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Nach einer Weile kehrte sie allein zurück, ging mit entschiedenem Schritt auf mich zu, den sie gleichfalls aus der Mitte der übrigen hinwegwinkte.
»Ich habe ihm versprochen«, fing sie, da wir weit genug entfernt waren und stillestanden, in ernstem Tone an, »ich hab ihm versprochen, dir zu sagen, daß ich dich hasse wie meinen ärgsten Feind und bis in den Tod. Ich sage dir also dieses. Doch du weißt es anders. Ich sage dir für mich, daß ich dich vielmehr liebe wie meinen liebsten Freund, und das solange ein Atem in mir sein wird. Aber du mußt fort von uns, auch das hab ich ihm gesagt. Mach es kurz, ich darf nicht lange ausbleiben. Küsse mich!«
»Muß ich fort«, antwortete ich, durch das Großartige dieses Augenblicks fast über allen Affekt hinausgehoben, »muß ich fort, und ist es wahr, daß du mich mehr liebest als alles, so laß uns zusammen gehen.«
Sie sah mich staunend an, dann schüttelte sie gedankenvoll das schöne Haupt:
»Loskine!« rief ich, »wolle nur, und was dir unmöglich scheint, soll gewiß möglich gemacht werden. Aber noch eins zuvor beantworte mir: Kannst du Marwins Verlangen nicht gutwillig erfüllen? Kannst du nicht die Seinige werden?«
Sie schwieg. Ich tat dieselbe Frage wieder, worauf sie ein bestimmtes: Nein! ausstieß. Mir fiel ein Berg vom Herzen und zugleich war mein Entschluß gefaßt. Mit Blitzesschnelle ordnete sich ein Plan in meinem Kopfe, dessen Unsicherheit ich freilich sogleich fühlte. Er lief darauf hinaus, daß ich nach meiner unverzüglichen Trennung von ihren Leuten allein bis G*** vorausreisen wolle, dem Städtchen, wo sie, wie ich ja wußte, nächstens auch eintreffen würden. Dort sollte sie sich alsdann von den Ihrigen verlieren, sich unter der Hand und mit kluger Art nach dem angesehensten Gasthaus erkundigen, wo ich mich unfehlbar bereits befinden und alle Anstalten zur schnellen Flucht getroffen haben würde. Loskine hatte meinen Vorschlag kaum vernommen, so entriß sie sich mir eilig, denn wir hörten Geräusch. In einem Gewirre von ängstlich sich durchkreuzenden Gedanken über die Ungewißheit, in welcher ich in mehr als einer Hinsicht mit meinem Plane stand, blieb ich mir selber überlassen. Hat das Mädchen mich verstanden? Werde ich Gelegenheit finden, sie noch einmal darüber zu vernehmen? oder, wenn sie mich gefaßt hat, wird sie sich zu dem Schritte entschließen? ist der letztere überhaupt ausführbar? Diese Zweifel beunruhigten mich nicht wenig, bis mir der glückliche Einfall kam, alles dem Willen des Schicksals anheimzustellen und zuletzt das Glücken oder Mißlingen meiner Absichten als Probe ihrer Güte oder Verwerflichkeit anzusehen. Mit dieser Idee schmeichelte ich mir ordentlich, sowie durch den strengen Vorsatz, Loskinen für jetzt nicht mehr aufzusuchen, mich wenigstens nicht näher mit ihr darüber zu verständigen. Um wieviel bedeutender – dies schwebte im Hintergrund meiner Seele – um wieviel glänzender wird nachher die Erfüllung deiner Erwartungen sein! Aber auch selbst in ihrem Fehlschlagen sah ich einen für mich reizenden Schmerz und eine schöne Entsagung voraus.
Jetzt begab ich mich zu meiner Gesellschaft, zog den Hauptmann beiseite und erklärte ihm die Notwendigkeit meiner Entfernung, die ich ihm durch einen letzten Beweis meiner Erkenntlichkeit um so leichter verschmerzen machte. Er empfing mein immer ansehnliches Geschenk mit einer Miene von Stolz und Freundlichkeit, erbot sich zu einem Ehrengeleite, was ich aber ausschlug, und er versprach, meiner Bitte gemäß, die andern in meinem Namen zu grüßen, da ich aus Schonung für Marwin einen allgemeinen Abschied vermeiden wolle. Im Grunde aber unterließ ich den Abschied aus Schonung für mich selber, aus einem eigenen Schamgefühl, das mich nicht vor den Menschen treten ließ, den ich um seine schönste Hoffnung zu betrügen gedachte. Ich suchte mich damit zu trösten, daß ich mir sagte, er werde um nichts beraubt, das er je besessen hätte oder jemals besitzen könnte, denn Loskinens Herz war weit von ihm entfernt.
In kurzer Zeit befand ich mich wieder allein und in meinen ordentlichen Kleidern. Ich verfolgte zu Pferde mit einem gleichfalls berittenen Begleiter aus dem nächsten Dorfe einen Umweg nach G***, welchen, wie zu vermuten war, der Hauptmann nicht einschlug. Diese Vorsicht gebrauchte ich auf alle Fälle, so wie ich ihm auch die Richtung meiner Reise falsch angab.
In G. langt ich beizeiten an und nahm mein Absteigequartier gemäß dem Loskinen gegebenen Worte. Was meine Absicht weiter fördern konnte ward unverzüglich eingeleitet. Einige neue Kleidungsstücke, vor allem ein anständiger Mantel lag für die Geliebte bereit. Es fand sich ein bequemer verschlossener Wagen, dessen Anblick mich mit abwechselnd glücklichen und bekümmerten Ahnungen erfüllte; doch erhielt sich meine Hoffnung um so aufrechter, je weiter ich die Zeit hinaussetzte, wo meiner Berechnung nach die Ankunft des Trupps erfolgen konnte. Dies war auf den folgenden Morgen, als den eigentlichen Markttag. Ganz gelassen schaute ich soeben von meinem Zimmer auf die Straße hinab und überlegte, nicht ohne einige bedenkliche Rücksicht auf den sehr herabgesunkenen Zustand meiner Börse, die Art und Weise, wie ich das in den nächsten Tagen unfehlbar hier auf der Post einlaufende Paket von S. wollte am zweckmäßigsten heimwärts mir nachschicken lassen. Ich sah unter diesen Betrachtungen ruhig zu, wie unter meinem Fenster ein Junge vom Haus mit einer neuen hölzernen Armbrust spielte, wobei ein dunkles, gleichgültiges Gefühl in mir war, als wäre mir ein gleiches Instrument während der letzten Zeit irgendwo vorgekommen. Wie ein Blitz durchzückt mich plötzlich der Gedanke, daß ich noch vor zwei Tagen dergleichen Schnitzarbeit in den Händen Loskinens gesehen, daß sie bereits in der Nähe sein müsse, daß sie jeden Augenblick in das Haus treten könne. Ich war außer mir vor Freude, vor Erwartung und Angst. Aber dieser peinvolle Zustand sollte nicht lange dauern. O Gott! wer schildert den Augenblick, da die herrliche Gestalt in mein Zimmer schlüpfte, diese Arme sie empfingen und sie mit ersticktem Atem rief: »Da bin ich! da bin ich Unglückliche! beginne mit mir, was du willst!«
In kurzem saßen wir im Wagen; erst fuhr ich allein eine Strecke weit vor die Stadt und erwartete sie dort. Wir reisten den Tag und die Nacht hindurch und sind vorderhand weit genug, um nichts mehr zu fürchten. Aber welche Not, welche süße Not hatt' ich, den Jammer des holden Geschöpfs zu mäßigen. Sie schien jetzt erst den ungeheuren Schritt zu überdenken, den sie für mich gewagt, sie quälte sich mit den bittersten Vorwürfen und dann wieder lachte sie mitten durch Tränen, mit Leidenschaft mich an sich pressend. So kamen wir gegen Tagesanbruch im Grenzorte B. ermüdet an. Ich schreibe dies in einem elenden Gasthof, indessen Loskine nicht weit von mir auf schlechtem Lager eines kurzen Schlafs genießt. Getrost, gutes Herz, in wenig Tagen zeig ich dir eine Heimat. Du sollst die Fürstin meines Hauses sein, wir wollen zusammen ein Himmelreich gründen, und die Meinung der Welt soll mich nicht hindern, der Seligste unter den Menschen zu sein.
Hier brach das Tagebuch des Malers ab. Der Pfarrer machte eine Pause und Jungfer Ernestine sagte: »Er brachte sie also ins Vaterland und nahm sie förmlich zum Weibe?« »Ja, leider, daß Gott erbarm! er setzt' es durch. Er verleugnete die abscheuliche Herkunft der Person, doch man merkte sogleich Unrat, und wer von der Familie hätte sich nicht davor bekreuzen sollen, so eine wildfremde Verwandtschaft einzugehen? Alles riet dem Bruder ab, alles verschwor sich gegen eine Verbindung, ich selbst, Gott vergebe mir's, habe mich verfeindet mit ihm, so lieb ich ihn hatte. Umsonst, der Fürst war auf seiner Seite, er ward in der Stille getraut und lebte mit dem Weibsbild einsam genug auf seinem kleinen Gute. Seine Kunst nährte ihn vollauf, aber es konnte kein Segen dabei sein; beide Eheleute, sagt man, hätten sich geliebt, abgöttisch geliebt, und doch, heißt es, sei sie in den ersten Monaten krank geworden vor Heimweh nach ihren Wäldern, nach ihren Freunden. Man sage mir was man will, ich behaupte, so ein Gesindel kann das Vagieren nicht lassen, und mein armer Bruder muß tausendfachen Jammer erduldet haben. Es dauerte kein Jahr, so schlug der Tod sich ins Mittel, die Frau starb in dem ersten Kindbett. Euer Onkel, statt, wie man hoffte, dem Himmel auf den Knieen zu danken, tat über den Verlust wie ein Verzweifelnder; er lebte eine Zeitlang nicht viel besser als ein Einsiedler; sein einziger Trost war noch das Kind, das am Leben erhalten war und in der Folge eine unglaubliche Ähnlichkeit mit der Mutter zeigte. Er ließ das Mädchen sorgfältig bei sich erziehen bis in sein siebentes Jahr. Da strafte Gott den hart Gezüchtigten mit einem neuen Unglück. Das Kind ward eines Tages vermißt, niemand begriff, wohin es geraten sein konnte. Später fand man Ursache, zu glauben, daß die verruchte Bande den Aufenthalt meines Bruders entdeckt, und weil die Frau nicht mehr zu stehlen war, sich durch den Raub des Mädchens an dem Vater gerächt habe. Sein halb Vermögen ließ dieser es sich kosten, seinen Augapfel wieder an sich zu bekommen; vergebens, er mußte die Tochter verlorengeben, und nie vernahm man weiter etwas von ihr. Und heute nun – es ist ja unfaßlich, es ist rein zum Tollwerden, mir wirbelt der Verstand, wenn ich's denke, heute muß ich es erleben, daß der Bastard mir durch meine eigenen Kinder über die Schwelle gebracht wird. Mir ist nur wohl, seit sie wieder aus dem Haus ist! Wenn sie sich nur nicht irgendwo versteckt! dort liegt ja ihr Bündel noch; wenn nur nicht der ganze Trupp hier in der Nähe umherschleicht! Heiliger Gott! wenn sie mir das Haus anzündeten, die Mordbrenner – Auf, Kinder! mir läuft es siedend über den Rücken, mir ahnet ein Unglück! Durchsucht jeden Winkel – der Knecht soll den Schultheiß wecken – man soll Lärm machen im Dorfe –«
»Um Gottes willen, Vater, was denken Sie?« riefen die Mädchen, »besinnen Sie sich doch! die Zigeuner sind ja meilenweit von uns entfernt und das Mädchen wird uns nicht schaden.«
»Was? nicht schaden? wißt ihr das? Ist sie nicht von Sinnen? Was ist von einer Närrin nicht alles zu fürchten!«
»So kann ja Johann die Nacht wachen, wir alle wollen wachen.«
»Keinen Augenblick hab ich Ruh, bis ich mich überzeugt, daß nicht irgendwo Feuer eingelegt ist. Kommt! ich habe nun einmal die Grille; begleitet mich.«
So tappte man denn zu dreien ohne Licht durch das ganze Haus; die Gänge, die Ställe, die Bühne, alles wurde sorgfältig untersucht. Als man in die Dachkammer kam, wo sich das merkwürdige Bild befand, empfanden die Mädchen einen heimlichen, jedoch reizenden Schauder; es war so aufgehängt, daß soeben der Mond sein starkes Licht darauf fallen ließ, und selbst der Pfarrer ward wider Willen von der dämonischen Schönheit des Gesichtes festgehalten; man hätte es wirklich für ein Porträt Elisabeths halten können; von ganz eigenem, nicht weiter zu beschreibendem Ausdruck waren besonders die braunen durchdringenden Augen. Keines von den dreien wollte ein lautes Wort sprechen, nur Adelheid fragte den Vater, ob der Onkel es gemalt? ob es seine Frau vorstelle? Der Pfarrer nickte, nahm das Bild seufzend von der Wand und versteckte es in die hinterste Ecke.
Im Vorbeigehen traten sie in Theobalds Schlafkammer, er schlief ruhig, die Hände lagen gefaltet über der Decke.
Mitternacht war vorüber. Der Alte hatte wenig Lust sich zur Ruhe zu begeben, die Töchter sollten ihm Gesellschaft leisten, und um sie wach zu erhalten mußte er den Rest der traurigen Geschichte erzählen. »Dieser geht nahe zusammen«, sagte er. »Der Unfall mit dem Kinde vernichtete den Oheim ganz; der Aufenthalt im Vaterlande ward ihm unerträglich, er ging auf Reisen, nach Frankreich und England, soll aber in steter Verbindung mit seinem Fürsten geblieben sein und fortwährend für ihn gearbeitet haben, bis er aus unbekannten Gründen mit dem Hofe zerfiel. Auf einmal verscholl er und man weiß bloß, daß er mit einem Schiffe zwischen England und Norwegen umgekommen. Den größten Teil seines Vermögens hatte er bei sich, aber aus dem, was er zurückließ, zu schließen, schien er eine Heimkehr nicht aufgegeben zu haben. Seine Güter fielen der Herrschaft zu, welche Anspruch darauf machte. Außer einem kleinen Vorrat von Effekten, worunter auch jenes Gemälde und das Diarium sich befand, kam nichts an uns. – So endete der Bruder eures Vaters. Ich sage, Friede sei mit ihm! Ich werde ihn aufrichtig beweinen bis an meinen Tod, ob ich gleich was er tat nicht billigen kann und jeden warnen muß, dem Gott ein so gefährlich Temperament verlieh, daß er den Fallstrick des Versuchers vermeide und nie die Bahn heilsamer Ordnung verlasse. Ich denke hier an meinen eigenen Sohn, an Theobald. Der Junge hat, so fromm und sanft er ist, mich manchmal schon erschreckt. So ganz das Gegenteil von mir! So manches Übertriebene, Unnatürliche! So heute wieder – mir läuft die Galle über, wenn ich's denke – was soll die dumme Neugierde auf die Fremde? nichts, als daß seine Phantasie toll wird! Und du, Adelheid, machst oft gemeinschaftliche Sache mit ihm, statt ihn zu leiten. – Er läßt sich nicht wie andere Knaben seines Alters an. Da – stundenlang oben im Glockenstuhl sitzen, wie ein Träumer, Spinnen ätzen und aufziehen, einfältige Geheimnisse, Zettel, Münzen unter die Erde vergraben – was sind mir das für Bizarrerien? Und daß ich einen Maler aus ihm mache, soll er sich nur nicht einbilden. Das ist das ewige Zeichnen und Pinseln! wo man hinsieht, ärgert man sich über so ein Fratzengesicht, das er gekritzelt hat, und wär's auch nur auf dem Zinnteller. Wenn er einmal sonntags nachmittag zur Erholung sich eine Stunde hinsetzte und machte einen ordentlichen Baum, ein Haus und dergleichen nach einem braven Original, so hätt ich nichts dagegen, aber da sind es nur immer seine eigenen Grillen, hexenhafte Karikaturen und was weiß ich. Bei Gott! gerade solche Possen hat Onkel Friedrich in seiner Jugend gehabt. Nein, bei meiner armen Seele, mein Sohn soll mir kein Maler werden! Solange ich lebe und gebiete, soll er's nicht!«
Die Mädchen machten große Augen zu diesen Worten, denn es war beinahe das erstemal, daß der Vater über seinen Liebling entrüstet schien, und doch war auch dies nur der ängstliche Ausdruck seiner grenzenlosen Vorliebe für ihn. Endlich brach er auf und noch während des Auskleidens redete er nach seiner heftigen Gewohnheit laut mit sich selber über den störenden Vorfall des Abends.
Am folgenden Morgen meldete der Knecht, daß, als er mit Tagesanbruch aufgestanden und in den Hof getreten, um Wasser zu schöpfen, das Zigeunermädchen ihm dort in die Hände gelaufen sei; sie hätte sich nur ihr Kleiderbündel von ihm bringen lassen, um sogleich weiterzugehen. Sie habe ihm einen freundlichen Gruß an Adelheid, besonders aber an den jungen Herren befohlen. Ein Medaillon, das sie vom Halse losgeknüpft, soll man ihm als Angebinde von ihr einhändigen.
Der Vater nahm das Kleinod sogleich in Empfang; es war von feinem Golde, blau emailliert, mit einer unverständlichen orientalischen Inschrift; er verschloß es und verbot jedermann aufs strengste, seinem Sohn etwas von diesem Auftrage kundzutun.
Der junge Mensch hatte außer Adelheiden keine Seele, der er sein Inneres hätte offenbaren mögen. Er wandelte, seitdem er Elisabethen gesehen, eine Zeitlang wie im Traume.
Wenn er seit seinen Kinderjahren, in Rißthal schon, so manchen verstohlenen Augenblick mit der Betrachtung jenes unwiderstehlichen Bildes zugebracht hatte, wenn sich hieraus allmählich ein schwärmerisch religiöser Umgang wie mit dem geliebten Idol eines Schutzgeistes entspann, wenn die Treue, womit der Knabe sein Geheimnis verschwieg, den Reiz desselben unglaublich erhöhte, so mußte der Moment, worin das Wunderbild ihm lebendig entgegentrat, ein ungeheurer und unauslöschlicher sein. Es war, als erleuchtete ein zauberhaftes Licht die hintersten Schachten seiner inneren Welt, als bräche der unterirdische Strom seines Daseins plötzlich lautrauschend zu seinen Füßen hervor aus der Tiefe, als wäre das Siegel vom Evangelium seines Schicksals gesprungen.
Niemand war Zeuge von dem seltsamen Bündnis, welches der Knabe in einer Art von Verzückung mit seiner angebeteten Freundin dort unter den Ruinen schloß, aber nach dem, was er Adelheiden darüber zu verstehen gab, sollte man glauben, daß ein gegenseitiges Gelübde der geistigen Liebe stattgefunden, deren geheimnisvolles Band, an eine wunderbare Naturnotwendigkeit geknüpft, beide Gemüter, aller Entfernung zum Trotze, auf immer vereinigen sollte.
Doch dauerte es lang, bis Theobald die tiefe Sehnsucht nach der Entfernten überwand. Sein ganzes Wesen war in Wehmut aufgelöst, mit doppelter Inbrunst hielt er sich an jenes teure Bild; der Trieb zu bilden und zu malen ward jetzt unwiderstehlich und sein Beruf zum Künstler war entschieden.
In kurzem starb der Vater am Schlagflusse. Die Kinder wurden zerstreut. Theobald ward einem wackern Manne (dem Förster zu Neuburg) in die Kost gegeben, von dessen Hause aus er die benachbarte Malerschule zu *** besuchte. Nach fünfthalb Jahren fleißiger Studien fand ein reicher Gönner sich bewogen, dem jungen Manne die Mittel zu seiner weiteren Bildung im Auslande zu reichen. In hohem Grade fruchtbar ward ihm der Aufenthalt zu Rom und Florenz, aber selbst die mannigfaltigen Anschauungen dieser herrlichen Kunstwelt vermochten den Grundton jener früheren Eindrücke nie völlig zu verdrängen, deren mysteriöser Charakter zunächst in der Idee des Christlichen eine analoge Befriedigung fand.
Elisabethen hat er nie wiedergesehen.