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Dreizehntes Kapitel

Die Vendéerinnen im Jahre 1790 und 1791

In dem Augenblick, wo die Emigranten den Feind bei der Hand nehmen und ihm unsere Ostgrenzen öffnen, am 24. und 25. August, dem Jahrestag der Bartholomäusnacht, bricht im Westen der Krieg in der Vendée aus.

Merkwürdig! Am 25. August, dem Tage, an welchem der vendéeische Bauer die Revolution angriff, entschied die Revolution in edler Parteilichkeit für den Bauer den langen Prozeß der Jahrhunderte und schaffte die Feudalrechte ab ohne Ablösung.

In diesem Augenblick empfingen und verlangten alle Nationen, Savoyen, Italien, Deutschland, Belgien, die Städte, die ihre Eingangstore sind: Nizza, Chambéry, Mainz, Lüttich, Brüssel, Antwerpen, die dreifarbige Fahne; alle setzten ihren Ehrgeiz darein, französisch zu werden. Und da ist nun ein Volk so blind, daß es gegen Frankreich, seine Mutter, gegen das Volk, das es selbst ist, rüstet. Diese Armen, Unwissenden, Verirrten stoßen den Ruf aus: »Tod der Nation!«

Alles ist Geheimnis in diesem Krieg der Vendée. Das ist ein Krieg voll Dunkelheiten und Rätsel, ein Krieg von Gespenstern, von unfaßbaren Geistern. Die widersprechendsten Berichte laufen in der Öffentlichkeit um. Untersuchungen bringen keine Klarheit. Nach einem tragischen Vorfall kommen die entsandten Kommissare unerwartet im Kirchspiel an, und alles ist friedlich; der Bauer ist bei der Arbeit, die Frau ist im Hause, unter ihren Kindern, sitzt da und spinnt; um den Hals ihren großen Rosenkranz. Der Herr? den findet man bei Tisch. Er ladet die Kommissare ein; die ziehen sich geschmeichelt zurück. Am nächsten Tage beginnen die Morde und Brandstiftungen von neuem.

Wo also können wir den flüchtigen Geist des Bürgerkrieges ergreifen?

Sehen wir zu. Ich sehe nichts, nur da unten auf der Heide eine graue Schwester, die gesenkten Hauptes demütig einherschreitet.

Ich sehe nichts. Nur halb bemerke ich zwischen zwei Büschen eine Dame zu Pferd, die, von einem Diener gefolgt, eiligst dahintrabt, die Gräben überspringt, den Weg verläßt und querfeldein sprengt. Sie sorgt sich zweifellos wenig darum, ob man ihr begegnet.

Auf dem Wege selbst, den Korb mit Eiern oder Früchten am Arm, trottet eine ehrsame Bäuerin. Sie geht schnell, sie will vor Anbruch der Nacht in der Stadt sein.

Aber wohin gehen denn eigentlich die Schwester, die Dame, die Bäuerin? Sie wählen drei verschiedene Wege und gelangen an den gleichen Ort. Sie klopfen alle drei an die Pforte eines Klosters. Warum nicht? Die Dame hat ihre kleine Tochter da, zur Erziehung; die Bäuerin will ihre Ware verkaufen; die gute Schwester bittet um Schutz für eine einzige Nacht.

Wollt ihr behaupten, daß sie dahin kommen, um die Befehle des Priesters entgegenzunehmen? Er ist heute nicht da. – Ja, aber er war gestern da. Er mußte am Samstag kommen, um den Nonnen die Beichte abzuhören. Als Beichtvater und Führer führt er nicht sie allein, aber durch sie noch sehr viele andere; er vertraut diesen leidenschaftlichen Herzen, diesen unermüdlichen Zungen ein Geheimnis an, das gewußt werden soll, ein falsches Gerücht, das verbreitet werden soll, ein Zeichen, das bekannt werden soll. Unbeweglich in seiner Abgeschiedenheit bringt er durch diese unbeweglichen Nonnen die ganze Gegend in Bewegung.

Frau und Priester, das ist alles, die Vendée, der Bürgerkrieg.

Merkt wohl, daß, ohne die Frau, der Priester nichts hätte ausrichten können.

»Ach, ihr Straßenräuberinnen,« sagte eines Abends ein republikanischer Kommandant, der in ein Dorf kam, in dem die Frauen allein übrigblieben, als dieser schauerliche Krieg so viele Männer vernichtet hatte; »die Frauen sind die Ursache unseres Unglücks; ohne die Frauen hatte die Republik schon feste Gestalt, und wir säßen ruhig zu Hause. Vorwärts. Ihr sollt alle umkommen, wir werden euch morgen erschießen. Und übermorgen werden die Räuber selbst kommen und uns töten.« (Memoiren der Madame de Sapinaud.)

Er tötete die Frauen nicht. Aber er hatte tatsächlich das treffende Wort über den Bürgerkrieg gesagt. Er wußte es besser als jeder andere. Dieser republikanische Offizier war ein Priester, der die Soutane abgelegt hatte; er wußte genau, daß jedes Werk der Finsternis durch das innige und tiefe Einverständnis zwischen Frau und Priester zustande kam.

Die Frau bedeutet das Haus; aber sie bedeutet ebenso die Kirche und den Beichtstuhl. Dieses dunkle Gehäuf aus Eichenholz, wo die Frau auf den Knieen, unter Tränen und Gebeten, den Funken des Fanatismus empfängt und ihn glühender zurückstrahlt, das ist der wahre Herd des Bürgerkrieges.

Was bedeutet die Frau noch? Das Bett, der allmächtige Einfluß ehelicher Gewohnheiten, die unüberwindliche Macht der Seufzer und Tränen, die auf das Kopfkissen geweint werden. Der Gatte schläft, er ist müde. Aber sie schläft nicht. Sie wälzt sich hin und her, schließlich wird er wach. Jedesmal erfolgt ein tiefer Seufzer, zuweilen ein Schluchzen. »Aber was hast du denn diese Nacht?« – »O weh! Der arme König sitzt im Temple! Ach, sie haben ihn geohrfeigt, wie unseren Herrn Jesus Christus!« – Und wenn der Gatte gerade wieder einschläft: »Man erzählt, daß man die Kirche verkaufen will! Die Kirche und das Pastorat! Unglück und Wehe über den, der sie kauft!«

So hatte die Gegenrevolution in jeder Familie, in jedem Hause einen begeisterten, eifernden, unermüdlichen, ganz unverdächtigen, aufrichtigen, naiv-leidenschaftlichen Prediger, der weinte und litt und nicht ein Wort sprach, das nicht aus einem gebrochenen Herzen kam oder zu kommen schien. Eine unermeßliche, wahrhaft unbesiegbare Macht! Wenn die Revolution, durch die Widerstände gezwungen, einen Schlag ausführte, so empfing sie dafür den entsprechenden Gegenschlag: die Rückwirkung der Tränen, die Seufzer, das Schluchzen, den Schrei der Frau, die tiefer drangen als die Dolche.

Allmählich wurde folgendes ungeheure Unglück, folgender grausame Zwiespalt deutlich: die Frau wurde das Hindernis und der Widerspruch des revolutionären Fortschrittes, den der Gatte verlangte.

Diese Tatsache, die ernsteste und erschreckendste der Zeit, ist zu wenig bemerkt worden.

Der Stahl zerschnitt das Leben sehr vieler Männer. Aber da geht noch etwas weit Bedeutungsvolleres vor sich: ein unsichtbarer Stahl zerschneidet den Knoten der Familie, wirft den Mann auf die eine Seite und die Frau auf die andere.

Dies tragische, jammervolle Geschick vollzog sich um das Jahr 1792. Sei es nun aus Liebe zur Vergangenheit, aus der Macht der Gewohnheiten, sei es aus Kleinmut oder allzuverständlichem Mitleid für die Opfer der Revolution, oder sei es schließlich aus Ergebenheit und Abhängigkeit den Priestern gegenüber: die Frau wurde der Anwalt der Gegenrevolution.

Besonders um das materielle Gebiet der Erwerbung der nationalen Güter drehte sich der moralische Streit zwischen Mann und Frau.

Eine materielle Frage? Das kann man mit ja und nein beantworten.

In erster Linie handelte es sich um die Lebensfrage der Revolution. Da keine Steuern eingingen, hatte sie keine Hilfsquellen außer im Verkauf der nationalen Güter. Wenn sie diesen Verkauf nicht betätigte, so war sie waffenlos, der Invasion ausgeliefert. Das Gelingen der moralischen Revolution, der Sieg ihrer Ideen hing von der finanziellen Revolution ab.

Kaufen war eine Tat der Bürgertugend, die unmittelbar der Wohlfahrt des Landes diente. Eine Tat des Glaubens und der Hoffnung. Das hieß erklären, daß man sich entschlossen dem gefährdeten Staatsschiff anvertraute, daß man mit ihm auf festem Boden landen oder zugrunde gehen wollte. Der gute Bürger kaufte, der schlechte Bürger hinderte den Kauf.

Einerseits den Eingang von Steuern, andererseits den Verkauf der nationalen Güter verhindern, der Revolution die Lebensmöglichkeit abschneiden und sie aushungern: das war der einfache, wohl überlegte Plan der kirchlichen Partei.

Der Adelige brachte den Fremden ins Land, der Priester behinderte die Verteidigung. Der eine erdolchte Frankreich, der andere entwaffnete es.

Wie hielt der Priester den Fortschritt der Revolution auf? Er verlegte sie in die Familie, er reizte die Frau gegen den Mann auf, er verschloß durch sie in jedem Haushalt den Geldbeutel für die Bedürfnisse des Staates.

Vierzigtausend Kanzeln, hunderttausend Beichtstühle arbeiteten in diesem Sinne: Eine ungeheure Maschine von unschätzbarer Kraft, die ohne Schwierigkeit mit der revolutionären Maschine der Presse und der Klubs wetteiferte und diese zwang, wenn sie obsiegen wollte, die Schreckensherrschaft aufzurichten.

Aber schon in den Jahren 1789, 1790, 1791 und noch 1792 wütete der kirchliche Terrorismus in den Predigten und in der Beichte. Die Iran kam nur noch gesenkten Hauptes, von Entsetzen gebeugt und völlig gebrochen aus der Beichte nach Hause. Sie sah überall nur noch Hölle und ewige Flammen. Man konnte nichts mehr tun, ohne die ewige Seligkeit zu verlieren. Man konnte nicht mehr den Gesetzen gehorchen, ohne verdammt zu sein. Aber der allertiefste Abgrund, das Entsetzen erbarmungslosester Qualen, die spitzeste Kralle des Teufels, die waren dem Käufer der nationalen Güter bestimmt. Wie hätte sie es gewagt, noch ferner mit ihm an einem Tische zu sitzen? Sein Brot war nur Asche. Wie konnte sie mit einem Verstoßenen schlafen? Seine Frau zu sein, seine andere Hälfte, Fleisch von seinem Fleisch, hieß das nicht, schon jetzt in der Hölle braten und lebend in die Verdammnis eingehen?

Wer kann sagen, auf wie viele Arten der Gatte verfolgt, bestürmt und gequält wurde, damit er nicht kaufe! Niemals hat ein geschickter General, ein verschlagener Anführer, wieder und wieder sich abmühend unter den Mauern einer Stadt, in die er eindringen wollte, so verschiedenste Mittel angewandt. Diese Güter trugen nichts ein, ein Fluch lastete auf ihnen, das hatte man schon an dem Schicksal der Käufer gesehen. War Jean, der gekauft hatte, nicht gleich zu Anfang durch Hagelschlag zugrunde gerichtet worden und Jacques durch Überschwemmung? Mit Pierre war es noch schlimmer gegangen, der war vom Dach gefallen. Paul? Sein Kind war gestorben. Der Herr Pastor hat sehr richtig gesagt: »So starb die Erstgeburt in Ägypten!«

Im allgemeinen antwortete der Gatte nichts, drehte sich um und stellte sich schlafend. Er wußte nicht, was er auf diese Flut von Worten erwidern sollte. Die Frau bedrängte ihn durch Lebhaftigkeit des Gefühls, durch ihre naive, pathetische Beredsamkeit, zum mindesten durch ihre Tranen. Er antwortete gar nicht oder mit einem Wort, das wir gleich nennen werden. Indessen wurde er dann keineswegs in Ruhe gelassen. Es fiel ihm nicht leicht, Feind der Revolution zu werden, seiner Wohltäterin, seiner Mutter, die sich für ihn einsetzte, für ihn entschied, ihn frei und zum Menschen machte, ihn aus dem Nichts zog. Und wenn er selbst nichts dabei gewonnen hätte, konnte er sich dann nicht gern über die allgemeine Befreiung freuen? Konnte er diesen Triumph der Gerechtigkeit verkennen, die Augen verschließen vor dem erhabenen Schauspiel dieser Ungeheuern Neuschöpfung: der Wiedergeburt einer ganzen Welt? In ihm selbst also regle sich der Widerstand. »Nein,« sagte er zu sich, »all das ist gerecht, und ich wäre nicht der Mann, der es nur um des Vorteils willen für gerecht hielte.«

So spielten sich die Dinge fast in ganz Frankreich ab. Der Gatte widerstand; der Mann blieb der Revolution treu.

In der Vendée, in einem großen Teil von Anjou, Maine und der Bretagne, riß ihn die Frau mit fort, die Frau und der Priester, eng vereint.

Das ganze Bestreben der Frau ging darauf hinaus, ihren Gatten am Kauf nationaler Güter zu verhindern. In dem Augenblick, wo das Gesetz dem Bauer das von ihm so heiß ersehnte, seit Jahrhunderten so glühend begehrte Land sozusagen auslieferte, stellte sich die Frau davor und hielt ihn im Namen Gottes davon zurück. Und konnte der Priester angesichts dieser – blinden, aber ehrenwerten – Uneigennützigkeit der Frau aus den materiellen Vorteilen, die ihm die Revolution bot, Nutzen ziehen? Er hätte sicherlich in der Meinung seiner Pfarrkinder Schaden gelitten, hätte ihr Vertrauen verloren, wäre nicht mehr das hohe Ideal gewesen, als das ihn ihr vorurteilsvolles Herz zu betrachten liebte.

Man hat oft von dem Einfluß der Priester auf die Frauen gesprochen, aber zu wenig von dem der Frauen auf die Priester.

Es ist meine Überzeugung, daß sie viel ehrlicher und in viel höherem Grade Fanatiker waren als die Priester selbst; daß ihre heiße Empfänglichkeit, ihr schmerzliches Mitleid für die schuldigen oder unschuldigen Opfer der Revolution, die Erregung, in die sie die tragische Erzählung vom König im Temple, von der Königin, vom kleinen Dauphin, von Madame de Lamballe [ * ] Der Dauphin wurde 1792 dem Schuster Simon zur Erziehung übergeben, – Madame de Lamballe fand in den Septembertagen im Gefängnis La Force ihren Tod. Kommissäre hatten versucht, sie und andere gefangene Damen der Königin zu retten. Man behauptet, Leute aus der Umgebung des Herzogs von Orléans hätten ihren Mord veranlaßt, weil es ihnen gefährlich schien, daß diese Vertraute der Königin am Leben blieb. R. K. trieb, daß mit einem Wort die tiefe Rückwirkung des Mitleids in der Natur, im Herzen der Frauen, die tatsächliche Kraft der Gegenrevolution bildete. Sie rissen die, welche sie zu führen schienen, mit sich fort und beherrschten sie, trieben ihre Beichtvater auf den Weg des Martyriums, ihre Gatten in den Bürgerkrieg.

Das achtzehnte Jahrhundert kannte die Seele des Priesters schlecht. Es wußte wohl, daß die Frau Einfluß auf ihn hatte; aber es glaubte, nach der alten Überlieferung der Satiren und Geschichtenbücher, nach den Dorfschwänken, daß die Frau, die den Priester beherrscht, die Haushälterin sei, die unter seinem Dache schläft, die Magd als Geliebte, die Pfarrhausköchin. Darin irrte es sich.

Zweifellos hätte der Priester, wenn die Haushälterin das Weib seines Herzens gewesen wäre und den tiefen Einfluß auf ihn ausgeübt hätte, beglückt die Wohltaten der Revolution angenommen. Als Beamter mit festem und für die Familie ausreichendem Gehalt hätte er bald in dem natürlichen Fortschritt der neuen Ordnung der Dinge seine wahre Befreiung und die Möglichkeit, aus dem Konkubinat eine Ehe zu machen, erkannt. Die Haushälterin war dessen nicht unwürdig. Unglücklicherweise ist sie, wie groß auch ihr Verdienst sein mag, meistens älter als der Priester oder häßlich und gemein von Gestalt. Wäre sie jung und schön, so würde ihr das Herz des Priesters nicht fehlen. Sein Herz, das beachte man wohl, ist nicht im Pastorat; es ist im Beichtstuhl. [ * ] Diese Religion (des Beichtstuhls), die aus dem Herzen der Frau erwuchs – das war der Reiz ihrer Kindheit – verlor sich in ihrem Verfall völlig im Weibe. Ihre Doktoren sind unersättlich in der Erforschung der Geheimnisse des Geschlechts. Welchen Stoff hat in diesem selben Jahre (1849) das Konzil von Paris um und um gewühlt und tief ergründet? Einen einzigen: die unbefleckte Empfängnis. – Man darf den Priester nicht bei den Wissenschaften oder der Schriftstellerei suchen; er ist im Beichtstuhl, darin hat er sich verloren. Was soll aus einem armen Manne werden, zu dem alle Tage Dutzende von Frauen kommen und ihm die Geheimnisse ihres Herzens und ihres Nettes erzählen? Die heiligen Mysterien der Natur, die unter Gottes freiem Himmel oder unter den ernsten Augen der Wissenschaft den Geist größer machen, schwächen und entnerven ihn, wenn mein sie so im Halbdunkel sinnlicher Geständnisse beschleicht. Die fieberhafte Erregung, der beginnende Genuß, dem man mehr oder weniger ausweicht, der aber immer wieder beginnt, machen den Mann rettungslos unfruchtbar (ich empfehle diesen wichtigen Gegenstand dem Philosophen und dem Arzte). Er kann die kleinen Fähigkeiten zur Intrige und zur Ränke behalten, aber die großen männlichen Eigenschaften, besonders die Erfindungsgabe, entwickeln sich niemals in diesem krankhaften Zustande; sie erfordern ein gesundes, natürliches, rechtmäßiges und ehrliches Leben. Besonders in den letzten hundertfünfzig Jahren, seitdem das »Heilige Herz« unter seinem zweideutigen Schleier dieses verhängnisvolle Spiel so bequem gemacht hat, hat sich der Priester dabei entnervt und nichts mehr geleistet; er ist Eunuch geblieben in den Wissenschaften. . Die Haushälterin ist sein Alltagsleben, seine Prosa, das Beichtkind ist seine Poesie, mit ihm hat er die innigen und tiefen, die Beziehungen des Herzens.

Und diese Beziehungen sind nirgendwo stärker als im Westen.

An unseren Nordgrenzen, in allen den Durchzugsgegenden, wo die Truppen gehen und kommen, die einen Hauch des Krieges atmen, ist der Soldat, der Offizier das Ideal der Frau. Das Achselstück ist fast unwiderstehlich.

Im Süden und besonders im Westen ist das Ideal der Frau, wenigstens der Bäuerin, der Priester.

Besonders in der Bretagne mußte der Priester gefallen und herrschen. Als Bauernsohn steht er durch seine Herkunft auf der gleichen Stufe wie die Bäuerin, seine Sprache und sein Denken ist das gleiche; vermöge seiner Bildung steht er über ihr, aber nicht allzusehr über ihr. Wäre er gebildeter, höher stehender, als er es ist, so genösse er weniger Ansehen. Die Nachbarschaft und bisweilen die Familie tragen ebenfalls dazu bei, Beziehungen zwischen ihnen zu schaffen. Sie hat diesen Pfarrer als Kind gekannt, hat mit ihm gespielt; sie hat ihn aufwachsen gesehen. Er ist wie ein junger Bruder, dem sie gern ihren Kummer erzählt, besonders den tiefsten Kummer, den es für eine Frau gibt: wie die Ehe nicht immer eine Ehe ist, wie noch die Glücklichste des Trostes bedarf und die Geliebteste der Liebe.

Wenn die Ehe die Vereinigung der Seelen ist, so war der Beichtvater der wahre Gatte. Die geistige Ehe war sehr stark, besonders da, wo sie rein war. Der Priester wurde oft leidenschaftlich geliebt, mit einer Hingabe, einem Feuer, einer Eifersucht, die man wenig verbarg. Diese Gefühle brachen im Juni 1791 mit äußerster Gewalt hervor, als man, nachdem der König von Varennes zurückgebracht worden war, an das Bestehen einer großen Verschwörung im Westen glaubte und mehrere Departementsdirektoren es auf sich nahmen, Priester ins Gefängnis zu setzen. Sie wurden im September wieder freigelassen, als der König die Verfassung beschwor. Aber im November wurden alle die gemaßregelt, die den Eid verweigerten. Die Nationalversammlung ermächtigte die Direktoren, aus jeder Gemeinde, wo religiöse Unruhen ausbrachen, die widerspenstigen Priester zu entfernen.

Diese Maßregel war nicht nur durch die Gewalttätigkeiten begründet, deren Gegenstand die verfassungstreuen Priester überall waren, sondern auch durch eine politische und finanzielle Notwendigkeit. Die Losung, die alle diese Priester von ihren kirchlichen Oberen empfangen hatten, und der sie treu folgten, war, wie wir gesagt haben, die Revolution auszuhungern. Sie machten die Erhebung der Steuer unmöglich. Diese wurde in der Bretagne ein so gefährliches Unterfangen, daß sich niemand daran wagte. Die Exekutoren, die Gemeindebeamte waren in Lebensgefahr. Die Nationalversammlung war gezwungen, das Dekret vom 27. November 1791 bekannt zu geben, welches die widerspenstigen Priester in die Hauptorte schickte, sie von ihrer Gemeinde, dem Felde ihrer Tätigkeit, dem Herd des Fanatismus und des Aufstandes, wo sie das Feuer anfachten, entfernte. Es versetzte sie in die große Stadt, unter die Augen, unter die unausgesetzte Überwachung der patriotischen Vereine.

Es ist unmöglich, zu schildern, welchen Unwillen dieses Dekret hervorrief. Die Frauen erfüllten die Luft mit ihrem Geschrei. Das Gesetz hatte an das Zölibat des Priesters geglaubt; es hatte ihn wie ein alleinstehendes Individuum behandelt, das leichter versetzt werden kann als ein Familienvater. Haftet denn der Priester, der Geistesmensch, an der Scholle, an den Menschen? Ist nicht er vorzugsweise beweglich, wie der Geist, dessen Diener er ist? Alle diese Fragen verneinten sie und klagten sich selbst an. In dem Augenblick, wo das Gesetz den Priester aus seinem Lande wegnahm, nahm man die starken Wurzeln wahr, mit denen er in eben diesem Lande hastete; sie bluteten und knirschten.

»Oh weh! So weit wird er fortgebracht, in den Hauptort geschleppt, zwölf, fünfzehn, zwanzig Meilen vom Dorf!« Man weinte über diese ferne Verbannung. Bei der äußersten Langsamkeit, mit der man früher reiste, wo man zwei Tage brauchte, um eine solche Entfernung zu überwinden, war die Trauer noch größer. Der Hauptort, das war das Ende der Welt, Wenn man eine solche Reise tat, machte man sein Testament, brachte man sein Gewissen ins reine.

Wer kann die jammervollen Szenen schildern, die sich bei diesen erzwungenen Abreisen abspielten. Das ganze Dorf war versammelt, die Frauen lagen auf den Knieen, um noch einmal den Segen zu empfangen, von Tränen feucht und von Schluchzen erstickt. Das weinte Tag und Nacht. Wenn der Gatte sich ein bißchen darüber wunderte, dann weinte sie beileibe nicht um die Verbannung des Pfarrers, sondern weil man die und die Kirche verlausen wollte, weil man das und das Kloster schließen wollte. Im Frühling des Jahres 1792 entschied die finanzielle Not der Revolution endlich über den Verkauf der Kirchen, die nicht unentbehrlich waren für den Gottesdienst, und über den der Männer- und Frauenklöster. Ein Brief eines emigrierten Bischofs, aus Salisbury datiert und an die Ursulinerinnen von Landerneau gerichtet, wurde aufgefangen und bewies unwiderleglich, daß das Zentrum und der Herd jeder royalistischen Intrigen in diesen Klöstern lag. Die Nonnen versäumten nichts, um ihrer Austreibung eine dramatische Wirkung zu geben; sie klammerten sich fest an die Gitter und wollten nicht hinaus, so daß die Gemeindebeamten, die selbst dem Gesetz gehorchen mußten und für seine Ausführung verantwortlich waren, schließlich ihre Hände von den Gittern losrissen.

Solche Szenen, die erzählt, wiederholt und mit pathetischen Ausschmückungen überladen wurden, verwirrten alle Geister. Die Männer begannen, fast ebenso sehr wie die Frauen in Erregung zu geraten. Ein erstaunlicher und höchst plötzlicher Wechsel! Noch im Jahre 1788 lag der Bauer wegen des Zehnten mit der Kirche im Kampf und war immer in Versuchung, gegen sie zu streiten. Wer hatte ihn denn so völlig und so schnell mit dem Priester ausgesöhnt? Die Revolution selbst, durch die Abschaffung des Zehnten. Durch diese mehr edelmütige als politisch kluge Maßregel gab sie dem Priester seinen Einfluß auf dem Lande wieder. Wenn der Zehnte fortgedauert hatte, hätte der Bauer seiner Frau nicht nachgegeben, hatte nicht die Waffen ergriffen gegen die Revolution.

Die widerspenstigen Priester, die im Hauptort beisammen waren, kannten vollkommen diese Stimmung auf dem Lande, den tiefen Schmerz der Frauen, den finsteren Unwillen der Männer. Daraus schöpften sie große Hoffnung und unternahmen es, dem König davon Mitteilung zu machen. In einer Menge von Briefen, die sie ihm im Frühjahr 1792 schreiben oder schreiben lassen, ermutigen sie ihn, standzuhalten, keine Furcht vor der Revolution zu haben, sie durch verfassungsmäßigen Einspruch, durch das Veto, unwirksam zu machen. Man predigt ihm den Widerstand in allen Tonarten, mit den verschiedensten Begründungen und unter dem Namen der verschiedensten Persönlichkeiten. Bald sind es Briefe von Bischöfen, in Bossuetschen Phrasen geschrieben: »Sire, Sie sind der allerchristlichste König. Denken Sie an Ihre Ahnherrn! Wie hätte der heilige Ludwig gehandelt?« Und so weiter. Bald sind die Briefe von Nonnen geschrieben oder in ihrem Namen, Briefe voller Seufzer. Diese klagenden Tauben, die aus ihrem Nest gerissen sind, bitten den König um die Befugnis, darin bleiben und sterben zu können. Mit anderen Worten, sie wollen, daß der König die Ausführung der Gesetze über den Verkauf der Kirchengüter zum Stillstand bringt. Die Nonnen aus Rennes gestehen, daß der Gemeinderat ihnen ein anderes Haus anbietet; aber es ist nicht das ihrige, und sie wollen niemals ein anderes.

Die verwegensten und merkwürdigsten Briefe stammen von den Priestern: »Sire, Sie sind ein gottesfürchtiger Mann, wir wissen es wohl! Sie werden tun, was Sie können. Doch, damit Sie es wissen, das Volk ist der Revolution überdrüssig. Sein Geist hat sich gewandelt, sein frommer Eifer ist zurückgekehrt; die Sakramente werden heiß begehrt. Den Chansons sind wieder die Choräle gefolgt. Das Volk ist mit uns.«

Ein schrecklicher Brief dieser Art, der den König [ * ] Diese Briefe (die im Nationalarchiv, Eisenschrank Nr. 37, Akten des Prozesses Ludwigs XVI. aufbewahrt werden) enthalten einen mildernden Umstand für den schwankenden, ängstlichen Mann, dessen Geist sie foltern mußten. täuschen, ihn kühn machen und seinem Sturze zutreiben mußte, ist der von den in Angers vereinigten widerspenstigen Priestern (9. Februar 1792). Er kann als Grundakte des Aufstandes in der Vendée gelten, er kündet ihn an und sagt ihn frech voraus. Man redet da eine laute und feste Sprache, als habe man den Bauernaufstand als verfügbare Waffe in der Hand. Dieses blutige Blatt scheint von der Hand, von dem Dolche Berniers herzurühren, eines jungen Pfarrers in Angers, der mehr als irgendein anderer den Vendeer Aufstand nährte, ihn mit Verbrechen schändete, ihn in eigenem Interesse ausbeutete und durch seinen Ehrgeiz in Zwiespalt trieb.

»Man behauptet, daß wir die Bevölkerung aufwiegeln? Aber das Gegenteil ist richtig. Was sollte aus dem Königtum werden, wenn wir das Volk nicht zurückhielten? Ihr Thron würde sich nur noch auf einen Haufen Leichen und Ruinen stützen. Sie wissen, Sire, Sie wissen nur allzugut, was ein Volk vermag, solange es patriotisch ist. Aber Sie wissen nicht, wozu ein Volk fähig ist, das sich seines Gottesdienstes, seiner Kirchen und Altäre beraubt sieht.«

In diesem verwegenen Briefe steht ein bemerkenswertes Geständnis. Man sieht, wie der Priester zu allem bereit ist, man hört seinen letzten Schrei vor dem Bürgerkriege. Er zögert nicht, den geheimen und liefen Grund seiner Verzweiflung aufzudecken, das heißt: den Schmerz, von denen getrennt zu sein, die er leitet: »Man wagt, diese Bande, die die Kirche nicht nur erlaubt, sondern sogar befiehlt, zu zerbrechen,« usw.

Diese Propheten des Bürgerkrieges waren ihrer Sache sicher, sie liefen geringe Gefahr, sich zu irren, wenn sie voraussagten, was sie selbst ins Werk setzten. Die Priesterfrauen, Haushälterinnen und andere erhoben sich zuerst und mit einem Eifer, den sie für die Ehe nicht gehabt hätten, gegen die bürgerlichen Geistlichen. In Saint-Servan, nahe bei Saint-Malo, gab es eine Art Frauenaufstand. Im Elsaß läutete die Haushälterin eines Geistlichen zuerst die Sturmglocke, um über die Priester herzufallen, die den Bürgereid geleistet hatten. Die Bretonischen läuteten nicht Sturm, sie prügelten; sie drangen in die Kirche, mit ihren Besen bewaffnet, und schlugen den Priester am Altar. Noch sicherer trafen die Hiebe, welche die Nonnen niedersausen ließen. Die Ursulinerinnen, in ihren harmlosen Mädchenschulen, setzten den Krieg der Kohlbauern in Szene. Die »Töchter der Weisheit«, deren Mutterhaus in Saint-Laurent, nahe bei Montaigu, stand, schürten das Feuer; diese guten Krankenwärterinnen stachelten die Wut auf in den Kranken, die sie pflegten. [ * ] Am 20. Februar 1790 wurden die Gelübde und die Klosterorden beiderlei Geschlechts aufgehoben; doch versäumte es die Versammlung, auch die Ordensgesellschaften aufzulösen, die sich dem öffentlichen Unterricht und der Krankenpflege widmeten. Diese wurden erst am 1. August 1792 nach dem Sturm auf die Tuilerien abgeschafft. – Die Schwestern des Ordens La Sagesse dienten den Priestern als Emissärinnen und waren eifrigst tätig, den Aufstand zu schüren. R. K.

»Laßt sie nur machen,« sagten die Philosophen, die Freunde der Duldsamkeit; »laßt sie weinen und schreien, laßt sie ihre alten Choräle singen. Ist denn all das ein Unglück?« »Ja, aber kommen Sie heute abend mit mir in die Dorfkirche, in die sich das Volk in Masse drängt. Hören Sie diese Lieder? Erbeben Sie nicht? Die Litaneien, die Hymnen auf die alten Worte, werden durch eine neue Melodie zu einer zweiten Marseillaise. Und ist dieses mit Wut geheulte Dies irae etwas anderes als ein Gebet um Mord, als ein Ruf nach dem ewigen Feuer?«

»Laßt sie in Frieden,« sagte man, »sie singen, aber handeln nicht.« Indessen sah man bereits große Massen in Bewegung geraten. Im Elsaß versammelten sich achttausend Bauern, um zu verhindern, daß Siegel an ein Kirchengut gelegt wurden. Man meinte, diese guten Leute hätten in Wirklichkeit keine Waffen außer ihrem Rosenkranz. Aber abends trugen sie andere, wenn der verfassungstreue Pfarrer zu Hause Steine in die Fensterscheiben bekam, und wenn manchmal die Kugel den Laden durchlöcherte.

Nicht mit kleinlichen Schlichen und ängstlich gehüteten, indirekten Ränken trieb man die Massen in den Bürgerkrieg. Man wandte frech die gröbsten Mittel an, um Verwirrung in den Köpfen zu stiften, um sie mit Fanatismus trunken zu machen; man stachelte sie zu Morden und peitschte sie auf Irrwege. Die gütige Jungfrau Maria erschien und wollte, daß man tötete. In Apt, in Avignon regte sie sich, tat Wunder und erklärte, daß sie nicht mehr in den Händen der Verfassungsfreunde bleiben wollte, und die Widerspenstigen nahmen sie mit fort, um den Preis eines erbitterten Kampfes. Aber die Provence ist zu sonnig; die Jungfrau erschien lieber in der nebeligen Vendée, in ihren dichten Dickichten, den undurchdringlichen Hecken. Sie machte sich den alten, örtlichen Aberglauben zunutze; sie zeigte sich an drei verschiedenen Orten und immer in der Nahe einer alten druidischen Eiche. Ihr Lieblingsort war Saint-Laurent, von wo die »Töchter der Weisheit« die Wunder ausstreuten und den Aufruf zum Blutvergießen.

Diese gewaltsame und unmittelbare Vorbereitung des Bürgerkrieges, das tiefe Einverständnis der Frauen mit den Priestern, der Priester mit dem König, des Königs (was damals vermutet wurde und seither erwiesen ist) mit den Feinden Frankreichs, deren Heere er von 1791 an herbeirief, all das, sage ich, hatte seine Folgen. Die verfassungstreuen Royalisten, die geglaubt hatten, die Freiheit und das Königtum versöhnen und den alten Gottesdienst schonen zu können, sahen sich durch den König selbst und die Geistlichkeit grausam ins Unrecht gesetzt; sie wurden vernichtet und machten den Girondisten Platz, die das Königtum töteten, dann den Montagnards, die den König töteten, aber gerade durch diese Tat in der Empfindung des Volkes und im Herzen der Frauen das furchtbarste Werkzeug der Gegenrevolution erschufen: die Legende von Ludwig XVI.


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