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Trent trat vor und begrüßte den Ankömmling nicht sonderlich liebenswürdig. »Herr Hauptmann Francis« bemerkte er. »Wir harren Ihrer schon mit Ungeduld.«
Der andere schien durch die versteckte Rüge unangenehm berührt. Mit raschem Blick überprüfte er die Hütte und ihre beiden Insassen. »Es ist mir unfaßbar, wie Sie von meinem Kommen gehört haben können, und was Sie von mir wollen,« antwortete er zurückhaltend. »Sind Sie Engländer?«
»Mein Freund Monty,« stellte Trent vor, »und ich sind geborene Engländer.«
Monty hob das purpurn angelaufene Gesicht, glotzte aus trüben Augen auf den Ankömmling, der ihn gelassen musterte, und wandte mit einem erstickten Ausruf den Kopf zur Seite.
Hauptmann Francis stutzte und trat einen Schritt heran. Ein nachdenklicher Zug erschien auf seinem Antlitz – als ob er sich Mühe gäbe, eine verschüttete Erinnerung wachzurufen. »Was brachte ihn in diese Verfassung?« erkundigte er sich.
»Der Alkohol!« war Trents lakonische Erwiderung.
»Warum, zum Teufel, sorgen Sie denn nicht dafür, daß er nicht soviel bekommt? Wissen Sie nicht, was es in diesem Klima zu bedeuten hat? Er ist schon hübsch auf dem Wege, sich das Fieber zu holen ... An wen erinnert er mich nur?«
Trent stieß ein kurzes Lachen hervor. »In ganz Buchomari – nein, in ganz Afrika gibt es niemanden, der Monty von der Schnapsflasche zurückhalten könnte. Leben Sie einmal einen Monat mit ihm zusammen und versuchen Sie, wieweit es Ihnen gelingt!«
Er sah geringschätzig auf das glattrasierte Gesicht und die tadellose Kleidung des Besuchers, der seinen Blick mit ebensolcher Herablassung beantwortete.
»Mich gelüstet nicht nach dem Experiment,« bemerkte er kühl. »Aber er erinnert mich stark an jemand, den ich in England gekannt habe. Wie nannten Sie ihn –: Monty?«
Trent nickte. »Ich kenne ihn wenigstens nicht unter einem anderen Namen.«
»Haben Sie je mit ihm über England gesprochen?«
Trent zögerte. Was bedeutete ihm eigentlich der Offizier? Weniger als nichts. Sollte er seinen Freund vor diesem Fremden bloßstellen? Er haßte ihn jetzt schon – haßte ihn mit der ganzen Auflehnung eines Ungebildeten und doch Empfindlichen gegen Bildung und Manieren, die die seinen weit überragten.
»Nie. Er spricht nicht viel.«
Francis näherte sich der kauernden Gestalt, doch Trent trat ihm entgegen. »Lassen Sie ihn ungeschoren!« gebot er barsch. »Ich kenne ihn zur Genüge, um zu wissen, daß er keine Einmischung Unbekannter duldet. Außerdem ist es gefährlich für uns, hier noch länger zu bleiben. Wieviel Soldaten haben Sie mitgebracht?«
»Zweihundert.«
»Dann sind wir für einige Zeit gesichert. Aber für Sie bedeutet es wohl keine angenehme Aufgabe, wie?«
»Kümmern Sie sich nicht um meine Angelegenheiten!« wehrte der andere ab. »Erzählen Sie mir lieber, weshalb Sie auf mich warteten!«
»Das werde ich Ihnen erläutern!« Trent entnahm seinem Tornister ein Schriftstück. »Sehen Sie her: An zwei Stellen der Umgegend habe ich Gold gefunden. Es hat keinen Zweck, es in Buchomari ruchbar werden zu lassen – die Burschen dort haben kein Atom Unternehmungslust in den Knochen. Dieses höllische Klima hat anscheinend alles ausgesogen. Monty und ich haben nun die Sache angepackt und für Seine Majestät den schwarzen Großmogul hier Geschenke gekauft. Mein Gefährte entwarf dieses Schriftstück – eine Art Konzession für uns, Gruben anzulegen und sie auszubeuten. Der fettglänzende Dickwanst gab glatt seine Unterschrift, sobald er unseren Rum witterte. Aber wir sind nicht recht zufrieden mit der Sache. Denn es ist kaum anzunehmen, daß er so etwas wie ein Gewissen besitzt, und niemand außer uns hat ihn die Konzession unterzeichnen sehen. Wir werden Geld aufnehmen müssen, um auf dieser Basis unseren Arbeitsplan auszuführen, und werden vielleicht auf allerhand Schwierigkeiten stoßen. Daher unsere Absicht, einen britischen Offizier zum Zeugen des Vertragsabschlusses zu machen. Wenn nachher der wetterwendische König nicht Wort hält, wird der Fall zu einer Angelegenheit des Gouvernements.«
Francis zündete sich eine Zigarette an. »Ich sehe nicht recht ein, warum ich mich Ihretwegen vielleicht Unannehmlichkeiten aussetzen soll.«
Trent brummte: »Ich will Ihnen was sagen. Sie werden jedenfalls genau Ihre Pflichten kennen. Die schwarze Majestät sitzt ein wenig zu dicht an den Grenzen der Zivilisation, um völlig den Wilden mimen zu können. Früher oder später wird der eine oder andere Staat ihn unter seine Fittiche nehmen. Wenn Sie es nicht tun, werden Ihnen die Franzosen die Arbeit abnehmen. Die lauern jetzt schon auf eine günstige Gelegenheit. Hören Sie übrigens!«
Beide traten nach dem offenen Teil der Hütte und starrten in die Richtung des Dorfes. Von der kleinen Lichtung gegenüber dem Wohngebäude des Herrschers zuckte prasselnd eine hohe Flamme auf. Um das Feuer tanzten nackte Menschengestalten, die sich unter tierischem Gebrüll gegenseitig mit Speeren verwundeten. Der König konnte sich in seinem schweren Rausch nicht mehr auf den Beinen halten und schlug langsam zu Boden, eine leere Flasche in der Faust. Ein Windstoß trug stechenden Geruch herüber.
Hauptmann Francis zog heftig an seiner Zigarette. »Brr!« murmelte er. »Die reinsten Tiere!«
»Ich versichere Sie, daß, wenn dort nicht Ihre zweihundert Soldaten im Busch lägen, Sie und ich und der arme Monty heute nacht der Bande als Jagdwild dienen würden. Glauben Sie also noch, daß Sie etwas Besonderes riskieren, wenn Sie mit der Bande Unannehmlichkeiten bekommen?«
»Im Interesse der Zivilisation wohl kaum.«
»Es ist mir gleichgültig, wie Sie es ausdrücken. Zivilisation und Kultur? Eigentlich doch purer Unsinn! Ihr Militärs wollt einfach das Land haben – wollt die Fahne hissen und als tüchtige Patrioten gelten.«
Hauptmann Francis lachte. »Und Sie? Sie beide wollen Gold! Auf ehrliche Weise, wenn's geht; und wenn nicht – nun, darüber brauchen wir uns weiter nicht zu unterhalten.«
In diesem Augenblick kam Onkel Sam eiligst herangerollt, bleich und am ganzen dicken Leibe zitternd.
»König böse ist!« keuchte er ihnen entgegen. »Er ganz besoffen und rabiat. Sagt, Weiße alle fortgehen, oder er Busch in Brand stecken und giftige Pfeile schießen. Ich bereit. Träger warten.«
»Wenn du dich davonmachst, bevor wir fertig sind,« warnte Trent, »erhältst du keinen Pfennig. Überlege dir das!«
Der kleine Dicke erschauerte – vor Wut und vor Angst. »Sie nicht länger bleiben dürfen! Und König schickt Männer hinterher und Sie töten wird auf dem Heimweg. Gehen weiße englische Soldaten nach Buchomari mit Ihnen?«
Trent verneinte. »Sie marschieren in entgegengesetzter Richtung – nach den Wanahügeln.«
Sam wurde immer aufgeregter. »Sie hören müssen! Ich Ihnen sage, König Sie verfolgen wird – ist toll und blind vor Zorn.« Und er wackelte kopfschüttelnd von dannen.
Francis sah bedenklich drein. »Der Fettkloß mag recht haben. An Ihrer Stelle würde ich mich schleunigst auf die Strümpfe machen. Ich kann Ihnen nicht helfen.«
Trent biß die Zähne zusammen, daß die Kinnmuskeln kantig hervortraten. »Jahrelang habe ich mich nun in diesem verfluchten Land damit abgequält, ein bißchen Gold zu erraffen. Und dies ist meine erste gute Gelegenheit. Als englischer Untertan fordere ich Ihre Unterstützung für die Konzession. Lassen Sie uns ins Dorf gehen!«
Francis ergab sich. »Ich werde eine Eskorte holen. Es ist am vernünftigsten, einigen Eindruck zu schinden. Einen Augenblick, bitte!«
Er trat in die Hütte zurück und betrachtete aufmerksam den Alten, der noch immer am Boden kauerte. War es Einbildung – oder wurden die Augen, als er sich umwandte, plötzlich geschlossen? Und war es Zufall, daß Monty mit einem Seufzer seine Lage wechselte, so daß sein Gesicht in den Schatten sank?
Hauptmann Francis befand sich im Zweifel. »Die Ähnlichkeit ist stark,« raunte er leise. »Aber wenn man es sich richtig überlegt, ist es doch zu unwahrscheinlich.«
Düsteren Blickes wandte er sich ab und folgte Trent in die mondklare Nacht. Das Kreischen aus dem Dorfe wurde mit jedem Schritt greller und widerlicher.