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Der Sommer

Der Sommer ist ein schöner Mann
Er hat ein gülden Röcklein an
Und weizenfarbne Haare –
Am Kopf sitzt ihm ein stroh'ner Hut,
Der steht dem Junker gar so gut,
Und Augen hat er, sonnenklare.

Auch trägt er einen Wanderstab.
Damit zieht er bergauf, bergab,
Ein Sträußlein auf dem Hute …
Und wenn der heiße Durst ihn quält,
Dann sucht er's Beste auf der Welt:
Bass kühlt er sich im Traubenblute!

Ein wack'rer Spielmann ist er auch –
Musik ist bei ihm alter Brauch,
Er übt sie allerorten.
Schwingt er den Taktstock, fängt es gleich
Zu klingen an in seinem Reich
In jubelnden Akkorden.

Frau Nachtigall singt den Sopran,
Den Bass stimmt keck die Hummel an,
Die Amsel pfeift die Flöte;
Die Trommel schlägt der Specht dazu,
Und aus dem Walde klingt's: Kuku!
Und droben lauscht die Morgenröte.

Auch böse kann der Junker sein! –
Jach schlägt er dann mit Hagel drein
Und Blitz und Donnerwetter …
Doch lange währt sein Zürnen nicht,
Dann schickt er wieder auf zum Licht
Der Vöglein helles Lustgeschmetter.

Oft fährt er auf der Wasserbahn
Dahin in leichtbeschwingtem Kahn
Und lauscht der Nixen Lieder –
Dann taucht er unter in die Flut,
zu kühlen sich das heiße Blut,
Und neuverjüngt ersteht er wieder.

Und wenn im Krug die Fiedel klingt
Und keck der Bursch' die Dirne schwingt
Beim lust'gen Erntefeste,
Dann stellt der Junker auch sich ein!
Mit braunem Bier und goldnem Wein
Bewirtet er die heitern Gäste.

Und wenn der laute Tag erstirbt,
Im Weizenfeld das Heimchen zirpt
Und leis die Wälder rauschen:
Dann nimmt er eine Ros' zur Hand,
Zu wandeln durch das nächt'ge Land,
Die Blütenträume zu erlauschen. –

Fürwahr, er ist ein rechter Held,
Der schönste Sohn der Gotteswelt,
Der Menschheit Segensbronnen!
Sein Füllhorn wird wohl niemals leer,
Und tausendhändig gibt er her
Vom Goldborn seiner Lebenswonnen! …


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