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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Die Verehrung der Frauen für Robespierre

Man kann erstaunt darüber sein, daß ein Mann von so strengem Äußern wie Robespierre, ein Mensch, der in freiwilliger Armut lebte, dessen Kleidung sorgfältig gepflegt, aber einförmig und mittelmäßig, dessen Einfachheit wohl berechnet war, von den Frauen so geliebt und gesucht wurde.

Darauf gibt es nur eine Antwort, und die enthält das ganze Geheimnis der Verehrung, deren Gegenstand er war: er flößte Vertrauen ein.

Die Frauen hassen ernstes und würdiges Aussehen durchaus nicht. Da sie so oft Opfer des Leichtsinns der Männer sind, so nähern sie sich gern dem, bei dem sie sich sicher fühlen. Sie vermuten instinktiv, daß ein ernster Mann im allgemeinen einer geliebten Frau sein Herz besser bewahren wird.

Ihnen ist das Herz alles. Zu Unrecht nimmt man in der Gesellschaft an, daß sie ein Bedürfnis nach Vergnügen haben. Die gefühlvolle Rhetorik Robespierres mochte bisweilen langweilig sein; er brauchte nur zu sagen: »Der Reiz der Tugend, die sanften Lehren der Mutterliebe, ein heiliges süßes Vertrautsein, die Empfänglichkeit meines Herzens« und andere solche Phrasen, so waren die Frauen gerührt. Dazu kam, daß unter diesen Allgemeinheiten immer eine individuelle, noch gefühlvollere Stelle war, die gewöhnlich von ihm selbst handelte, von den Mühen seiner schwierigen Laufbahn, von seinen persönlichen Leiden; all das kehrte in jeder Rede mit solcher Regelmäßigkeit wieder, daß man diese Stelle erwartete und die Taschentücher bereit hielt. Wenn dann die Rührung begonnen hatte, dann kam mit der einen oder anderen Abänderung der bekannte Satz über die Gefahren, in denen er schwebte, über den Haß seiner Feinde, über die Tränen, mit denen man eines Tages die Asche der Märtyrer der Freiheit benetzen würde. Aber wenn er soweit gekommen war, so wurde es zuviel, das Herz floß über, sie hielten nicht mehr an sich und brachen in Schluchzen aus.

Dabei kam Robespierre sein fahles und trübes Gesicht sehr zu statten, das schon im voraus bei empfindsamen Herzen für ihn sprach. Mit den Bruchstücken aus »Émile« oder dem »Gesellschaftsvertrag« im Munde sah er auf der Tribüne wie ein trauriger Bastard Rousseaus aus. Seine blinzelnden, beweglichen Augen durchliefen unaufhörlich den ganzen Saal, drangen in die schlecht erleuchteten Ecken und erhoben sich oft zu den Galerien, auf denen die Frauen saßen. Dabei handhabte er mit Ernst und Geschick zwei Brillen, die eine für nahe Gegenstände und zum Lesen, die andere, um weit zu sehen, als suche er einen bestimmten Menschen. Jeder sagte sich dann: »Er meint mich!«

Die lebhafte Teilnahme der Frauen kam besonders zum Durchbruch, als er gegen Ende 1792, während seines Kampfes gegen die Gironde, den Jakobinern erklärte, er würde sich, wenn die Intriganten verschwunden wären, selbst aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, der Tribüne fern bleiben und nur noch dem Wunsche leben, »seine Tage in den Wonnen einer heiligen, zarten, innigen Freundschaft zu verbringen«. Da kamen von den Tribünen herab die Rufe zahlreicher Frauen: »Wir wollen Ihnen folgen! Wir wollen Ihnen folgen!«

Diese übertriebene Vorliebe enthielt, wenn man die Lächerlichkeiten der Person und der Zeit außer acht läßt, etwas sehr Achtbares. Sie folgten mit ganzem Herzen dem Manne, der die würdigsten Sitten, den höchsten Idealismus besaß, dessen Rechtschaffenheit aufs beste erprobt war, der sich ebenso geschickt wie mutig in dieser Zeit zum Verteidiger der religiösen Ideen aufwarf und es im Dezember 1792 wagte, der Vorsehung für das Heil des Vaterlandes zu danken.


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