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In der Stadt, die liegt an Italiens Ende,
Wohnte ein Mann aus Samos, aber von Samos
War er geflohn vor dem Herrn und blieb freiwillig im Banne,
Hassend Tyrannengewalt. Der stieg, ob fern von dem Himmel,
Doch zu den Göttern im Geist und ersah, was ewige Ordnung
Menschlichen Blicken entzog, mit dem Auge der denkenden Seele.
Dann, wie er alles erspäht mit Gedanken und wachender Sorge,
Trug er es vor im versammelten Kreis, und den schweigende Schülern,
Die zuhörten dem Wort mit Verwunderung, lehrt' er des Weltalls
Uranfang und der Ding' Ursachen, und was die Natur sei,
Auch was Gott, von wannen der Schnee, wie Blitz sich erzeuge,
Ob in zerteiltem Gewölk Sturmwind, ob Jupiter donnre,
Was aufschüttre das Land, nach welchem Gesetz die Gestirne
Wandeln, und was sonst dunkel verbleibt. Er rügte die Sitte
Tiere zu speisen zuerst und erschloß zu folgender Rede
Weisheit kündenden Mund, der nicht auch Glauben gefunden:
»Laßt, ihr Sterblichen, ab durch frevlige Speise die Leiber
Euch zu entweihn. Feldfrucht ja ist und die tragenden Äste
Abwärts ziehendes Obst und am Weinstock schwellende Trauben,
Zarte Gewächs' auch sind und andere, welche das Feuer
Mild kann machen und weich; und wird euch nimmer benommen
Labende Milch, noch Seim nach Thymian duftenden Honigs.
Gaben in Fülle beschert die verschwendende Erde zu milder
Nahrung und beut euch Kost, die Blut nicht heischet und Tötung.
Tiere nur sättigen sich mit Fleisch, doch alle mitnichten;
Denn Gras nähret das Roß und das wollige Vieh und die Rinder;
Denen jedoch inwohnt unbändiges Wesen und Wildheit,
Löwen, die zornige Brut, armenische Tiger, mit Bären
Gieriger Wölfe Geschlecht, die freuen sich blutigen Fraßes.
Welch ein vermessenes Tun, im Fleische das Fleisch zu versenken
Und den begehrliche Leib mit verschlungenem Leibe zu mästen
Und mit des Lebenden Tod ein Lebender sich zu erhalten!
Bei so reichlichem Gut, das die Erde, die beste der Mütter,
Zeuget, behagt dir nichts als traurige Stücke zu kauen
Mit unseligem Zahn und zu tun nach Art der Zyklopen?
Weißt du nimmer die Gier des gefräßigen Bauches zu stillen,
Der zum Schlimmen gewöhnt, als wenn du vernichtest den Andern?
Jene verwichene Zeit, die golden wir pflegen zu nennen,
War mit Baumesertrag und dem Boden entsprossenen Pflanzen
Reichlich beglückt und befleckte noch nicht mit Blute die Lippen.
Damals schlugen die Luft mit sicheren Schwingen die Vögel;
Furchtlos irrt' umher im freien Gefilde der Hase;
Nie auch hängte den Fisch leichtgläubiger Wahn an die Angel.
Ohn' auflauernden Trug und nichts argwöhnend von Tücke
War voll Frieden die Welt. Als aber ein Stifter des Unheils,
Wer auch immer es war, hinblickte mit Neid auf die Rachen
Und in den gierigen Bauch sich leibliche Speisen versenkte,
Bahnt' er dem Frevel den Weg. Vielleicht von des Wildes Erlegung
Wurde am ersten gewärmt mit Blute besudeltes Eisen,
Und das hätte genügt; denn was uns steht nach dem Leben,
Dürfen wir, ohne die Pflicht zu verletzen, vom Boden vertilgen.
Aber zu töten die Brut war recht, nicht auch sie zu essen.
Dann ging weiter der Gräul, und zu fallen als frühestes Opfer,
Glaubt man, verdiente das Schwein, weil das mit gebogenem Rüssel
Saaten im Feld umwühlt und vereitelt die heurige Hoffnung.
Weil er die Reben benagt, wird an dem Altare des Rächers
Bacchus geschlachtet der Bock. Schuld brachte den beiden Verderben.
Was für Schuld habt ihr, friedfertige Schafe, den Menschen
Zur Fürsorge bestimmt, die ihr im gefülleten Euter
Nektar tragt und zum weichen Gewand uns euere Wolle
Gebet und mehr, denn im Tod, uns Nutzen gewähret im Leben?
Was tat Böses der Stier, der Falsch nicht kennet und Tücke,
So unschädlich und schlicht und geschaffen zum Dulden der Arbeit?
Undank hegt im Gemüt und der Gaben des Feldes ist unwert,
Wer, da eben die Last des gebogenen Pflugs ihm benommen,
Seinen Besteller der Flur zu schlachten vermocht' und den Nacken,
Der von der Arbeit wund so vielmal hartes Gefilde
Hatte bereitet für ihn und Ernten beschafft, mit dem Beil schlug.
Doch es geschieht nicht bloß die Verruchtheit, selber den Göttern
Bürden den Frevel sie auf und vermeinen, das höchste der Wesen
Finde Gefallen am Morde des Mühen ertragenden Rindes.
Schön vor allen an Wuchs und jeglichen Makels entbehrend, –
Grade der Wert ist Verderb – mit Goldschmuck prangend und Bändern,
Stehet das Opfer am Herd und vernimmt arglos die Gebete,
Sieht dann, wie auf die Stirn ihm zwischen die Hörner gelegt wird
Feldfrucht, die es gebaut, und färbt beim Streiche das Messer,
Das es in spiegelnder Flut vielleicht schon sah, mit dem Blute.
Aus noch lebender Brust gleich reißend die edelen Teile,
Halten sie Schau und erforschen darin die Gesinnung der Götter.
Warum hungert denn so nach verbotener Speise den Menschen?
Sterblich Geschlecht, sie zu essen vermeßt ihr euch? Von dem Frevel
Stehet, ich bitt' euch, ab und höret auf unsere Warnung!
Wenn ihr den Gaumen euch letzt mit den Gliedern geschlachteter Stiere,
O so wißt und bedenkt, daß euere Pflüger ihr kautet!
Weil zu reden ein Gott mich treibt, so leist' ich geziemend
Folge dem treibenden Gott. Mein Delphi und droben den Äther
Schließe ich auf und eröffne den Spruch hochheiligen Geistes.
Großes enthüllt mein Mund, was noch kein Denker ersparte,
Was lang Dunkel umzog. Durch hohe Gestirne zu wandeln
Freuet, es freut auf Wolken der Erd' unrührigem Sitze
Ferne zu schweben, zu stehn auf der Schulter des kräftigen Atlas
Und von der Höhe zu schau'n auf die unstet irrenden Menschen,
Die der Erkenntnis bar, und den Zagenden, welche der Tod schreckt,
Also zu heben den Mut und zu künden die Reihe des Weltlaufs.
O du Geschlecht, von der Furcht vor frostigem Tode bewältigt,
Was macht Styx dir bang, was Dunkel und eitele Namen,
Dichtern gefälliger Stoff und Gefahren erlogenen Reiches?
Ob er im Feuer verging auf dem Holzstoß, ob ihn Verwesung
Wegnahm, glaubet, der Leib kann nicht mehr Schlimmes erleiden.
Frei ist die Seele vom Tod, und verließ sie die frühere Stätte,
Wohnt und lebet sie fort im anderen Hause geborgen.
Mir ist bewußt noch jetzt: Zur Zeit des trojanischen Krieges
War ich Panthous Sohn Euphorbus, welchem gehaftet
Vorn in der Brust der gewichtige Speer vom zweiten Atriden.
Unlängst hab' ich erkannt im abantischen Argos in Junos
Tempel den nämlichen Schild, den unsere Linke getragen.
Alles verändert sich nur, nichts stirbt. Herüber, hinüber
Irrt der belebende Hauch, und in andre beliebige Glieder
Ziehet er ein und geht aus Tieren in menschliche Leiber
Und in Getier von uns und besteht so ewige Zeiten.
Wie das geschmeidige Wachs, zu neuer Gestalt sich bequemend,
Weder verbleibt, wie es war, noch hält an den selbige Formen,
Aber dasselbe doch ist; so bleibt auch, lehr' ich, die Seele
Immer sich gleich und begibt sich nur in verschiedene Formen.
Drum, daß achtende Scheu nicht weiche den Lüsten des Bauches,
Hört mein göttliches Wort: Laßt ab, zu verdrängen verwandte
Seelen mit schändlichem Mord, und Blut nicht nähret mit Blute.
Weil ich auf offener See nun treib' und die Segel den Winden
Gab zum Blähn: nichts ist von Bestand in der Weite des Weltalls.
Rings ist Fluß, und jedes Gebild ist geschaffen zum Wechsel.
Selber die Zeit auch gleitet dahin in beständigem Gange,
Anders nicht als ein Strom; denn Strom und flüchtige Stunde
Stehen im Lauf nie still. Wie Woge von Woge gedrängt wird,
Immer die kommende schiebt auf die vordere, selber geschoben,
Also fliehen zugleich und folgen sich immer die Zeiten,
Unablässig erneut; was war, das bleibet dahinten;
Was nicht war, das wird, und jede Minute verjüngt sich.
Gegen das Licht auch siehst du die Nacht aus dem Meere sich heben,
Aber der finsteren Nacht nachfolgen die glänzenden Strahlen.
Anders erweist sich der Himmel gefärbt, wen alles ermüdet
Liegt im Schoße der Ruh, und wenn hell auf schneeigem Rosse
Lucifer kommt, und anders, wenn früh die pallantische Göttin,
Kündend den Tag, Schein wirft in die Welt, die harret des Phöbus.
Rot ist auch Sols Schild, wenn er steigt vom Grunde der Erde,
Morgens zu sehn und rot, wenn er sinkt vom Grunde der Erde,
Doch in der Höh ist er hell, weil droben sich breitet des Äthers
Reinere Luft und ferne sich hält von der trübenden Erde.
Nie auch bleibt die Gestalt der bei Nacht sichtbaren Diana
Völlig dieselbe und gleich; denn stets ist kleiner als morgen
Heute das Bild, wenn die Scheibe sich dehnt, doch engt sie sich, größer.
Wie, und siehest du nicht in vier abwechselnde Formen
Treten das Jahr, nachahmend den Gang von unserem Leben?
Saftreich ist es und zart, ganz ähnlich dem Alter des Knaben,
In dem erwachsenden Lenz. Dann strotzen die neuen Gewächse,
Kraft noch missend und Halt, und ergötzen mit Hoffnung den Landmann.
Dann blüht alles umher, und fröhlich im Schmelze der Blumen
Prangt das Gefild, doch fehlt noch festes Beharren dem Laube.
Tüchtiger geht nach dem Lenz nun über das Jahr in den Sommer,
Rüstigem Jüngling gleich; denn es ist kein anderes Alter
Reicher in Fülle der Kraft, keins heißer in drängendem Streben.
Danach folget der Herbst, der ohne das Feuer der Jugend
Reif dastehet und mild und zwischen dem Greis und dem Jüngling
Mäßig in Mitten sich hält, schon grau an den Schläfen gesprenkelt.
Schaurig mit wankendem Schritt kommt endlich der greisende Winter,
Völlig der Haare beraubt, und trägt er sie, weiß an dem Haupte.
An uns selber erfährt ja auch rastlose Verwandlung
Immer der Leib, und was wir gewesen und sind, wir verbleiben
Morgen es nicht. Einst war ein Tag, wo im Schoße der Mutter
Nur als Samen und Keim zukünftiger Menschen wir wohnten.
Bildende Hand anlegte Natur, und daß vom gedehnten
Leibe der Mutter umspannt die lebendige Bürde gezwängt sei,
Wollte sie nicht und ließ sie heraus an die ledigen Lüfte.
Jetzo gebracht ans Licht lag ohne Vermögen der Säugling;
Bald auf vieren bewegt' er nach Sitte der Tiere die Glieder,
Und er begann allmählig mit noch unsicheren Knieen
Wankend zu stehen und half durch schwache Versuche den Sehnen.
Stark dann wird er und rasch, und über die Strecke der Jugend
Geht er, und ist dann auch vollendet der mittleren Jahre
Dienstzeit, geht's abwärts auf der Bahn hinfälligen Alters.
Dieses zerrüttet und macht zunichte der früheren Jahre
Rüstige Kraft, und Milon der Greis sieht weinend die Arme,
Die, den herkulischen gleich, von straff sich spannenden Muskeln
Hatten gestrotzt ehdem, schlaff hängen in nichtiger Ohnmacht.
Weinend im Spiegel erblickt auch Tyndarus' Tochter des Alters
Runzeln und fragt bei sich, warum zweimal sie entführt sei.
Du, aufzehrende Zeit, und du, mißgünstiges Alter,
Ihr bringt alle Verderb, und benagt vom Zahne des Wechsels
Macht ihr alles gemach im schleichenden Tode vergehen.
Ohne Bestand sind auch, die wir Elemente benennen.
Was für Wechsel sie trifft, – merkt auf – ich will es verkünden.
Vier Grundstoffe bewahrt, die alles erzeugen, des Weltalls
Ewiger Bau. Zwei haben Gewicht: mit der Erde die Welle,
Die gehn nieder zum Grund, von der eigenen Schwere gezogen.
Ebensoviel sind ohne Gewicht und streben zur Höhe,
Frei vom Drucke: die Luft und, reiner als jene, das Feuer.
Daraus, wenn sie getrennt auch sind, nimmt seine Entstehung
Alles, in sie fällt alles zurück. Das zersetzete Erdreich
Löst sich in flüssiges Naß, und das flüchtig gewordene Wasser
Schwindet in Dunst und Luft, und wieder, enthoben der Schwere,
Schwingt sich die dünneste Luft in die Höhe zum feurigen Aether.
Dann geht wieder der Weg rückwärts in der nämlichen Folge.
Denn in die trägere Luft geht über verdichtetes Feuer;
Wasser entsteht aus der Luft; zum Erdreich ballt sich die Welle.
Keines verbleibt in derselben Gestalt, und Veränderung liebend
Schafft die Natur stets neu aus anderen andere Formen,
Und in der Weite der Welt geht nichts – das glaubt mir – verloren;
Wechsel und Tausch ist nur in der Form. Entstehen und Werden
Heißt nur anders als sonst anfangen zu sein, und Vergehen
Nicht mehr sein wie zuvor. Sei hierhin jenes versetzet,
Dieses vielleicht dorthin: im Ganzen ist alles beständig.
Unter dem selbigen Bild – so glaub' ich – beharrt auf die Dauer
Nichts in der Welt. |