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Aus dem metallnen Munde
Der Glocken tönt es laut:
Es werden sich zur Stunde
Zwei Herzen angetraut.
Die Menge sieht mit Schmunzeln
Sich nah'n das Hochzeitspaar,
Den Bräutigam voll Runzeln,
Die Braut mit grauem Haar.
Ein Flüstern geht im Kreise,
Ein Spötteln, scharf und schrill:
»Ein Thor, der unterm Eise
Noch Rosen pflücken will!«
»Die Liebe ist ein Falter,
Der mit dem Frühling stirbt!
Wie närrisch, wenn ein Alter
Um ihre Freuden wirbt!«
»Man könnt' es ernster nehmen,
Wirft Einer hüstelnd ein;
Wie würde ich mich schämen,
Im Alter noch zu frei'n!
Es zeigt, daß wir den Schimmer
Der Wahrheit nicht erstrebt,
Und daß in uns noch immer
Der alte Adam lebt!«
Frau Käthe seufzt beklommen:
»Es ist nicht wohlgethan!
Wenn spät noch Kinder kommen,
Was wird aus ihnen dann?«
»Davor sind die geborgen,
Versetzt ein alter Faun,
Glaubt mir! dergleichen Sorgen
Sind überflüssig, traun!« –
Doch sie, um welche schäumend
Des Spottes Welle schlägt,
Sie stehen still und träumend,
Im Innersten bewegt,
Dem Zug sich überlassend,
Der leise sie beschleicht,
Beglückt, und doch kaum fassend,
Daß sie ihr Ziel erreicht.
Auftaucht vor ihrem Blicke
Die ferne Jugendzeit,
Mit ihrem herben Glücke,
Mit ihrem süßen Leid!
Ihr erstes Sichbegegnen
Am lenzesgrünen Haag,
Und ihre Lippen segnen
Noch heut den fernen Tag!
In jugendlichem Prangen,
Wie blühten da so hold
Die jetzt erblaßten Wangen!
Wie floß der Locken Gold!
Blitzähnlich, wie vom Bogen
Der Pfeil sich schnellt im Nu,
So sehnsuchttrunken flogen
Sich ihre Herzen zu!
O wie so gerne hätte
Schon damals ihre Hand
Die flücht'ge Rosenkette
Erhöht zum Eheband!
Doch anders war's beschlossen, –
Der Weg zum Glück ist weit!
Hinwelkte, ungenossen,
Des Lebens gold'ne Zeit!
Wie heiß die Herzen schlugen,
Wie stürmisch ihr Begehr,
Am Fluch der Armuth trugen
Sie Beide allzu schwer!
Nur knapp sich durchzuwinden
Erlaubt so schmale Bahn,
Doch, einen Hausstand gründen,
Ach Gott! das ging nicht an!
Die Jahre kamen, gingen,
Und jedes neue fand,
Trotz Sehnen, Streben, Ringen,
Das Paar im alten Stand:
Beim Aktenstoß ihn schwitzend
Und schreibend unverwandt,
Sie an dem Nähtisch sitzend,
Die Nadel in der Hand.
Da endlich ward in Hulden, –
Sie dachten's selber kaum, –
Gelohnt ihr treues Dulden,
Erfüllt ihr schönster Traum!
»Glückauf, du meine Hanne!
Mir ward ein Amt bescheert,
Das neben seinem Manne
Auch dessen Frau ernährt!«
Und freudeweinend sanken
Sich beide an die Brust,
Zum erstenmale tranken
Sie volle, reine Lust!
Nicht lange mocht es währen
Bis Alles war bestellt,
Und jetzt ist sie in Ehren
Sein Weib vor Gott und Welt.
Im heil'gen Gnadenbronnen
Ward nun ihr Bund geweiht!
Doch mischt in ihre Wonnen
Sich ein geheimes Leid.
Verschwieg'ner Sorge Drücken
Stört ihres Herzens Ruh':
Den Andern zu beglücken
Traut Keines sich mehr zu!
Vom schweren Flug der Jahre
Die Blüthe abgestreift!
Die gold'nen Lockenhaare
Mit Silber jetzt bereift!
Im Aug', dem trüben, matten,
Verwischt die Flammenspur!
Sie fühlen sich als Schatten
Dess', was sie waren, nur!
Da, wie mit stiller Trauer
Ihr Auge sich erhebt,
O tiefer Wonneschauer
Der plötzlich sie durchbebt!
O Wunder, das die Tücke
Der Jahre selbst bezwingt:
In des Geliebten Blicke
Sieht Jedes sich verjüngt!
Denn mit verklärtem Schimmer
Spricht dieser stumme Blick:
Du bist und bleibst mir immer,
Des Lebens Ziel und Glück!
Sie reichen sich die Hände,
Die fahle Wange blüht,
Ein Frühling ohne Ende
Durchduftet ihr Gemüth! –
Mit Segen auf der Lippe
Blick' ich dem Paare nach,
Das sich vom Dorngestrüppe
Die schönste Rose brach!
Die nimmer von sich ließen,
O mögen sie noch lang
Den werthen Lohn genießen,
Den ihre Treu errang! |