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Elftes Kapitel.
Die Rückkehr der Verbannten

Oft schon mochte Frau Rahel Da Souza bewiesen haben, daß sie eine treffliche Gattin und Mutter war; nie aber hatte sie ihren Mann mehr bewundert als in dem Augenblick, da sie, gefolgt von Ellens und Flossies beleidigten Blicken, mit ihrer Julie wieder durch die Gartenpforte schritt. Die beiden Mädchen hatten die Absicht geäußert, im Auto zu warten, bis sie den Hausherrn zu Gesicht bekämen, worauf der ihnen sagen ließ, sie könnten seinetwegen bis zum jüngsten Tage sitzen, wenn sie sich nur außerhalb seines Grundstücks hielten.

Da Souza blieb zurück und legte den Zeigefinger an die Nase. »Es hat keinen Zweck, liebe Kinder!« flüsterte er vertraulich. »Er ist schrecklicher Laune. Unter uns gesagt: Er würde viel darum geben, wenn auch wir beiseite blieben. Aber er und ich sind alte Bekannte, und – äh – nun, wir wissen allerhand voneinander.«

»Aha, so steht die Sache!« Ellen Montressor warf den hübschen Kopf ungehalten in den Nacken. »Nun, was uns anbetrifft, können Sie mit Ihrer meschuggenen Frau und Ihrer Gans von Tochter ruhig bei ihm hocken. Was sagst du, Flossie?«

»Von mir aus für ewig!« stimmte die Blondine zu.

Da Souza strich sich über den Schnurrbart und nickte würdevoll. »Ihr seid charaktervolle Frauen, und ...«

»Hiram!«

»Sofort, mein Schatz!« rief er über die Schulter zurück. »Noch ein Wort, meine Damen. Meine Adresse ist Rachets Court Nr. 7, City. Besuchen Sie mich gelegentlich, wenn Sie in der Nähe sind. Dann werden wir uns einen gemütlichen Abend machen. Vorläufig aber fahren Sie nach London und schreiben Sie von dort an Trent! Augenblicklich wird er Sie bestimmt nicht empfangen.«

»Verbindlichsten Dank!« schmetterte der Bubikopf. »In Anbetracht dessen, daß wir in London Geschäfte zu erledigen haben, wäre es am ratsamsten, wenn wir sofort aufbrechen. Nicht wahr, Flossie?«

»Natürlich – ich gehe mit!« Die Freundin rümpfte das impertinente Näschen. »Aber was das Schreiben anbelangt, Herr Da Souza, so können Sie Ihrem sauberen Kumpan zu verstehen geben, daß wir nichts mehr mit ihm zu tun haben möchten. Jemand, der Damen gegenüber sich solche Blößen gibt, ist kein Gentleman, sondern ein alberner, ungeschliffener Trottel!«

»Hiram!!« scholl es dringlicher.

Da Souza verbeugte sich. Die Damen nickten ihm zu, und die Droschke setzte sich in Bewegung.

Der Portugiese führte Frau und Tochter ins Eßzimmer. Trent, die Hände auf dem Rücken, starrte aus dem Fenster. Da Souza hüstelte diskret: »Hier sind wir, lieber Freund! Meine Damen möchten Sie gern begrüßen.«

Mit ungeduldiger Handbewegung fuhr Trent herum; doch er bezwang sich. »Guten Morgen, Julie!« Die ausgestreckte Hand und das sauersüße Lächeln der Mutter übersah er. »Es wird heute wahrscheinlich sehr warm werden. Legen Sie sich behaglich ins Gras!« Er schritt zur Tür. »Bestellen Sie sich zum Frühstück, wonach Sie Appetit haben, Da Souza!«

Frau Rahel ließ sich umständlich nieder. »Ein ziemlich kühler Empfang,« stellte sie fest, »aber das war zu erwarten. Hast du bemerkt, wie er dich mit seinen Blicken verschlungen hat, liebes Kind?«

Da Souza rieb sich schmunzelnd die Hände. Das sich sehr unglücklich fühlende Mädchen nahm mit einem erstickten Schluchzen Platz.

»Julie!« trompetete ihre Mutter. »Sieh doch, Hiram, das liebe Kind wird fast ohnmächtig. Sie ist wirklich überspannt.«

Das Kind – denn Julie war wirklich nicht viel mehr als das – brach in einen leidenschaftlichen Wortstrom aus – freilich mit dem niederdrückenden Gefühl, daß ihr alles, was sie sagte, nichts nützen würde. »Es ist ekelhaft! Zum Wahnsinnigwerden! Warum tun wir das? Wir sind doch keine Bettler oder Schmarotzer! Laßt mich doch fort! Ich schäme mich, noch länger in diesem Hause weilen zu müssen!«

Die Beine lang ausgestreckt, die Daumen in den Ärmellöchern seiner Weste, starrte ihr Vater sie sprachlos an. Frau Rahel, die ebenso wenig begriff, aber Mitleid empfand, tätschelte sanft ihre Hand. »Dummes Schäfchen!« sagte sie weich. »Was geht dir denn so gegens Gemüt?«

Die dunklen Mädchenaugen glühten vor Entrüstung. »Die Art, in der wir uns Trent aufdrängen! Seht ihr denn nicht, daß er nur auf den Augenblick unseres Abschieds wartet?«

Da Souza lächelte mit einer Miene der Erhabenheit und strich seiner Tochter besänftigend übers Haar. »Du irrst dich, Julie! Überlasse das nur uns, die wir älter und verständiger sind als du! Erst kürzlich noch hat mein guter Freund mir gesagt: ›Ich will nicht, daß Sie Ihre Tochter wegschicken.‹ – Oh, wir werden schon sehen – werden schon sehen.«

Tränen sickerten zwischen den bebenden Fingern, die Julie gegen die Lider gepreßt hielt. »Ich glaube nicht daran! Er hat mich ja während der ganzen Zeit kaum angeschaut. Er verachtet uns – ich kann es ihm nicht verübeln.«

Mit einem Lächeln, das heiter sein sollte, wollte Frau Rahel noch etwas erwidern; aber das Erscheinen des Frühstücks unterbrach einstweilen jedes Gespräch. Ihr Mann, von Natur mit gutem Appetit behaftet, befand sich nach seinem diplomatischen Erfolg in gehobener Stimmung. Er lobte die Köchin, tadelte die Diener zu deren heimlichem Verdruß und forderte andauernd Frau und Tochter auf, ihn bei der Attacke auf die leckeren Schüsseln zu unterstützen.

Bevor noch die Mahlzeit zuende war, entfernte sich Julie, in den Augen verhaltene Tränen. Ihres Vaters Mienen umwölkten sich, als er bei dem leisen Rauschen aufblickte und eben noch ihr Kleid durch die Tür entschwinden sah.

»Wird sie dir Schwierigkeiten machen?« fragte er besorgt.

Seine Gattin schüttelte den Kopf. »Julie ist feinfühlig, aber nicht unbotmäßig. Wenn die Zeit da ist, werd' ich schon dafür sorgen, daß sie sich unseren Wünschen fügt.«

»Aber die Zeit ist da! Jetzt, wo wir es so weit geschafft haben, arbeitet Julie gegen uns. Sie wird gerötete Augen bekommen, verdrießlich gestimmt sein und nicht im geringsten verführerisch aussehen. Du mußt mit ihr reden, mein Schatz!«

»Ich werde sie sogleich aufsuchen.« Frau Rahel erhob sich in voller Majestät. »Aber, Hiram, es gibt noch etwas, das ich dich fragen möchte.«

»Oh, ihr Frauen! Alles wollt ihr immer wissen!«

»Die meisten Frauen, Hiram – ich nicht! Gebe ich mir je Mühe, hinter deine Geschäftsgeheimnisse zu kommen? Aber diesesmal – ja, es würde von Vorteil sein, mich ein bißchen aufzuklären.«

»Worüber?«

»Trent hat uns eingeladen, doch ist es klar, daß unsere Anwesenheit ihm nicht behagt. Es gelingt ihm mit einiger Mühe, uns loszuwerden, und er ist fest entschlossen, uns nicht wieder aufzunehmen. Du sprichst ein paar Minuten mit ihm – und alles ist wie vorher. Er beachtet Julie kaum, und doch behauptest du, er werde sie heiraten – er, der Millionär. Was bedeutet das alles, Hiram?«

»Der Bursche ist in meiner Macht«, erklärte Da Souza bedeutungsvoll. »Ich weiß etwas von ihm.«

Da drückte sie einen feierlichen Kuß auf seine Stirn. Es lag etwas Ehrfurchtsvolles in dieser Liebkosung. »Hiram, du bist ein wunderbarer Mensch!«


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