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Neunter Artikel.
Zerstreute moralische Gedanken.

1.

Alle guten Grundsätze sind in der Welt vorhanden, man verfehlt nur sie anzuwenden. Z. B., niemand zweifelt, daß man sein Leben für die Vertheidigung des öffentlichen Wohles hingeben muß, und manche thun es; aber fast niemand würde es thun für die Religion. Es ist nothwendig, daß unter den Menschen Ungleichheit herrsche; aber gesteht man das zu, so öffnet man Thür und Thor nicht nur der höchsten Herrschaft, sondern auch der höchsten Tyrannei. Es ist nothwendig dem Geiste etwas Ruhe zu gönnen; aber das öffnet den größesten Ausschreitungen die Thür. Man bezeichne die Grenzen; es giebt keine Grenzen in den Dingen: die Gesetze wollen sie aufrichten, der Geist kann sie nicht ertragen.

2.

Die Vernunft befiehlt uns weit gebieterischer als ein Herr: denn, wenn wir diesem nicht gehorchen, sind wir unglücklich; wenn man jener nicht gehorcht, ist man ein Narr.

3.

Warum tödtest du mich? Nun was? wohnst du nicht jenseit des Wassers? Mein Freund, wenn du diesseits wohntest, so wäre ich ein Mörder, es würde unrecht sein dich so zu tödten; aber da du jenseits wohnst, so bin ich ein Tapferer und es ist gerecht.

4.

Diejenigen, welche unordentlich leben, sagen zu denen die ordentlich leben, sie entfernten sich von der Natur, und glauben selbst ihr zu folgen: so glauben die, welche sich auf einem Schiffe befinden, daß die am Ufer bleibenden sich entfernen. Mit der Sprache verhält es sich durchaus ähnlich. Man muß einen festen Punkt haben, um darüber zu urtheilen. Nach dem Hafen richten sich die, welche zu Schiff sind; aber wo finden wir diesen Punkt in der Moral? In dieser einzigen Maxime, die von allen Nationen angenommen ist: Thut keinem andern, was ihr nicht wollt, daß man euch thue.

5.

Wie die Mode das Vergnügen bestimmt, so auch die Gerechtigkeit. Wenn der Mensch in Wahrheit die Gerechtigkeit kennte, er würde nicht den allerverbreitetsten Grundsatz unter den Menschen aufgestellt haben: Jeder folge den Sitten seines Landes: das Licht der wahren Billigkeit wurde alle Völker unterworfen haben, und die Gesetzgeber würden, statt dieser gleichbleibenden Gerechtigkeit, nicht die Phantasieen und Launen der Perser und Deutschen zum Muster genommen haben; man würde sie in alle Staaten der Welt und in alle Zeiten verpflanzt sehen.

6. Ein gewisses Volk hatte ein Gesetz, nach dem man einen Menschen henkte, der auf die Gesundheit eines gewissen Fürsten getrunken hatte: es wäre gerecht gewesen mit diesem Menschen nicht zu trinken, aber es war ein wenig hart ihn zu henken: das war Gesetz, aber es war abscheulich.

Gerechtigkeit ist das was gilt; und also werden all' unsere geltenden Gesetze nothwendig ohne Prüfung für gerecht gehalten, weil sie gelten.

7.

Die einzigen universellen Regeln sind die Landesgesetze in gewöhnlichen Sachen; für andere die Mehrheit. Woher kommt das? von der Macht, die darin liegt.

Daher kommt es, daß die Könige, welche die Macht auch sonst haben, nicht der Mehrheit ihrer Minister folgen.

8.

Ohne Zweifel ist die Gütergemeinschaft gerecht; Die Gütergemeinschaft ist nicht gerecht. Es ist nicht gerecht, daß, wenn die Theilung geschehen, fremde Lohnknechte, die mir bei der Ernte helfen, davon ebenso viel erhalten, wie ich. aber da man den Menschen nicht hat zwingen können, der Gerechtigkeit zu gehorchen, hat man ihn gezwungen, der Gewalt zu gehorchen; da man die Gerechtigkeit nicht hat gewaltig machen können, hat man die Gewalt gerecht gemacht, damit Gerechtigkeit und Gewalt Hand in Hand gingen und Frieden sei; denn er ist das höchste Gut: Summum jus, summa injuria.

Die Mehrheit ist der beste Weg, denn sie ist leicht zu finden und hat die Macht sich Gehorsam zu verschaffen; gleichwohl ist es die Meinung der weniger Gebildeten.

Wenn man gekonnt hätte, hätte man die Gewalt der Gerechtigkeit überliefert; da aber die Gewalt sich nicht handhaben läßt, wie man will, da sie von handgreiflicher Qualität ist, während die Gerechtigkeit von geistiger Qualität ist und man über sie verfügt wie man will: so hat man die Gerechtigkeit der Gewalt überliefert und also nennt man Gerechtigkeit das, was zu beobachten man gezwungen ist.

9.

Es ist gerecht, daß man dem, was gerecht ist nachhandle: es ist nothwendig, daß man dem nachhandle, was am meisten Gewalt hat. Gerechtigkeit ohne Gewalt ist ohnmächtig: Macht ohne Gerechtigkeit ist tyrannisch. Der Gerechtigkeit ohne Macht wird widersprochen, denn es giebt immer Lästerzungen: Gewalt ohne Gerechtigkeit wird angeklagt. Man muß also Gerechtigkeit und Gewalt verbinden und deshalb muß das Gerechte mächtig und das Mächtige gerecht sein.

Über die Gerechtigkeit läßt sich streiten: die Gewalt ist sehr kenntlich und undisputabel. So braucht man nur der Gerechtigkeit Macht zu verleihen. Da man nicht machen konnte, daß das was gerecht ist mächtig sei, hat man gemacht, daß das was mächtig ist gerecht sei.

10.

Es ist gefährlich dem Volke zu sagen, daß die Gesetze nicht gerecht sind; denn es gehorcht ihnen nur, weil es sie für gerecht hält. Deshalb muß man ihm zugleich sagen, daß man gehorchen muß, weil sie Gesetze sind, wie man den Oberen gehorchen muß, nicht weil sie gerecht sind, sondern weil sie Obere sind. Dadurch beugt man jeder Verführung vor, wenn man das begreiflich machen kann. Alles das ist recht eigentlich die Definition der Gerechtigkeit.

11.

Es wäre gut, wenn man den Gesetzen und Bräuchen sich fügte, weil sie Gesetze sind, und wenn das Volk begriffe, daß das es ist, was sie gerecht macht. Vermöge dieses Mittels würde man sie nie aufgeben: während, wenn man ihre Gerechtigkeit von etwas anderem abhängig macht, man sie leicht in Zweifel ziehen kann; und das eben macht, daß die Völker der Revolution ausgesetzt sind.

12.

Wenn es sich um die Entscheidung handelt, ob man Krieg führen und so viel Menschen tödten muß, so viel Spanier zum Tode verurtheilen, so ist es ein einzelner Mensch der darüber entscheidet und noch dazu ein eigennütziger: es müßte ein unparteiischer Dritter sein.

13.

Reden wie folgende sind falsch und tyrannisch: Ich bin schön, also muß man mich fürchten; ich bin stark, also muß man mich lieben: Ich bin ... Tyrannei heißt, auf diesem Wege etwas besitzen wollen, was man nur auf einem anderen erreichen kann. Man schuldet verschiedenen Verdiensten verschiedene Verpflichtungen: der Anmuth Liebe, der Gewalt Furcht, der Wissenschaft Glauben, etc. Diese Verpflichtungen muß man erfüllen; man ist ungerecht sie zu verweigern und andere zu verlangen. Es ist ebenso falsch wie tyrannisch zu sagen: er ist nicht stark, also achte ich ihn nicht; er ist nicht klug, also fürchte ich ihn nicht. Die Tyrannei besteht in der Begier nach universaler Herrschaft und zwar außerhalb der angewiesenen Ordnung.

14.

Es giebt Laster, die an uns nur vermöge anderer haften, und die, wenn man den Stamm abschneidet, wie Zweige mit fortfallen.

15.

Wenn die Bosheit die Vernunft auf ihrer Seite hat, so wird sie stolz und kramt die Vernunft in all' ihrem Glanz aus: wenn der Strenge oder strenger Wahl das wahre Glück nicht gelungen ist und wenn man zur Nachahmung der Natur zurückkehren muß, so wird sie stolz wegen der Rückkehr.

16.

Man ist nicht glücklich, wenn man sich an Zerstreuung erfreuen kann; denn sie kommt anderswoher und von außen: also ist sie abhängig und folglich der Störung durch tausend Zufälligkeiten, die unvermeidliche Betrübnis bringen, unterworfen.

17.

Der höchste Geistesreichthum wird als Thorheit angeklagt, ebenso wie der äußerste Geistesmangel. Nicht der höchste Geist ( l'extrème esprit; im Text: Geistesreichthum), die höchste Lebendigkeit und Beweglichkeit des Geistes klagt man der Narrheit an; der höchste Geist ist höchste Gerechtigkeit, höchste Feinheit, höchste Ausdehnung der Narrheit diametral entgegengesetzt. Der höchste Mangel an Geist ist ein Fehlen von Begriffen, eine Leere an Vorstellungen; das ist keine Narrheit, das ist Stupidität. Die Narrheit ist eine Unordnung in den Organen, die manche Gegenstände zu schnell sehen läßt, oder die Einbildung mit zuviel Gründlichkeit und Macht bei einem einzigen festhält. Es ist auch nicht die Mittelmäßigkeit, die für gut gilt, es ist das gleichmäßige Fernbleiben von zwei entgegengesetzten Fehlern; das nennt man »die richtige Mitte«, und nicht »Mittelmäßigkeit«. Diese und einige ähnliche Bemerkungen machen wir nur, um genaue Vorstellungen zu geben. Es geschieht mehr um zu beleuchten, als um zu widersprechen. Nichts gilt für gut, als die Mittelmäßigkeit. Die Mehrheit hat dies als Gesetz aufgestellt und tadelt jeden, der ihm an irgend einem Ende entgehen will. Ich stelle mich dem nicht entgegen; ich bins zufrieden, daß man mich dem unterwirft: und wenn ich läugne am untern Ende zu stehen, so geschieht das nicht, weil es das untere ist, sondern weil es ein Ende ist; ich würde mich ebenso wenig ans obere Ende stellen lassen. Verläßt man die Mittelstraße, so verläßt man die Menschheit; die Größe der menschlichen Seele besteht darin, sich auf ihr zu halten; und weit entfernt, daß ihre Größe darin besteht sie zu verlassen, besteht sie vielmehr darin, sie durchaus nicht zu verlassen.

18.

Man gilt in der Welt nicht eher für einen, der sich auf Verse versteht, als bis man das Poetenzeichen angelegt hat, ebenso wenig für einen in der Mathematik erfahrenen, wenn man nicht das Zeichen des Mathematikers angelegt hat. Aber die wahren Ehrenmänner wollen durchaus kein Abzeichen und machen kaum einen Unterschied zwischen dem Metier eines Dichters und eines Schneiders. Sie heißen weder Poeten noch Geometer, aber sie urtheilen über diese alle. Man erräth sie durchaus nicht. Sie sprechen über Dinge, von denen bei ihrem Eintritt gerade die Rede war. Man gewahrt an ihnen eine Eigenschaft nicht mehr als eine andere, außer wenn man sie nothwendig braucht; dann aber erinnert man sich daran: denn es gehört gleicherweise zu ihrer Art, daß man nicht von ihnen sagt, sie sprechen schön, wenn es sich nicht um die Sprache handelt, und daß man von ihnen sagt, sie sprechen schön, wenn es sich darum handelt. Es ist also ein falsches Lob, wenn man von einem Menschen bei seinem Eintritt sagt, er sei sehr stark in der Poesie; und es ist ein schlechtes Zeichen, wenn man zu ihm nur dann seine Zuflucht nehmen kann, wenn es sich um ein Urtheil über einige Verse handelt. Der Mensch hat viel Bedürfnisse: er liebt nur die, welche sie erfüllen können. Er ist ein guter Mathematiker, sagt man; aber ich habe nichts mit Mathematik zu thun. Er versteht sich gründlich auf den Krieg; aber ich will ihn mit niemand führen. Man braucht also einen Biedermann, der sich all' unsern Bedürfnissen anpassen kann.

19.

Wenn man gesund ist begreift man nicht, wie man es aushielte krank zu sein; und wenn man es ist nimmt man seine Arzenei mit Vergnügen: das Übel entscheidet darüber. Man hat nicht mehr die Leidenschaften und die Begierden nach Zerstreuungen und Promenaden, welche die Gesundheit uns einflößte und welche mit den Unvermeidlichkeiten der Krankheit unverträglich sind. Die Natur verleiht uns dann Leidenschaften und Begierden, die zu unserem gegenwärtigen Zustande passen. Nur die Befürchtungen, die wir uns selbst machen, nicht aber die Natur, sind es, die uns in Unruhe versetzen, weil sie eben mit dem Zustande, in dem wir uns befinden, die Leidenschaften des Zustandes, in dem wir uns nicht befinden, vereinigen.

20.

Die Reden der Demuth sind Anlaß zum Stolz für ruhmsüchtige Leute, der Demuth für Demüthige. So sind die des Pyrrhonismus und des Zweifels Anlaß zur Behauptung für Behauptende. Wenig Leute sprechen von der Demuth demüthig; wenige von Keuschheit keusch; wenige vom Zweifel mit Zweifel. Wir sind nur Lügen, Zwiespalt, Widersprüche. Wir verbergen uns und verstellen uns vor uns selbst.

21.

Gute Thaten, die man verbirgt, sind die schätzenswerthesten. So oft ich deren in der Geschichte finde, gefallen sie mir sehr. Aber schließlich sind sie doch nicht ganz verborgen gewesen, da sie bekannt gewesen sind; und gerade das Wenige, was von ihnen hervorgetreten, verringert ihren Werth; denn das schönste daran ist, daß man sie hat verbergen wollen. Und wie hat die Geschichte davon berichten können, wenn man nichts von ihnen gewußt?

22.

Wer in Witzworten spricht ist ein schlechter Charakter.

23.

Das »Ich« ist hassenswerth: ebenso sind die, welche es nicht fortnehmen, sondern sich begnügen, es nur zu verdecken, stets hassenswerth. Durchaus nicht, werdet ihr sagen; denn wenn man, wie wir es thun, pflichtgetreu für alle handelt, so hat man keinen Grund, uns zu hassen. Das ist wahr, wenn man in dem »Ich« nur den Verdruß haßt, der daraus auf uns zurückkehrt. Wenn ich es aber hasse, weil es ungerecht ist, und weil es sich zum Mittelpunkt von allem macht, so werde ich es stets hassen. Mit einem Worte, das »Ich« hat zwei Seiten: es ist ungerecht an sich und weil es sich zum Mittelpunkt von allem macht; es ist andern lästig, weil es sie unterjochen will; denn jedes »Ich« ist ein Feind und möchte der Tyrann aller andern sein. Ihr nehmt ihm die Lästigkeit, aber nicht die Ungerechtigkeit; und also macht ihr es denen nicht liebenswürdig, welche seine Ungerechtigkeit hassen; ihr macht es nur den Ungerechten liebenswürdig, die in ihm nicht mehr ihren Feind finden; und also bleibt ihr ungerecht und könnt nur Ungerechten gefallen.

24.

Ich bewundere durchaus nicht einen Menschen, der eine Tugend in ihrer ganzen Vollendung besitzt, wenn er nicht zugleich auf ähnlicher Stufe die entgegengesetzte Tugend besitzt, wie z. B. Epaminoudas, der die höchste Tapferkeit mit der größten Milde verband; denn sonst ist es kein Steigen, sondern ein Sinken. Man zeigt nicht seine Größe, wenn man ein Extrem berührt, wohl aber wenn man beide zugleich umfaßt und die Kluft zwischen ihnen ausfüllt. Vielleicht aber ist es nur eine plötzliche Bewegung der Seele von einem Extrem zum andern, und sie ist in der That stets nur an einer Stelle, wie der Feuerbrand, den man im Kreise schwingt. Wenigstens aber beweist das die Beweglichkeit der Seele, wenn es nicht ihre Weite beweist.

25.

Wäre unsere Lage in Wahrheit glücklich, so wäre es nicht nöthig unsere Gedanken durch Zerstreuung davon abzuwenden.

Kleinigkeiten trösten uns, weil uns Kleinigkeiten betrüben.

26.

Ich hatte lange Zeit mit dem Studium der abstracten Wissenschaften hingebracht; aber da man darin mit so wenig Leuten verkehren kann, so ward ich ihrer überdrüssig. Als ich das Studium des Menschen begann, erkannte ich, daß jene abstracten Wissenschaften nicht für ihn taugen, und daß ich mich weiter von meinem Zustande entfernte indem ich sie durchforschte, als andere, die sie nicht kannten; und ich habe ihnen verziehen, daß sie sich gar nicht mit ihnen befaßten. Aber ich glaubte wenigstens beim Studium des Menschen genug Gefährten zu finden, denn dieses taugt für ihn. Ich habe mich getäuscht. Es giebt noch weniger, die sich hiemit befassen, als mit der Geometrie.

27.

Wenn sich alles gleichmäßig bewegt, bewegt sich scheinbar nichts, wie auf einem Schiffe. Wenn alle gegen die Unordnung gehen, scheint niemand dabei zu gehen. Wer stillsteht macht die heftige Bewegung der andern gleich einem festen Punkte sichtbar.

28.

Die Philosophen hielten sich für sehr fein, daß sie ihre ganze Moral unter gewisse Abteilungen untergebracht. Aber weshalb sie lieber in vier als in sechs theilen? Weshalb lieber vier Arten von Tugenden aufstellen als zehn? Man hat angemerkt, in einer kurzen Abhandlung über Indien und den unglücklichen Krieg, den die Habsucht der französischen Compagnie mit der englischen Habsucht führt; man hat angemerkt, sage ich, daß die Brahmanen die Tugend schön und stark mit zehn Armen darstellen, um den zehn Hauptsünden zu widerstehen. Die Missionare haben die Tugend für den Teufel gehalten. Weshalb die Moral lieber in » abstine« und » sustine« zusammenfassen, als in irgend etwas anderem? Aber da haben wir, werdet ihr sagen, alles in einem einzigen Wort zusammengefaßt. Ja; aber es ist unnütz, wenn man es nicht erklärt; und sobald man anfangt es zu erklären, und sobald man diese Vorschrift, die alle andern enthält, eröffnet, so gehen daraus hervor in der früheren Verwirrung, die ihr vermeiden wolltet: und also, wenn sie alle in einer zusammengefaßt sind, sind sie verborgen und unnütz, und wenn man sie herausschälen will, erscheinen sie wieder in ihrer natürlichen Verwirrung. Die Natur hat sie alle aufgestellt, jede für sich; und obgleich man die eine mit der andern zusammenfassen kann, so bestehen sie doch unabhängig von einander. Also haben all' jene Theilungen und Worte kaum einen anderen Nutzen, als das Gedächtnis zu unterstützen und um als Adresse zu dienen für das, was sie einschließen.

29.

Wenn man mit Nutzen tadeln will, und einem andern beweisen, daß er sich täuscht, so muß man beachten, von welcher Seite er die Sache betrachtet – denn sie ist von der Seite gewöhnlich wahr – und ihm diese Wahrheit zugestehen. Er befriedigt sich damit, weil er sieht, daß er sich nicht täuschte und nur darin fehlte nicht alle Seiten zu sehen. Nun aber ist es keine Schande nicht alles zu sehen; man will sich nur nicht getäuscht haben; und vielleicht kommt das davon, daß der Geist sich von Natur in der Seite, die er betrachtet, nicht täuschen kann, wie auch die Sinneswahrnehmungen stets wahr sind.

30.

Man muß die Tugend eines Menschen nicht bemessen nach seinen außergewöhnlichen, sondern nach seinen gewöhnlichen Handlungen.

31. Es ist falsch, daß die Geringen weniger beunruhigt seien als die Großen. Im Gegentheil, ihre Verzweiflung ist viel lebhafter, weil sie weniger Hilfsmittel haben. Von hundert Menschen, die sich in London und sonstwo tödten, gehören neunundneunzig zum niedrigen Volke, und kaum einer ist höheren Standes. Der Vergleich mit dem Rade ist geistreich und falsch.

Vornehme und Geringe haben dieselben Unfälle, dieselben Trübsale und dieselben Leidenschaften; aber die einen sind oben auf dem Rade und die andern nahe beim Centrum und folglich weniger beunruhigt durch dieselben Bewegungen.

32.

Wenn auch Menschen an dem was sie sagen gar kein Interesse haben, so braucht man deshalb noch nicht absolut zu schließen, daß sie nie lügen; denn es giebt Leute die einfach lügen um zu lügen.

33. Es hätte heißen sollen »ebenso lasterhaft zu sein als er«; dieser Artikel ist zu trivial und unwürdig von Pascal. Es ist klar, daß, wenn ein Mann größer ist als andere, das nicht der Fall ist, weil seine Füße ebenso niedrig, sondern weil sein Haupt weit höher ist. – (Diese Bemerkung Voltaire's bezieht sich auf den in der Ausgabe von Condorcet verstümmelt wiedergegebenen Artikel; und wird bei obiger Fassung desselben hinfällig.)

Das Beispiel der Keuschheit Alexanders hat nicht so viele enthaltsam gemacht, als das seiner Völlerei Unmäßige gemacht hat. Es ist keine Schande, nicht ebenso tugendhaft zu sein als er, und es scheint entschuldbar, nicht lasterhafter zu sein als er. Man glaubt den Lastern des gemeinen Haufens fern zu stehen, wenn man sich in den Lastern der Großen bewegt; und doch beachtet man nicht, daß sie darin zum gemeinen Haufen gehören. Man hält sich an ihnen an dem Ende mit dem sie am Volke haften. So erhaben sie sein mögen, an manchen Punkten hängen sie mit den übrigen Menschen zusammen. Sie schweben nicht in der Luft und sind nicht von unserer Gesellschaft getrennt. Wenn sie größer sind als wir, so ist es weil ihre Häupter höher reichen; aber ihre Füße stehen ebenso niedrig als unsere. Sie sind alle auf gleichem Niveau und stützen sich auf dieselbe Erde; und deshalb sind sie eben so niedrig wie wir, wie die Kinder, wie die Thiere.

34.

Der Kampf gefällt uns, nicht aber der Sieg. Man sieht gern Thierkämpfe, nicht aber den Sieger erbittert über den Besiegten. Was wollte man denn sehen, wenn nicht das Ende des Sieges? Und so wie er da ist, ist man abgekühlt. So im Spiel; so in der Erforschung der Wahrheit. Man sieht in den Wortgefechten gern den Kampf der Meinungen; aber die gefundene Wahrheit betrachten – durchaus nicht. Um sie mit Vergnügen bemerkt werden zu lassen, muß man sie aus dem Wortgefecht entstehen lassen. Ebenso ist es bei den Leidenschaften ein Vergnügen zwei entgegengesetzte einander verletzen sehen; aber wenn die eine Herrin ist, so ist es nur noch Brutalität. Wir suchen nie die Dinge, sondern das Suchen nach den Dingen. Ebenso im Schauspiel, befriedigende Scenen ohne Furcht gelten nichts, ebensowenig das äußerste Elend ohne Hoffnung und die rohen Liebschaften.

35.

Man lehrt die Menschen nicht ehrliche Leute zu sein und man lehrt sie alles andere; und doch spitzen sie sich auf nichts so sehr als hierauf. Also spitzen sie sich darauf gerade das einzige zu wissen, was sie durchaus nicht lernen.

36.

Welch' ein thörichter Vorsatz, den Montaigne gehabt, sich selbst zu zeichnen! und das nicht beiläufig und gegen seine Grundsätze, wie es aller Welt passirt zu irren, sondern gerade nach seinen eigenen Grundsätzen und aus erster und Hauptabsicht. Thorheiten zufällig und aus Schwäche sagen ist ein gewöhnliches Übel; aber sie mit Absicht zu sagen, das ist unerträglich, und noch dazu solche zu sagen wie diese.

37.

Unglückliche beklagen streitet nicht mit der Concupiscenz; im Gegentheil, man ist sehr erfreut sich dies Zeugnis der Menschlichkeit ausstellen zu können und sich den Ruf der Zärtlichkeit zu verschaffen, ohne daß es etwas kostet: also ist es nichts Besonderes.

38.

Wer die Freundschaft des Königs von England, des Königs von Polen und der Königin von Schweden besessen, würde der geglaubt haben, daß es ihm an einer Zuflucht und einem Asyl auf der Welt fehlen könnte?

39.

Die Dinge haben verschiedene Eigenschaften, und die Seele verschiedene Neigungen; denn nichts was sich der Seele darbietet ist einfach, und die Seele bietet sich niemals irgend einem Gegenstande einfach dar. Daher kommt es, daß man zuweilen über ein und dasselbe Ding weint und lacht.

40.

Es giebt verschiedene Klassen Starker, Schöner, Kluger und Frommer, deren jeder auf seinem Gebiete herrschen muß, nicht anderswo. Sie treffen zuweilen auf einander, und der Starke und Schöne streiten sich sehr thöricht darum, wer der Herr des andern sein soll; denn ihre Herrschaft ist von verschiedener Art. Sie verstehen sich nicht und ihr Fehler ist überall herrschen zu wollen. Nichts kann das, selbst nicht die Stärke: sie vermag nichts im Reiche der Weisen; sie ist nur Herrin über äußere Handlungen.

41.

» Ferox gens nullam esse vitam sine armis putat«. Sie lieben den Tod mehr als den Frieden: andere lieben den Tod mehr als den Krieg. Jede Meinung kann dem Leben vorgezogen werden, obwohl die Liebe zu ihm so stark und natürlich erscheint.

42.

Wie schwer ist es, einem andern eine Sache zur Beurteilung vorzulegen, ohne sein Urtheil durch die Art, wie man sie ihm vorlegt, zu bestechen! Wenn man sagt: Ich finde es schön, ich finde es dunkel, so zieht man die Einbildung zu diesem Urtheil mit fort, oder man reizt sie zum Gegentheil. Es ist besser nichts zu sagen; denn dann urteilt er nach dem was es ist, d. h. nach dem was es dann ist, und je nachdem andere Umstände, über die man keine Macht hat, darüber bestimmt haben; wenn nicht etwa auch das Schweigen seine Wirkung ausübt, je nach der Bedeutung und Erklärung, die er ihm zu geben geneigt ist, oder je nach dem was er aus dem Gesichtsausdrucke oder dem Ton der Stimme schließt: so leicht ist es ein Unheil nach seiner natürlichen Stimmung zu beweisen, oder vielmehr, so wenig Festes und Sicheres ist dabei.

43.

Montaigne hat Recht: die Gewohnheit muß befolgt werden, sobald sie Gewohnheit ist und sobald man sie in Kraft und Giltigkeit findet, ohne daß man prüft, ob sie vernünftig ist oder nicht; das gilt immer von dem, was nicht mit natürlichem oder göttlichem Rechte streitet. Es ist wahr, das Volk befolgt sie aus dem einzigen Grunde, weil es sie für gerecht hält, und sonst würde es sie nicht mehr befolgen; denn man will nur der Vernunft oder der Gerechtigkeit unterthan sein. Die Gewohnheit würde ohne das für Tyrannei gelten; während die Herrschaft der Vernunft und der Gerechtigkeit ebenso wenig Tyrannei ist, als die der Freude.

44.

Die Wissenschaft von der Außenwelt wird uns nie über die Unkenntnis der Moral in Zeiten der Trübsal trösten; aber die Wissenschaft von den Sitten wird uns stets trösten über die Unkenntnis der Außenwelt.

45.

Die Zeit mildert die Trübsale und Klagen, weil man sich verändert und gleichsam ein anderer Mensch wird. Weder der Beleidiger noch der Beleidigte ist derselbe geblieben. Es ist als ob man ein Volk beleidigt hätte und nach zwei Generationen wiedersähe. Es sind noch Franzosen, aber nicht mehr dieselben.

46.

Natur des Menschen: Unbeständigkeit, Langeweile, Unruhe. Wer die Eitelkeit des Menschen von Grund aus kennen will, braucht nur die Ursachen und Wirkungen der Liebe zu erwägen. Ihre Ursache ist »ein ich weiß nicht was« (Corneille); und ihre Wirkungen sind entsetzlich. Dies »ich weiß nicht was«, eine solche Kleinigkeit, daß man sie nicht erkennen kann, bewegt die ganze Erde, die Fürsten, die Heere, die ganze Welt. Wenn die Nase der Cleopatra kürzer gewesen wäre, hätte sich die ganze Gestalt der Erde verändert.

47. Man bildet sich wohl gewöhnlich ein, daß Alexander und Cäsar von Hause weggingen mit der Absicht die Welt zu erobern? Das ist nicht der Fall. Alexander succedirte Philipp in der Feldherrnwürde Griechenlands und er wurde beauftragt mit dem gerechten Unternehmen die Griechen zu rächen für die Ungerechtigkeiten des Perserkönigs; er bekämpfte den gemeinsamen Feind, und setzte seine Eroberungen bis Indien fort, weil das Königreich des Darius sich bis Indien ausdehnte: ebenso wie der Herzog von Marlborough bis nach Lyon gekommen wäre ohne den Marschall von Villars. Was Cäsar anbetrifft, so war er einer der Ersten in der Republik: er überwarf sich mit Pompejus, wie die Jansenisten mit den Molinisten, und so war die Frage, wer weichen würde: eine einzige Schlacht, in der kaum zehntausend fielen, entschied über alles. Im Übrigen ist der Gedanke Pascals vielleicht in einer Beziehung falsch. Cäsar bedurfte der Reife, um sich mit so viel Intriguen zu befassen; und es ist vielleicht wunderbar, daß Alexander in seinem Alter auf das Vergnügen um eines so mühevollen Krieges willen verzichtete.

Cäsar war, wie mir scheint, zu alt, um Vergnügen daran zu finden, die Welt zu erobern. Dies Vergnügen war gut für Alexander: er war ein junger Mann, den aufzuhalten schwierig war; aber Cäsar hätte reifer sein sollen.

48.

Das Gefühl der Falschheit gegenwärtiger Freuden, und die Unkenntnis der Eitelkeit ferner Freuden verursachen die Unbeständigkeit.

49.

Fürsten und Könige spielen zuweilen. Sie sind nicht immer auf ihren Thronen: das wäre langweilig. Die Größe muß verlassen werden, damit man sie fühlt.

50.

Meine Laune hängt kaum von der Zeit ab. Ich habe mein schlechtes und gutes Wetter in mir; der gute und schlechte Stand meiner Angelegenheiten hat wenig Einfluß darauf. Manchmal erhebe ich mich von selbst gegen das Unglück und der Ruhm es zu bezwingen läßt es mich fröhlich bezwingen, während ich in anderen Fällen den Indifferenten und Übersättigten spiele im Glück.

51.

Wenn ich meinen Gedanken niederschreiben will, entschlüpft er mir zuweilen; aber das erinnert mich an meine Schwäche, die ich stündlich vergesse; das belehrt mich ebenso sehr, wie mein vergessener Gedanke, denn ich erstrebe nur, mein Nichts zu erkennen.

52.

Es ist eine wunderbare Betrachtung, daß es auf der Welt Leute giebt, die auf alle Gesetze Gottes und der Natur verzichtet, sich nun aber selbst solche gemacht haben, denen sie pünktlich gehorchen; wie z. B. die Diebe, etc.

53.

Dieser Hund gehört mir, sagten jene armen Knaben; das da ist mein Platz in der Sonne: das ist Anfang und Abbild der Usurpation der ganzen Erde.

54.

Ihr seid bei schlechter Laune; bitte, entschuldigt mich. Ohne diese Entschuldigung hätte ich nicht bemerkt, daß dabei Unrecht war. Mit Erlaubnis zu sagen, schlecht war nur die Entschuldigung.

55.

Man denkt sich Plato und Aristoteles gewöhnlich in langen Gewändern, und als stets gewichtige und ernste Persönlichkeiten. Es waren gute Gesellschafter, die wie andere mit ihren Freunden lachten: und wenn sie ihre Gesetze und Abhandlungen vom Staat schrieben so geschah es spielend und zur Zerstreuung. Dies war der am wenigsten philosophische und ernsthafte Theil ihres Lebens. Der philosophischste war einfach und ruhig zu leben.

56.

Der Mensch liebt die Bosheit: aber nicht gegen die Unglücklichen, sondern gegen die stolzen Glücklichen; man täuscht sich, wenn man anders darüber urtheilt.

Das Epigramm des Martial auf die Einäugigen ist nichts werth, denn es tröstet sie nicht und dient nur dem Ruhme des Autors. Alles was nur für den Autor ist, ist nichts werth, » Ambitiosa recidet ornamenta«. ( Horat. ars poet.) Es muß denen gefallen, welche menschliche und zarte Empfindungen haben, nicht aber barbarischen und unmenschlichen Seelen.

57.

Ich befinde mich schlecht bei solchen Complimenten: Ich habe euch viel Mühe gemacht; ich fürchte euch zu langweilen; ich fürchte, dies wird zu lang sein: entweder man reißt mich fort oder man ärgert mich.

58.

Ein wahrer Freund ist selbst für große Herren – um Gutes von ihnen zu reden und sie selbst in ihrer Abwesenheit zu unterstützen – etwas so Vortheilhaftes, daß sie alles thun müssen, um einen zu haben. Aber sie mögen gut wählen; denn wenn sie all' ihre Anstrengungen für einen Narren verschwenden, so wird ihnen das unnütz sein, soviel Gutes er auch von ihnen sagen mag: und er wird noch nicht einmal Gutes von ihnen sagen, wenn er sich als der Schwächste fühlt; denn er hat kein Ansehn, und also wird er zur Gesellschaft mit schmähen.

59.

Wollt ihr, daß man Gutes von euch spricht? sagt nichts davon.

60.

Man verspotte nicht diejenigen, welche sich wegen ihrer Ämter und Anstellungen ehren lassen; denn man liebt niemanden als um erdichteter Eigenschaften willen. Alle Menschen hassen sich von Natur. Ich nehme es als ein Factum, wenn sie genau wüßten, was die einen von den andern reden, es gäbe keine vier Freunde auf der Welt. In der ausgezeichneten Comödie »Plain Dealer«, der Mann von freimüthiger Lebensart (ausgezeichnet in englischer Weise) sagt der »Plain Dealer« zu jemandem: »Du behauptest mein Freund zu sein; laß uns sehen, wie willst du das beweisen? – Meine Börse steht dir zur Verfügung. – Und dem ersten besten Mädchen. Bagatelle. – Ich werde mich für dich schlagen. – Und für die Beschuldigung einer Lüge; das ist kein großes Opfer. – Ich sage Gutes von dir denen ins Gesicht, die dich lächerlich machen. – Ah, wenn das der Fall, dann liebst du mich. Das wird klar durch die Streitigkeiten, welche zuweilen gemachte indiscrete Äußerungen hervorrufen.

61.

Der Tod, ohne daran zu denken, ist leichter zu ertragen, als der Gedanke an den Tod, ohne Gefahr.

62.

Daß etwas so Augenfälliges wie die Eitelkeit der Welt so wenig bekannt ist, daß es befremdet und überrascht, wenn man, Größe zu suchen, für eine Thorheit hält: das ist wunderbar.

Wer die Eitelkeit der Welt nicht erkennt, ist selbst sehr eitel. Und wer erkennte sie nicht, außer den jungen Leuten, die ganz versunken sind in das lärmende Treiben der Zerstreuung und keinen Gedanken an die Zukunft haben! Aber nehmt ihnen ihre Zerstreuungen und ihr seht sie vor Langerweile vergehen; sie fühlen dann ihr Nichts, ohne es zu erkennen; denn man ist sehr unglücklich, wenn man in unerträgliche Betrübnis geräth, sobald man dazu gezwungen wird, sich zu betrachten, und nicht durch Zerstreuungen davon abgezogen wird.

63.

Jedes Ding ist theils wahr, theils falsch. Die wesenhafte Wahrheit ist nicht so: sie ist durchaus rein und durchaus wahr. Diese Mischung entehrt und vernichtet sie. Nichts ist wahr, wenn man es von der reinen Wahrheit versteht. Man wird den Mord schlecht nennen: ja; denn wir erkennen recht gut das Schlechte und Falsche. Aber was wird man als gut bezeichnen? Die Keuschheit? Ich sage nein: denn die Welt wäre zu Ende. Die Ehe? Nein: die Enthaltsamkeit ist besser. Nicht tödten? Nein: denn die Unordnung würde entsetzlich und die Bösen würden alle Guten tödten. Tödten? Nein: denn das vernichtet die Natur. Wir haben das Wahre und Gute nur stückweis und vermischt mit Schlechtem und Falschem.

64.

Das Böse ist leicht, es giebt dessen unendlich viel; das Gute ist fast einzig. Aber eine gewisse Art des Bösen ist ebenso schwer zu finden, als das was man gut nennt, und oft läßt man nach diesem Merkmal das besondere Böse für gut gelten ... Es nöthigt ebenso einer außergewöhnlichen Seelengröße um dahin zu gelangen, wie zum Guten.

65.

Die Bande, welche die Ehrfurcht der einen mit andern verknüpfen, sind im allgemeinen Bande der Nothwendigkeit. Denn es muß nothwendig Stufenunterschiede geben: alle Menschen wollen herrschen, alle können es nicht, aber einige können es. Die Bande aber, welche Ehrfurcht mit dem und dem im Einzelnen verknüpfen, sind Bande der Einbildung.

66.

Wir sind so unglücklich, daß wir an keiner Sache Vergnügen finden können, anders als daß wir uns betrüben, wenn sie schlecht gelingt, was tausend Sachen thun können und stündlich thun. Wer das Geheimnis entdeckt hätte, sich des Guten zu freuen ohne vom entgegenstehenden Schlechten berührt zu werden, der hätte den richtigen Punkt entdeckt.


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