Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Die Puppe.

       

Mein Pathchen wird ein niedlich Mädchen,
Und für ihr Alter hat sie viel Verstand;
Dabey ist sie fix und gewandt,
Gelehrig, lernt mit ihren Brüdern gar Latein
Und kann schon eine Fabel exponiren,
Doch soll sie darum nicht studiren,
Noch weniger magistrisiren,
Mit einem Wort, sie soll kein Lumen mundi seyn;
Sie mag fein bey der Nadel bleiben,
Das ist doch ihr natürlicher Beruf
Und dient damit der Wirthschaft zum Behuf;
Ergreift sie ja die Feder, um zu schreiben,
So sey's kein Buch, auch kein gelehrter Kommentarius,
Nur höchstens ein Rezept zu einem Mus,
Zu Aepfel-Most und Hirsenbrey
Zu Hausmanns Kost und zu frugaler Backerey.

Doch eins gefiel mir vormals nicht an ihr; das Mädchen war ein kleiner Eigensinn; sie hatt' ihr Köpfchen; war ihr etwas nicht zu Sinne, hieng sie das Mäulchen und trotzt' einen halben Tag. Das hab ich vor dem Taufstein ihr nicht eingebunden; weiß aber wohl woher es kam; sie war in ihren ersten Jahren ein kränkliches Kind, war ärgerlich und grämlich. Wenn sie nach etwas lüsterte, das ihr die Kinderfrau versagte, so schrie der kleine Balg sich braun und blau. Aus Zärtlichkeit und aus Erbarmen gab man ihr was sie wollte, dadurch ward sie verwöhnt; die Mutter nahm ihr Philippinchen in scharfe Zucht, gab ihr die Ruthe, ließ am Katzentische sie tafeln, und sperrte sie bisweilen in die Kammer; das half, und half auch nicht; wann trift die mütterliche Zucht gerade Maas und Ziel?

Drum hat die neue Pädagogik die Birke ganz aus ihrer Dynastie verbannt. Mein Pathchen, war es gleich mitunter ungezogen, so dauert michs doch, wenn ihre strenge Donna sie strafte. Ich sann auf ein bequemer Mittel sie zu bessern, verschrieb aus Leipzig eine Puppe, so modisch, wie die Liljenköniginn geputzt; die schenkt ich ihr zum Angebinde, mit dem Beding ein gutes Kind zu seyn und Mutterchen nie wieder zu erzürnen.

        Für jede Unart, die du dir erlaubst,
Sprach ich, soll die pompöse Dame büßen;
Der Kleiderschrank soll ihr Gefängniß seyn,
Darinnen wird man sie verschließen,
So lange bis dich deine Fehler reun.
Für Ungezogenheiten wird vom Fuß zum Haupt,
Sie ihres schönen Schmucks beraubt,
Und wolltest du Mama durch Ungehorsam kränken.
Soll sie die Puppe gleich dem Wäschermädchen schenken.

Das Pathchen empfand ein kindisches Entzücken ob dieser Spende, freute sich gewiß so sehr als weiland ich, da mir mein selger Schwiegervater auch eine liebe Puppe schenkte, die reden, singen, tanzen, springen, herzen, scherzen, augeln, streicheln konnte, mit der ich alter Knabe noch zuweilen spiele; auch macht's das schlaue Mädchen eben so wie ich, versprach was man von ihr verlangte, entsagte allen bösen Launen; gelobte Trotz und Eigensinn auf ewig zu verbannen.

    Acht Tage hielt sie's aus,
Da war mein Philippinchen
Ein Mädchen wie ein Daus,
Und machte nicht ein schiefes Mienchen;
Doch eh man sich's versah,
War die verscheuchte Maus
In ihrem Köpfchen wieder da,
Und das bewog Mama,
Um diese Unart zu bezähmen,
Die schöne Puppe ihr zu nehmen.
O Traurigkeit,
O Herzeleid,
Sie wollte sich zu Tode grämen.
O wie sie bat,
O wie sie that
So kümmerlich,
So wimmerlich:
Nur diesmal noch
Verzeihn sie doch,
Will artig seyn.
Ist denn Ihr Herz
Bey meinem Schmerz
Von Stahl und Stein?

Wie leicht ist eine Mutter zu erweichen! Die Staatsgefangne wurde alsbald der Haft entlassen; die Schuld war abgebüßt, und wer war froher als die kleine Sünderin, da sie das Schattenbild der Freundschaft, die neubelebte Spielgenossin mit neuer Zärtlichkeit umfing. Aus Furcht sie wieder zu verlieren, wog sie all ihre Worte und Geberden mit Vorsicht ab, und unterdrückte die Regungen des Mißbehagens und kindischer Empfindlichkeit mit stillem Muth und sanfter Mäßigung. Im Anfang war die Besserung zwar nur Täuschung und Grimassen; doch unvermerkt gewann der Geist selbst eine andre Stimmung, ward biegsam ohne Gleisnerey, und seiner Mängel gänzlich frey.

Die Puppe steht schon längst im Schranke, denn Pathchen hat sich endlich satt damit gespielt, sie selber fühlt und merkt es jetzt, wozu sie ihr genützt, und weiß es ihr nun großen Dank.

Daraus folgt also diese Lehr;
Sprach, da sie's las, die Tante:
Oft bessert eine Puppe mehr
Als eine Gouvernante

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