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Wenn wir in Trauer sind, um den Tod einer Person, die wir lieben, oder um ein anderes Unglück, das uns betroffen; so dürfen wir unseren Trost nicht suchen in uns, noch bei anderen Menschen, noch überhaupt in allem, was geschaffen ist, sondern wir müssen ihn suchen in Gott allein. Und der Grund dafür ist, daß die Creaturen sämmtlich nicht die erste Ursache der Zufälle sind, die wir Übel nennen, sondern daß man, da die Vorsehung Gottes ihre einzige und wahrhafte Ursache, Richterin und Herrin ist, ohne Zweifel geradenwegs an die Quelle gehen, und bis zum Ursprung hinaufsteigen muß, um wirkliche Linderung zu finden. Denn wenn wir dieser Vorschrift folgen, und jenen Todesfall, der uns betrübt, betrachten, nicht als eine Wirkung des Zufalls, noch als eine fatale Naturnothwendigkeit, noch als ein Spiel der Elemente und der Theile, welche den Menschen ausmachen – denn Gott hat seine Auserwählten nicht der Laune des Zufalls überlassen – sondern als eine unumgängliche, unvermeidliche, gerechte und heilige Folge eines Rathschlusses der Vorsehung Gottes, bestimmt ausgeführt zu werden, wenn seine Zeit erfüllt ist; und schließlich, daß alle Ereignisse von aller Zeit her in Gott gegenwärtig und vorherbestimmt waren: wenn wir, sage ich, durch ein Hervorbrechen der Gnade diesen Zufall nicht an ihm selbst und außer Gott betrachten; sondern außer ihm selbst und gerade im Willen Gottes, in der Gerechtigkeit seines Rathschlusses, in dem Gesetz seiner Vorsehung, die seine wahre Ursache, ohne die er nicht geschehen wäre, durch die allein er geschehen ist und nach deren Anordnung er geschehen ist: wir würden in demuthvollem Schweigen die unerforschliche Erhabenheit seiner Geheimnisse anbeten, wir würden die Heiligkeit seines Rathschlusses verehren, wir würden die Führung seiner Vorsehung segnen; und indem wir unseren Willen mit dem Gottes selbst vereinigten würden wir mit ihm, in ihm und für ihn wollen, was er in uns und für uns gewollt hat von aller Ewigkeit.
Es giebt nur Trost allein in der Wahrheit. Ohne Zweifel vermögen Socrates und Seneca nichts zu bieten, was uns in solchen Fällen überzeugen und trösten könnte. Sie waren unter dem Banne des Irrthums, der alle Menschen in dem ersten verblendet hat: sie nahmen den Tod als etwas dem Menschen natürliches; und alle Ausführungen, die sich auf dies falsche Princip stützen, sind so nichtig und so wenig gegründet, daß sie durch ihre Nutzlosigkeit nur die große Schwäche des Menschen im allgemeinen zu beweisen dienen, zumal die erhabensten Schöpfungen der Größesten unter den Menschen so niedrig und so kindisch sind.
Anders verhält es sich mit Jesu Christo, und anders mit den kanonischen Büchern: in ihnen ist die Wahrheit enthüllt, und Trost mit ihnen ebenso unfehlbar verbunden, als er unfehlbar getrennt ist vom Irrthum. Betrachten wir also den Tod in der Wahrheit, die uns der heilige Geist gelehrt. Wir haben den wunderbaren Vortheil der Erkenntnis, daß in Wahrheit und Wirklichkeit der Tod eine Strafe der Sünde ist, dem Menschen auferlegt, um sein Vergehen zu sühnen, dem Menschen nothwendig, um ihn von Sünde zu reinigen; daß er allein die Seele von der Concupiscenz der Glieder befreien kann, ohne welche die Heiligen gar nicht in dieser Welt leben. Wir wissen daß das Leben, zumal das Leben der Christen ein beständiges Opfer ist, das nur durch den Tod vollendet werden kann: wir wissen, daß Jesus Christus bei seinem Eintritt in die Welt sich erwogen und sich Gott als ein Brandopfer und wahrhaftes Opfer dargeboten hat; daß seine Geburt, sein Leben, sein Tod, seine Auferstehung, seine Himmelfahrt, sein ewiges Sitzen zur Rechten seines Vaters, und seine Gegenwart im Abendmahl nur ein einiges und einziges Opfer sind: wir wissen, daß, was an Jesu Christo geschehen, an allen seinen Gliedern geschehen muß.
Betrachten wir doch dieses Leben als ein Opfer; und beachten wir, daß die Unfälle des Lebens auf den Geist der Christen nur in soweit Einfluß ausüben, als sie dieses Opfer unterbrechen oder erfüllen. Rennen wir nur das ein Übel, was das Opfer Gottes zu einem Opfer des Teufels macht; aber nennen wir ein Gut, was das Opfer des Teufels in Adam zu einem Opfer Gottes macht; und nach dieser Regel laßt uns das Wesen des Todes prüfen.
Dazu müssen wir auf die Person Jesu Christi zurückgreifen; denn wie Gott die Menschen nur durch den Mittler Jesus Christus betrachtet, so dürfen auch die Menschen sowohl andere als sich selbst nur in der Vermittlung durch Jesum Christum beschauen.
Gehen wir nicht durch diese Mitte hindurch, so werden wir in uns nur wahrhaftes Unglück, oder abscheuliche Freuden finden: aber wenn wir alle Dinge in Jesu Christo betrachten, so werden wir allen Trost, alle Befriedigung, alle Erbauung finden.
Betrachten wir also den Tod in Jesu Christo und nicht ohne Jesum Christum. Ohne Jesum Christum ist er schrecklich, furchtbar, das Entsetzen der Natur. In Jesu Christo ist er ganz anders, ist er freundlich, heilig und die Freude der Treuen. Alles ist in Jesu Christo süß, bis in den Tod; deshalb hat er gelitten und ist gestorben, um Tod und Leiden zu heiligen: und als Gott und als Mensch ist er alles Höchste und Verworfenste gewesen, um in sich alle Dinge zu heiligen, außer der Sünde, und um das Vorbild aller Lebenslagen zu sein.
Um zu erwägen, was der Tod, zumal der Tod in Jesu Christo, sei, muß man betrachten, welche Stellung derselbe in seiner beständigen und ununterbrochenen Opferung einnimmt, und in Bezug darauf bemerken, daß der Haupttheil bei den Opfern der Tod des Opferthieres ist. Die Darbringung und voraufgehende Heiligung sind Vorbereitungen; die Vollendung aber ist der Tod, worin die Creatur durch Vernichtung des Lebens Gott all' die Huldigung darbringt, deren sie fähig ist, indem sie sich vor dem Antlitz seiner Majestät vernichtet und seine gebietende Existenz, die allein wesenhaft existirt, anbetet. Es ist wahr, es giebt noch einen andern Theil nach dem Tode des Opferthieres, ohne welchen sein Tod unnütz wäre: das ist die Annahme, die Gott dem Opfer zu Theil werden läßt. Das ist in der Schrift gesagt: » Et odoratus est Dominus odorem suavitatis« (Genes. 8, 21.): »Und Gott hat aufgenommen den Duft des Opfers«. Diese Annahme ist es, die in Wahrheit die Oblation vollendet; aber sie ist mehr eine Handlung Gottes gegen die Creatur, als eine solche der Creatur gegen Gott; und sie hindert nicht, daß die letzte Handlung der Creatur der Tod sei.
Alles das ist erfüllt in Jesu Christo. Bei seinem Eintritt in die Welt hat er sich dargeboten: »Er opferte sich selbst durch den heiligen Geist«. (Hebr. 9, 14.) »Da er in die Welt kommt spricht er: Opfer und Gaben hast du nicht gewollt, den Leib aber hast du mir zubereitet. – Da sprach ich: Siehe ich komme; im Buch stehet vornehmlich von mir geschrieben, daß ich thun soll, Gott, Deinen Willen: mein Gott, ich habe es gewollt und Dein Gesetz ist in meinem Herzen«. (Hebr. 10, 5, 7. Ps. 40.)
Das ist seine Darbringung. Seine Heiligung folgte unmittelbar seiner Darbringung. Dieses Opfer hat sein ganzes Leben gedauert und ward vollendet durch seinen Tod. »Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?« (Luc. 24, 26.) »Und er hat in den Tagen seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert zu dem, der ihm von dem Tode konnte aushelfen; und ist auch erhöret, darum, daß er Gott in Ehren hatte. Und wiewohl er Gottes Sohn war, hat er doch an dem, das er litt, Gehorsam gelernet«. (Hebr. 5, 7. 8.) Und Gott hat ihn auferwecket, und hat ihm seine Herrlichkeit gesendet, abgebildet vormals durch das Feuer vom Himmel, welches fiel auf die Opfer um zu versengen und zu verzehren ihren Leib und ihn leben zu lassen das Leben der Herrlichkeit. Das hat Jesus Christus erlangt und das ward erfüllt durch seine Auferstehung.
Da also dieses Opfer vollendet war durch den Tod Jesu Christi, und in Bezug auf seinen Körper sogar abgeschlossen durch seine Auferstehung, in welcher das Bild des sündigen Fleisches durch die Herrlichkeit absorbiert war, hatte Jesus Christus von seiner Seite alles vollbracht; und es blieb nur übrig, daß das Opfer von Gott angenommen würde, und daß, wie der Rauch sich erhob und den Duft trug vor den Thron Gottes, so auch Christus im Zustande der vollkommenen Opferung dargebracht, emporgetragen und vor dem Throne Gottes selbst aufgenommen würde: und das ward vollendet in der Himmelfahrt, in der er emporstieg durch seine eigene Kraft und die Kraft seines heiligen Geistes, die ihn überall umgab. Er ist emporgestiegen, wie der Rauch der Opfer – das Vorbild Jesu Christi – emporgetragen wurde von der ihn haltenden Luft – das Abbild des heiligen Geistes: und die Apostelgeschichte versichert uns ausdrücklich, daß er aufgenommen ward im Himmel, um uns zu versichern, daß sein heiliges auf Erden vollendetes Opfer angenommen und aufgenommen ward im Schooße Gottes.
So war die Sachlage bei unserem Herrn und Heiland. Betrachten wir sie nun bei uns. Wenn wir in die Kirche, die Welt der Gläubigen und zumal der Auserwählten, eintreten, in welche Jesus Christus vermöge eines dem eingeborenen Sohne Gottes eigenen Vorrechtes eintrat in dem Augenblicke seiner Fleischwerdung, sind wir dargebracht und geheiligt. Dies Opfer setzt sich fort durch das Leben und vollendet sich im Tode, in welchem die Seele, in Wahrheit alle Mängel und die Liebe zur Welt, deren Berührung täglich während dieses Lebens befleckt, hinter sich lassend, ihre Opferung vollendet und im Schooße Gottes aufgenommen wird.
Betrüben wir uns also nicht über den Tod der Gläubigen, wie die Heiden, die keine Hoffnung haben. Wir haben sie nicht verloren im Momente ihres Todes. Wir hatten sie, so zu sagen, verloren, als sie durch die Taufe eintraten in die Kirche. Seitdem gehörten sie Gott. Ihr Leben war Gott geweiht; ihre Thaten bezogen sich auf die Welt nur um Gottes willen. Durch ihren Tod sind sie völlig von Sünden gereinigt, und in diesem Augenblicke sind sie von Gott ausgenommen und ihr Opfer hat seine Vollendung und seine Krönung empfangen.
Sie haben gethan was sie gelobt hatten: sie haben das Werk vollendet, das Gott ihnen zu thun aufgetragen: sie haben den einzigen Zweck erfüllt, zu dem sie geschaffen waren. Der Wille Gottes hat sich in ihnen erfüllt, und ihr Wille ist in Gott aufgegangen. Möchte doch unser Wille nicht trennen, was Gott vereinigt hat; und möchten wir doch durch Erkenntnis der Wahrheit erdrücken oder mäßigen die Regungen der verderbten und verlorenen Natur, die nur falsche Vorstellungen hat, und die durch ihre Illusionen die heiligen Regungen trübt, welche die Wahrheit des Evangeliums uns einflößen muß.
Betrachten wir daher den Tod nicht mehr wie Heiden, sondern wie Christen, d. h. mit Hoffnung, wie St. Paulus es gebietet, da das das specielle Vorrecht der Christen ist. Betrachten wir einen Körper nicht mehr als ein stinkendes Luder, denn so zeigt ihn uns nur die trügerische Natur; sondern als den unverletzlichen und ewigen Tempel des heiligen Geistes, wie es der Glaube lehrt.
Denn wir wissen, daß die Körper der Heiligen bewohnt sind vom heiligen Geiste bis zu ihrer Auferstehung, die sich vollzieht vermöge der Kraft eben dieses Geistes, welcher zu diesem Zwecke in ihnen verweilt. Das sind die Gedanken der Väter. Aus diesem Grunde ehren wir die Reliquien der Todten, und gestützt auf dies wahre Princip gab man ehemals den Todten die Eucharistie in den Mund; denn da sie, wie man wußte, der Tempel des heiligen Geistes waren, so hielt man sie für würdig auch mit diesem heiligen Sacramente vereinigt zu werden. Aber die Kirche hat diese Gewohnheit verändert; nicht etwa weil sie die Körper nicht für heilig hielte, sondern weil die Eucharistie, das Brot des Lebens und der Lebenden, eben deshalb nicht den Todten gegeben werden darf.
Betrachten wir die Gläubigen, welche in der Gnade Gottes gestorben sind, nicht mehr so, als hätten sie aufgehört zu leben, obwohl die Natur es an die Hand giebt; sondern als fingen sie an zu leben, wie die Wahrheit es versichert. Betrachten wir ihre Seelen nicht mehr als untergegangen und dem Nichts anheimgegeben, sondern als neubelebt und vereinigt mit dem herrschenden Leben: und berichtigen wir also, auf diese Wahrheiten aufmerksam, die Gedanken des Irrthums, die in uns selbst so ausgeprägt sind, und jene Regungen des Schreckens, die dem Menschen so natürlich sind.
Gott hat den Menschen geschaffen mit zwiefacher Liebe; die eine zu Gott, die andere zu sich selbst; aber mit dem Gesetz, daß die Liebe zu Gott unendlich, d. h. ohne irgend einen anderen Endzweck sei als Gott selbst; und daß die Liebe zu sich selbst endlich sei und in Bezug stehe zu Gott.
In diesem Zustande liebte der Mensch sich nicht nur ohne Sünde, sondern sich nicht zu lieben hätte er auch nicht ohne Sünde vermocht.
Nachdem seither die Sünde gekommen, hat der Mensch die erste jener Lieben verloren; und da die Liebe zu sich in dieser großen Seele, welche einer unendlichen Liebe fähig war, zurückgeblieben, so hat sich diese Eigenliebe in der Leere, welche die Liebe zu Gott zurückgelassen, über die Grenzen und Maßen ausgebreitet; und so hat er sich allein geliebt und alle Dinge für sich, d. h. unendlich.
Das ist der Ursprung der Eigenliebe. Sie war natürlich bei Adam und gerecht in seinem Stande der Unschuld; aber sie ward verbrecherisch und maßlos in Folge seiner Sünde. Das ist die Quelle dieser Liebe und die Ursache ihrer Mängel und ihres Übermaßes.
Ebenso verhält es sich mit der Herrschsucht, der Trägheit und anderen Lastern. Es ist leicht sich ihnen hinzugeben, wegen der Angst vor dem Tode. Diese Angst war natürlich und gerecht in dem unschuldigen Adam, denn da sein Leben Gott sehr angenehm war, so mußte es dem Menschen angenehm sein, und der Tod wäre schrecklich gewesen, weil er ein Leben, das mit dem Willen Gottes harmonirte, beendet haben würde. Seitdem aber der Mensch Sünde gethan ist sein Leben verderbt worden, sein Leib und seine Seele sind Feinde unter einander, und beide Feinde Gottes worden.
Obwohl diese Veränderung ein so heiliges Leben verunreinigt, ist die Liebe zum Leben nichts destoweniger geblieben; und da die Angst vor dem Tode dieselbe geblieben, so ist das, was bei Adam gerecht war, bei uns ungerecht.
Das ist der Ursprung der Angst vor dem Tode, und die Ursache ihrer Fehlerhaftigkeit. Erleuchten wir daher den Irrthum der Natur durch das Licht des Glaubens.
Die Angst vor dem Tode ist natürlich; aber sie ist es im Stande der Unschuld, weil er in das Paradies nicht hätte eindringen können, ohne einem durchaus reinen Leben ein Ende zu machen. Es war gerecht ihn zu hassen, wenn er nicht anders eintreten konnte, als indem er eine heilige Seele von einem heiligen Körper trennte: aber es ist gerecht ihn zu lieben, wenn er eine heilige Seele von einem unreinen Körper trennt. Es war gerecht ihn zu fliehen, wenn er den Frieden zwischen Seele und Leib gebrochen hätte; nicht aber, wenn er die unversöhnliche Zwietracht beschwichtigt. Schließlich wenn er einen unschuldigen Körper betrübt, wenn er dem Körper die Freiheit Gott zu ehren genommen, wenn er einen Körper von der Seele getrennt, der ihrem Willen unterthan war und ihn ausführte, wenn er allem Glück, dessen der Mensch fähig, ein Ende gemacht hätte: so wäre es gerecht ihn zu verabscheuen; aber wenn er ein unreines Leben beendet, wenn er dem Körper die Freiheit zu sündigen nimmt, wenn er die Seele von einem übermächtigen Rebellen und Widersacher aller Antriebe zu seinem Heile befreit: so ist es sehr unrecht, in dieser Beziehung dieselben Gefühle zu hegen.
Laßt uns deshalb nicht aufgeben jene Liebe zum Leben, die uns die Natur verliehen hat, zumal wir sie von Gott empfangen haben; aber sie möge sich erstrecken auf eben das Leben, wofür Gott sie uns gegeben, nicht aber aus einen entgegengesetzten Gegenstand. Und indem wir der Liebe, die Adam zu seinem unschuldigen Leben hatte, und die Jesus Christus selbst für das seinige gehabt hat, zustimmen, laßt uns uns getrieben fühlen ein anderes Leben als das, welches Jesus Christus geliebt, zu hassen, und nur den Tod zu fürchten, den Jesus Christus gefürchtet hat, der nämlich einen Gott wohlgefälligen Leib betrifft; nicht aber vor einem Tode zu beben, der als Strafe eines schuldbeladenen Leibes und als Reinigung eines lasterhaften Leibes uns, wenn wir nur ein wenig Glauben haben, ganz entgegengesetzte Empfindungen der Hoffnung und der Liebe einflößen muß.
Es ist eins der großen Principien des Christenthums, daß alles, was Jesu Christo geschehen, sich an Seele und Leib eines jeden Christen vollziehen muß: daß wie Jesus Christus während seines sterblichen Lebens gelitten, diesem Leben gestorben, auferstanden zu einem neuen Leben und aufgestiegen ist gen Himmel, wo er sitzt zur Rechten Gottes seines Vaters, also müssen Leib und Seele leiden, sterben, auferstehen und auffahren gen Himmel.
Alles das vollendet sich an der Seele während dieses Lebens, nicht aber am Körper.
Die Seele leidet und stirbt der Sünde in der Buße und in der Taufe; die Seele ersteht zu einem neuen Leben in diesen Sacramenten; und schließlich verläßt die Seele die Erde und steigt auf gen Himmel, in dem sie ein himmlisches Leben führt; das läßt St. Paul sagen: »Unser Wandel ist im Himmel«. (Philipp. 3, 20.)
Nichts von alledem geschieht am Körper während dieses Lebens; aber eben dasselbe vollzieht sich an ihm nachher. Denn im Tode stirbt der Körper seinem sterblichen Leben: im Gericht wird er auferstehen zu einem neuen Leben: nach dem Gericht wird er aufsteigen gen Himmel und dort ewiglich bleiben. Also geschieht dem Leibe und der Seele ganz dasselbe, nur zu verschiedenen Zeiten; und die Veränderungen des Leibes geschehen nur, wenn diejenigen der Seele vollendet sind, d. h. nach dem Tode: so daß also der Tod die Krone ist der Glückseligkeit der Seele, und der Anfang der Glückseligkeit des Leibes.
Das sind die wunderbaren Fügungen der Weisheit Gottes in Bezug auf das Heil der Seelen; und St. Augustin lehrt uns in der Beziehung, daß Gott es also geordnet hat aus Furcht, daß man, wenn der Leib des Menschen in der Taufe ein für allemal gestorben und auferstanden wäre, sich dann nur aus Liebe zum Leben dem Evangelium zu Gehorsam begäbe; während die Größe des Glaubens weit herrlicher hervorleuchtet, wenn man zur Unsterblichkeit strebt durch die Schatten des Todes.
Es ist nicht recht, daß wir in Trübsalen und Kümmernissen, die uns betreffen, ohne Empfindung und ohne Schmerz seien, wie die Engel, welche keine Empfindung der Natur haben: es ist auch nicht recht, daß wir ohne Trost seien wie die Heiden, die keine Empfindung der Gnade haben: aber es ist recht, daß wir bekümmert und getröstet sind wie Christen und daß die Tröstung der Gnade die Empfindung der Natur überwiegt, auf daß die Gnade nicht nur in uns sei, sondern in uns siegreich sei; daß also den Namen unseres Vaters heiligend sein Wille der unsrige werde; daß seine Gnade herrsche und gebiete über die Natur; daß unsere Bekümmernisse gleichsam der Stoff eines Opfers seien, welches seine Gnade verzehrt und vernichtet zur Ehre Gottes; und daß diese Einzelopfer ehren und vorbilden das allgemeine Opfer, in dem die ganze Natur verzehrt werden soll durch die Macht Jesu Christi.
Also werden wir Vortheil ziehen aus unseren eigenen Unvollkommenheiten, da sie als Stoff zu jenem Opfer dienen, denn das ist das Ziel der wahren Christen von ihren eigenen Unvollkommenheiten Nutzen zu haben, da den Auserwählten alles zum Besten dient.
Und wenn wir genau darauf Acht geben, so werden wir für unsere Erbauung großen Vortheil finden, wenn wir die Sache im Lichte der Wahrheit betrachten; denn da in Wahrheit der Tod des Körpers nur ein Bild dessen der Seele ist, und da wir doch uns auf dem Grunde erbauen, daß wir uns veranlaßt fühlen für diejenigen, deren Tod wir beklagen, Heil zu erhoffen, so ist gewiß, daß wenn wir unsere Traurigkeit und Betrübnis nicht in ihrem Laufe hemmen können, wir daraus wenigstens den Vortheil ziehen müssen, daß wir einsehen, da der Tod des Körpers schon so schrecklich ist und uns so heftig erschüttert, so werde uns der der Seele noch weit untröstlichere Erschütterung verursachen. Gott hat den ersteren denen gesandt, die wir beweinen; aber wir hoffen, daß er den letzteren von ihnen abgewendet. Betrachten wir daher die Größe unserer Güter in der Größe unserer Leiden, und möge der Umfang unseres Schmerzes das Maß sein für den unserer Freude.
Es würde nichts sie mäßigen können, wenn nicht die Befürchtung, daß ihre Seelen auf einige Zeit in den Qualen schmachten, die bestimmt sind vom Rest der Sünden dieses Lebens zu läutern: und um den Zorn Gottes über sie zu sänftigen, müssen wir uns sorgfältig verwenden.
Gebet und Opfer sind ein sicheres Mittel gegen ihre Qualen. Aber einer der gründlichsten und nützlichsten Liebeserweise gegen die Todten besteht darin, das zu thun, was sie uns geboten, als sie noch auf Erden waren; und uns ihretwegen in den Zustand zu bringen, in welchem sie uns gegenwärtig wünschen.
Durch diese Handlungsweise lassen wir sie in gewisser Beziehung in uns wieder aufleben, da ihre Rathschläge noch in uns lebendig und wirksam sind; und wie die Häresiarchen in jenem Leben bestraft werden für die Sünden, zu denen sie ihre Nachfolger, in denen ihr Gift noch lebt, verleitet haben; also werden die Todten belohnt, außer für ihr eigenes Verdienst für dasjenige, dem sie Nachfolge verschafft durch ihre Rathschläge und ihr Beispiel.
Der Mensch ist sicherlich zu schwach, um richtig über die Folge zukünftiger Dinge urtheilen zu können. Hoffen wir also auf Gott, und mühen wir uns nicht ab in unbesonnener und leichtfertiger Vorsicht. Stellen wir uns Gott anheim in der Fügung unseres Lebens, und Trübsal möge nicht in uns herrschen.
St. Augustin lehrt uns, daß in jedem Menschen eine Schlange, eine Eva und ein Adam sei. Die Schlange sind die Sinne und unsere Natur; Eva ist die böse Begierde, und Adam ist die Vernunft.
Die Natur versucht uns beständig; die böse Lust begehrt oft; aber die Sünde ist nicht vollendet, wenn nicht die Vernunft zustimmt.
Lassen wir also diese Schlange und diese Eva handeln, wenn wir sie nicht hindern können: aber bitten wir Gott, daß seine Gnade unseren Adam so sehr kräftige, daß er Sieger bleibe; daß Jesus Christus Sieger sei und ewiglich in uns regiere.