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»Der Amtmann Reinhard ist doch ein kreutzbraver Mann; aber seine Kinderzucht taugt in der Wurzel nichts. Woran gebrichts? Er hätschelt Hannchen, sieht dem Mädchen in den Mund, wie in einen goldnen Kelch. Die Mutter machts mit Fieckchen eben so, und zieht, wenns nicht bald anders wird, ein ganz verdorbnes Kind aus ihr.«
»Im Hause giebts stets Zank und Hader, die KluntenEin niedriges Provinzialwort, so viel, als liederliche Dirnen. leben unter sich, wie Hund und Kater. Der steht die Mutter bey, und der der Vater. Mein Gott! und das sind Amtmannstöchter und Geschwister!!!«
So eiferte mit Recht Herr Strunk, zuweilen bey dem Abendtrunk, der Freund vom Hause und im Dorfe Küster.
Zum Kirchweihfeste kam, von ungefähr, Frau Tante aus der Stadt, und sah mit Mißbehagen, den üblen Haushalt an. Sie schämte sich der Unart ihrer Nichten, und strafte sie mit Glimpf, ließ es auch nicht an reichlicher Vermahnung fehlen. Jedoch die trefflichen Moralen sind bey der Jugend Nullen ohne Zahlen.
Vergebens predigte sie Einigkeit. Frau Tante sprach: gehts immer so, Die Proposition ward willig angenommen, |
Frau Tante führte sie bald in Gesellschaft ein. In ihrer Straße wohnten auch zwo Schwestern, mit jedem Reiz der Jugend ausgeschmückt, sanft wie das erste Morgenlicht am Frühlingshimmel, schön wie der Tag, gefällig, sittsam, bieder, durch Sympathie mehr als durch die Geburt verschwistert, ein Herz und eine Seele, wie man spricht.
Die Dörferinnen wurden bald bekannt, Und ließen sich den Thee und Zwieback schmecken; Doch fiengen sie dabey sich an zu necken, Indem die eine stets der andern widersprach, Was Hannchen Nacht war, das war Fiekchen Tag, Die Tante mußte die Disputen Zuletzt mit strengem Ernst verbieten. |
Um diesen Mißlaut artig zu bedecken, erfand die schlaue Wirthin Rath, sie setzte sich voll Anmuth ans Klavier, die jüngre Schwester folgte ihr, und beyde zauberten dem Ohr, in Mozarts schmelzenden Akkorden, die reizendste Sonate zu vier Händen vor. In süßer Harmonie verband sich Geist, Herz, mit jeder schwanweisen Hand, die bald in schnellen Wechselgängen, bald im melodischen Verein, des Künstlers Notenschrift vom Blatt geläufig übersetzten.
Seht da ein Beyspiel gleichgestimmter Seelen, und fühlt die Wirkung schwesterlicher Harmonie, so redete Frau Tante nach vollendeter Partie. Die Eintracht war die Schöpferinn der Silbertöne, die euch und mich entzückten, sie allein beseelte Lottchens Hand, regierte Gustchens Finger. Wo aber Zwietracht die Tangenten rührt, da giebts Gequeil: denn sie gebiert nur eitel Dissonanzen, und schwerlich läßt nach dieser rauhen Melodie, sichs singen oder tanzen.
Die beyden Nichten sahn Exempel wirken mehr, |