Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Trägheit.

     

Malchen, Malchen, ach zu spät
Bereust du die verlohrnen Stunden
Deines Frühlings! Wer nicht sät,
Kann nicht volle Garben runden.
Wenn ein Mädchen müßig geht,
Spul' und Spindel lässig dreht,
Störrisch guten Rath verschmäht,
Sich voll eitler Hoffnung bläht,
Hat sie nie groß Glück gefunden.

           

Schön gepaart, wie Schellen-Dauß und Ecker-Ober,
Lebte vormals glücklich zu Hannover
Hauptmann N**, mir fällt nicht bey sein Name,
Mit einer allerliebsten Dame.
Malchen war der Eltern Freude,
Sie mit Sorgfalt zu erziehn,
War ihr eifriges Bemühn.
Papa sorgte für die Bildung des Verstands
Seiner kleinen Augenweide,
Und Mama gab ihren Sitten Eleganz.

Da wurde Krieg, Papa zog mit zu Felde, schwamm über Meer, um unterm tapfern Elliot, die Felsenburg Gibraltar, ganz am Ende der alten Welt, mit zu verteidigen. Kaum war er fort, so fing schon, im Beginnen, der frühe Keim der Weisheit an zu welken. Der Müßiggang, und eine angeputzte Puppe behagte mehr der unverständigen Dirne, als gute Lehr, Vermahnung, Unterricht. Sie lernte nicht gehörig buchstabiren, das Lesebuch, der Psalter, Katechismus war ihr die größte Plage, und was sie schrieb, das konnte niemand lesen. Sie wurde krank, sobald Herr Hempel kam, die gute Haut von Informator, der Marzipan ihr statt der Ruthe gab.

Die Mutter grämte sich im Herzen über Malchens trägen Fleiß, und ließ es an guten Ermahnungen nicht ermangeln; weil sie aber die einzige Pflanze keuscher Liebe war, hegte sie die Unart ihres Töchterleins durch allzuviel Nachsicht, und wagte es nicht, das Unkraut mit der Wurzel auszujäten. Da sie sahe, daß weder Vermahnungen noch Drohungen anschlugen; erdachte sie ein anderes Mittel, durch Ambition das unachtsame Kind zum Fleiß und Thätigkeit zu reizen.

Es wohnte ihrem Hause gegen über ein Handwerksmann, der arme Kunz genannt, der hatte gar ein liebevolles Kind, das nahm Madam zur zweiten Tochter an, gabs Malchen zur Gespielinn, und ließ es mit ihr in die Schule gehen. Das Mädchen hatte viel Talent und Lust was nützliches zu lernen, ließ sich zu keiner Arbeit treiben,

        Und alles, was sie that, gedieh,
Ihr gleichsam spielend ohne Müh,
Gesang und Tanz, und Bildnerey im Rahmen;
Auch jede Predigt merkte sie
Vom Vater Unser bis zum Amen.
Ihr Auge war so hell wie ihr Verstand,
Die Haut so weiß und glatt, als wie Emalje,
Die Doppelspanne einer Hand
Umfaßte ihre schlanke Taille.
Wer Evchen sah, gestand es frey,
Sie sey die Poesie,
Voll Ausdruck, Schönheit, Kraft, Genie,
Und ihre Freundin, Malchen, sey
Dazu nur schlechte Melodey.

Das sagte wenigstens die gute Mutter oft; allein der Tochter Leichtsinn achtete nicht drauf, sie that, als hörte sie's nicht. Laß du den Papa wiederkommen, du ungerathnes Kind, sprach eines Tags die eifernde Mama, er wird dich anders ziehen. Er ist, du kennst ihn schon, ein Strenger Mann. Sieh gegen dich einmal nur Evchen an, was die nicht alles weis und kann! wär die nicht, o! so wär das viele Geld für deinen unbenutzten Unterricht, recht wie zum Fenster naus geworfen.

Indem sie sprach,
Trat ins Gemach
Die Ordonanz
Des Hauptmanns, Franz.
»Was willst du hier?
»Flugs sag es mir
»Was macht dein Herr?
»Wo weilet er?
Am Meeres Strand,
Im kühlen Sand.
Er starb, als Held,
Im Waffenfeld.
»Erbarm sich Gott
»All unsrer Noth,
»Verlassen sind
»Wir, liebes Kind!
»Dein Vater todt,
»Wir ohne Brod!
Das Töchterlein
Fing an zu schreyn:
»O weh! o weh!
»Ach, ich vergeh!
»Mein armes Herz
»Zerreiß der Schmerz.
Sie rang und wand
Die läßge Hand.
Und frug Mama'n
»Was fang ich an?
»In aller Welt.
»Wer schafft nun Geld?
Dein Fleiß, mein Kind;
Wer näht und spinnt,
Der darbet nicht.
»Mich plagt die Gicht,
»Sie wissens wohl.
So pflanze Kohl:
Der Arbeit Müh
Stärkt Arm und Knie.
»Ach graben soll
»Ich, das wär toll!
»Zu vornehm bin
»Ich für Gewinn
»Von Hand und Fuß.
Das bittre Muß
Wird's lehren dich,
Glaub's sicherlich!

Nach wenig Monden folgte die treue Gattinn ihrem Gemahl ins Grab. Sie liebte ihn mit Turteltauben-Liebe, und härmt' und grämt' sich über seinen Verlust zu Tode.

Malchen war in großer Verlegenheit, was sie nun beginnen sollte, sie war weder schön noch reich, und konnte nichts und wußte nichts, als die Hände in den Schoos zu legen. Sie weinte Tag und Nacht, und jammerte und stöhnte so laut, daß man's oft über drey Häuser hörte.

Da kam das gute Evchen zu ihr und sprach: Laß deinen langen Kummer schwinden! Um deinet willen zog Mama mich auf, und ließ mich alles lehren, was ein Mädchen zu wissen braucht: Pflicht und Dankbarkeit erfordert, daß ich nun für dich arbeite; ich wasche Flor und Blonden, steche Spitzen aus, und kann Hauben stecken. Wenn ich vorerst nur in der Kundschaft bin, so solls nicht fehlen, mich und dich gemächlich zu ernähren. Das ließ sich Malchen wohl gefallen, ihr Thränenquell versiegte gar geschwind. Doch der Kontrakt des Fleißes und der Faulheit hatte keinen langen Bestand.

        Von ungefähr sah Herr von Steiz,
Ein reicher Junker aus der Schweiz,
Bey seiner Rückkehr von dem Bade,
Das liebe Mädchen auf der Maskerade.
Er nahm sie kecklich auf die Schau,
Aus ihr zu machen seine Frau,
Hielt um sie an, in Gottes Namen,
Und bey ihr wars gleich Ja und Amen.
Bald nach der Hochzeit führte Herr von Steiz
Sein liebes Weibchen in die Schweiz,
Vormals genannt des armen Nachbars Evchen,
Und wo kam Malchen hin? Sie diente ihr als Zöfchen.

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