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»Herr Scarlett Trent, den man unter dem Namen ›Der Goldkönig‹ kennt, ist letzten Donnerstag mit dem ›Poseidon‹ nach Afrika gereist, um dort seine großen Ländereien zu besichtigen. Herr Trent ist bereits Millionär. Wenn es ihm aber gelingt, die Bekwando-Gesellschaft im Sinne des Prospekts zu entfalten, wird er Multimillionär und einer der reichsten Nabobs von England werden. Während seiner Abwesenheit arbeitet man Tag und Nacht an seinem prachtvollen Palais in der Parkallee, das er bei seiner Rückkehr zu beziehen hofft. Die lange Liste glücklicher finanzieller Unternehmungen Herrn Trents ist so bekannt, daß es sich erübrigt, sie hier aufzuzählen. Wer aber würde jemandem seinen Reichtum neiden, der ihn auf solch fürstliche Weise anzulegen versteht? Wir wünschen Herrn Trent eine glückliche Reise und baldige Heimkehr!«
Die Zeitung glitt aus Trents Händen. Er starrte gedankenversunken über das Meer. Ein Artikel von vielen, und der Ton immer derselbe. Irenes Prophezeiungen waren in Erfüllung gegangen. Er galt bereits als bedeutende Persönlichkeit. Wenige Monate nur hatten eine wunderbare Veränderung in sein Leben gebracht. Wenn er jetzt darauf zurückblickte, erschien es ihm unwirklich. Alles, was in letzter Zeit mit ihm geschehen, war wie ein Traum. Denn er hatte sich in hunderterlei Dingen verändert. Sein weißer Bordanzug stammte von einem der besten Schneider Londons. Seine Hände, sein Haar, seine Ausdrucksweise und seine Haltung – alles war anders geworden. Er dachte an die tonangebenden Leute, die er kennengelernt, die Klubs, in denen er verkehrte, an seinen Rennstall in Newmarket, an die Güter und Schlösser, auf denen er zu Gaste gewesen. Und das auffälligste war, daß man es ihm so bequem gemacht hatte. Seine eigenartige Sprechweise, seine Ungewandtheit in vielen Dingen – all das war so leicht genommen worden, daß er allmählich sicherer und sicherer wurde. Er hatte nur wenig Ungeschicklichkeiten begangen – seine Unerfahrenheit wurde vornehm übersehen oder als »originell« bewundert. Und doch hatte man ihm seine Fehler auf sehr taktvolle Weise klargemacht. Irene Wendermot hatte ihm zur Seite gestanden, über die schnelle Erfüllung ihrer Prophezeiung amüsiert, stets anfeuernd und stets – rätselhaft. Ein unbestimmtes Angstgefühl beschlich ihn, wenn er an sie dachte. Er nahm eine verblaßte Photographie aus der Tasche und betrachtete sie lange und aufmerksam. Als er sie wieder einsteckte, stieß er einen tiefen Seufzer aus und starrte über die ruhige Oberfläche des Ozeans, auf der die Sonne sich silbern spiegelte. Ohne Irene galt ihm das Dasein nichts.
Der Kapitän schlurfte heran zu seinem allmorgendlichen Plauderstündchen. Ein paar Passagiere, die Trent mit sichtlicher Hochachtung behandelten, blieben auf ihrem Spaziergang eine Weile an seinem Stuhl stehen, um sich mit ihm zu unterhalten. Er zündete sich eine Zigarre an und schlenderte über Deck. Die Seeluft tat ihm wohl und verbesserte seine Stimmung.
Er hatte diese Reise unter dem Einfluß eines unwiderstehlichen Dranges unternommen. Eines Nachts, da er nicht schlafen konnte, war er zu dem Entschluß gelangt, sich persönlich zu vergewissern, wieviel Wahres an Da Souzas Andeutungen war. Er vermochte nicht weiterzuleben mit dem beklemmenden Bewußtsein, daß jeden Augenblick seine Existenz zusammenbrechen könne. Dringende geschäftliche Angelegenheiten boten glaubhaften Vorwand. Falls der Bericht des Portugiesen stimmte – nun, dann würden sich schon Maßregeln ergreifen lassen, die ein öffentliches Ruchbarwerden verhinderten. Vielleicht verzichtete Monty auf seine Teilhaberschaft, wenn man ihm eine namhafte Abfindung vorschlug.
Trent rauchte zufrieden seine Zigarre, nahm den Hut ab und ließ sich die Stirn vom frischen Seewind kühlen. Als er sich umwandte, stand er plötzlich einem neuen Passagier gegenüber.
»Da Souza! Wie kommen Sie an Bord?«
Das Gesicht des Portugiesen schien gelber als je zuvor. Er trug den Mantel bis dicht unters Kinn zugeknöpft. Satanische Freude flackerte in seinen Augen. »Ich habe mich mit einem späten Güterzug bis Southampton durchgewürgt. Es hat einen gehörigen Extrabatzen gekostet, und man unkte, ich würde das Schiff wohl kaum noch erreichen. Wie Sie sehen, ist es mir doch gelungen!«
»Sie machen aber einen jämmerlichen Eindruck! Falls Sie noch genügend Kraft fühlen, um mir darlegen zu können, warum Sie sich so aufdringlich an meine Fersen heften, wäre ich Ihnen dankbar verbunden.«
»Ich tat es in unser beider Interesse, hauptsächlich aber in meinem.«
»Das kann ich mir denken! Was also wollen Sie von mir?«
Der andere ließ sich stöhnend in einen Deckstuhl sinken. »Ich muß sitzen – mir ist nicht wohl. Mein Körper verträgt die verfluchte Seeluft nicht. Übrigens kann ich mit einer Widerfrage antworten: Was tun Sie hier? Was wollen Sie in Afrika?«
»Mich überzeugen, ob Ihr Gequassel über Monty den Tatsachen entspricht.«
»Ein wahnsinniger Einfall! Sie sind und bleiben ein Starrkopf!«
»Ich nehme lieber jetzt eine Krisis in Kauf als später völligen Untergang. Außerdem habe ich auch so etwas wie ein Gewissen.«
»Sie werden sich ruinieren und mich dazu!« jammerte der andere. »Wie kann ich einen vierten Anteil bekommen, wenn Monty auf die Hälfte Anspruch hat? Und wie wollen Sie ihm all das auszahlen, was Sie ihm als Teilhaber schuldig sind? Ich hörte von Ihren Pferden, Ihrer Jacht und dem Prunkpalast in der Parkallee. Wenn Sie fünfzig Prozent Ihres Vermögens abgeben müssen, sind Sie rettungslos kaputt.«
»Hoffentlich nicht!« knurrte Trent kühl. »Monty hat nicht mehr lange zu leben. Es wird nicht schwer fallen, ihn zu einem Vergleich zu bewegen.«
Da Souza umklammerte die Lehnen seines Sitzes. »Warum ihn dann aber erst aufsuchen? Er hält Sie für tot. Er hat keine Ahnung, daß Sie in England sind. Warum soll er es erfahren?«
»Dafür gibt es drei Gründe. Erstens könnte sein eventuelles Auftauchen unabsehbares Unheil anrichten. Zweitens geht es mir – trotz meines robusten Gemüts – gegen den Strich, einen alten Kameraden, dem ich ein Vermögen schulde, in einem Zustand halber Sklaverei zu wissen. Und da ist dann noch ein dritter und wichtigster Grund. Aber den muß ich Ihnen vorenthalten.«
Da Souza blinzelte mit verschmitztem Lächeln. »Ihr erster Grund hat nicht viel zu besagen. Glaubten Sie denn, daß ich ihn nicht im Auge behalten lasse? Es besteht nicht die geringste Wahrscheinlichkeit, daß er je in die Heimat zurückkehrt. Was den zweiten Grund anbelangt, so ist der Alte nur noch in teilweisem Besitz seiner Geisteskräfte. Und wenn es ihm finanziell besser ginge, würde er das nicht einmal begreifen können.«
»Selbst wenn ich Ihnen darin zustimmte, dann bleibt immer noch der dritte Grund schwerwiegend genug.«
Da Souzas Gesicht nahm einen niedergeschlagenen Ausdruck an. »Ich weiß, es hat keinen Zweck, Sie zu einer anderen Auffassung bekehren zu wollen. Aber Sie spielen ein gefährliches Spiel, das zu nichts führt.«
»Und was haben Sie vor? Ihre Reise verfolgt doch sicherlich ein anderes Ziel als das, sich mit mir hier gebildet zu unterhalten?«
Trent wanderte das ganze Deck ab und kehrte zurück. »Da Souza, diese Ihre Fahrt ist Wahnsinn. Sie kennen mich zur Genüge, um zu wissen, daß nichts mich in meiner Ansicht erschüttern würde. Nein, es steckt etwas anderes dahinter! Sie möchten sich drüben eine Rolle anmaßen. Doch merken Sie sich: Wenn ich Sie dabei ertappe, daß Sie meine Pläne stören, werde ich wirksamer mit Ihnen abrechnen als damals in meinem Landhaus. Ich habe nie unter übertriebenen Moralhemmungen gelitten – das wissen Sie. Und ich habe so eine Ahnung, als ob ich auf afrikanischer Erde mehr oder weniger wieder das werde, was ich früher war. Also nehmen Sie sich in acht! Ich bin nicht in der Stimmung, mich nasführen zu lassen. Und bedenken Sie: Wenn dem alten Mann etwas zustößt, wird es Sie, so wahr ich hier stehe, das Leben kosten. Wohlan, ich habe Ihnen gesagt, wie die Dinge liegen. Je weniger ich Sie an Bord vor Augen bekomme, desto lieber wird es mir sein!«
Er entfernte sich und wurde gleich darauf vom Schiffsarzt angehalten, der ihn zu einer Skatpartie preßte. Da Souza blieb nervös in seinem Stuhl zurück.