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Die »Trinité« ist eine antikatholische Kirche, denn sie ist häßlich; das Viertel »Europe« So genannt, weil die meisten Straßen die Namen europäischer Hauptstädte tragen. ist abstoßend, denn es ist heuchlerisch. Als Wohnsitz von Dieben und Dirnen zeigt es eine Schicht protestantischer Ehrbarkeit, die auf die Scheinheiligkeit und Prostitution gelegt ist. Dort sind Robert Macaire und Cora Pearl Robert Macaire, Gauner in Bertrands Roman »L'Auberge des Adrets«. – Cora Pearl, die pariser Buhlerin Emma Crouch. zu Hause: der eine genießt den Gruß des Schutzmanns, die andere die Achtung ihres Portiers: das Laster hat besseres Benehmen als die Tugend.
Eigenartig ist das Aussehen dieser Rue de Bruxelles: ein wirklicher Boulevard des Agios. Auf beiden Seiten erstrecken sich Häuser von der Architektur eines reich gewordenen Matratzenpolsterers; neben den dicken vergoldeten Nummern Platten aus schwarzem Marmor, auf denen man in goldenen Buchstaben »Bank, Credit« liest; alles Handelsgesellschaften mit einem Kapital von einer Drittelmilliarde, wenn man die Aushängeschilder addiert; sollte jedoch die Einzahlung drei Tage aufhören, würden die beauftragten Herren Verwalter der Rue de Bruxelles bis Belgien folgen oder den Gendarmen bis Poissy.
Der Eingang zu den Höhlen dieser Cacus Als Dämon der Finsternis (Coecus) bewohnte Cacus eine Höhle, in die er die Sonnenrinder des Apollo rückwärts hineinzog., die das Gold von den Dummen stehlen statt von den Herden des Apollo, scheint der Ausgang eines römischen Amphitheaters zu sein, wo zwei Gewühle, das eine, das sich hineinstürzt, das andere, das herauskommt, Diebe und Bestohlene mischen.
Kassenboten mit dem Zweispitz und der Bandschleife, in gelbbraunen Ueberziehern, die ein Wappen im Saal der Kreuzzüge und ein laufendes Konto von sechzigtausend Franken auf ihrem Prospekt haben. Leichtgläubige, denen ihre Vertreter eine Auskunft über die Börse von morgen verkaufen; Journalisten, die in ihren Geldbeuteln das Gold des Harpokrates Harpokrates, ägypt. Gott des Schweigens. erklingen lassen; schließlich der Bauer, der die Taler seines Strumpfes leeren will.
Pfui über die Straße Quincampoix und das Barackenspiel Barackenspiel, Glücksspiel auf dem Billard, zu dem eine Scheibe mit numerierten Löchern benutzt wird. Mandrin, Schmuggler, gerädert 1755. Cartouche, Dieb, gest. 1721. des Hotels von Soissons! … Diese Diebe sind Besitzer; der Schutzmann, der jede Viertelstunde vorbeigeht, beschützt sie; das Gericht würde jeden verurteilen, der diese Mandrins und diese Cartouches bei Namen nennen würde: das sind Wähler, Wählbare und Gewählte.
Jedoch, wenn die »Plebs« wieder in ihren Nerven das Bedürfnis fühlen wird, das Pflaster aufzureißen, möge es diese Augias-Ställe reinigen: das wird der geistige Unrat sein.
In der Mitte dieser Rue de Bruxelles erhob sich ein schwerer Prachtbau, der an den spanischen Plateresken-Stil Plateresken-(Goldschmiede-)Stil der spanischen Frührenaissance, der Maurisches, Gotisches, Antikisierendes mischte. erinnerte: »la France nouvelle«. Zehn Stufen führten zu einer Vorhalle empor, wo vier Mosaikgemälde die Weltteile darstellten, ohne Zweifel, weil sie dem Hause zinspflichtig waren. Immer schlagend, ließen drei hohe Glastüren den dumpfen Lärm von fünfhundert Angestellten, die in den fünf Etagen eingepfercht waren, bis auf die Straße rollen. Durch die gebrüllten Börsenaufträge hindurch schrie alle Augenblicke eine blecherne Stimme: ein kleiner Mann von närrischem Aussehen, beweglich, obwohl dickbäuchig, durchschritt die Angestellten, sie »meine Kinder« nennend, wie der Direktor eines Theaters, und ihnen zwischen zwei Vorwürfen Geschenke versprechend.
Das war Marcoux.
Vom Morgen bis zum Abend führte er Leute herum quer durch die Bedienung. Man hieß ihn einen großen Finanzmann: er zuckte die Achseln, als werde er verkannt, wie ein Schriftsteller, den man Literat nennt.
– Ich finanziere nicht, sagte Marcoux, ich verschwöre mich … Das Vermögen? … Oh weh! … Anchovis morgens, Suppenfleisch abends, Stockfisch Sonntags: das ist für meinen Leib. Für meine Seele eine Tätigkeit, die Bewegung verlangt … die den Geist plagt … die mich schreiten, die mich rufen läßt … Die wirkliche Wahrheit, ich kann sie Ihnen sagen, denn Sie sind ein Adeliger: ich will Heinrich wiederkehren lassen!
Da der Angeredete an einen verlorenen Sohn dachte, entstanden Verwechslungen, die Marcoux zornig machten.
– Jedes Mal, wenn die Aktien steigen, sage ich mir: »Das wird ein Schritt weiter auf Heinrich zu sein«, und ich bin glücklich … Ich habe damit angefangen, die Kurse der Bank Combier in Nimes zu machen; mit zwanzig Jahren war ich erst ein Kassenbote; heute bin ich vierzig und besitze ein Kapital von hundert Millionen, fünfhundert Angestellte und die vornehmste Kundschaft von Frankreich … Wenn ich das geleistet habe, werde ich auch den Rest leisten! Ja! Heinrich wird wiederkehren und ich werde zu ihm sagen: »Sire!«
– Sie sagen »Sire« zu Ihrem Sohne? unterbrach ihn der Besucher.
– Ach, ich habe keinen Sohn! Ich spreche von Heinrich, dem König. Sie sind nicht im »Enclos de Rey« Peladan, Der letzte Bourbon (Roman). geboren!
So rief Marcoux mit dem Ton eines Atheners, der einen Böotier in sein Böotien zurückschickt.
Als Gassenjunge hatte er mit Steinwürfen gegen die kleinen Protestanten gekämpft. Jetzt schlug er sich im Börsenspiel gegen die Juden. Als dieser Schüler der Freimaurer aus den Zeitungen sah, daß die ganze Politik unserer diebischen und dirnenhaften Zeit nur eine Börsenfrage war, wurde er, der Lateiner, von einer semitischen Idee erleuchtet: die Lilien auf einem goldenen Dunghaufen wieder aufblühen zu lassen, der Jacques Coeur Schatzmeister Karls VII., gest. 1456. Heinrichs V. zu sein. Gewiß, er war noch weit von seinem Ziel; aber das Unmögliche war in seinen Augen getan. Er hatte dreihundert Millionen in den Händen, und diese Millionen waren keine gewöhnlichen Millionen: sie kamen aus den Klingelbeuteln der Geistlichkeit, aus den Kassetten mit Wappen. Dieses Gold der Vornehmen zu verwalten, war vornehm: wurden seine plumpen Hände nicht heraldisch bei dieser Berührung? Wie jeder Legitimist hatte er eine Schwäche für die Leute mit Titeln: sie schienen ihm Teile der Könige zu sein. Von allen flößte ihm der Prinz von Courtenay eine Verehrung ein, die nicht ihresgleichen hatte; doch wagte er eines Tages zu ihm zu sagen:
– Ihr Name, Hoheit, an der Spitze des Aufsichtsrates und neben dem »Konto Charles« wird es das »Konto Court« geben: zweihunderttausend Franken Anweisungen jährlich, auf den Inhaber ausgestellt.
Der Prinz hatte gedacht ihn hinauszuwerfen.
– Mein Vermögen kann ich aufs Spiel setzen, aber mein Name darf nur in der Geschichte geschrieben sein. Aus seinem Wappen dort ein Schild machen, wo sich der Mißerfolg Schwindel nennt? Niemals!
Doch hatte sich Courtenay von der Hoffnung und dem Traume des Marcoux ergreifen lassen. Oh, den Purpur der Macht diesen Advokaten entreißen, die darauf spucken und sich darin schnauben! Und er hatte sein ganzes Vermögen in diesen Teil der Bank getan, der die Geschicke Frankreichs ändern sollte.
Es war unglaublich, aber Marcoux glaubte an den Triumph seines Planes: er nahm für sich etwas von diesem göttlichen Recht in Anspruch, dem er zu siegen half.
Puvis de Chavannes hatte ihm seine Chimäre an die Decke des Sitzungsaales gemalt.
Eine schöne weinende Frau, im azurblauen Mantel mit blassen Lilienblüten, und zu ihren Füßen ein tief betrübtes junges Mädchen, bedeuteten das verbannte Königtum und den niedergeworfenen Adel. Aber in einem kühnen Fluge, mit zitternden Flügelschuhen, ließ Merkur mit der einen Hand einen Goldregen fallen, erhob mit der andern seinen geflügelten Stab. Bei diesem Signal durchbohrte Apollo, plötzlich erschienen, mit seinen goldenen Wurfspießen die Hydra der Revolution. Während die drei Grazien herbeieilten und sich die Hand gaben, erwachten auf dem Parnaß die neun Musen wie aus einem langen Schlafe.
Diese Allegorie schilderte die Macht des Goldes, welche die Monarchie wieder herstellt, den Adel wieder blühen läßt und die erloschenen Künste und entflohenen Grazien zurückbringt.
Oft geschah es während der Sitzung, daß Marcoux die Beratung vergaß, den Kopf zurückwarf und mit Entzücken diese Freske betrachtete, auf welcher er sich unter den Zügen des Merkur erkannte, er, der Schatzmeister des Königs Heinrich V.!