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Die alten Ägypter gaben den Bildnissen ihrer mächtigen Königin Hatschepsut als Ehrenzeichen den Schurz und den Kinnzapfenbart der Männer. Herrscherinnen, die über Völker und Länder gebieten, bekommen in der Überlieferung leicht das männliche Gepräge. Und bei Maria Theresia denkt man auch immer an den Huldigungsschrei der Magyaren, die ihre junge Souveränin als »noster rex« ausriefen. In den Briefen dieser Fürstin spricht aber durchaus ein Frauenelement, freilich nichts vom Weibchenwesen, nichts von lettres de femmes. Dies so wenig wie jenes viragohafte Freizügige der von ihr so geschätzten großen Kollegin in Petersburg, der russischen Katharina. Vielmehr eine in sich gefestigte, durch eine strenge Selbstzucht gegangene, von Gerechtigkeit gegen andere und starkem Verantwortlichkeitssinn ihrer Berufung erfüllte Weibnatur.
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Scheinbar unproblematisch und geradlinig und dadurch für den Witterer psychologischer Raritäten nicht aufreizend, und doch voller Menschlichkeiten, widerspruchsvoll (wenn sie, die ihrem Gemahl überlegen war, in ihren Erziehungsbriefen mit voller Überzeugung und bestem Gewissen das Untertansein der Frau verkündete), voll Temperamentsausbrüchen des Hasses und der Liebe und auch voll der schwachen, mürben Momente auf einsamer, frösteln machender Höhe. Jederzeit aber in jeder Äußerung voll sicheren Charaktergepräges, so daß sich schon solch posthumer Umgang lohnt.
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Diese Frau erscheint durchaus auf wirksame Existenz und auf »Raison« gestellt. Ihre Briefe plätschern daher nie im vergnüglichen Selbstzweck epistolaren Schweifens und behaglichen Plauderschwatzes. Sie haben immer eine Tendenz, sie sind Kundgebungen, Akte, Erlasse, dienende Glieder der planvollen Regie einer Völkerlenkerin, die ihr Amt zu Haus beginnt, bei dem Nachwuchs der eigenen viel verzweigten Familie.
Direkt von sich spricht sie in der so umfänglichen Korrespondenz verhältnismäßig wenig. Selten sind so vertraulich herzliche Zeilen wie die, die sie als das »alte fette Ziehkind« an die Gräfin Edling schreibt, Liselotteschen Biederkeiten verwandt, oder jene schonungslosen Enthüllungen ihrer Depressionsmomente, wenn sie als Hauptmangel ihre Unentschlossenheit und ihren Mangel an Mut bekennt oder über die Öde des Alterns klagt und mit ungewohnter Redseligkeit ihre melancholisch selbstquälerischen Genüsse an der Abstumpfung des Lebenssinns in düsteren Räumen, in ihrem »Totenkabinett« am Aschermittwoch schildert.
Die Züge zu ihrem Wesensbilde, zu ihrem wirklichen und zu dem imaginären, das ihr als Ziel einer vervollkommneten Menschlichkeit vorschwebte, muß man auf indirektem Wege gewinnen. Vor allem kann man das aus den vielen Pädagogenbriefen mit ihrem vollgerüttelten Maß von Erfahrungsregeln. Abgesehen von dem pedantischen und schematischen Religionskanon nach dem Buchstaben stehen hier kluge, welt- und menschenkundige Sätze voll Gerechtigkeit und Adel des Gefühls.
Wie Polonius, den man sehr mit Unrecht für beschränkt hielt, gibt sie ihren Söhnen praktische Reiseregeln, weder zu verschwenderisch noch geizig zu sein, sondern vornehm und sicher in allen Lebenslagen aufzutreten. Sie warnt immer vor dem Extremen, aber nicht aus einer spießigen Neigung für die »goldene Mittelstraße«, sondern aus dem von ihr über alles geschätzten Takt für das Gemäße, Stimmende, Situationsgerechte, aus einem Sinne heraus, den man heute als Stilgefühl bezeichnen würde.
Sie spricht sich heftig gegen Koketterie und Modeübertreibungen aus. Sie beschwört ihre Tochter Marie Antoinette, die übrigens spielend graziös mit der »grantigen Mama« umspringt, keine Zierpuppe zu werden.
Das verhaßte Rotauflegen gesteht sie zu, da es einmal höfischer Brauch, aber entsetzt fragt sie an, ob ihre Tochter wirklich die »A-la-mode«-Frisur trage, die »mit Federn und Bändern aufgesteckt von den Haarwurzeln an sechsunddreißig Zoll in der Höhe messe«.
Dabei hält sie aber sehr auf Gepflegtheit des Anzugs und auf Körperkultur. Alle Nachlässigkeit ist ihr ein Greuel; an ihren Sohn Ferdinand, schreibt sie bekümmert: »Man sagt mir, daß Sie sich sehr vernachlässigen, daß Sie nur noch eine Locke im Haar tragen, in diesem schönen Haar, auf daß ich so stolz war«, und ein andermal dekretiert sie: »Ein Erzherzog muß stets so angezogen sein, daß er jederzeit Besuch empfangen kann«, eine Parallele zu des alten Kaisers Wort: »Die Hohenzollern tragen keine Schlafröcke.« Maria Theresias Ermahnungen an ihre Kinder werfen freilich ein merkwürdiges Licht auf den damaligen Stand der Behandlung des äußeren Menschen. Ausdrücklich wird bedeutet, daß »Waschen und Kämmen alle Tage zu erfolgen hat«, und ernstlich wird in »dem getreuen Bild Seiner Königlichen Hoheit des Erzherzogs Leopold« darüber geklagt, daß dieser durchlauchtige Prinz »unaufhörlich spukt, an den Händen herumbeißt und unsauber ißt«.
Das Stilgefühl der Kaiserin trifft auch den richtigen Maßstab für Zeremoniell und Repräsentation. Sie erkennt in diesen Formen Ausdruck und Symbol der Macht; darum ist sie auch für Wahrung der Schranken. In ihrem pädagogischen System kehrt immer wieder das strenge Verbot der Vertraulichkeit zwischen den kaiserlichen Kindern und der Dienerschaft, die Abwehr jedes Klatsches aus der Niederung. Kein Hochmut liegt darin, sondern die Vorsorge gegen das Schiefe, gegen falschen Ton, gegen all das, was sie an dem Erzherzog Maximilian tadeln muß: »die Familiarität, das Spielen mit den Händen. Sie neigen sehr dazu, nach Art des niederen Volkes zu reden, so zu erscheinen und es nachzuahmen«.
Ist aber die Distanz befestigt, so verlangt sie Freundlichkeit und Höflichkeit auch gegen den Geringsten der Untergebenen, und sie selbst bewies stets ein mütterliches Verantwortlichkeitsgefühl für jede Person ihres Hof- und Haushaltes. Immer ist sie besorgt um die Deutschen, die im Gefolge der heiratenden Töchter ins Ausland ziehen. Sie sollen in jeder Weise sichergestellt sein, denn »was macht uns denn diese Leute anhänglich? Zweifellos unsere gute Lebensart und die Hoffnung, für ihr ganzes Leben versorgt zu sein«. Aus gleichen Erwägungen heraus mahnt sie auch, Putz, Kleider und Spitzen nicht leichtfertig zu kaufen, sondern um den Arbeitern zu helfen und sie zu ermutigen, und immer sollen dabei die vaterländischen Erzeugnisse bevorzugt werden.
Die Anständigkeit der Gesinnung weckt sie in ihren Kindern, Spottlust und Mokieren wird streng unterdrückt, Eintreten für angegriffene Abwesende gefordert, Respekt und Diskretion für die Angelegenheiten der anderen.
Diese so pompös erscheinende, für den Thron geborene Frau bekennt dabei rückhaltlos Kritik an der Fürstenwürde. Immer wieder prägt sie der Jugend das Noblesse oblige ein; ohne Verdienst gäbe es keinen Verlaß auf Volksgunst; Blendwerk halte nicht lange vor: »Wir werden zu genau beobachtet, um undurchdringlich sein zu können; man kennt uns zu genau, als daß wir lange imponieren könnten.« Und sie selbst, die doch der Krone gewachsen war, empfand sie immer – wenn sie sie auch nicht freiwillig abgelegt hätte – als eine schwere Bürde. Sie beglückwünscht Marie Antoinette nicht dazu, und wie sie früher, 1743, von der Krone mit übermütiger Respektlosigkeit scherzte: sie sehe einem »Narrenhäubel« gleich, so belehrte die alternde große Herrscherin ihren achten Erzherzog, der den geistlichen Stand gewählt, über das »beneidenswerte Glück«, nicht zu regieren.
Modern und aufgeklärt klingt das, und eine freie geistige Haltung beweist sie auch gegen Aberglauben und Quacksalberei. Als ihr zur Entbindungshilfe ein Wunderstein geschickt wird, legt sie ihn lächelnd beiseite, erweist aber wiederum die Höflichkeit des Herzens damit, daß sie mit Dank und ohne Zweifel zu äußern das Amulett der Klosterfrau, die es doch gut gemeint, zurückgibt für eine Verwendung bei gläubigeren Gemütern. Sie schätzt dafür die sachlich kenntnisreichen Ärzte, sonderlich den Leibmedikus van Swieten, ohne sie dabei »mehr als nötig zu lieben«, und sie fügt mit einer sympathischen lllusionslosigkeit hinzu: »Es ist besser, sie in aller Ruhe und Stille handeln zu lassen und das Böse wie das Gute aus der Hand Gottes hinzunehmen.«
An solch überlegene, weitschauende, reife Ansichten grenzt merkwürdig eine ganz enge Begriffswelt voll Bigotterie und Puritanismus. Im Gottesdienst geht es nach Schema und Tabulatur, der Beichtvater ist die entscheidende Instanz, die Religionsübungen werden paragraphenmäßig absolviert. Hier legt sie sich und den Ihrigen die peinlichste Strenge auf, und in der »heiligen Zeit« gibt sie mit ihrem »Weibgefolg« das Vorbild. Sie fürchtet nicht, den »lieben Gott zu belästigen«, und »wie ihr Seliger« bekennt sie stolz ihren »Köhlerglauben«.
Noch viel strenger aber als in den geistlichen Angelegenheiten schaltet sie in den fleischlichen. Wie sie mit der berühmten Keuschheitskommission der vergnügten Kaiserstadt ein tüchtiges »Merk's, Wien« versetzte, das erfuhr man schon aus Casanovas Erlebnissen an der schönen blauen Donau. In den Briefen gibt es als Ergänzungen gepfefferte Moraldenkzettel. Aus Klugheit und um nicht zu drakonisch zu wirken, markiert sie Verständnis für die Jugend und gesteht zu, daß sie sich »vielleicht auch ein bißchen viel amüsiert, aber immer in der Ordnung«. Dann aber gewittert's gleich gegen eine Dame, die zu viel Rot auflegt, »ein schlechtes Stück Möbel«; gegen die »Theaterleute«, mit denen sich der Erzherzog Ferdinand zu nah eingelassen. Inständig beschwört sie ihren Sohn Maximilian, der zum Deutschordens-Großmeister ausersehen, vor den Frauen sich in acht zu nehmen, nie mit ihnen allein zu bleiben, weder in der Theaterloge noch bei Besuchen. Versöhnlich – und das verbindet diese theresianische Sphäre der Enge mit jener anderen des weiten und noblen Geistes – wirkt, daß auf die Warnung vor der Vertraulichkeit mit dem andern Geschlecht die Mahnung folgt: »Aber behandeln Sie die Frauen sehr respektvoll und höflich, selbst die aus dem Bürgerstande.«
Maria Theresia versteht die neue Zeit nicht mehr, sie klagt 1774 bitter: »Der Ton, der gegenwärtig hier herrscht, ist der schlechteste für die Religion, den Anstand sowie für das Wohlsein der Familien, und besonders um die jungen Leute zu bilden, die jetzt hier ein äußerst lockeres Leben führen.« In dieser Kritik ihrer Gegenwart berührt sie sich übrigens mit dem damaligen türkischen Gesandten Suleiman, der seine Meinung freilich in ironischer Gelassenheit, mit der unbeweglichen Miene des Orientalen von sich gab. Da einige Frauen sehr dekolletiert erschienen, sagte er zum Dragoman, daß diese Frauen recht arm sein müßten, da sie nicht einmal ein Tuch besäßen, um sich zu bedecken, und daß die jungen Leute sehr wenig zu tun haben müßten, weil man sie beständig unterwegs sähe.
Im Zusammenhang der Sittenkritik entrüstet sich Maria Theresia auch über den Begriff der »zwanglosen Freiheit, den man im aufgeklärten Jahrhundert anstelle der Religion gesetzt hat«, und weiter grollt sie: »Der Geist des Aufruhrs fängt an allgemein zu werden, es gibt keinen Hof und keine Fürsten mehr.« Aus diesen Äußerungen erkennt man, daß die Kaiserin trotz mancher so unbefangen und ungebunden klingenden Grundsätze doch ganz in der alten Welt wurzelte. Ihre stets wache Sorge für Volk und Untergebene, ihr Sinn für Rücksicht auf die Interessen der Schwächeren entsprang nicht, wie es vielleicht beim ersten Zusehen scheinen konnte, sozialen Regungen, es war vielmehr die Konsequenz des mit dem Bewußtsein ihrer hohen Würde verbundenen Gerechtigkeitsgefühls der religiösen Verantwortung und vor allem ihrer Auffassung vom patriarchalischen Regiment. Sie thronte als mater patriae über ihren Völkern, alle waren ihre Kinder, ihr ganzes Pflichtbewußtsein galt ihnen. Aber zuerst mußten sie gehorchen und der mütterlichen Überlegenheit sich demütig und ehrfurchtsvoll beugen.
Diese Einstellung und zugleich der Gegensatz zweier Epochen enthüllt sich unzweifelhaft in dem Verhältnis zu ihrem Sohn, dem Kaiser Joseph II., dem »Freigeist«, dem »Aufklärer«, an dem sie mit so schmerzlicher Liebe litt, den sie als einen Verlorenen aufgab, und den sie doch immer wieder von seinem »Irrwahn« zum »echten Glauben« zurückretten wollte.
Sie nennt ihn »eine Kokette des Geistes«, sie schreibt ihm nach der Schweiz, »dem Asyl aller Verbrecher und Narren«, daß seine »allgemeine Toleranz der Monarchie das schlimmste Übel zufügen würde«. Sie ringt um seine Seele mit Inbrunst und beschwört ihn: »Schließen wir Frieden, mein lieber Joseph, sein Sie der Patriarch, der Vater ihres Volkes«.
Sie schmeichelt ihm, sie stellt ihn über den »großen Mann von Preußen«, Friedrich. Aber trotz aller Bemühungen, sich gegenseitig zu schonen, einander durch scheinbares Nachgeben, Verzichten, Zurücktreten eine Illusion zu verschaffen, ist der Abgrund nicht zu überbrücken. Und er klafft noch weiter als in innerpolitischen und Weltanschauungsdingen in der »kriegerischen Affäre«. Maria Theresia hatte sich als gute Hasserin mit ihrem Feind, dem Preußenkönig, den sie mit weiblich entfesselter Wut, »Scheusal, Monstrum, Charlatan, Ungeheuer« nennt, in drei Kriegen herumgeschlagen. Nun ward sie müde und verzichtend, und als die Furia noch einmal losgehen sollte, versagten ihr Temperament und Zuversicht. Sie wollte den Frieden. Und das führte zu den schwersten Konflikten zwischen Mutter und Sohn, zwischen Souveränin und Feldherrn. Ihre Resignation und Josephs Soldatenehre prallen zusammen. Auch ihr wird die Entsagung und der Rückzug nicht leicht, aber sie fühlt, daß sie ihre »Staaten vor der grausamen Verwüstung bewahren und daher aus diesem Krieg heraus muß«. Sie selbst knüpft die Friedensverhandlung an, trotz des drückenden Bewußtseins, daß der Friede »kaum recht ehrenhaft« werden könne. 1778 ist das schlimme Jahr dieser Ereignisse, und Joseph wird durch seine Mutter in die tiefste Verzweiflung gestürzt: »Was bleibt mir noch anderes übrig, als alles hier in Stich zu lassen und fortzuziehen, Gott weiß wohin?« Dieser Fassungslosigkeit gegenüber rafft sich die Kaiserinmutter noch einmal zu ganzer Größe auf und deutet, voll Gefaßtheit über die Trümmer in die Zukunft blickend, dem Sohn seine neue Aufgabe: »Man muß den Mut haben, sich zu einem Opfer zu verstehen und sich Rechenschaft zu geben. Wir waren eine Großmacht, jetzt sind wir es nicht mehr. Man muß die Untertanen, die uns geblieben sind, glücklicher machen, als sie unter meiner unglücklichen Regierung waren.« Und sie appelliert an sein Gefühl und spricht jetzt, gewiß ohne daß es ihr bewußt wird, ganz die weltbürgerliche Sprache der neuen Humanität, die ja mehr josephisch als theresianisch ist: »Beginnen Sie Ihre Regierung damit, Ruhe, Frieden und Glück denen zurückzugeben, die es so wohl verdienen. Sie werden dann selbst das Glück der andern genießen, sogar auf Kosten Ihrer persönlichen Größe. Ich kenne Ihr Herz und vertraue ihm. Retten Sie Ihr Volk, und Sie werden mehr Ruhm erwerben als durch alle Titel eines Eroberers.«
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Am persönlichsten und fraulichsten betätigt sich Maria Theresia in ihren Briefen der Erziehung zur Ehe. Ein kleines Ehezuchtbüchlein könnte man daraus zusammenstellen. Hier gibt die große Fürstin ihr Weibliches und auch ihr Allzuweibliches. Ihre eigenen Brautbriefe stehen zu Anfang, in denen sie gar zärtlich und voll Demut an den Zukünftigen, ihren hohen Herrn, den Herzog Franz von Lothringen schreibt, sie sei in Sorge wie eine »arme Hündin«, sie ruft ihm »Adieu Mäusl« zu, während seine Huldigungen sehr »obligieret«, steifleinen und kurialisch sind. Daß sie später nicht nur als die Landesherrscherin mit unbeschränkter Machtvollkommenheit waltete, sondern auch zu Haus absolut regierte, ist bekannt. Interessant aber scheint, wie die Witwe den toten Kaiser, der doch nur ein prince-consort ohne Ehrgeiz, aber mit praktischer Ausnützung aller Vorteile der Situation gewesen, steigernd erhöhte, ihn als Mustergatten und -fürsten aufstellte und allen anderen Frauen für den Ehestand als Gesetz verkündete: »Er soll dein Herr sein.« Entweder hatte sich ihr die eigene Erinnerungsvorstellung verschoben, oder sie schätzte die Idee, die sie vom Heiraten hatte, höher als das persönliche Erlebnis und wollte, daß wenigstens die Ehen der anderen, da es die ihrige nicht getan, jene Idee erfüllten.
Die Erzherzogin Caroline, die Königin von Neapel, warnt sie aufs dringlichste vor der Einmischung in die Staatsgeschäfte. Glück blüht für sie natürlich nur in der »legitimen Liebe«, aber auch hierzu gehört Klugheit und Selbstbeherrschung. Maria Theresia weist auf das Gefährliche allzu unbeherrschter Zärtlichkeit hin, die leicht dem Gemahl zur Last falle: »Dieser delikate Punkt ist ja die gewöhnliche Klippe, an der die zärtlichen und tugendhaften Frauen, die sich aus Neigung verheiraten Schiffbruch leiden. Je sparsamer Sie mit Ihren, wenn auch unschuldigen Zärtlichkeiten sind, desto mehr werden Sie gesucht werden.« »Gefällig, sanftmütig, unterhaltend«, aber ohne leere Schwatzhaftigkeit soll die Frau sein. »Die häßlichsten und ältesten Frauen haben häufig durch ihr Geschick, die Leute zu unterhalten und anzuziehen, die stärksten Leidenschaften erweckt, während die hübschesten Frauen vernachlässigt werden, weil ihnen diese Eigenschaften fehlen.«
Als Gefährlichstes wird die Eifersucht angesehen. Und von tiefer Erkenntnis gefühlschemischer Prozesse zeugt der Rat, den Mann nicht mit Eifersüchteleien zu necken; »von Scherzen kommt man zu Vorwürfen, es mischt sich Bitterkeit darunter, die gegenseitige Achtung und Annehmlichkeit des Lebens entflieht, und es stellt sich Abneigung ein.« Überhaupt tritt sie für die Freiheit des Mannes ein; »je weniger Zwang Sie ihm auferlegen, desto sicherer werden Sie ihn fesseln.« Sie geht sogar so weit, das »geduldige Ertragen der Verirrungen des Ehemannes« zu verlangen. Aber auch an den Herrn der Schöpfung legt sie ideale Forderungen. Ihre große Menschenklugheit erkennt man dabei darin, daß sie bei ihren Ratschlägen für das Verhalten zweier Parteien zueinander immer an das Angenehmmachen der einen für die andere denkt. So, aus solchem weiteren Überschauen erklärt sich manch scheinbarer Widerspruch, wenn sie z. B. dem Erzherzog Leopold anempfiehlt, seiner Gattin »trotz des Altarschwurs der Unterwürfigkeit nicht den Herrn zu zeigen, sondern zärtlicher Gatte und wahrer Freund zu sein, damit sie niemals Ihre Autorität fühlt«. Und ebenso ermahnt sie den Erzherzog Ferdinand, abgesehen von der Rücksichtnahme der Frau gegenüber in »Kleidung, Benehmen, Reinlichkeit und Anstand«, zu Nachgiebigkeit und Geselligkeit: »das läßt uns für unsere Ehemänner durchs Feuer gehen.«
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In der Ehe bleiben für Maria Theresia als Mutter und Schwiegermutter die Hauptsache die Kinder. Sie selbst meinte bei ihrem zehnten Kinde, sie wäre recht zufrieden, nun Schluß zu machen, denn sie fühle, wie es sie »schwächt und recht altern läßt und für Kopfarbeit weniger fähig macht.« Sie brachte es aber auf sechzehn, und ihre Hauptpassion war, die sage-femme für die jungen Frauen, die Novizen der Mutterschaft, zu spielen. Sie schickt Töchtern und Schwiegertöchtern in schönen Dosen stärkende und beruhigende Pillen für die schwierige Adventszeit.
Der italienischen Schwiegertochter, Marie Beatrix, sendet sie eine Brieftasche aus rosafarbener Seide mit grüner Stickerei und den Initialen M. T., dazu eine Miniature und Verhaltungsmaßregeln. Sie befürchtet bei ihr, die »so zart, mehr Geist, mehr Seele als Körper« ist, die Gefahr von Fehlgeburten; sie wünscht ihr, daß ihr Appetit, der im Gegensatz zur robusten Eßlust ihres Gemahls Ferdinand, »allzu winzig ist«, zunähme, und bittet sie, sich besser zu ernähren: »da die Luft in Deutschland viel stärker ist, dürfte ich nie daran denken, Sie ihr auszusetzen, wenn Sie nicht dicker sind.« Glücklich verzeichnet sie die Zukunftstermine der bevorstehenden königlich europäischen Schwangerschaften, eine Art Niederkunftskalender. Jede »gute Hoffnung« der ihr Nahestehenden begrüßt sie als ein persönliches Geschenk für sich. Und stark lebensbejahend spricht sie über Geburt und Grab, über das tote und das lebendige Kind: »Der kleine Engel braucht keine Klage, der kleine Heide aber alle Sorgfalt.«
Durch Kinder kann bei ihr alles gutgemacht werden. Auch mit ihren Söhnen, denen sie oft und derb den Kopf wäscht, redet sie in einem ganz anderen Ton, sobald diese, was ja eigentlich auch vor dem berühmten Wilhelm-Busch-Vers als keine Heldentat galt, Vater geworden sind.
Im Mai 1773 kanzelt sie ihren Erzherzog Ferdinand noch gründlichst ab wegen seiner Possen und Hundedressiererei: »Ich gestehe, daß ich dieses Vergnügen für Sie recht verderblich finde, besonders wegen der Reinlichkeit, worin Sie sich nicht besonders auszeichnen. Ihre Leidenschaft für die Hunde ist mir bekannt, ebenso weiß ich, wie gut Sie es verstehen, die Zeit totzuschlagen, und das wird immer ein Anlaß zu schädlicher und ich muß sagen zu kindischer Zerstreuung sein. Wenn man Familie hat, passen keine Hunde dazu.« Im November aber, als ihr der Sohn durch Eilkurier die Geburt einer Erzherzogin anzeigt, da apostrophiert sie den, den sie eben noch wegen seiner »Hundelei« wie einen dummen Jungen behandelt, als »Mein Herr Sohn und verehrungswürdiger Papa und glücklicher Gemahl«.
Ehebett ist ihr überhaupt nur wichtig als Etappe zum Kindbett. Und so wird von allen ihren matrimonialen Interessen das größte das für das Beilager ihrer Tochter Marie Antoinette mit dem Dauphin von Frankreich. Es ist ein kindliches Paar, sie fünfzehn, der Hochzeiter sechzehn, als 1770 dieser Bund eingesegnet wird.
Maria Theresia verhält sich zunächst ab wartend. Sie läßt sich genau über die Intimitäten dieser Ehe durch den Grafen Merey unterrichten, ohne daß der gerade viel Intimes und Angenehmes für das mütterliche Ohr berichten kann. Gewunden diplomatisch muß er nur zugeben, daß der Dauphin sehr schwächlich und schüchtern, daß er sich nicht traut, im Gemach der Frau Dauphine zu schlafen. Es würde sich noch um etwas Geduld handeln, »in allem die richtige Ordnung herzustellen«, aber leider wolle man in diesem Lande alles vor der Zeit erzwingen, und so »machten der König und Mesdames durch ihre Reden die Frau Dauphine aufgeregt und besorgt.«
Das klingt dem natürlich-derben Sinn Maria Theresias fremd und unsympathisch. Sie beherrscht sich aber noch und redet zunächst der Tochter gut zu: noch wäre nichts verloren, sie solle nur doppelt liebenswürdig sein; vor allem müsse sie ihre Figur pflegen, ein Korsett tragen, um »nicht auseinanderzugehen und die Taille einer Frau zu bekommen, noch ehe sie eine geworden«. Die größte Besorgnis aber hat sie, daß eine Raffinierte ihrer Tochter in usum delphini zuvorkäme und die Lilien der kronprinzlichen Unschuld ihr wegpflücken könnte. Nach weiteren resultatlosen Jahren jedoch fängt ihr unbefriedigter Großmuttertrieb an zu rasen. Sie fühlt sich im Stich gelassen, betrogen; als einzige Genugtuung bleibt ihr dabei, daß der Fehler nicht auf selten der Tochter liegt. Sie zetert gegen den nun zwanzigjährigen Ehemann und dessen unbegreifliche Kälte gegen seine hübsche Frau. Ihr »Argwohn über die körperliche Konstitution dieses Prinzen« mehrt sich, trotz »aller Beteuerungen der Fakultät«. Und zu dem Perücken-Satyrspiel, das hinter diesen Zeilen mit Molièreschen Humoren auftaucht, gesellt sich als groteske Ergänzung die ultima ratio des empörten Mutterherzens: der Kaiser solle bei seinem Aufenthalt in Versailles die Möglichkeit finden, »diesen indolenten Ehemann zu veranlassen, sich seiner Pflicht besser anzunehmen«.
Diese ehelichen Schwierigkeiten erinnern übrigens voll merkwürdiger Ähnlichkeit an die Heiratsgeschichte der von Maria Theresia so gehaßten Katharina von Rußland und an das Machtwort, das die kaiserliche Schwiegermutter der Oberhofmeisterin der jungen Herrschaften sagen ließ. Dies Wort ward nicht fruchtbringend. Hingegen regte sich denn doch aus Paris schließlich frohe Botschaft. Und nun gerät die Mutter und Spe-Großmutter in Wien in Feuer und Flamme und schickt sofort gute Ratschläge der Vorsicht und Schonung. 1779 erfolgt die Entbindung von einer Tochter. Ungeduldig sieht die Großmutter weiteren Ereignissen und Leistungen entgegen, die »hoffentlich nicht wieder acht Jahre dauern mögen; wir brauchen einen Dauphin, mein Alter läßt kein langes Warten mehr zu …«
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Ein Jahr später starb Maria Theresia, und aus der »Relation«, die ihre älteste Tochter, die Erzherzogin Marianne, über die letzten Tage und Stunden niederschrieb, empfängt man noch einmal das Bild einer vollen, gefaßten, ganzen Menschlichkeit.
In ihrem Sessel saß sie, hatte eine »geheffte Hauben auf und einen braunen Männerschlafrock an, so sie alzeit tragte«. Sie segnete ihre Kinder, die im Kreis um sie standen, sie bat ihren Leuten öffentlich ab. Sie dachte dann nur noch an die anderen: »Es ist nicht vor mich, daß ich ein End meines Leidens wünsche, aber vor Euch, denn ich bring Euch um, ich sehe, wie Ihr leidet.«
Und als man ihr zu schlafen riet, antwortete sie: »Wie wollt Ihr, daß ich schlafen soll, indem ich jeden Augenblicke erwarte, vor meinen Richter gerufft zu werden. Ich förcht mich zu schlaffen, denn ich will nicht überfallen werden und will ganz den Tod kommen sehen.« So ging sie hinüber, ruhevollen Geistes, und es ist um diese Sterbende etwas von jenem Wort des späteren österreichischen Dichters, von dem sie sonst freilich eine Welt trennt: »Mir kann nix geschehn« …