Dmitri Mereschkowski
Julianus Apostata
Dmitri Mereschkowski

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X.

Zu Groß-Antiochia, der Hauptstadt Syriens, befanden sich in einer Nebengasse nahe der Hauptstraße Syngon die Thermen. Sie waren viel besucht und teuer. Viele gingen hin, nur um die letzten Neuigkeiten und Tagesereignisse zu erfahren.

Zwischen dem Auskleideraum und dem Abkühlungsraum lag das Schwitzbad; es war ein prunkvoll ausgestatteter, mit farbigem Marmor und Mosaik belegter großer Saal.

Aus den Nebensälen erscholl das ununterbrochene Plätschern und das laute Lachen der Badenden, das Rauschen der in die großen Wasserbehälter und Wannen fallenden Wasserstrahlen. Sklaven von dunkler Hautfarbe und nackte Badediener rannten geschäftig hin und her und entkorkten Krüge mit wohlriechenden Essenzen. In Antiochia bedeutete das Bad die größte Lebensfreude, und war zu einer hohen und vielgestalteten Kunst ausgebildet: die Hauptstadt Syriens war durch ihr reichliches, reines und wohlschmeckendes Wasser berühmt; es war so durchsichtig, daß ein damit gefülltes Gefäß leer erschien.

In den milchig-weißen Dampfwolken, die im Schwitzbade aus den marmoreingefaßten Öffnungen aufstiegen, sah man die geröteten, nackten Körper der Badegäste. Die einen lagen, die andern saßen und wurden von den Badedienern mit Öl eingerieben. Alle schwitzten in würdevoller Haltung und verkürzten sich die Zeit mit Gesprächen. Die Schönheit der alten Bildwerke, die in den Wandnischen standen und bald einen Antinous, bald einen Adonis darstellten, hob die körperliche Häßlichkeit des neuen Geschlechts noch stärker hervor.

Aus der Abteilung für heiße Wannenbäder trat in den Schwitzsaal ein feister Greis von majestätischer doch häßlicher Gestalt; es war der Kaufmann Busiris, der den ganzen Getreidehandel von Antiochia in der Hand hatte. Ein schlanker, junger Mann führte ihn ehrerbietig am Arm. Obwohl beide nackt waren, ließ sich unschwer entscheiden, wer der Patron und wer der Klient war.

»Mehr Dampf!« befahl Busiris mit heiserer Stimme: aus dem Tonfalle dieser Stimme konnte man sofort ersehen, welche Millionenumsätze der Getreidehändler machte.

Man öffnete zwei Messinghahnen; heißer Dampf kam zischend heraus und hüllte den Greis in eine weiße Wolke. Er stand in der Wolke wie ein ungeheuerlicher Gott in der Apotheose; er stöhnte und krächzte vor Behagen und beklopfte mit den fetten Händen seinen roten, feisten Bauch, der wie eine Trommel klang.

Der gewesene Aufseher der Herbergen und der Apollospitäler, der Quästurbeamte Marcus Ausonius, kauerte auf dem Fußboden; er war klein und schmächtig und erschien neben der Fettmasse des Kaufmanns wie ein gerupftes und frierendes Hühnchen.

Dem Spötter Junius Mauricus wollte es nicht gelingen, seinen sehnigen, knochigen, trockenen, mit Galle durchtränkten Körper zum Schwitzen zu bringen.

Gargilianus lag auf dem Mosaikboden hingestreckt, weich und schwammig wie eine Sülze, groß und fett wie ein geschlachtetes Schwein; ein paphlagonischer Sklave bearbeitete, atemlos vor Anstrengung, seinen weichen Rücken mit einem nassen, wollenen Lappen.

Der reich gewordene Dichter Publius Porphyrius Optatianus betrachtete wehmütig und nachdenklich seine von der Gicht verunstalteten Füße.

»Kennt ihr schon, meine Freunde, den Brief der weißen Stiere an den römischen Kaiser?« fragte der Dichter.

»Nein. Wie lautet er?«

»Es ist nur eine Zeile: ›Wenn du die Perser besiegst, sind wir verloren.‹«

»Ist das alles?«

»Was wollt ihr denn noch?«

Die weiße Fleischmasse des Gargilianus erzitterte vor Lachen:

»Bei der Pallas, es ist kurz, aber treffend! Wenn er als Sieger aus Persien heimkehrt, wird er den Göttern so viele weiße Stiere opfern, daß diese Tiere so rar werden, wie der ägyptische Apis. – Sklave, jetzt das Kreuz! Stärker!«

Die Fleischmasse wendete sich langsam auf die andere Seite und klatschte am Boden wie ein Haufen nasser Wäsche auf.

Junius kicherte in hohen Tönen und sprach:

»Es heißt, daß man aus Indien, von der Insel Taprobane eine große Menge seltener, weißer Vögel hergebracht hat. Und aus dem eisigen Skythien riesige, wilde Schwäne. Alles ist für die Götter bestimmt. Er mästet die Olympier. Seit den Zeiten Konstantins sind die armen Götter ja so sehr heruntergekommen!«

»Die Götter überessen sich, und wir müssen fasten. Seit drei Tagen ist auf dem Markte kein einziger kolchischer Fasan und kein einziger anständiger Fisch aufzutreiben!« rief Gargilianus aus.

»Ein Milchbart!« warf der Getreidehändler hin.

Alle verstummten devot und wendeten sich um.

»Ein Milchbart!« wiederholte Busiris mit seiner heiseren Stimme noch wichtiger. »Wenn man eurem römischen Cäsar das Näschen oder das Mündchen drücken wollte, so würde, behaupte ich, wie bei einem zwei Wochen alten Säugling Milch herauskommen. Er wollte die Brotpreise herabdrücken, verbot uns, das Getreide zu dem Preise, den wir selbst festgesetzt hatten, zu verkaufen und ließ 400 000 Maß Weizen aus Ägypten kommen . . .«

»Hat er die Preise gedrückt?«

»Hört nur zu. Ich habe die Getreidehändler überredet, alle Speicher zu schließen; wir wollen lieber den Weizen verfaulen lassen als uns fügen. Das ägyptische Getreide ist bald verbraucht, wir geben aber das unserige nicht heraus. Hast selbst die Suppe eingebrockt, magst sie auch selbst auslöffeln!«

Busiris klopfte triumphierend mit den Handflächen auf den Bauch.

»Stell den Dampf ab! Jetzt gieße!« befahl der Kaufmann. Ein junger, schöner Sklave mit langen Locken, dem Antinous nicht unähnlich, entkorkte über seinem Kopfe eine schlanke Amphora mit kostbarer arabischer Kassia. Die aromatische Essenz ergoß sich in reichlichen Strömen über den roten, schweißbedeckten Körper; Busiris rieb sich die dicken Tropfen mit Hochgenuß in die Haut. Als er sich genügend eingerieben hatte, wischte er würdevoll seine dicken Finger an den goldigen Locken des Sklaven, der seinen Kopf vor ihm neigte, wie an einem Handtuche ab.

»Deine Gnaden geruhten ganz richtig zu bemerken, daß Kaiser Julianus nichts anderes als ein Milchbart sei,« versetzte mit sklavischer Verbeugung der Klient. »Neulich hat er ein Pasquill gegen die Bürger von Antiochia veröffentlicht, das ›Der Barthasser‹ heißt und in dem er den Spott des Pöbels mit noch frecheren Beschimpfungen beantwortet. Es heißt darin: ›Ihr lacht über meine Grobheit, über meinen Bart? Lacht nur, soviel ihr wollt! Ich will auch selbst über mich lachen. Ich brauche weder Gerichte, noch Anzeigen, weder Gefängnisse, noch Körperstrafen.‹ – Nun frage ich euch, ist das eines römischen Cäsars würdig?«

»Der Kaiser Constantius seligen Angedenkens«, bemerkte belehrend Busiris, »war doch ganz anders: an seiner Kleidung und an seiner Haltung konnte man sofort den Cäsar erkennen. Dieser aber ist, daß Gott mir verzeihe, eine Mißgeburt der Götter, ein kurzbeiniger Affe, ein ungeschlachter Bär! Er treibt sich ungewaschen, unrasiert, ungekämmt, mit Tintenflecken an den Fingern in den Straßen herum. Ein ekelhafter Anblick! Bücher, Gelehrsamkeit, Philosophie! – Warte nur, wir wollen dir deine Freigeisterei schon austreiben. Mit solchen Dingen darf man nicht spaßen. Das Volk muß in strenger Zucht gehalten werden! Wenn man die Zügel lockert, kann man sie nie wieder anspannen.«

Marcus Ausonius, der bis dahin geschwiegen hatte, versetzte nachdenklich:

»Das alles könnte man ihm noch verzeihen. Warum nimmt er uns aber unsere letzte Lebensfreude, – den Zirkus, die Gladiatorenkämpfe? Meine Freunde, nur der Anblick von Blut gibt den Menschen die höchste Seligkeit. Es ist eine heilige Freude. Ohne Blut gibt es auf Erden keine Freude und keine Größe. Der Geruch des Blutes ist der Geruch Roms . . .«

Auf dem Gesichte des letzten Sprossen des Geschlechtes der Ausonier erschien ein sonderbarer Ausdruck. Er blickte mit seinen gutmütigen, halb greisenhaften und halb kindlichen Augen fragend alle Zuhörer an.

Der dicke Gargilianus rührte sich auf dem Boden, hob den Kopf und heftete seine Augen auf Ausonius.

»Das hast du wirklich gut gesagt: der Geruch des Blutes ist der Geruch Roms! Fahre fort, Marcus, du bist heute im Schwung.«

»Ich sage nur das, was ich wirklich fühle, meine Freunde. Das Blut ist den Menschen so süß, daß selbst die Christen nicht darauf verzichten können: sie wollen damit die Welt reinigen. Julianus begeht einen Fehler: wenn er dem Volke den Zirkus nimmt, nimmt er ihm die Freude am Blut. Der Pöbel würde alles verzeihen, nur das nicht . . .«

Die letzten Worte sprach Marcus mit begeisterter Stimme. Plötzlich fuhr er mit der Hand über seinen Körper und sein Gesicht erstrahlte.

»Schwitzt du endlich?« fragte ihn Gargilianus teilnahmsvoll.

»Mir scheint, ich schwitze,« antwortete Ausonius mit stillem, verzücktem Lächeln. »Reibe mir schneller den Rücken, solange ich noch nicht abgekühlt bin!«

Er legte sich nieder. Der Badediener bearbeitete seine verkümmerten, blutleeren Glieder, die bläulich wie die einer Leiche waren.

Die alten hellenischen Bildwerke sahen aus ihrem Porphyrnischen durch die milchige Dampfwolke hindurch auf die häßlichen Körper des neuen Geschlechts.

Vor dem Eingange zu den Thermen hatte sich inzwischen eine Menschenmenge angesammelt.

Nachts erstrahlte Antiochia immer in unzähligen Flammen. Am prächtigsten war die Hauptstraße Syngon beleuchtet; die schnurgerade Straße hatte eine Länge von 36 Stadien und war an beiden Seiten mit doppelten Säulenreihen, zwischen denen sich prächtige Kaufläden befanden, geschmückt. Vor der Freitreppe, die ins Bad führte, flackerten im Winde mächtige Straßenlampen, die bunte Volksmenge mit grellem Lichte übergießend. Von den eisernen Feuerbecken erhoben sich Wolken harzigen Qualms.

In der Menge konnte man hie und da höhnische Bemerkungen über den Kaiser vernehmen. Gassenjungen trieben sich herum und sangen Spottlieder. Eine alte Taglöhnerin hatte einen von ihnen gepackt, ihm das Hemdchen über den Kopf gezogen und bearbeitete sein bloßes Sitzfleisch mit der Sohle einer Sandale, daß es nur so klatschte; sie rief:

»Da hast du was! Ich werde dich lehren, kleiner Teufel, so schamlose Lieder zu singen!«

Der braune Knabe schrie herzerweichend.

Ein anderer war auf den Rücken eines Kameraden geklettert und malte auf der weißen Mauer mit Kohle eine Karikatur, die einen langbärtigen Ziegenbock mit einem Kaiserdiadem darstellte. Ein anderer Knabe mit freundlichem, intelligentem und schelmischem Gesicht, der etwas älter war und wohl die Schule besuchte, schrieb unter die Zeichnung in großen Buchstaben hin: »Das ist der gottlose Julianus.«

Er tänzelte wie ein Bär und brüllte, indem er sich bemühte, seine Stimme möglichst roh und schrecklich zu machen:

Der Metzger kommt,
Der Metzger kommt,
Mit scharfem Beil,
Mit langem Bart,
Mit schwarzem Fell,
Mit langem Fell,
Mit einem Ziegenbart.

Ein alter Mann in dunkler Kleidung, wahrscheinlich ein Kleriker, blieb stehen, um sich das Liedchen anzuhören; er nickte, hob die Augen zum Himmel und sagte zu einem Lastträger, der neben ihm stand:

»Aus dem Munde der Einfältigen kommt die Wahrheit. – Findest du nicht auch, daß wir es unter Kappa und Chi besser hatten?«

»Was bedeuten Kappa und Chi?«

»Wie, du verstehst es nicht? Das griechische Kappa ist der Anfangsbuchstabe des Wortes Constantius, und das Chi der Anfangsbuchstabe des Wortes Christus. Ich will damit sagen, daß weder Constantius noch Christus den Bürgern von Antiochia soviel Böses zugefügt haben, wie alle die hergelaufenen Philosophen . . .«

»Das ist schon richtig. Unter Kappa und Chi hatten wir es wirklich besser!«

Ein betrunkener Bettler fing diesen Witz auf und rannte triumphierend in die Stadt, um ihn weiter zu verbreiten.

»Unter Kappa und Chi hatten wir es gut!« schrie er. »Hoch Kappa und Chi!«

Das Wortspiel, das dem Pöbel wegen seiner blödsinnigen Unwiderlegbarkeit gefiel, verbreitete sich in ganz Antiochia.

Am lustigsten ging es in der Schenke zu, die den Thermen gegenüber lag und dem kappadocischen Armenier Syrax gehörte; er hatte sein Geschäft schon längst aus Cäsarea bei Macellum nach Antiochia verlegt.

Aus Ziegenschläuchen und großen, tönernen Amphoren strömte der Wein reichlich in zahllose Zinnbecher. Man sprach auch hier wie überall über den Kaiser. Die größte Beredsamkeit entfaltete dabei der kleine syrische Soldat Strombicus, derselbe, der an dem Feldzuge des Cäsars Julianus gegen die nordischen Barbaren in Gallien teilgenommen hatte. An seiner Seite stand sein treuer Gefährte und Freund, der riesenhafte Sarmate Aragarius.

Strombicus fühlte sich wie ein Fisch im Wasser. Verschwörungen und Empörungen liebte er über alles in der Welt.

Er schickte sich gerade an, eine Rede zu halten.

Da brachte eine alte Lumpensammlerin die letzte Neuigkeit:

»Alle sind umgekommen, alle, ohne Ausnahme. Der Herr hat uns gestraft. Als es mir die Nachbarin erzählte, wollte ich anfangs gar nicht glauben.«

»Was ist denn los, Alte? Erzähle es vernünftig.«

»In Gaza ist es geschehen, meine Lieben, in Gaza. Die Heiden haben ein Nonnenkloster überfallen. Sie haben die Nonnen herausgeschleppt, nackt ausgezogen, an Säulen gebunden, mit den Schwertern zerhackt und ihre noch warmen Eingeweide mit Gerste bestreut und den Schweinen vorgeworfen!«

»Ich habe es selbst gesehen,« fügte ein junger Flachsspinner mit bleichem, eigensinnigem Gesicht hinzu, »wie ein Heide zu Heliopolis am Libanus die rohe Leber eines ermordeten Diakons verzehrte.«

»Wie scheußlich!« sagte ein Kupferschmied mit finsterer Miene.

Viele bekreuzten sich.

Mit Hilfe des Aragarius kletterte Strombicus auf den mit Weinlachen bedeckten klebrigen Tisch und wandte sich an die Menge mit den Gebärden eines Redners von Beruf. Aragarius nickte beifällig mit dem Kopfe und wies auf ihn stolz hin.

»Mitbürger!« begann Strombicus. »wie lange wollen wir es noch dulden? Ist es euch bekannt, daß Julianus gelobt hat, im Falle er aus Persien als Sieger heimkehrt, alle heiligen Männer einzufangen und sie den wilden Tieren vorzuwerfen?! Die Basiliken zu Heuschuppen und die Altäre zu Pferdeställen zu machen . . .«

Da kam in die Schenke atemlos ein buckliger, vor Schrecken ganz blasser Mann hereingestürzt, es war der Mann der Lumpensammlerin, seines Zeichens ein Glaser. Er blieb stehen, schlug sich verzweifelt mit beiden Händen auf die Schenkel, sah sich um und flüsterte:

»Habt ihr es gehört? Das ist ein Spaß! Zweihundert Leichen in den Brunnen und die Abflußröhren!«

»Was? Wo? Wann? Was für Leichen?«

»Still, still!« fuhr der Glaser flüsternd und mit den Armen fuchtelnd fort. »Man sagt, daß der Abtrünnige schon längst seine Wahrsagekünste an den Eingeweiden lebendiger Menschen übe, um den Ausgang des Krieges mit den Persern zu erfahren . . .«

Vor Wollust keuchend fügte er hinzu:

»In den Kellergewölben des antiochischen Schlosses fand man ganze Kisten mit Knochen. Es waren aber Menschenknochen! – In der Stadt Karrai in der Nähe von Edessa fand man in einem unterirdischen Götzentempel die an den Haaren aufgehängte Leiche einer schwangeren Frau; der Bauch war aufgeschlitzt und das Kind herausgenommen: Julianus wollte aus der Leber des Ungeborenen die Zukunft erfahren; es handelt sich immer um den verfluchten Krieg mit den Persern und den Sieg über die Christen . . .«

»He, Gluturinus, ist es wahr, daß man in den Kloaken Menschenknochen findet? Das mußt du doch wissen!« fragte ein Schuster.

Der Kloakenreiniger Gluturinus stand an der Türe und wagte nicht einzutreten, denn er verbreitete einen Gestank. Als er gefragt wurde, begann er, wie es seine Gewohnheit war, schüchtern zu lächeln und mit seinen entzündeten Augenlidern zu zwinkern. Er sagte sanft:

»Nein, meine Verehrten, Säuglinge haben wir zuweilen gefunden, auch Gerippe von Eseln und Kamelen. Aber auf Menschengebeine bin ich noch nie gestoßen . . .«

Strombicus begann wieder seine Rede. Der Kloakenreiniger hörte ihm andächtig und mit unsagbarem Genuß zu, indem er sein nacktes Bein an den Türpfosten rieb.

»Brüder und Männer, wollen wir uns rächen!« rief der Redner pathetisch aus. »Laßt uns für die Freiheit sterben, wie die alten Römer!«

»Was schreist du so?« rief plötzlich der Schuster dazwischen. »Wenn es wirklich so weit kommen sollte, wirst du sicher als erster ausreißen; die anderen schickst du aber in den Tod! . . .«

»Ihr seid alle Feiglinge!« mischte sich ein geschminktes und gepudertes Weib in ärmlicher, bunter Kleidung ein. Es war eine Straßendirne, die von ihren Verehrern die ›Wölfin‹ genannt wurde.

»Wißt ihr denn,« fuhr sie empört fort, »was die heiligen Märtyrer Macedonius, Theodulus und Tatianus ihren Henkern gesagt haben?«

»Nein, wir wissen es nicht. Erzähle es uns, Wölfin!«

»Ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Zu Myrrha in Phrygien drangen die drei Jünglinge Macedonius, Theodulus und Tatianus nachts in einen hellenischen Tempel ein und zerschlugen zum Ruhme Gottes die heidnischen Götzenbilder. Der Prokonsul Amachius ließ sie ergreifen und auf eisernen Pfannen rösten. Sie sagten aber: ›Wenn du einen guten Braten bekommen willst, so lasse uns auf die andere Seite wenden, sonst werden wir nur halbdurchgebraten.‹ Alle drei lachten und spien ihm ins Gesicht, viele sahen einen Engel auf sie herabschweben und ihnen drei Kronen bringen. – Ihr hättet wohl diese Antwort nicht gegeben? Ihr versteht nur, für eure eigene Haut zu zittern. Es ekelt mich, wenn ich euch nur anschaue!«

Die Wölfin wandte sich verachtungsvoll ab.

Von der Straße ertönten Schreie.

»Macht man vielleicht schon den Götzen den Garaus?« fragte freudig erregt der Glaser.

»Mitbürger, mir nach!« rief Strombicus mit beiden Armen fuchtelnd. Er wollte vom Tische springen, glitt aber aus und wäre wohl zu Boden gestürzt, wenn ihn nicht der treue Aragarius in seine liebevollen Arme aufgefangen hätte.

Alle stürzten zur Türe, von der Hauptstraße Syngon her kam eine große Menschenmenge. Sie staute sich in der engen Gasse und blieb vor den Thermen stehen.

»Der alte Pamba! Der alte Pamba!« flüsterten sich die Leute freudig zu. »Er ist aus der Wüste gekommen, um dem Volke zu predigen, die Großen zu stürzen und die Geringen zu retten!«


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