Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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8.
Auf den Tod des Tibullus.

        Wenn einst Thetis den SohnAchilles und Memnon., den Sohn Aurora beweint hat,
    Wenn euch ein Trauergeschick, mächtige Göttinnen, rührt –
Löse dann weinend dein Haar, Elegie, o löse den Schmuck dir
    Ach, und in schmerzlicher Pflicht zeige des Namens dich werth.
Er, der Meister des Lieds, dein Ruhm, dein Sänger TibullusTibull starb im Jahre 19. n. Chr.
    Brennt, ein entseelter Leib, hoch auf dem Todtengerüst.
Siehe, den Köcher zur Erde gekehrt naht Cyprias Knabe,
    Kläglich den Bogen zerknickt, kläglich die Fackel verlöscht.
Sieh, wie die Flügel gesenkt und vom Schmerze betäubt er einhergeht,
    Wie er die offene Brust schlägt mit verzweifelter Hand!
Feucht ist von Thränen sein Haar, das wirr ihm die Wangen umflattert,
    Schluchzen erstickt ihn und rauh tönt ihm die Klage vom Mund.
So auch schritt er vordem, an die Leiche des Bruders Aeneas
    Eilend, aus deinem Gemach, schöner Iulus, hervor.
Aber auch Venus selbst ist heute nicht minder erschüttert,
    Als da der Eber den Leib ihres GeliebtenAdonis. zerfleischt.
Und doch nennt man uns Sänger geweiht und die Sorge der Götter –
    Göttliches Wesen sogar legen uns Einige bei.
Doch rauh waltend verschont auch das Heiligste selber der Tod nicht
    Und auf Alles, was ist, legt er die finstere Hand.
OrpheusOrpheus und Linus, die beiden ältesten Liedersänger, Söhne des Apollo und der Muse Kalliope., sprich, was half dir der Vater? Was half dir die Mutter?
    Was, daß mit Liedern du einst Panther und Tiger gebannt?
Weinte um Linus nicht auch Apollo, die düsteren Wälder
    Klagend durchirrend, bis ihm endlich die Leyer zersprang?
Nimm den Mäonier dann, aus dem wie aus ewigem Borne
    Sänger um Sänger verzückt trank die pierische Flut.
Ihn auch sandte der Tag des Todes zum dunklen Avernus
    Und der Vernichtung entging nur sein unsterbliches Lied.
Ewig dauert der Dichter Werk: stets singt man von Troja
    Und dem Gewebe, zertrennt nächtlich den Freiern zum Spott.
Stets wird man, DeliaDie beiden, von ihm in seinen Gedichten gefeierten Geliebten des Tibull, die, wie aus den folgenden Versen hervorgeht, dem Isisdienst ergeben waren, in dessen Kultus Fasten und Keuschheit als Hauptsühnungsmittel angesehen wurden., dich und dich auch, Nemesis, nennen,
    Dich, die er jung einst, und dich, die er noch sterbend geliebt.
Sagt nun, was half euch das Opfer? Was half euch das Sistrum? Was half euch,
    Daß ihr auf züchtigem Pfühl einsam die Nächte verbracht?
Doch daß der Tod so die Besten hinwegrafft, regt mir das Herz auf:
    Können da wirklich – verzeiht – können da Götter noch sein?
Lebe gerecht und du stirbst. Bring' heilige Opfer – vom Opfer
    Reißt dich der Tod mit Gewalt fort in die schaurige Gruft.
Baust du auf holden Gesang? Tibull – sieh, liegt auf dem Holzstoß
    Weh, und sein Irdisches füllt kaum noch den winzigen Krug.
Heiliger Sänger, auch dich verzehrten die lodernden Flammen?
    Dir auch umzingelten sie gierig die wehrlose Brust?
Hätten sie lieber sich doch gestürzt auf die goldenen Tempel
    Aller der Götter, die ach, ließen so Schweres geschehn!
Doch ist's besser noch so, als wenn das Land der Phäaken
    Ihn, den Fremdling, zur Gruft hätte unwürdig geschafftTibull hatte seinen Gönner Messala auf einer Reise in den Orient begleiten wollen, war aber unterwegs auf der Insel der Phäaken (Corcyra) krank zurückgeblieben. Von hier hatte er dann, vielleicht noch leidend, den Heimweg nach Rom angetreten..
Hier war die Mutter denn doch, die im Tode die brechenden Augen
    Fromm ihm schloß und dem Staub weihte das letzte Geschenk.
Hier war die Schwester; den Schmerz mit der jammernden Mutter zu theilen,
    Kam sie, zerrissen das Kleid, bleich und die Haare zerrauft.
Auch kam Nemesis, kam seiner Jugend Liebe und beide
    Küßten den Theuern; es wich keine vom Leichengerüst.
Delia sprach: »Ich war dir zu größerem Heile. So lang du
    Treu mich liebtest, so lang blieb auch das Leben dir treu.«
»Wie,« rief Nemesis, »wie? Was klagst du, wo mich nur Verlust traf?
    Mich noch hielt er im Tod fest mit ermattender Hand.« – –
Doch wenn mehr noch von uns, als Namen und Schatten, zurückbleibt,
    O, dann weilt auch Tibull jetzt im elysischen Thal.
Dort tritt du ihm entgegen, beredter Catull, mit dem Epheu
    Heiter umschlungen die Stirn – führe auch CalvusCalvus, ein Elegiendichter, mit Catull befreundet. mit dir.
Du auch (denn fälschlich nur hat man des Freundesverraths dich bezichtigt)
    GallusGallus, fälschlich angeklagt, nach dem Leben des Kaisers gestrebt zu haben, hatte sich selbst das Leben genommen. Vergl. die Anmerkung 37 zur 14. Elegie des 1. Buches., mit Leben und Blut allzu verschwenderisch, komm!
Ihnen gesellt sich dein Schatten, wenn Schatten wie Körper noch wandeln,
    Holder Tibull, und du wardst Einer der Seligen nun.
Lebe denn wohl! Ruh' still und friedlich in sicherer Urne,
    Theuere Asche, es sei leicht dir die Erde! Leb' wohl!

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