Eduard Mörike
Maler Nolten
Eduard Mörike

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Indessen hatte Larkens das ihm übergebene Briefchen Agnesens geöffnet und gelesen; es war ein einfacher Gruß, wobei sie Theobalden aufs lebhafteste dankt für sein letztes Schreiben, welches jedoch, die Wahrheit zu sagen, von ganz anderer Hand, und, wie so manche frühere Sendung, bloß unterschoben war.

»Du bittest mich«, sagte Larkens nach einer Pause gerührten Nachdenkens vor sich hin, »du bittest mich, armer Freund, ich soll das Blättchen bei mir vergraben, soll den Knoten zerhauen, soll deine ganze verleidete Sache über Hals und Kopf der Vergessenheit überliefern, und so alles mit einem Male gutmachen. Ich will gutmachen, aber auf ganz andere Art als du denkst, und Gott sei Dank, daß mir nicht jetzt erst einfällt, diese Sorge auf mich zu nehmen. Wie preis ich den Genius, der mir gleich anfangs das Mittel eingab, dem guten Kinde deinen Wankelmut zu verbergen, ihm durch eine leichte Täuschung allen Schmerz, alle Angst zu ersparen, und, wenigstens solange sich noch Heilung für den Verblendeten hoffen läßt, das holde Geschöpf im schönen Traum seiner Liebe zu lassen. Aus einem Verhältnisse zu der Gräfin kann offenbar nichts werden, tausend Umstände sind dagegen; Constanze selber, wie ich sie kenne, hat nicht den entfernten Gedanken an so etwas, kann ihn gar nicht haben. Theobald wird müssen seiner Leidenschaft entsagen lernen, ich seh alles voraus, es wird tief bei ihm einschneiden – schad't nichts, das soll mir ihn zu sich selbst bringen, soll mir ihn weich machen für Agnes; er wird dem Himmel danken, wenn ihm das weggeworfene Kleinod erhalten blieb. Für jetzt wär's Unsinn, ihm die Gräfin gewaltsam vom Herzen reißen zu wollen; ich hoffe, es ist nur ein Übergang, und ich müßt ihn schlecht kennen, oder es kann ihm in die Länge selbst nicht schmecken. Auf jeden Fall läßt er mich ja an allem teilnehmen, was etwa mit ihm und Constanzen vorgeht, und Larkens ist bei der Hand, wenn Feuer im Dach auskommen sollte; überdies will ich meinen Leuten so genau aufpassen, daß mir nichts in die Quere laufen soll. Das erste ist nun, ich muß wissen, was an dem Märchen mit Agnes ist; gewiß irgendeine verleumderische Teufelei, und mein vortrefflichster Nolten hat in der blinden Hitze einmal wieder danebengeschossen; ich lasse mich rädern, das ist's. – Hm! freilich, hätt ich nur ein einzig Mal das Mädel mit diesen meinen Augen gesehen! aber so, was bürgt mir für sie? Man hat Beispiele, daß so ein Engelchen auch einmal einen schlechten Streich macht, oder, was bei ihnen geradesoviel ist, einen dummen. Nein, zum Henker, ich kann's wieder nicht denken! Sind mir ihre Briefe nicht Zeugnis genug? So schreibt doch wahrlich keine Galgenfeder! Und gesetzt, sie hätt einmal ein paar Tage einen Wurm im Kopf gehabt und ein bissel nebenaus geschielt, etwas Gift mag so was immer ansetzen beim Liebhaber, doch im ganzen was tut's? Ein verdammter Egoismus, daß wir Männer uns alles lieber verzeihen, als so einem lieben Närrchen; eben als hätten wir allein das Privilegium, uns zuweilen vom Leibhaftigen den Pelz ein wenig streicheln zu lassen, ohne ihn just zu verbrennen. Wetter! diese frommen Hexchen haben so gut Fleisch und Blut wie unsereiner, und der nächste Blick auf die Person des Alleinzigen wirft den Hundertstels-Gedanken von Untreue und das gewagteste Luftschloß wieder übern Haufen; dann gibt es nichts pikanter Wollüstiges für so eine süße Krabbe, als die Tränchen, womit sie gleich drauf die Verirrung ihrer Phantasie am bärtigen Halse des Liebsten unter tausend Küssen stillschweigend abbüßet. Aber auch nicht einmal dieser leichten Seitensprünge halt ich Agnesen fähig; wenigstens wär mir leid um das goldreine Christengelsbild, das ich mir so nach und nach von dem Mädchen konstruierte. Mord und Tod! daß man doch gar, gar nichts in der Welt soll denken können, wobei einem der alte Verderber nicht wieder ein Eselsohr drehte! Ich möcht mich in Stücke reißen vor Wut! nicht um meinetwillen – für mich ist nichts mehr zu verlieren: nein, nur um Noltens willen, der so ehrlich, gut knabenartig sein Ideal in einer Dorflaube salviert glaubte und nun eben auch in faule Äpfel beißen soll. So geht's – ei, und am Ende haben wir's all nicht besser verdient. Aber laß sehen, es fragt sich ja immer noch – Verflucht! was doch das Mißtrauen ansteckt! Stand nicht bis den Augenblick mein Glaube an das Mädchen fest wie ein Fels? und, sachte beim Licht besehn, steht er noch wie vor. So laß mich denn meine Maschinen getrost fortspielen! meine Maskenkorrespondenz mit dem Liebchen mag dauern solang sich's tut. Bin ich durch diese sechs Monat lange Übung im Stil der Liebe, im Ausdruck und individueller Gedankenweise nicht so ganz und gar zum andern Nolten geworden, daß ich fast fürchten muß, das Mädchen, wenn heut oder morgen der Spuk an Tag käme, könnte sich in mich verlieben? was denn ceteris paribus auch so übel nicht wäre. Doch, soviel ist gewiß, ich glaube für hundert galante Schurkereien, wozu ich ehedem meine gewandte Handschrift mißbrauchte, mir hinlängliche Absolution dadurch erworben zu haben, daß ich die Kunst, ehrlichen Leuten ihre Züge abzustehlen, endlich einmal für einen guten Zweck nütze. Du liebes betrogenes Kind! und hast du denn niemals beim innigen vertieften Anschaun meiner Lügenschrift etwas Unheimliches verspürt, wenn du das Blatt mit dankbarem Entzücken an deine Lippen drücktest? hat nicht der Engel deiner Liebe dir zugeflüstert: halt, eine fremde Hand schiebt der des Geliebten sich unter? Nein doch! dein Schutzengel wird sich ja eher mit mir verschwören, als daß er dich mit der unzeitigen Wahrheit betrüben sollte, die dir zugleich den Geliebten raubt! Immerhin also laß mich gewähren. Und hat es mir zeither an Vorwänden nicht gefehlt, dich über das immer verschobene Wiedersehn deines Theobalds und die langentbehrte Umarmung zu trösten, so wird es mir, denk ich, noch gelingen, dir ihn bald als einen völlig Neuen entgegenzuführen, und du wirst nicht einmal wissen, daß es ein strafwürdiger, aber bekehrter Flüchtling ist, der zu deinen Füßen weint.«

Dies war so ziemlich das bald leise, bald laute Selbstgespräch Larkens'. Indem wir es wiederzugeben suchten, weihten wir den Leser in das Geheimnis ein, das ihm gegenwärtig vor allem am Herzen lag. Es versteht sich von selbst, daß er gleich beim Beginn seines wunderlichen Briefwechsels mit Agnes alle Vorsicht gebrauchte und jene namentlich unter irgendeinem Vorwand aufforderte, ihre Briefe immer unter der Larkensschen Adresse laufen zu lassen. Dies geschah indessen auch pflichtlich, nur das letzte Billett machte eine Ausnahme, weil Agnes die Gelegenheit durch die Freunde ohne Umschweif nützen zu können meinte, und so war das Papier wirklich zu anfangs nicht geringem Schrecken des heimlichen Korrespondenten in die Hände desjenigen gelangt, für den es am wenigsten gehörte, und dem sein Inhalt das ganze hübsche Gewebe hätte verraten müssen. Eine geschärfte Instruktion für die Briefstellerin war die einzige Folge dieser glücklich abgeleiteten Gefahr, aber einen weit wichtigern Grund, ungesäumt an Agnes, sowie auch an den Förster, zu schreiben, fand Larkens in der Ungewißheit über die bewußte Ehrensache. Er setzte sich noch in dieser Stunde nieder, doch mit dem Vorsatze, seine Sorge nur so gelinde als möglich reden zu lassen, und seine Erkundigungen ganz im Allgemeinen zu halten, damit nicht etwa ein Verstoß gegen frühere Verhandlungen, die ihm unbekannt waren, zum Vorschein komme.

 

Um aber die Stellung Noltens gegen die Braut ganz anschaulich zu machen, müssen wir in der Zeit etwas zurückschreiten und Folgendes erzählen.

Das Verhältnis der Verlobten stand in der wünschenswertesten Blüte, als Agnes durch eine heftige Nervenkrankheit dem Tode nahe gebracht war. Der kritische Zeitpunkt ging indessen gegen Erwartung glücklich vorüber, und mehrere Wochen verstrichen, ohne daß es mit der allmählichen Genesung des Mädchens irgendeinen auffallenden Anstoß gegeben hätte. Jetzt aber konnte es dem Vater, und wer ihn sonst besuchen mochte, nimmer entgehen, daß mit der Tochter eine Veränderung, und zwar eine sehr bedeutende, vorgegangen sei. Offenbar war sie tief am Gemüte angegriffen, auch körperlich bemerkte man die sonderbarste Reizbarkeit an ihr; im ganzen war sie sanft, meist niedergeschlagen, zuweilen ungewöhnlich heiter und gegen ihr sonstiges Wesen zu allerlei Possen geneigt. Oft machte sie ihrem Herzen durch heftige Tränen Luft, brach in Klagen aus um den entfernten Geliebten, den sie mit Sehnsucht zu sich wünschte. Zugleich äußerte sie eine leidenschaftliche Liebe zur Musik, verlangte nichts so sehr als irgendein Instrument spielen zu können, und setzte jedesmal hinzu, sie wünsche dies nur um Noltens willen, damit er künftig doch wenigstens ein Vergnügen von ihr haben möge. »Ich bin ein gar zu bäurisches einfältiges Geschöpf, und solch ein Mann! O werden wir denn auch jemals füreinander taugen?« Und wollte man sie nun beruhigen, setzte der Vater den schlichten treuen Sinn des Bräutigams recht faßlich auseinander, so konnte sie nur um desto heftiger ausrufen: »Das ist eben der Jammer, daß er sich selber so betrügt! ihr alle betrügt euch, und ich mich selbst in mancher törichten Viertelstunde. Meint ihr denn, wie er im vorigen Herbste da war, ich hätte nicht gemerkt, daß er oft Langeweile bei mir hatte, daß ihn etwas beengte, stocken machte? Seht, wenn er bei mir saß, mir seine Hand hinhielt und ich verstummte, nichts in der Welt begehrte, als ihm nur immer in die Augen zu sehn, dann lächelt' er wohl – ach, und wie lieb, wie treulich! nein, das macht ihm kein anderer nach! Und hab ich dann nicht oft, mitten in der hellen Freude, bestürzt mich weggewandt und das Gesicht mit beiden Händen zugedeckt, geweint und ihm verhehlt, was eben an mich kam? – ach, denn ich fürchtete, er könnte mir im stillen rechtgeben, ich wollt ihm nicht selber draufhelfen, wie ungleich wir uns seien, wie übel er im Grunde mit mir beraten sei.« So fuhr sie eine Zeitlang fort und endete zuletzt mit bittern Tränen; dann konnte es geschehn, daß sie sich schnell zusammennahm, gleichsam gegen den Strom ihres Gefühls zu schwimmen strebte, und mit dem Ton des liebenswürdigsten Stolzes fing das schöne Kind nun an, sich zu rechtfertigen, sich zu vergleichen; die blasse Wange färbte sich ein wenig, ihr Auge leuchtete, es war der rührendste Streit von leidender Demut und edlem Selbstbewußtsein.

Diese sonderbare Unzufriedenheit, ja dies Verzweifeln an allem eigenen Werte fiel desto stärker auf, da Theobald in der Tat nicht die geringste Ursache zu dergleichen gegeben, man auch früher kaum die Spur von einer solchen Ängstlichkeit an ihr entdeckte. Jetzt ward es freilich aus manchen ihrer Äußerungen klar, daß sie schon in gesunden Tagen diese Sorge heimlich genährt und wieder unterdrückt hatte, daß ein krankes Gefühl, das von jenem Nervenübel bei ihr zurückgeblieben war, sich mit Gewalt auf den verletzbarsten Teil des zarten Gemütes geworfen haben müsse.

Damit wir jedoch sogleich über das Ganze ein hinreichendes Licht verbreiten, sind wir die Erzählung einer Tatsache schuldig, welche jenen Symptomen von Schwermut vorausging, und wodurch das, was vielleicht nur vorübergehende Grille war, eine weit schwierigere Gestalt annahm.

Zwei Wochen, nachdem Agnes vom Krankenlager freigesprochen war, hatte sie vom Arzte die Erlaubnis erhalten, zum erstenmal wieder die freie Luft zu kosten. Es war an jenem Tage eben ein weitläuftiger Verwandter, dessen eigentliche Bekanntschaft man jetzt erst machte, im Hause gegenwärtig; der junge Mann war seit kurzem in der benachbarten Stadt bei der Landesvermessung angestellt und bei dem Förster ein um so willkommnerer Gast, als er neben einem angenehmen Äußern manches schöne gesellige Talent bewies. Man speiste fröhlich zu Mittag und Agnes durfte den Vetter Otto nach Tisch beim wärmsten Sonnenschein eine Strecke gegen die Stadt hin begleiten. Das Mädchen, wie neugeboren unterm offenen Himmel, genoß ganz das erhebende Vergnügen neugeschenkter Gesundheit, das sich mit nichts vergleichen läßt; sie sprach wenig, eine stille, gegen Gott gewendete Freude schien ihr den Mund zu verschließen und ihren Fuß im leichten Gang vom Boden aufzuheben; ihr war, als sei ihr Inneres nur Licht und Sonne; ein deutliches Gefühl von körperlicher Kraft schien sich mit einem kleinen Rest von Schwäche angenehm bei ihr zu mischen; sie kehrte früher um und nahm Abschied von Otto, damit sie völlig ungestört sich dem Überflusse des Entzückens und des Dankens hingeben könne.

Ihr Weg führte sie durch ein Birkenwäldchen, bei dessen letzten Büschen sie eine Zigeunerin allein am Rasen sitzen fand, eine Person von ansprechendem und trotz ihres gesetzten Alters noch immer von jungfräulichem Aussehen. Man grüßt sich, Agnes geht weiter, und hat kaum fünfzehn Schritte zurückgelegt, als sie bereuet, die Unbekannte nicht angeredet zu haben, deren ganzes Wesen und freundlich bedeutender Blick doch sogleich den größten Eindruck auf sie gemacht hatte. Sie besinnt sich, sie lenkt um und eine Unterredung wird angeknüpft. Nach einer Weile, während der man gleichgültige Dinge gesprochen, pflückt das braune Mädchen gleichsam spielend einige Gräser, knüpft sie in eine regelmäßige Figur zusammen, löst sodann kopfschüttelnd den einen oder andern Knoten wieder auf und sagt: »Setzt Euch zu mir. – Der Herr, dem Ihr da vorhin ausgefolgt, ist Euer Schatz zwar nicht, doch denkt an mich, er wird es werden.«

Agnes, obgleich etwas betreten, scherzt anfangs über eine so unglaubliche Prophezeiung, verwickelt sich aber immer angelegentlicher und hastiger ins Gespräch, und da die Äußerungen und Fragen der Fremden eine ganz unbegreifliche Bekanntschaft mit den eigentlichen Verhältnissen der Braut vorauszusetzen scheinen, so kommt sie den Worten der Zigeunerin unvermerkt entgegen. Das gutmütige Benehmen derselben entfernt zugleich fast jedes Mißtrauen bei Agnesen. Wie schmerzhaft aber und wie unvermutet wird ihr geheimstes Herz mit einem Male aufgedeckt, da sie aus jenem ahnungsvollen Munde unter andern die Worte vernimmt: »Was Euern jetzigen Verlobten anbelangt, so wär es grausam Unrecht, Euch zu verbergen, daß ihr auch allerdings nicht geboren seid füreinander. Seht hier die schiefe Linie! das ist verwünscht; stimmt doch das Ganze sonst gar hübsch zusammen! Aber die Geister necken sich und machen Krieg mit den Herzen, die freilich jetzt noch fest zusammenhalten. Ei närrisch, närrisch! mir kam so was noch wenig vor.«

Agnes fand Sinn in diesen dunkeln Reden, denn sie erklärten ihr nur ihre eigene Furcht. »Wie?« sagte sie leise und starrte lange denkend in den Schoß, »so ist's – so ist's! ja Ihr habt recht.«

»Nicht ich, mein Töchterchen, nur Stern und Gras behalten recht. Vergib, daß ich die Wahrheit sagte; aber Wermut kann auch Arznei sein, und sei versichert, Zeit bringt Rosen.«

Hier stand die Fremde auf. Agnes, im Innern wie gelähmt und an den Gliedern wie gebunden, vermochte kaum sich zu erheben, sie hatte nicht den Mut, die Augen aufzuschlagen, es war ihr leid, daß sie verriet, wie sehr sie sich getroffen fühlte. Und doch, indem sie aufs neue in das Gesicht der Unbekannten sah, glaubte sie etwas unbeschreiblich Hohes, Vertrauenerweckendes, ja Längstbekanntes zu entdecken, in dessen seelenvollem Anblicke der Geist sich von der Last des gegenwärtigen Schmerzens befreie, ja selbst die Angst der Zukunft überwinde.

»Behüt dich Gott, mein Täubchen! und hab immerhin guten Mut. Läßt dich die Liebe mit einer Hand los, so faßt sie dich gleich wieder mit der andern. Und stoße nur dein neues Glück nicht eigensinnig von dir; es ist gefährlich, dem Gestirn Trotz bieten. Nun noch das letzte: bevor ein Jahr um ist, wirst du niemand verraten, was ich dir gesagt; es möchte schlimm ausfallen, hörst du wohl?«

Dies letztere hatte die Zigeunerin mit besonderem Nachdrucke gesprochen. Aufs äußerste ergriffen dankte das Mädchen beim Abschiede und reichte der Fremden ein feines Tuch zum Angedenken hin.

Agnes war allein und vermochte kaum sich selber wiederzuerkennen; sie glaubte einer fremden, entsetzlichen Macht anzugehören, sie hatte etwas erfahren, was sie nicht wissen sollte, sie hatte eine Frucht gekostet, die unreif von dem Baume des Schicksals abgerissen, nur Unheil und Verzweiflung bringen müsse. Ihr Busen stritt mit hundertfältigen Entschlüssen und ihre Phantasie stand im Begriffe, den Rand zu übersteigen. Sie hätte sterben mögen, oder sollte Gott ihrer Neugierde verzeihen und schnell das fürchterliche Bewußtsein jener Worte von ihr nehmen, die sich wie Feuer immer tiefer in ihre Seele gruben, und deren Wahrheit sie nicht umstoßen konnte.


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