit Madelon bin ich von Berlin bis nach Thionville gefahren. Ich hoffe, daß Sie zu der Erkenntniß gekommen ist, daß es keinen bessern und aufmerksameren Reisebegleiter geben kann, als Herrn Hieronymus Aurelius Schneffke.«

»Ja, davon ist sie überzeugt!«

»Nicht wahr?«

»Gewiß, denn Keiner hat so oft den Zug versäumt, und Keiner ist so oft auf die Nase gefallen, wie dieser Herr Schneffke.«

»Donnerwetter! Sieht meine Nase etwa so aus, als ob ich so oft auf sie gefallen wäre?«

»Nein. Sie ist durch die dicken Backen geschützt worden! Aber, Scherz bei Seite! Was haben Sie denn eigentlich in Schloß Malineau gewollt?«

»Davon vielleicht später. Aber was haben denn Sie für ein Abenteuer dort erlebt?«

»Davon auch später!« lachte Fritz.

Der Dicke drohte mit dem Finger und sagte:

»Es wurde davon gesprochen. Hören Sie, die Sache kommt mir höchst verdächtig vor!«

»Wieso?«

»Sie sind von Mademoiselle Nanon eingeladen worden, sie und ihre Schwester zu begleiten?«

»Ja.«

»Also als Schutzgeist?«

»So ähnlich!«

»Nun, man weiß ja, von welchem Geiste eine junge Dame sich am Liebsten beschützen läßt. Hat Mademoiselle etwa ein Auge auf Sie geworfen?«

»Hm!«

Der brave Fritz war bei der Frage des Dicken wirklich roth geworden. Dieser bemerkte es und sagte:

»Nanon ein Auge auf Sie, und Sie wohl alle beide Augen auf die Mademoiselle?«

»Hätten Sie etwas dagegen, wenn es so wäre?«

»Ja.«

»Was denn?«

»Diese Traube hängt für Sie zu hoch, und wenn Sie klug sein wollen, so machen Sie es wie der Fuchs, welcher sagte: Sie ist mir zu sauer!«

»Sie sprechen in Räthseln!«

»Aber mit Ueberzeugung und nicht ohne Grund.«

Jetzt wurde Fritz aufmerksam. Er fragte schnell:

»Darf ich Sie ersuchen, sich deutlicher zu erklären?«

»Ja, ersuchen dürfen Sie mich; aber ich werde mich hüten, es zu thun. Ich will Sie nur warnen. Unglückliche Liebe soll ein gar bitteres Abendessen sein. Ist Ihnen das alte Lied bekannt:

Wenn sich zwei Herzen scheiden,
   Die sich dereinst geliebt,
Das ist ein großes Leiden
   Wie's größer keines giebt?«

»Ich habe es oft gesungen.«

»Schön! Singen Sie es, so oft Sie wollen; aber erleben Sie es nicht! Wie schlimm das ist, das habe ich sehr, sehr oft an mir erfahren, mein Lieber!«

»So sehr oft?«

»Ja, leider!«

»Und sind doch so dick dabei geworden.«

»Das liegt weniger an der unglücklichen Liebe als vielmehr an meiner glücklichen Constitution. Die Körbe, welche ich bekommen habe, haben mich gemästet. Ich bin eben keine so ätherische Natur.«

»Ich auch nicht.«

»Ich warne Sie dennoch.«

»Aber Sie müssen doch Gründe haben, anzunehmen, daß diese Traube für mich zu hoch hängt?«

»Die habe ich allerdings, und es sind sehr triftige.«

»Bitte, sie mir mitzutheilen!«

»Später vielleicht. Jetzt habe ich keine Zeit dazu.«

»Kennen Sie denn Fräulein Nanon?«

»Nein.«

»Oder Ihre Schwester?«

»Näher auch nicht.«

»Aber ihre Verhältnisse?«

»Nein.«

»Nun, es könnte doch nur einen einzigen Grund geben, und dieser müßte in diesen Verhältnissen liegen.«

»Das geht mich weiter nichts an. Vielleicht sprechen wir näher darüber, denn – –«

Er hielt inne und machte sofort in französischer Sprache eine gleichgiltige Bemerkung, denn der Wirth trat ein.

Er richtete an diesen die Frage, ob er hier ein Zimmer erhalten könne, worauf der Wirth bejahend antwortete und dann sich mit ihm in ein Gespräch einließ.

Fritz sah ein, daß es jetzt unmöglich sei, die Unterhaltung, welche zuletzt so interessant für ihn geworden war, weiter fortzusetzen und entfernte sich.

Der Maler erhielt sein Zimmer angewiesen, welches er aufsuchte, um seine Toilette ein Wenig zu restauriren. Dann unternahm er einen Ausflug hinaus vor die Stadt. Es lag ihm daran, den Steinbruch noch bei Tage aufzusuchen, um heute Abend mit dem Terrain nicht ganz unvertraut zu sein.

Als er die Häuser hinter sich hatte, erblickte er die ihm von dem Kräutermanne bezeichnete Baumgruppe und fand auch den schmalen Fußweg, welcher an ihr vorüber nach dem Bruche führte. Dort angekommen, durchwanderte er denselben in allen Winkeln und setzte dann, da das Wetter einladend war, seinen Spaziergang noch weiter fort.

Er kam in den Wald und drang, ohne sich an die Wege zu halten, in denselben ein. In Gedanken versunken, schritt er weiter und immer weiter, bis er plötzlich überrascht stehen blieb, denn gar nicht weit von sich hörte er eine allerliebste weibliche Stimme singen:

»Zieht im Herbst die Lerche fort,
   Singt sie leis Ade.
Sag mir noch ein liebend Wort,
   Eh' ich von Dir geh!
Sieh die Thräne, wie sie quillt;
   Höre, was sie spricht!
Lieder hat die Lerche wohl,
   Thränen hat sie nicht!«

»Nein, Thränen hat die Lerche nicht,« murmelte Schneffke leise vor sich hin. »Sie hat auch gar keine Veranlassung dazu. Es kommt kein Exekutor, um sie auszupfänden; sie spielt auch nicht in der Lotterie, wobei sie über die Nieten weinen könnte, und der Schneider kann ihr auch nicht die Hosen so verderben, daß sie vor Grimm darüber in eine Thränenfluth ausbrechen möchte. Die Lerche ist viel glücklicher, als Hieronymus Aurelius Schneffke, denn – Sapperment, wer antwortet da?«

Von der anderen Seite her sang nämlich jetzt eine kräftige männliche Stimme:

»Bei des Frühlings Wiederkehr
   Kommt die Lerch' zurück,
Und Erinnerung bringt sie her
   Vom vergangnen Glück.
Brächte sie von Dir ein Wort,
   Mir so hold, so licht!
Lieder hat die Lerche wohl,
   Grüße hat sie nicht!«

»Hm, hm!« brummte Schneffke. »Das Ding ist höchst interessant! Da rechts singt sie, und da links liedelt er. Beide singen deutsch, hier in Frankreich. Ich glaube, dieser Er und diese Sie geben sich hier ein Stelldichein und melden sich durch diese verblümte Lerche einander an. Wollen doch einmal sehen, wo sie zusammentreffen! Ich bin neugierig, ob sie da auch nur von der Lerche singen oder ob sie den Mund zu etwas Besserem brauchen. Ah, da knackt und knistert es!«

Er hörte, daß Jemand in der Nahe vorüber ging und folgte leise nach. Man hätte es seiner dicken Person gar nicht angesehen, mit welcher Gewandtheit er sich so unhörbar weiter schlich. Da hörte er die weibliche Stimme:

»Ah, Monsieur Schneeberg! Guten Tag!«

»Guten Tag, Mademoiselle!« antwortete die männliche Stimme. »Wie wunderbar, daß wir uns hier treffen.«

»Wunderbar?« dachte Schneffke. »Und dabei brüllen sie von ihrer Lerche, daß man es sechs Meilen weit hört!«

»Wollen Sie weiter, Mademoiselle?« hörte der Maler fragen.

»Nein. Ich suche nach Waldblumen.«

»Darf ich helfen?«

»Gern. Sie wissen ja, wo die besten stehen.«

»O, wo die beste und schönste jetzt steht, das weiß ich ganz genau, Mademoiselle.«

»Sapperment, ist der Mensch galant! Mit dieser etwas abgetragenen Redewendung will er ihr den Kopf umdrehen. Die Waldblume muß ich sehen!«

Er kroch weiter vorwärts und verstand die Worte:

»So lassen Sie uns suchen, aber nicht sofort; ich bin ermüdet und muß zuvor einige Minuten ruhen.«

»So nehmen Sie Platz! Hier!«

»Auf dem Sacke?«

»Ja, bitte.«

»Aber ich werde Ihnen Ihre Pflanzen verderben.«

»Nein. Es sind nur Wacholderspitzen, Huflattig und Otternzungen; denen thut es nichts.«

»Donnerwetter!« brummte der Maler. »Ein Stelldichein mit Wacholderspitzen, Huflattig und Otternzungen! Das ist wirklich eine Neuigkeit. Und einen Sack hat der Kerl mit? Obs etwa gar der Kräutermann ist? Werden sehen!«

Er schob sich durch das Buschwerk weiter und gewahrte nun eine kleine, tiefer liegende Lichtung. Am schräg ablaufenden Rande derselben saß Fritz Schneeberg und neben ihm hatte Nanon auf dem Kräutersacke Platz genommen.

»Wie ist Ihnen die Reise bekommen?« fragte er.

»Ich danke! Ausgezeichnet. Aber Sie sehen blaß aus?«

»Ich schlief in letzter Nacht nicht gut. Das mag der Grund sein.«

»Sie müssen sich schonen, Monsieur Schneeberg! Es giebt Personen, die es sehr betrüben würde, Sie krank zu sehen!«

»Hm! Diese Personen sitzen neben ihm,« dachte Schneffke. »Das Mädchen ist gar nicht übel! Ich hätte diese Nanon nicht mit einer Traube, sondern vielmehr mit irgend einer hübschen Blume vergleichen sollen. Aber dennoch hängt sie ihm zu hoch! Ich werde horchen. Machen wir es uns also bequem!«

Es gab eine Birke, welche abgestorben war. Sie stand sehr schief. Schneffke schob sich an ihr empor. Sie bog sich durch seine Last noch tiefer und so erhielt er eine Stellung, halb sitzend oder vielmehr reitend und halb auf dem elastischen Stamme liegend. Auf diese Weise kam sein Kopf in gleiche Höhe mit den Spitzen des Gesträuches, welches ihn von dem Paare trennte und er konnte Alles sehen und hören, ohne selbst bemerkt zu werden.

»Wie geht es auf dem Schlosse?« fragte Schneeberg.

»Gut. Der Capitän war krank, so daß man Besorgnisse hegte; aber sein Zustand hat sich sehr gebessert.«

»Geht er aus?«

»Noch nicht. Madelon wollte mich begleiten, aber –«

Sie stockte und eine leichte Röthe breitete sich über ihr hübsches allerliebstes Gesichtchen. Er blickte sie fragend an und darum fuhr sie fort:

»Aber ich dachte, sie wäre von der weiten Reise zu sehr angegriffen, und so bat ich sie, zu bleiben.«

»Und doch sollten Sie sich nicht so allein in den Wald wagen!«

»Warum nicht?«

»Meinen Sie nicht selbst, daß es gefährlich ist?«

»Nein.«

»O, doch!«

»Welche Gefahren sollte es hier geben?«

»Verschiedene. Im Walde verkehren Menschen, denen man nicht gern im Freien begegnet.«

»O, mir thut Niemand Etwas. Ich habe ja Keinen beleidigt. Und dann denke ich immer, daß Sie – –«

Sie hielt abermals inne; darum fragte er:

»Was ist es, was Sie von mir denken?«

»Sie sind so viel im Walde. Sobald ich unter die Bäume trete, ist es mir, als ob ich mich unter Ihrem speciellen Schutze befände und als ob Sie sofort da sein würden, wenn mir eine Fährlichkeit begegnete.«

Sein Auge leuchtete freudig auf. Er holte tief Athem und sagte dann:

»Ich bin nicht allgegenwärtig, Mademoiselle; aber Gott weiß, daß ich mein Leben hingeben würde, wenn es sich darum handelte, Sie in meinen Schutz zu nehmen.«

»Nicht übel gesagt!« dachte Schneffke. »Der Kerl besitzt so eine Art Schick, sich in das Vertrauen Anderer einzuschmuggeln.«

Sie gab Schneeberg die Hand und sagte:

»Sie Guter! Das habe ich ja während der letzten Tage erfahren; denn Sie wagten in der Pulvermühle das Leben, um uns aus der Gewalt dieses Berteu zu befreien.«

»Das war kein Wagniß, Mademoiselle.«

»O doch! Und ich kann Ihnen nicht dankbar sein! Ich habe geglaubt, in Beziehung auf das Dunkel, welches sich über Ihre Herkunft breitet, Etwas thun zu können, aber leider ist die Dame, an die ich eben mich wendete, verreist.«

»Sorgen Sie sich nicht! Ich denke jetzt lieber an meine Zukunft, als an meine Vergangenheit. Uebrigens stehen Sie ja unter ganz gleichen Verhältnissen wie ich. Auch Sie kennen Ihren Vater nicht.«

»Ich werde ihn niemals kennen lernen!«

»Das dürfen Sie nicht sagen. Gottes Wege sind wunderbar, und er führet Alles herrlich hinaus.«

Es entstand eine Pause. Die Birke, auf welcher Schneffke ritt, schaukelte elastisch auf und nieder; das genirte ihn aber nicht; er brummte vor sich hin:

»Ja, Gottes Wege sind wunderbar! Mich haben sie hier auf diesen birkenen Stamm geführt. Aber der Kerl hat wirklich gar nicht so Unrecht, denn täuscht mich meine Vermuthung nicht, so befindet sich ihr Vater hier in Thionville.«

Nach einer Weile nahm Nanon das unterbrochene Gespräch von Neuem auf:

»Es steht zu erwarten, daß Ihre Eltern sehr vornehme Herrschaften sind, Herr Schneeberg.«

»Ich denke nicht daran.«

»Und doch müssen Sie daran denken! Auch ich denke daran.«

»Wirklich? Und was denken Sie da?«

»Ich denke, daß Sie die arme Nanon nicht mehr ansehen würden, wenn Sie Ihre Eltern gefunden hätten.«

»Nein, das dürfen Sie nicht denken! Ich habe da vielmehr Veranlassung, Aehnliches zu vermuthen.«

»Aehnliches? Was denn?«

»Wenn es Ihnen gelänge, Ihren Vater aufzufinden, so würde ich Ihnen wohl hier nie mehr begegnen.«

»Hier vielleicht nicht, aber doch an anderen Orten.«

»Aber Sie würden mich nicht bemerken!«

»Ich Sie nicht bemerken? Glauben Sie das im Ernste?«

»Ja.«

»Halten Sie mich denn für so gefühllos und undankbar, daß ich vergessen könnte, daß Sie mir sogar das Leben gerettet haben?«

»Ah!« dachte Schneffke. »Er hat ihr das Leben gerettet! Da kann aus diesem Tächtelmächtel im Walde der allerschönste Ernst in der Kirche werden! Ich werde noch weiter in die Höhe rutschen. Vielleicht sehe ich Etwas.«

»Bitte, schweigen wir davon!« bat Fritz.

»Nein, Herr Schneeberg. Hier, nehmen Sie meine Hand! Ich sage Ihnen: Was auch geschehen möge – – Herrgott!«

»Sapperment!« fiel auch Schneeberg ein.

Es gab nämlich in diesem Augenblick einen lauten Krach, und im nächsten Moment kam ein Mensch zu ihnen herabgekugelt. Schneffke war zu hoch an der alten Birke emporgeklettert. Unter seinem Gewichte war sie gebrochen, und nun rollte er gerade bis vor die beiden hin.

»Wer ist das?« fragte Nanon ganz erschrocken.

»Ja, Monsieur, wer sind Sie?«

Schneffke's Gesicht hatte sich in die Schöße seines Rockes verwickelt, so daß es nicht zu sehen war. Er wickelte sich heraus und stand vom Boden auf.

»Ah, der Maultrommelbläser!« sagte Schneeberg in einem ziemlich zornigen Tone.

»Monsieur Schneffke!« fügte Nanon hinzu.

Schneffke verbeugte sich höflich und antwortete:

»Ja, Mademoiselle, ich bin der Maler Hieronymus Aurelius Schneffke aus Berlin.«

»Und noch immer sind Sie der alte Pechvogel!« sagte Fritz.

»Warum soll ich es nicht sein? Ich kann es ja haben, mein verehrter Herr Schneeberg.«

»Aber was machen Sie denn hier?«

»Dieser Dame mein Compliment, wie Sie sehen.«

»Sind Sie eigens zu diesem Zwecke hierher gekommen?«

»Eigentlich nicht.«

»Was treibt Sie denn in den Wald?«

»Meine Liebe zur Natur.«

»Aber was krachte denn dort so sehr?«

»Die Birke.«

»Die Birke? Ah, sie ist gebrochen. Ich soll doch nicht etwa vermuthen, daß – – Herr Schneffke!«

»Was vermuthen Sie denn?«

»Daß Sie auf diese Birke geklettert waren.«

»Warum soll ich denn nicht?«

»Herr, was haben Sie zu klettern?«

»Klettern ist einmal meine Passion. Sie wissen ja, daß ich sogar bereits auf den Schornstein eines Dampfschiffes geklettert bin, warum also nicht auch auf eine Birke!«

»Aber zu welchem Zwecke kletterten Sie hinauf?«

»Ich suchte die Lerche.«

»Welche Lerche?«

»Welche Lieder hat, aber keine Grüße.«

»Herr, Sie haben gelauscht!«

»Fällt mir gar nicht ein.«

»Ich behaupte es dennoch!«

»Unsinn! Sie singen und schreien so sehr, daß man gar nicht zu lauschen braucht. Haben die Herrschaften vielleicht noch Etwas zu fragen?«

»Nein. Nehmen Sie dort Ihren Hut und dann machen Sie sich schleunigst von dannen!«

»Oho! Wenn ich nun mit Ihnen zu sprechen hätte?«

»Wir sind fertig.«

»Oder mit dieser Dame?«

»Ich wüßte nicht, was Sie ihr zu sagen hätten.«

»So weiß ich es desto besser!«

»Dann suchen Sie sie in ihrer Wohnung auf und nicht hier im Walde, Sie dicker Kletterspecht!«

»Schön! Ganz nach Befehl! Habe die Ehre, meine Herrschaften!«

Er hob seinen Hut auf, forcirte eine tiefe Reverenz und entfernte sich. Dabei murmelte er wohlgefällig vor sich hin:

»Der Kerl gefällt mir. Er hat wirklich etwas Vornehmes an sich. Wenn er in einer anderen Kleidung stäcke, möchte man ihn für etwas Ordentliches halten.«

*


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